Die übersinnlichen Kräfte der Gasförderungsgegner

Am 1. April 2014 regnete es angeblich bei Fackelarbeiten auf der Erdgasbohrung „Söhlingen Z5“ Säure aus der Fackel. Dieser Ansicht waren zumindest einige Bürgerinitiativler, die die zuvor durch den Betreiber der Bohrung, die ExxonMobil Production Deutschland GmbH (EMPG), angekündigten Arbeiten filmisch dokumentieren wollten.

Am daruffolgenden Tag erschien bei der „Kreiszeitung“ ein Artikel, der über einige Bewohner der Ortschaft Wittorf, die aus Angst vor gesundheitlichen Folgen der Erdgasförderung im mehrere Kilometer entfernten Feld „Söhlingen“ (die nächstgelegen Bohrung „Söhlingen Z3“ ist fast 7 km vom Dorf entfernt) ihren Wohnort verlassen wollten. Unter anderem befürchten sie, dass ihre Gesundheit durch das gelegentlich durchgeführte Abfackeln von Erdgas nach Wartungsarbeiten (z.B. Bohrlochreinigungen) gefährdet sei.

Eine der fünf Fortzugswilligen, Frau Melanie Schimmeyer wurde mit folgenden Worten zitiert:

Obwohl Wittorf einige Kilometer weg ist, haben wir abends einen metallischen Geschmack im Mund gehabt und uns wurde regelrecht übel

Frau Schimmeyers Wahrnehmung soll eine Folge der Abfackelung am Vorabend gewesen sein. Wie sich später herausstellte, fand diese am am 1. April auf der 7 Kilometer von Wittorf entfernten Bohrung „Söhlingen Z5“ statt (siehe Einleitung). Bereits am 28. März 2014 gab die EMPG bekannt, dass es in den folgenden Tagen zur Abfackelung von Erdgas kommen kann.

Das Erdgas, das bei Söhlingen gefördert wird, enthält vergleichsweise viel Quecksilber. Das ist sicherlich auch Frau Schimmeyer, ihrem Mann Denis sowie den drei anderen Wittorfern bekannt gewesen. Und deshalb ist zu vermuten, dass für den von Frau Schimmeyer wahrgenommenen metallischen Geschmack das Quecksilber verantwortlich gemacht werden sollte. Nur wird dieses durch den Einsatz von Quecksilberadsorbern bei solchen Arbeiten, wie sie am 1. April stattfanden, auf ein sehr geringes Niveau abgesenkt. Und zwar von ca. 3000 µg/Nm³ Erdgas auf < 50 µg/m³, wie aus der Beschreibung eines solchen Adsorbers der Firma Fangmann hervorgeht.

Ein metallischer Geschmack ist allerdings verschiedenen Quellen zufolge nur bei sehr hoher Quecksilberexposition möglich, was bei einem Einsatz eines Adsorbers und zudem noch  7 Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt, auszuschließen ist. Das erstaunliche ist, dass außer den fünf Personen, von denen vier laut Artikel in einer Bürgerinitiative (BI), der Wittorfer Initiative für Umwelt und Gesundheit (WUG) aktiv sind, offenbar niemand in Wittorf von der Abfackelung beeinträchtigt wurde.

Exakt eine Woche später berichtete der NDR, der zuvor bereits häufiger als Sprachrohr von Erdgasförderungsgegnern auffiel, von einem Vorfall am „Förderplatz Z5“. U.a. bei „NDR 18.00“ war dann in einem Filmbeitrag Herr Denis Schimmeyer zu sehen, der behauptete, dass ein Säureregen auf ihn niedergegangen sei und zum Beweis wurden Pflanzenblätter mit Löchern gezeigt. Das kuriose an dem damaligen Bericht war, dass plötzlich von erheblich mehr Symptomen als Folge der Fackelarbeiten die Rede war als im Artikel der Kreiszeitung eine Woche zuvor.

Noch merkwürdiger erschien die ganze Story bei umfassenderer Betrachtung der Berichterstattung darüber. Die angeblich Betroffenen verstrickten sich in Widersprüche. Während einerseits die durchlöcherten Blätter als Beweis für den Säureregen dienen sollten, behauptete bei „Buten und Binnen“ (Radio Bremen) Herr Andreas Rathjens, der im 25 km von der Bohrung entfernten Groß Meckelsen lebt und ebenfalls einer Bürgerinitiative angehört, dass aus der Fackel austretender heißer Ruß die Löcher in die Blätter gebrannt hat. Über den angeblichen Säureregen bzw. die Berichterstattung darüber gibt es HIER, und HIER sowie HIER auf dem Blog weitere Beiträge. Im übrigen hat sich der Reporter von „Buten und Binnen“ im Interview mit seiner Kollegin einen Freud’schen Versprecher erlaubt und zugegeben, dass lediglich Mitglieder von Bürgerinitiativen sich von der Abfackelung auf der „Söhlingen Z5“, fernab jeglicher Wohnbebauung, beeinträchtigt fühlten. Hinzu kommt, dass trotz des vermeintlichen Säureniederschlags die Aktivisten in der Lage waren, die Abfackelung aufzuzeichnen.

