LBEG gibt Messergebnisse zur Quecksilberbelastung an Erdgasförderstellen bekannt

Ende Mai meldeten Lokalzeitungen, dass der NABU* gemeinsam mit Anti-Erdgasförderungs-Bürgerinitiativlern Bodenproben an Förderlätzen im Feld „Söhlingen“ entnommen haben. Diese wurden  auf Quecksilberkontamination  untersucht. Schließlich ist im Söhlinger Erdgas das Schwermetall, das als „hochgiftig“ eingestuft ist, enthalten.

1. Vorgeschichte

Nach Angaben der Umweltschützer seien dabei zumindest in zwei Proben Werte ermittelt worden, die laut Zitat bei der „Rotenburger Rundschau“

in unseren Augen den dringenden Verdacht [begründen], dass von solchen Anlagen der Boden beeinträchtigt wurde und vielleicht weiter wird.

Die Werte von 4,2 und 6,7 Milligramm Quecksilber je Kilogramm Boden wurden nach Angaben des NABU im Sediment eines Grabens sowie in einem Randstreifen zum Acker gemessen und hätten Werte um ca. das 40- bis 70-fache „unbelasteter Böden“ in der Region überschritten. Dabei wird darauf hingewiesen, dass je nach Bodenart die Unbedenklichkeitswerte zwischen 0,1 mg/kg (Sand) und 1 mg/kg (Ton) schwanken können.

Mit der 40 bis 70 fachen Überschreitung wird sich also auf den Wert für Sand bezogen. Nun, Überschreitungen in dieser Größenordnung klingen natürlich dramatischer als welche um eine Größenordnung kleiner. Als zweiter Referenzwert wird dann noch der Maßnahme für Grünland von 2 mg/kg Boden angegeben, der ebenfalls überschritten wäre, aber nur noch um das 2 bis 3,5 fache. Jedoch sind die Werte nicht auf Grünland dokumentiert worden, sondern am Ackerrand und im Sediment eines Fließgewässers. Für Ackerland gilt aber ein Prüfwert von 5 mg/kg womit zumindest bei einem Wert keine Überschreitung mehr vorliegen würde (alle Vorsorge/Maßnahme- und Prüfwertewerte sind der Bundesbodenschutzverordnung entnommen).

Mit ihren Messergebnissen wendeten sich die Natueschützer an das niedersächsische Umweltministerium (aus dem dazu bisher nichts zu lesen oder hören war) sowie an den Landkreis Rotenburg (LK ROW) sowie an den Heidekreis (HK) , in deren Hoheitsgebiet die Lagerstätte „Söhlingen“ sowie weitere Erdgasfelder sich befinden.

2. Kritik am LBEG

Infolge der Messergebnisse des NABU,  aber sicherlich auch verstärkt durch einige Medienberichte, sah sich das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) mit Kritik konfrontiert. Diese gipfelte darin, dass dem LBEG unterstellt wurde, es hätte Ergebnisse von Untersuchungen unter den Tisch kehren wollen. So wird in einem Artikel des „WeserKurier vom 05.06.2014 der Abgeordnete des LK ROW, Dr. Manfrd Damberg (Die Linke) mit folgenden Worten zitiert:

Es kann nicht sein, dass Bürger in der Umgebung von Erdgas-Anlagen über gesundheitliche Probleme klagen und wegziehen wollen, und die Behörden stehen tatenlos daneben und halten seit Jahren wichtige Erkenntnisse über Schadstoffe auf den Förderplätzen zurück.

Bei den Anwohnern handelt es sich um eine kleine Gruppe aus Wittorf. Darüber wurde HIER bereits ausführlich berichtet (mit Verwis auf die Originalnachricht natürlich). Die nächstgelegene „Erdgasanlage“ befindet sich mit dem Förderbetrieb „Söhlingen“ in 6,5 Kilometern Entfernung. Wie nicht anders zu erwarten, setzte „Gegen Gasbohren“ noch eins drauf und benutzte sogar den Term „unter Verschluss halten“ in Anlehnung an den Artikel des „WeserKurier“.

