Kommentar zu Rohstoffbeiträgen bei „Hallo Niedersachsen“ (NDR)

In der abgelaufenen Woche war beim niedersächsischen Landesmagazin des NDR „Rohstoffe“ ein Thema. Vier Beiträge thematisierten dabei die Erdöl- und Erdgasgewinnung. Diese waren insgesamt erfreulich sachlich gehalten, obwohl ein grober Schnitzer zum zuvor ausgestrahlten Beitrags zum Gips Schlimmstes befürchten ließ. Gips (chemisch CaSO4 x 2H2O) wurde mit Steinsalz (NaCl) synonymisiert.  Abgesehen von einer Ausnahme waren die Beiträge zur Kohlenwasserstoffgewinnung sachlich, teilweise sogar spannend gestaltet. Hier ein Kommentar zu den jeweiligen Beiträgen:

1. Erdölförderung im Emsland und der Grafschaft Bentheim

Untermalt mit Country-Musik wird der Beitrag eingeleitet. Die Region wird hinsichtlich der Erdölförderung als die wertvollste Westeuropas bezeichnet. das kann man so nicht stehenlassen, denn schließlich wird gegenwärtig mehr Erdöl aus dem Offshore-Feld „Mittelplate“ im schleswig-holsteinischen Wattenmeer gefördert als aus den  Feldern westlich der Ems insgesamt. Dass in der Region Erdölgeschichte geschrieben wird, ist allerdings wahr.

Schließlich wird dort seit nunmehr vier Jahrzehnten in drei Lagerstätten Heißdampf injiziert, um das dortige zähflüssige Erdöl fließfähiger zu machen. Denn erwärmtes Erdöl wird, laienhaft gesprochen, flüssiger. Das wird in dem Film auch hervorgehoben.

Einen groben, wissenschaftlich unhaltbaren Schnitzer erlaubt sich der Kommentator des Beitrages, als es ins Erdölfeld Rühlernoor geht. Er behauptet:

Für Geologen ist lange klar: Wo viel Moor, da auch viel Erdöl.

Hier wird ein Zusammenhang zwischen der erdgeschichtlich gesehen sehr jungen Moorbildung, beginnend mit dem Ausklang der letzten Eiszeit vor ca. 12.000 Jahren, und den kreidezeitlichen (älter als 65 Millionen Jahre) Speichergesteinen des Erdöls hergestellt. Das ist unhaltbar und einem geowissenschaftlich bewanderten Menschen sträuben sich bei einer solchen Aussage die Haare. Schließlich befinden sich die weltweit ergiebigsten Erdöllagerstätten in sehr trockenen Regionen. Nur weil es hier heute Moor gibt, war das nicht immer der Fall und das Klima zu Zeiten der Ölbildung war völlig anders als heute. Auch die Landschaft ist mit der gegenwärtigen nicht gleichzusetzen.

Es ist auch nicht korrekt, dass das vergleichsweise schwere Erdöl der Region, dass in der Raffinerie in Lingen veredelt wird, ausschließlich zu Kraftstoffen verarbeitet wird. Ein historischer Abriss der Raffinerie ist hier zu finden: LINK

Es ist zwar schön zu erfahren, dass die dortigen Lagerstätten wahrscheinlich noch 30 Jahre betrieben werden. Es ist aber falsch zu behaupten, dass das Erdöl aus dem Untergrund „sprudelt“. Es wird tatsächlich aufwendig an die Erdoberfläche mittels Tiefpumpen gefördert.

Von diesem Fauxpas und anderen Schnitzern abgesehen ist es dem NDR gelungen, einen informativen Beitrag zu gestalten.

2. Enhanced Oil Recovery mittels eines Pilzes in der Lagerstätte Bockstedt

Bohrungen des EOR-Projektes im Erdölfeld Bockstedt ©chef79

Bohrungen des EOR-Projektes im Erdölfeld Bockstedt ©chef79

Erdöl befindet sich in porösen und/oder klüftigen Speichergesteinen. Generell wird es dabei von Lagerstättenwasser unterlagert. Das Erdöl schwimmt bildlich gesprochen auf dem Wasser wie Fettaugen in der Suppe. Normalerweise lässt sich ein Erdölvorkommen nur zu 30 bis 40 Prozent wirtschaftlich gewinnen, da im Laufe des Gewinnungsprozesses die Verwässerung stark zunimmt und der Salzwassergehalt durchaus 99% des geförderten Mediums betragen kann.

