Ergebnis eines privaten Experiments: Starke Säuren können Blätter nicht perforieren

Von Steven Arndt und Thorsten Stehlik*

Anfang April berichteten mehrere Medien über einen angeblichen Säureregen, der bei Erdgasabfackelarbeiten mehrere Menschen geschädigt haben soll. Die angeblich Geschädigten sind allesamt Vertreter verschiedener Bürgerinitiativen, die die angekündigten, spätabendlichen  Fackelarbeiten am Sondenplatz „Söhlingen Z5“ filmten.

Vorher

Blätter vor dem Beträufeln mit Schwefelsäure (links) und Salzsäure (rechts)

Als ein Beweis für den Säureregen wurden Blätter benannt, die durch den vermeintlichen Säureniederschlag durchlöchert worden sein sollen. Das merkwürdige daran war, dass die Blätter unterschiedliche Schadenssymptome aufwiesen. Einige waren lediglich perforiert, andere zeigten Verfärbungen an den Lochrändern. Zweifel an der These, sie wären durch aus der Fackel austretende Säure verursacht worden, wuchsen entsprechend schnell.

Thorsten Stehlik, regelmäßiger Leser dieses Blogs, führte einen Versuch durch, um herauszufinden, ob starke Säuren überhaupt zu Löchern in Blättern führen können. Die Ergebnisse hat er freundlicherweise zur Veröffentlichung freigegeben. Hier seine Beschreibung des Experimentes. Da von den angeblich Geschädigten Salzsäure als augetretene Substanz vermutet wurde, werden vorwiegend Fotos des mit Salzsäure beträufelten Blattes verwendet:

Schadensbild nach einer Minute Einwirkzeit

Schadensbild nach einer Minute Einwirkzeit

Der Versuch wurde grob wie folgt durchgeführt:

2 Eichenblätter ohne erkennbare äußere Schäden wurden sowohl mit Schwefelsäure (95%ige Stammlösung) als auch mit Salzsäure (32%ige Stammlösung) behandelt. Dazu wurden 10µl der Stammlösung und 4 Stufen einer dekadischen Verdünnungsreihe auf die Blätter pipettiert und direkt nach Applikation, nach 5 Minuten sowie nach 30 Minuten fotografiert. Abschließend wurde die Säure mit Wasser entfernt und eventuell enstandene Löcher unter der Säurelösung sichtbar zu machen. Wie den Aufnahmen entnommen werden kann konnte nach 30 Minuten keine Lochbildung beobachtet werden.

Schadensbild nach Waschen des Blattes. Trotz 30-minütiger Einwirkzeit sind keiner Löcher erzeugt worden.

Schadensbild nach Waschen des Blattes. Trotz 30-minütiger Einwirkzeit sind keiner Löcher erzeugt worden.

Ferner bewirkten lediglich die Stammlösungen der Säuren, nicht aber deren Verdünnungen sichtbare Veränderungen (Braune bzw. schwarze Fleckenbildung infolge der Oxidationsprozesse). Es ist anzumerken, dass die Versuchsbedingungen höchst artifiziell sind, da Blätter in der natürlichen Umgebung weder permanent waagerecht noch vollkommen unbeweglich sind. Es ist daher nicht möglich, dass ein und derselbe Säuretropfen längere Zeit Kontakt mit derselben Blattoberfläche hat wie im Experiment.

Inzwischen hat der  Betreiber der genannten Erdgasbohrung, die ExxonMobil Production Deutschland GmbH bekannt gegeben, dass Untersuchungen von Pflanzen und Boden keine Hinweise auf ausgetretene Schadstoffe lieferten:

Die Sachverständigen haben nun bestätigt, dass es keinerlei Hinweise auf Schädigungen von Pflanzen oder Boden- verunreinigungen aufgrund der durchgeführten Arbeiten gibt.Die vorgefundenen Blatt- und Pflanzenschäden im Umfeld der Förderplätze sind standort- und arttypisch und damit natürlichen Ursprungs. Zum Beispiel ist für Fraßschäden an Erlen der Blaue Erlenblattkäfer verantwortlich und Ampfer weist die typischen Pilzflecken auf.

Ob die angeblich Geschädigten dieses Ergebnis akzeptieren werden, ist unwahrscheinlich. Außerdem soll der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass dei behördlichen Ermittlungen zum vermeintlichen Vorfall noch nicht abgeschlossen sind. Einen Schaden an der Fackelanlage, die erst vor Kurzem in Betrieb genommen wurde, schließt das Landesbergamtlaut eines „Kreiszeitung“-Artikels  aber aus:

ExxonMobil vergibt Arbeiten an Dienstleister. Die Anlage, die dort eingesetzt wurde, war die modernste. Nach ihrem Einsatz hat die Firma sie wieder abgebaut und nach Salzwedel gebracht. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Anlage nicht funktioniert hat.

*Thorsten Stehlik studiert in Marburg (Lahn) Molekulargenetik,

© der Bilder Thorsten Stehlik