Vom Wettrennen zwischen Gazprom und den deutschen Grünen

von Dirk Weißenborn

„Grünen Chefin dringt auf rigoroses Alkoholverbot“ titelte die Welt am Sonntag über der Wiedergabe eines Interviews zu verschiedenen Themen mit Frau Dr. Peter. Nun soll Alkoholproblematik im Straßenverkehr hier nicht das Thema sein, jedoch kann eine Politikerin auch ohne Alkoholgenuss zur „Geisterfahrerin der Energiepolitik“ werden.

Das wird schon an ihrer folgenden Aussage deutlich:

Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass Merkel ausgerechnet jetzt sagt, man müsse die gesamte Energiepolitik neu betrachten. Die Kanzlerin hat unsere Abhängigkeit von Energieimporten doch verstärkt. Deutschland ist massiv abhängig von Uran, Öl, Kohle und Gas aus anderen Ländern. Wir brauchen dringend eine Energiesicherheitsstrategie. Gas zu diversifizieren ist ein erster Schritt, wird aber nicht reichen. Ich halte auch wenig davon, von russischem Gas wegzugehen und Schiefergas aus den USA zu beziehen, das mit dreckigen Fracking-Methoden gewonnen wird.

Schon darin wird das ganze Ausmaß der energiepolitischen Ahnungslosigkeit von B’90/Die Grünen deutlich. Der hohe Anteil russischen Importgases am Bedarf unseres Landes (ca. 35%) baute sich über Jahrzehnte hinweg auf – schon seit den Zeiten des „Kalten Krieges“. Mehrere Bundesregierungen hatten daran ihren Anteil, nicht zuletzt die Rot-GRÜNE Bundesregierung unter der Kanzlerschaft des Herrn Schröder (1998-2005). Wir erinnern uns gut an die Unterzeichnung des Vertrages über den Bau der Ostseepipeline „North Stream“ im September 2005, kurz vor den damaligen Bundestagswahlen, aus deren Ergebnis eine schwarz-rote Regierungskoalition hervorging. Herr Schröder wurde Mitglied des Aufsichtsrates der Pipelinegesellschaft. Diese Position hat er auch heute noch inne.

Frau Peter’s Partei hatte daran also ihren politischen Anteil.

Die Ostseepipeline wurde unter der Bundeskanzlerin Frau Merkel und zwei von ihr geführten, nachfolgenden Bundesregierungen gebaut und fertiggestellt. Niemand im politischen Berlin nahm erkennbar Anstoß an der immer weiter steigenden Importabhängigkeit von russischem Erdgas (übrigens auch Erdöl), auch nicht die Grünen.

Dagegen sprachen sie sich von Anbeginn der Fracking-Debatte (2010/2011) vehement gegen die Gewinnung zusätzlicher heimischer Erdgasmengen aus Schiefern, Kohleflözen und Tight-Sandsteinen aus. Zu mehr als Tiraden hin-sichtlich „möglicher Grundwasservergiftungen“ auf Basis des sattsam bekannten Schwindelfilms „Gasland“ von Josh Fox (LINK zum Video, in dem Josh Fox zugibt, seine Zuschauer getäuscht zu haben; und von den Kollegen des Science Skeptical-Blog: Fracking in den USA – ‘Gasland’ und die Fakten) reichte es meist nicht.

Wenn Frau Peter nun heute davon spricht „Gas (Anm: gemeint ist der Gasbezug) zu diversifzieren“ lässt diese Aussage in doppelter Hinsicht Rückschlüsse auf ihr schlechtes Gedächtnis zu.

Eine mögliche Diversifizierung liegt in der Nutzung von bis zu 2,3 Billionen m3 Schiefergas. Letzteres stellt nach einer BGR Studie aus dem Jahr 2012 die sehr wahrscheinlich reichhaltigste Ressource der heimischen Erdgasgewinnung dar. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Mengeneinschätzung der BGR von einer nach heutigem Stand nur 10%igen technischen Gewinnbarkeit ausgeht. Von spekulativer Schönfärberei hinsichtlich der gewinnbaren Volumina kann somit nicht gesprochen werden, auch wenn der Anteil anderer Gase wie Stickstoff, Kohlenstoffdioxid und evtl. einiger Edelgase sicher nicht hinreichend geklärt ist.