Um dennoch mehr Erdöl aus der Lagerstätte gewinnen zu können, gibt es verschiedene Verfahren, die als „Enhanced Oil Recovery“ bekannt sind. Dazu zählen zum Beispiel das im ersten Abschnitt genannte Dampffluten oder die Injektion wasserverdickender Chemikalien (LINK), die das Erdöl aus den Poren des Speichergesteins verdrängen sollen.

Dieser Methodik hat sich die Wintershall angenommen und testet derzeit die Flutung eines wasserverdickenden Biopolymers, welches aus einem Pilz gewonnen wird. Damit beschäftigt sich auch ein Beitrag bei „Hallo Niedersachsen“ und bleibt aufgrund seines korrekten Inhaltes hier unkommentiert.

3. Erdgasförderung südlich von Oldenburg

Erdgasförderanlage Sagermeer Z11südlich von Oldenburg chef79

Erdgasförderanlage Sagermeer Z11südlich von Oldenburg ©chef79

„Hallo Niedersachsen“ befasste sich auch mit der Erdgasförderung südlich von Oldenburg. Dort sind nicht nur sehr bedeutende Erdgaslagerstätten vorhanden, sondern auch die Erdgasaufbereitungsanlage in Großenkneten.

Allein diese von ExxonMobil betriebene Anlage spült ca. 6 Millionen Euro jährlich in die Gemeindekasse. Das wird im NDR-Beitrag so erwähnt und führt Behauptungen der Gegnerschaft inländischer Kohlenwasserstoffgewinnung ad absurdum, die Gegenteiliges von sich geben wie z.B.  Volker Fritz vom „Arbeitskreis Fracking Braunschweiger Land“. Das Pamphlet von Herrn Fritz ist inzwischen online nicht mehr abrufbar.

Insgesamt ist der Beitrag sachlich gehalten, fällt aber auch durch Unzulänglichkeiten auf:

10 Jahre später versiegten zwar die sogenannten Süßgasreserven, stattdessen aber fanden sich nun gigantische Sauergasvorkommen.

Das ist Unsinn, denn schließlich wird aus der Lagerstätte „Hengstlage“, die sich im Buntsandstein befindet und mit über 60 Milliarden kumulativ geförderten Erdgases eine der bedeutendsten Erdgaslagerstätten Deutschlands darstellt, heute noch gefördert. Und bei diesem Erdgashandelt es sich um Süßgas. Weitere Beispiele für ergiebige Süßgaslagerstätten, die heute noch in Förderung stehen, wären die in Sandsteinen des Karbon (z.B. Goldenstedt). Untergeordnet gibt es weitere Lagerstätten im Buntsandstein wie z.B. Kneheim

Tatsächlich wird in der Region überwiegend sogenanntes „Sauergas“ gefördert, das Schwefelwasserstoff enthält. Dieses Erdgas wird in Großenkneten aufbereitet und der giftige Schwefelwasserstoff abgeschieden und wie gezeigt zu hochreinem Schwefel umgewandelt.

Insgesamt stellt der NDR-Beitrag die Erdgasgewinnung südlich von Oldenburg korrekt dar und stellt die ökonomischen Vorteile inländischer Rohstoffgewinnung heraus.  Über die historischen Bilder des Beitrages bin hoffentlich nicht nur ich hoch erfreut.

4. Hydraulic Fracturing oder auch „Fracking“ in Niedersachsen

Erdgasbohrung "Buchhorst T12" ©chef79

Erdgasbohrung „Buchhorst T12“ ©chef79

Abschließend war bei „Hallo Niedersachsen“ im Zusammenhang mit der Kohlenwasserstoffgewinnung Hydraulic Fracturing, oder verballhornt „Fracking“, ein Thema.

Der entsprechende Beitrag ist bei NDRonline ganz neutral und absolut unvoreingenommen mit „Hoffen auf ein Fracking-Verbot“ betitelt. Selbstverständlich ist „neutral“ sowie „unvoreingenommen“ als ironisch zu bewerten.

Zunächst wird auf die „klassische“ Förderung eingegangen und dabei Bilder aus dem Bereich der Lagerstätte „Buchhorst“ gezeigt, wie z.B. die abgeschlossene Verfüllung der Bohrung „Buchhorst Z7“. In diesem Gebiet befindet sich interessanterweise die  Bohrung „Buchhorst T12“, die bisher letzte in Deutschland gefracte Erdgasbohrung.