Aber auch der NDR berichtete intensiv und in gewohnt reißerischer Manier titelte dieser zunächst:

Amt verschweigt Giftwerte jahrelang

Später wurde dann die Artikelüberschrift in eine die Meinung der Umweltschützer wiedergebende geändert. Die originale Überschrift ist aber noch im Firefox im Seitenreiter zu erkennen sowie aus der URL abgeleitet werden. Den Artikeln „WeserKurier“ sowie des NDR ist gemein, dass zwar von Belastungen oder Verunreinigungen durch Quecksilber im Umfeld von Förderbohrungen die Rede ist, aber keine Messwerte genannt werden, obwohl diese sowohl dem NABU als auch den Zitaten von Politikern zufolge ihnen diese bekannt sind. Schließlich wird der 1. Kreisrat des LK ROW mit folgenden Worten beim „WeserKurier“ indirekt zitiert:

Der Rotenburger Kreisrat Lühring kündigte gestern auf Anfrage an, er werde die Messergebnisse des Bergamts in der nächsten Sitzung des Erdgas- Arbeitskreises am Montag, 16. Juni, bekannt geben. Er halte die Quecksilber-Belastung für Besorgnis erregend, „das sollte nicht sein“.

Stattdessen kritisieren er sowie ein Sprecher des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums (NDR-Beitrag) das LBEG in sachlicher Manier dahingehend, dass die Behörde die Daten hätte weiterreichen sollen.

Warum diese das nicht für notwendig erachtete und ob die Messwerte tatsächlich „besorgniserregend“ oder gar „hoch“ sind, wie in dramatisierender Weise vom NABU dargestellt, wird im nächsten Abschnitt erläutert.

3. Nur eine einzige Überschreitung eines Maßnahmewertes

Erdgasförderbohrung "Munster Nord Z3" chef79

Erdgasförderbohrung „Munster Nord Z3“ ©chef79

Am 11.06.2014 veröffentlichte das LBEG die Ergebniss von Untersuchungen auf Quecksilberbelastungen an mehreren Erdgasförderstellen im LK ROW sowie im Heidekreis aus dem Jahr 2010 sowie die Untersuchungsergebnisse an weiteren Förderstellen in verschiedenen Erdgasfeldern in ganz Niedersachsen.

Hintergrund der ersten Untersuchung ist, dass der Grundeigentümer am Standord des Sondenplatzes „Grauen Z1“ im Jahr 2006 in eigenen Messungen ein Hinweis auf Hg-Belastungen im Boden festgestellt haben will und sich an die ExxonMobil als Betreiber der Bohrung gewendet hatte. Der Betreiber gab ein Gutachten in Auftrag, in dessen Ergebnis keine schädlichen Bodenveränderungen vorgefunden wurden.

Dennoch musste ExxonMobil nach Aufforderung des LBEG weitere Untersuchungen in Auftrag geben, die im Jahr 2010 an Standorten, an denen eine Quecksilberimmission nicht ausgeschlossen werden konnte im Heidekreis sowie im LK ROW durchführen. das Ergebnis der Untersuchungen war, dass zwar eine generelle Deposition von Quecksilber dokumentiert werden konnte, jedoch bei keiner der drei Bohrungen im LK ROW ein Maßnahmenschwellenwert überschritten worden ist. Es wurden lediglich die Vorsorgewerte für die Bodenart Sand leicht überschritten, die für die Bodenarten Lehm/Schluff und Ton jedoch sehr deutlich nicht erreicht. Zumindest sind somit die Messwerte in diesem Landkreis anders als die Interpretation von Herrn Lühring nicht besorgniserregend. Entsprechend hat das LBEG keinen Anlass für weitere Beprobungen gesehen

Ein wenig anders verhält es sich für das Umfeld einer Förderbohrung im Heidekreis, der „Munster-Nord Z1“. Hier wurde der Maßnahmenwert für Grünland von 2 mg/kg mit 0,11 bis 2,50 mg/kg im Boden überschritten. Daraufhin wurden die entsprechenden Maßnahmen eingeleitet und eine Nutzungsbeschränkung veranlasst. Eine Weiden- und Wiesennutzung konnte dort nicht mehr erfolgen, worüber der Schäfer, der auf der Fläche Heidschnucken grasen ließ, in Kenntnis gesetzt wurde.