Welche Art der Diversifizierung kann wohl besser als die Gewinnung aus heimischen Vorkommen sein? Selbstverständlich unter sehr hohen Sicherheits-standards, die durch die deutsche Berg- und Gewerbeaufsicht einschl. weiterer Behörden unmittelbar eingefordert werden müssen. Die politische Versorgungssicherheit wird ebenfalls erhöht. In energetischer Hinsicht ergeben sich zumindest Vorteile aufgrund geringerer Transportstrecken.

All das interessiert Frau Peter jedoch nicht, wie das folgende Zitat sogleich belegt:

Ich halte auch wenig davon, von russischem Gas wegzugehen und Schiefergas aus den USA zu beziehen, das mit dreckigen Fracking-Methoden gewonnen wird.

Während der ersten Aussage noch eine gewisse Plausibilität zugebilligt werden kann – was nützt es, die eine Abhängigkeit durch eine andere zu ersetzen – muss sich Frau Peter mit ihrer zweiten Aussage von den „dreckigen Fracking-Methoden“ den Vorwurf des billigen Populismus und Blauäugigkeit gegenüber einem einzigen Film (Gasland) gefallen lassen. Frau Peter, glauben Sie sonst auch, was in Hollywood-Streifen vermittelt wird?

Übrigens erscheint eine Gewinnung von Erdgas durch Methoden des Hydraulic-Fracturing auch in Russland zukünftig keineswegs ausgeschlossen. Soll etwa jeder importierte Kubikmeter Erdgas auf seine Gewinnungsgeschichte hin untersucht werden? (Anm. SAR: Auch in Russland wird Hydraulic Fracturing zur Gewinnung von Erdgas und Erdöl gewonnen. Siehe dazu auch „Ein kleiner Blick nach Russland“ hier auf dem Blog).

Auf die Frage: „Woher soll das Gas dann kommen?“ antwortet Frau Peter:

Wir sollten Energiepartnerschaften mit mehreren Ländern eingehen, zum Beispiel in Nordafrika. Länder wie Algerien können von unseren Sonnenenergietechnologien profitieren und uns wiederum Gas liefern.

Leider bleibt sie die Antwort schuldig, wie sie sich das im Detail vorstellt. Flüs-siggastransporte sind mit erheblichem energetischem Kühlungs- bzw. an-schließenden Erwärmungsaufwand behaftet (bis zu 25% des Energieinhaltes des transportierten verflüssigten Erdgases).

Deutschland verfügt bisher über keinen geeigneten Flüssiggasterminal. Ob entsprechende Terminals unserer Nachbarstaaten über ausreichende Kapazitäten zur Mitversorgung Deutschlands verfügen ist darüber hinaus unklar.

Gravierend abenteuerlich erscheint jedoch der Vorschlag, die Gasversorgung Deutschlands für die nähere Zukunft zum teil aus einer politisch instabilen Region zu decken. Waren es nicht die Grünen, welche den Import von Energierohstoffen aus Nordafrika und dem mittleren Osten auch aus Gründen der dor-tigen politischen Instabilität und der „political correctness“ bisher eher ablehn-ten?

Beim Blick auf die folgende Webseite kommen erhebliche Zweifel hinsichtlich der Verfügbarkeit des algerischen Erdgases auf:

Gazprom wurde vorgeschlagen, in Algerien zu arbeiten

Außerdem wird davon berichtet, Gazprom beabsichtige, mit technischen Dienstleistungen in Algerien einsteigen. Also wieder russsicher Einfluss?

Oder meinte Frau Peter nicht die Importe verflüssigten, fossilen Erdgases aus Algerien, sondern den Import des in Algerien mit Hilfe „Power-to-Gas“ Technologie aus Solarstrom gewonnenen Methangases? Immerhin sprach sie von Solartechnologien, die es nach Algerien zu liefern gälte.

Beim Blick auf Ihre Biografie erscheint dies nicht ausgeschlossen. Ihr Wikipediaeintrag erwähnt eine Mitgliedschaft bei der Europäischen Vereinigung für Erneuerbare Energien Eurosolar e. V., kurz EUROSOLAR (Bonn), für die sie zwischen 2001 und 2004 auch beruflich tätig war. Selbstredend ist sie auch Mitglied in NABU und BUND.

Na denn, Frau Dr. Peter! Die fernere Zukunft mag „teilweise“ solar sein, die absehbare ist es noch nicht.

Weitere Links:

Interview in Die Welt: Grünen-Chefin dringt auf rigoroses Alkoholverbot

zum Eintrag bei Wikipedia:

http://de.wikipedia.org/wiki/Simone_Peter

Artikelbild: Wikimedia Commons, gruene.de