Es ist an dieser Stelle schon verwunderlich, dass zunächst Betriebsplätze der ExxonMobil Production Deutschland GmbH (EMPG) gezeigt werden, jedoch ein Sprecher des Mitbewerbers Wintershall interviewt wird. Über das „Warum?“ kann nur spekuliert werden. Vielleicht hat die EMPG kein Interesse an einem Interview, nachdem bereits 2011 deren Sprecher anhand einer aus dem Zusammenhang gerissenen Aussage der „dreisten Lüge vor der Kamera“ bezichtigt wurde.

Weniger dramatisch, dennoch falsch wird das Fracverfahren erläutert. Vom Tonfall her versucht man sachlich zu bleiben, scheitert aber an der Darstellung. Es beginnt mit:

Eine Bohrung durch Trinkwasserschichten…

Trinkwasserschichten gibt es nicht. Trinkwasser ist das, was aufbereitet das Wasserwerk verlässt. Der Kommentator meint wahrscheinlich Grundwasser. Dieses ist durch Verrohrungen vor Kontaminationen geschützt oder besser abgeschottet. Während des Durchbohrens der Grundwasserleiter wird außerdem eine Bohrspülung eingesetzt, die das Grundwasser nicht beeinträchtigen kann.

Und weiter wird von einem Wasser-/Chemikaliengemisch gesprochen, was Risse erzeugen soll. Das ist so nicht korrekt, da alleine unter hohem Druck injiziertes Wasser Risse erzeugen würde. Die „Chemikalien“, darunter z.B. Guarkernmehl der Guarbohne oder auch Essigsäure, sind dabei Beimischungen, die die Eigenschaften des Fracfluids so verändern sollen, dass Sand als Stützmittel in die erzeugten Risse transportiert werden kann. Doch stattdessen, dass sich auf Fachleute bezogen wird, die erläutern könnten, warum gewisse Stoffe dem Fracfluid beigemengt werden, wird sich auf Aussagen von Bürgerinitiativen berufen.

Dabei stellt sich die dortige Bürgerinitiative selbst ein Bein. Selbst das Umweltbundesamt (UBA) wird als „Lobbybeeinflusst“ diffamiert:

Alleine vom ersten Wortlaut, wie es angekündigt oder auch beschrieben wurde, hat man sofort das Gefühl, da muss die Lobby irgendwo ganz eindeutig eingegriffen haben. Da muss irgendwo ganz starker Druck gekommen sein von der Wirtschaft oder den Konzernen die beteiligt sind an Sachen.

Frau Langhorst (Bürgerinitiative „No Moor Fracking“), die diese Aussage getroffen hat, vergaß jedoch Quellen für ihre Anschuldigungen anzuführen. Mit ihren Äußerungen offenbart sie ein Verhalten, dass häufig bei Bürgerinitiativen zu finden ist: Wird die ablehnende Haltung nicht unterstützt, wird die Lobbyismuskeule geschwungen.

Sie bezog sich laut NDR-Beitrag auf  eine Studie des UBA.  Das UBA fiel im Zusammenhang mit der Debatte dadurch auf, dass der erste Teil der Studie zum „Fracking“ seitens der Rohstofffachbehörde, der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sowie der Staatlichen Geologischen Dienste aufgrund fachlicher Unzulänglichkeiten heftig kritisiert worden ist (LINK).

Inzwischen existiert der Entwurf eines zweiten Teils, der dem NDR sowie den Bürgerinitiativen vorliegt, jedoch nicht der breiten Öffentlichkeit. Im NDR- Beitrag heißt es:

[…] nach Lesart der Bürgerinitiativen werden die Gefahren zu gering bewertet.

Unreflektiert wird die subjektive Lesart der Bürgerinitiativen vom NDR übernommen bzw. im Raum stehen gelassen. Es kommt ein weiteres Mitglied der Bürgerinitiative „No Moor Fracking“ aus Wagenfeld und Umgebung zu Wort:

Das Gutachten sagt irgendwo in der Größenordnung 1 zu paar hundert bis 1 zu tausend müssen wir mit Unfällen trotz aller Sorgfalt rechnen[…]

Um was für Unfälle es sich handelt, das verschweigt Herr Gruhl, der mir noch von einer Sitzung des Umweltausschusses des Landkreises Diepholz zur Wintershall-Bohrung „Düste Z10“ aufgrund völlig abwegiger Fragen und Behauptungen unangenehm in Erinnerung geblieben ist. Erstaunlich sind die weißsagerischen Fähigkeiten von Herrn Gruhl, der bereits weiß, dass Schäden eintreten werden.

Warum nun ausgerechnet die UBA-Studie allein als Grundlage für die künftige Gesetzgebung dienen soll und nicht etwa auch Die Schiefergasstudie der BGR, die ebenfalls Umweltaspekte betrachtet und dabei die Risiken als beherrschbar ansieht, bleibt offen. Schließlich ist die BGR die für Rohstofffragen zuständige Fachbehörde und nicht das UBA!