Zur „Munster Nord Z1“ ein kleiner Exkurs: Diese befindet sich am unmittelbaren Rand des Truppenübungsplatzes „Munster-Nord“. Der gemessene Wert, der den Maßnahmewert für Grünland überschritt, wurde auf dem Truppenübungsplatz festgestellt. Außerdem befindet sich in nur 1 Kilometer Entfernung der Bohrung die Munitionsbeseitigungs- sowie Bodenaltlastsanierungsanlage des Unternehmens Geka. Da sowohl in alter Munition als auch in belasteten Böden Quecksilber tlw. enthalten ist (Quecksilberzünder) bzw. sein kann, könnte theoretisch auch dieser Betrieb für die Werte, die sich sehr deutlich von allen anderen in dem Gutachten abheben, verantwortlich sein. Bei der deutlich weiter von der Anlage entfernten Bohrung „Munster Nord Z3“ wurde nicht einmal der Vorsorgewert für Sandboden erreicht.

Das Gutachten aus dem Jahr 2013 umfasste 11 weitere Förderplätze der Unternehmen ExxonMobil, GDF Suez, RWE Dea und Wintershall. Diese Untersuchung wurde vom Wirtschaftsverband Erdöl und Erdgasgewinnung e.V. (WEG) in Auftrag gegeben. Dieses kommt zu folgendem Ergebnis (direktes Zitat aus dem LBEG-Bericht):

Bei den beprobten Flächen handelte es sich im wesentlichen um Acker-, Wald- und Grünflächen. Die Analyseergebnisse zeigten nur geringe Konzentrationen an Quecksilber im Oberboden.

An keinem Standort kam es zu einer Überschreitung der maßgeblichen Prüf- und Maßnahmenwerte nach Anhang 2 der BBodSchV für die Wirkungspfade Boden, Mensch und Boden, Nutzpflanze. Dementsprechend liegt kein Verdacht einer schädlichen Bodenverunreinigung vor.

Somit kommen beide Gutachten zu dem Ergebnis, dass zwar im Umfeld von Erdgasbohrungen Quecksilber dokumentiert werden konnten, aber abgesehen von einer Ausnahme nirgendwo die Überschreitung eines Maßnahmewertes dokumentiert werden konnte und somit keine schädliche Bodenverunreinigung vorliegt.

Ergänzend ist noch zu sagen, dass Quecksilber aufgrund zahlreicher Quellen in die Umwelt gelangen kann. dazu zählen die Landwirtschaft z. B. mit dem Verbringen von Klärschlämmen oder aber zumindest bis zum Verbot in Westdeutschland in den 1980er Jahren mit der Verwendung von mit Quecksilber gebeiztem Saatgut. Weitere Quellen sind Waldbrände oder Kohlekraftwerke.

4. Naturschützer akzeptieren Ergebnisse nicht

 Wie zu erwarten gefallen den Umwelt- und Naturschützern die vom LBEG bekanntgegebenen Gutachterwerte nicht und finden dabei wieder einmal Unterstützung durch den NDR. So würden die Förderunternehmen die „Bedrohung für Mensch und Natur“ relativieren. Die Umweltschützer interpretieren die Ergebnisse ganz anders:

Sie stellen nun die Sorgfalt, mit der die von den Erdgasunternehmen beauftragten Gutachten angefertigt wurden infrage.

Anstatt Argumente zu liefern, werden nicht nur die Förderfirmen diffamiert, sondern insbesondere die Gutachterersteller. Für die unterschiedliche Interpretation sieht der NDR in Bezug auf den LBEG folgenden Grund:

NDR 1 Niedersachsen liegt das von der Industrie bezahlte Gutachten, aus dem auch das LBEG seine Daten bezieht, aus dem vergangenen Jahr vor. Darin findet sich eine Erklärung: Das Gelände rund um die Bohranlagen ist als Industrie- und Gewerbegelände definiert. Dort gelten sehr viel höhere Grenzwerte.

Soll mit der kursiv dargestellten Formulierung dem Gutachten etwa unterschwellig Unseriösität/Unglaubwürdigkeit unterstellt werden? Doch wieder zum Thema zutück:  Wie aus dem LBEG-Bericht hervorgeht, werden diese sehr viel höheren Grenzwerte aber nicht als Bezugswert herangezogen, sondern:

Bei den beprobten Flächen handelte es sich im wesentlichen um Acker-, Wald- und Grünflächen.