Immerhin wird aber auch die Interpretation der Branche erwähnt. Diese sieht als Ergebnis der Studie keinerlei Grundlage für ein Verbot des Hydraulic Fracturing. Es ist allerdings eine falsche Behauptung des NDR, es gäbe keine gesetzliche Grundlage für das Verfahren. Es handelt sich um eine Standardmethode in der Erdöl- und Erdgasgewinnung, die, wie andere Verfahren auch, über das Bundesberggesetz und weitere Gesetze und Verordnungen geregelt wird. Für jede Fracmaßnahme müssen die Firmen einen Sonderbetriebsplan ausarbeiten, der von den zuständigen Behörden zu genehmigen ist. Dazu der Freiberger Professor Mohammed Amro (LINK):

Wir brauchen für das Fracking aber kein neues Gesetz. In den Bundesberg- und -wasserhaushaltgesetzen ist meines Erachtens alles Wesentliche geregelt.

Zum Abschluss des Berichtes äußert sich auf erschreckende Art und Weise der niedersächsische Wirtschaftsminister Lies (SPD) ablehnend gegenüberder Anwendung des Hydraulic Fracturings in Schiefergesteinen:

Ich halte das für falsch und bin davon überzeugt, dass es in Deutschland auch nicht passieren wird.

Leider begründet Lies seine Ablehnung nicht, sagt stattdessen, dass die Technologie wissenschaftlich untersucht werden muss, um Argumente dagegen zu finden. Schließlich kann über den Einsatz einer Technologie nicht mit dem Bauch entschieden werden.

Genaugenommen tut Lies das aber, indem er sich bereits mehr oder weniger darauf festlegt, dass Hydraulic Fracturing keine Anwendung in Schiefergestein finden wird. Mit dieser Haltung bedarf es aus meiner Sicht dann keiner wissenschaftlichen Untersuchung, wenn diese nicht ergebnisoffen geführt wird. Dazu noch einmal ein Zitat von Professor Amro:

Wir haben ein großes technologisches Wissen und das sollten wir nicht verspielen.

Und damit möchte ich diesen Artikel abschließen, der insgesamt 4 Beiträge des NDR zur Erdöl- und Erdgasförderung beleuchtet hat. Drei davon können als durchaus gelungen angesehen werden. Der zum „Fracking“ zählt nicht dazu, da zu sehr die Meinungen einer Bürgerinitiative im Mittelpunkt standen und ihre zum Teil unhaltbaren Anschuldigungen und Behauptungen unkritisch stehen gelassen wurden.

4 Kommentare zu Kommentar zu Rohstoffbeiträgen bei „Hallo Niedersachsen“ (NDR)

  • Dirk Weißenborn sagt:

    Zitat:

    „Für Geologen ist lange klar: Wo viel Moor, da auch viel Erdöl.“

    Da wo zu viel „No Moor“, da auch kein Erdöl.

    Nun steht es ja jedem frei, Erdöl und Erdgas aus seinem Leben auszuschliessen, jedoch stellt sich dann die Frage, ob ihm alle anderen Bürgerinnen und Bürger auf diesem ach so tugendhaften Pfad folgen müssen. Die BI Aktivisten – wie bei den meisten Bürgerinitiativen finanziell oft gut abgesicherte Wohlstandsbürger – gebärden sich zusehends wie Sekten mit geschlossenem Weltbild.

    Nicht einen einzigen Beweis für Umweltschäden im Gefolge von Fracking, aber dafür festgefügtes Denken im Geiste der „Regenerativen“ und Wahnvorstellungen vom Untergang des Moores. By the way: Haben die Einwohner des Moores auch schon Feuerzeuge an das laufende Wasser ihres Wasserhahns oder Ihres Beregnungsbrunnens gehalten?

    Die Keule mit dem Lobbyismus wird gern geschwungen. Haben die Aktivisten tatsächlich keine Anteile an Windparks oder obskuren Gesellschaften wie Prokon? Wenn doch, dann erfüllen Sie den „Tatbestand“ des Lobbyismus in reinster Form.

    Ich wünsche ihnen dann viel Vergnügen beim Verdauen der Verluste des eingesetzten Kapitals (siehe Prokon).

  • kelly spinner sagt:

    Eine Frage an den Geologen. Wie wird der Begriff „Grundwasser“ eigentlich definiert? Ist Grundwasser gleich Trinkwasser, oder ist alles Wasser unterhalb unserer Fußsohlen Grundwasser?