Und somit wurden die entsprechenden Werte für diese Landschaftselemente verwendet. Das wird besonders deutlich daran, dass in der Tabelle statt für den Wert für Ackerland der deutlich geringschwelligere Wert für Grünland verwendet wird. Und zumindest kann für die Bohrung „Leer Z4“ vom Verfasser bestätigt werden, dass diese sich inmitten von Grünland befindet.  Hier wurde der Maßnahmewert für Grünland bei weitem nicht erreicht.

In einem weiteren Beitrag des NDR, in dem die Messergebnisse des LBEG kaum diskutiert werden sondern sich überwiegend den Unterstellungen und Behauptungen der Umweltschützer gewidmet wird, heißt es dann:

Unerwähnt bleibe auch, dass etwa in Dreilingen im Landkreis Uelzen erst Proben genommen wurden, nachdem dort die Erdgasförderung eingestellt worden war.

Die Erdgasförderung in Dreilingen wurde aber nur 3 Jahre vor der Probenahme laut LBEG Jahresberichten im Jahr 2009 eingestellt. Da sich Quecksilber sich nicht einfach verflüchtigt, handelt es sich um ein sehr schwaches Versuchsargument der Umweltschützer.

Letzten Endes bleibt festzustellen, dass entgegen der ersten Medienberichte, die sich im Wesentlichen auf Aussagen und Interpretationen von Umwelt- und Naturschützern beriefen, die Quecksilberwerte im Umfeld von Erdgasförderplätzen „hoch“ seien. Tatsächlich wurde lediglich an einer einzigen Stelle ein Maßnahmewert auf einem Truppenübungsplatz überschritten. Die entsprechenden Maßnahmen wurden daraufhin veranlsst. Dementsprechend, und aufgrund der nicht besorgniserregenden anderen Ergebnisse sah das LBEG keinen Anlass für weitere Maßnahmen und da es mit der eingeleiteten Maßnahme seinen Pflichten nachgekommen ist, ist der Vorwurf der Vertuschung oder gar des Verschlusses der Messwerte völlig unangemessen.

Heute gaben sowohl ExxonMobil als auch das LBEG bekannt, dass in Grabensedimenten „erhöhte Quecksilberwerte“ im unmittelbaren Umfeld des Förderplatzes „Söhlingen-Ost Z1“ in Proben, die das Unternehmen im Mai 2014 entnehmen ließ, festgestellt worden sind. Konkretere Angaben wurden nicht gemacht, so dass nicht beurteilt werden kann, auf welchen Vorsorge-/Prüf-/Maßnahmewert die Formulierung „erhöht“ Bezug nimmt.

 

3 Kommentare zu LBEG gibt Messergebnisse zur Quecksilberbelastung an Erdgasförderstellen bekannt

  • Barney Gumble sagt:

    Ja, man weiss ja wie GUTE Nachrichten von den Bürgerinitiativen aufgenommen werden.
    Nebenbei: Ist nicht das einzig interessante der EMMISSIONSwert einer Anlage?

    1. SAR sagt:

      Eigentlich ist das Interessante der EMISSIONswert einer Anlage. Ich habe es ja auch geschrieben, dass die IMMISSIONEN.

      Allerdings gibt es, das muss man fairer- und neutralerweise auch sagen, und das habe ich ganz unten getan, dass es ganz aktuell auch nicht so gute Nachrichten gibt, die von ExxonMobil selbst kommen. leider werden keine Werte genannt.

      Mal abwarten, was das tatsächliche Ergebnis ist.

    2. Dirk Weißenborn sagt:

      Hallo Barney,

      völlig richtig!

      nach unserem Rechtssystem kann jemand nur für die eigenen Handlungen, also in diesem Fall nur für die eigenen Emissionen, verantwortlich gemacht werden.

      Keinem der vom LBEG veröffentlichten Hg-Werte im Boden kann angesehen werden, woher das jeweils gemessene Hg kam. Neben lokalen Einflüssen gab es auch überregionale, wie zum Beispiel Immissionen aus weit entfernten Kohlekraftwerken, vor allem in zurückliegenden Zeiten.

      Aber wer von vorn herein immer nur einen „Schuldigen“ auf seiner Agenda hat, braucht diese Überlegungen nicht nachzuvollziehen.

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