    1. SAR sagt:

      Bin zwar kein Geologe, sondern Geograph, kann die Frage aber dennoch beantworten:
      Grundwasser Unterirdisches Wasser, das die Hohlräume der Erdrinde zusammenhängend ausfüllt und dessen Bewegung ausschließlich von der Schwerkraft und den durch die Bewegung selbst auslösenden Reibungskräften bestimmt wird (Definition nach DIN 4049)
      Nach Wasserhaushaltsgesetz ist Grundwasser: Unterirdisches Wasser in der Sättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht.
      Quelle: http://www.geotechnisches-buero.de/download/FH-II_Eberl-Grundwasser%2809-10%29.pdf

      Trinkwasser hingegen muss gewisse Mindestkriterien erfüllen: http://www.infoseiten.de/infoservice//trinkwasser.html

    2. Dirk Weißenborn sagt:

      Hallo kelly spinner,

      Ihre Frage nach der Definition von Grundwasser ist eine sehr grundlegende und verfügt über juristische Bedeutung hinsichtlich zukünftiger Stimulationsmaßnahmen in Schiefern.

      SAR hat die Definitionen sehr korrekt wiedergegeben. Direkt juristisch anwendbar ist jedoch nur die Definition des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG). Die DIN stellt keine unmittelbar anzuwendendes Rechtsvorschrift dar. In einem Gerichtsverfahren oder auch verwaltungsintern kann sie jedoch hinzugezogen werden.

      Die Definition aus dem Wasserhaushaltsgesetz sei hier noch einmal aufgeführt:

      Grundwasser:

      „Unterirdisches Wasser in der Sättigungszone, das in unmittelbarer Berührung mit dem Boden oder dem Untergrund steht.“

      Dieser Gesetzestext kann z.B. auf einen drenthezeitlichen Schmelzwassersand mit erheblichem Porenvolumen und Durchlässigkeiten von 10^-4 m/s (kf-Wert) angewendet werden. Das Wasser füllt den Porenraum vollständig aus, ist gut beweglich – damit bei entsprechender Qualität und Menge auch zur Trinkwassergewinnung nutzbar. Es steht mit dem Boden auf Basis der Definition des Bodens als „Lockergestein“ nach DIN 4021 in Berührung und /oder befindet sich mancherorts in Berührung mit dem „Untergrund“ z.B. eines Mergelsteins aus der Oberkreide.

      Der Gesetzestext aus dem Wasserhaushaltsgesetz trifft in diesem Fall maßgeschneidert zu.

      Ob allerdings die obendrein gegen 0 tendierenden (freien) Wassergehalte in einem karbonischen Alaunschiefer unter diese Definition fallen, wage ich erheblich zu bezweifeln. Das wenige freie Wasser ist im Sediment quasi „molekular-dispers“ verteilt und verfügt über keine Beweglichkeit. Die Existenz einer Sättigungszone ist nicht erkennbar. Das Auftreten dieser Sättigungszone ist ja gerade nicht in einem Festgestein mit mangelnder Durchlässigkeit zu erwarten. Das Wasser kann sich nicht entsprechend seiner Vikosität, der Reibung mit den Porenwandungen und vor allem dem Gefälle frei bewegen. Wäre dies der Fall, bestünde wahrscheinlich überhaupt keine Notwendigkeit, andere mobile Stoffe (Erdöl und Erdgas) mit dem Mittel der hydraulischen Stimulation aus diesem Reservoir zu gewinnen. Selbst das Erdgas bildet ja als wesentlich mobilerer Stoff in diesen Schiefergesteinslagerstätten keine eigene „Sättigungszone“ – es ist ebenfalls dispers verteilt.

      Wir sehen, dass die Grundwasserdefinition des Wasserhaushaltsgesetzes zumindest auf Wasser in undurchlässigen Schiefergesteinen keine Anwendung finden kann, da ein wesentliches sachliches und juristisches Kriterium nicht erfüllt ist.

      Handelt es sich bei dem Wasser im „Schiefer“ aber nicht um Grundwasser, so findet auch eine weitere Regelung des Wasserhaushaltsgesetzes keine Anwendung:

      Die gesetzliche Anforderung des WHG, sich als Unternehmen auch jede Einleitung von anderem Wasser einschließlich dessen Begleitstoffe (Fracking!) in den Schiefer wasserrechtlich genehmigen zu lassen, greift m.E. in einem solchen Fall daneben und ist somit nicht anwendbar.

      mit den besten Grüssen

      Dirk Weißenborn

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