Erdgasförderbohrung Söhlingen Z14 ©chef79

Erdgasförderbohrung Söhlingen Z14 ©chef79

Im Juni fanden dann erneut zuvor durch die EMPG angekündigte Arbeiten inklusive zeitweiliger Erdgasabfackelung auf einer Bohrung im Feld „Söhlingen“ statt. Dieses Mal handelte es sich um die „Söhlingen Z14“. Durch die Bekanntmachung fühlten sich Vertreter von Bürgerinitiativen auf den Plan gerufen und organisierten eine Demonstration vor den Toren des Förderplatzes. Veranstalter waren die bereits genannten Herren Schimmeyer der BI WUG aus Wittorf sowie Rathjens der BI „Wir gegen Fracking“ aus Groß Meckelsen, wie aus diesem Artikel der „Kreiszeitung“ hervorgeht. Die genannten Wohnorte sind übrigens ca. 7 km bzw. 25 km von der Bohrung entfernt. Dieser Hinweis erfolgt deshalb, weil der NDR regelmäßig von „Anwohnern“ sprach, die betroffen wären.

Wie auch am 1. April im Zusammenhang mit den Arbeiten auf der „Söhlingen Z5“ wollten während der auf der „Söhlingen Z14“ durchgeführten Abfackelungen einige der Demonstrationsteilnehmer einen metallischen Geschmack wahrgenommen haben. Das geht zumindest aus einem Beitrag des Portals der inländischen Gasförderungsgegner, Gegen-Gasbohren.de, hervor:

Während der Bohrlochreinigung werden zeitweise Gase in unterschiedlicher Zusammensetzung abgefackelt. Die dabei von Anwesenden wahrgenommenen Gerüche lassen darauf schließen, dass Benzol und Quecksilber freigesetzt wurden. Zudem bildete sich ein charakteristischer Metallgeschmack auf der Zunge, bei Einzelnen traten im Anschluss Hautausschläge auf.

Der Unterschied: In Fall 1 befand sich die Betroffene kilometerweit vom Ort des Geschehens entfernt. In Fall 2 befanden sich die angeblich Geschädigten direkt neben der Fackel im Rahmen der Demonstration. Erstaunlicherweise waren offenbar nicht alle Teilnehmer der Veranstaltung betroffen. Was jedoch noch erheblich mehr zu denken gibt ist, dass in beiden Fällen offenbar niemand es für nötig hielt, einen Arzt zu konsultieren. Zumindest geht das nicht aus den zahlreichen Medienberichten zu den Fällen hervor und die Reporter hielten es offensichtlich nicht für notwendig, dieses merkwürdige Verhalten zu hinterfragen.

Zumindest soll nach Gegen-Gasbohren der Wasserbauingenieur Bernd Ebeling von der BI Umweltschutz Uelzen aufgrund der Unterstellungen Strafanzeige gegen die EMPG gestellt haben. Ebeling zeichnet sich durch eine gewisse Umtriebigkeit in Fragen der Erdöl-Erdgasgewinnung aus inländischen Vorkommen aus. So blockierte er im März 2014 mit einer Handvoll Mitstreiter die Zufahrt zur Versenkbohrung „Dethlingen H1“ bei Oerrel. Im Mai 2014 reiste er nach Vorpommern, um dort gegen die Stimulation der Erdölbohrung „Barth 11“ zu protestieren und die dortige Bevölkerung mit seinen unhaltbaren Behauptungen zu verunsichern (u.a. hier). Zuletzt besuchte er die Erdgaserkundungsbohrung „Reudnitz Z2“ in Süsostbrandenburg, wie die „Märkische Allgemeine Zeitung“ berichtet.

Aktuell wurden Arbeiten auf der Erdgasbohrung „Söhlingen Z16“ abgeschlossen. Im Zuge dieser Arbeiten musste zeitweilig ebenfalls Erdgas abgefackelt werden. Das geschah offenbar in den Abendstunden des 28. August 2014. Daraufhin fühlte sich eine in Hemslingen sowie im Ortsteil Söhlingen ansässige, vergleichsweise neue BI namens „Bürgerinitiative für Gesundheit Hemslingen/Söhlingen“ berufen, einen offenen Brief zu verfassen. Gefordert wird eine Einstellung der Abfackelung, was aufgrund des Abschlusses der Arbeiten laut EMPG bereits geschehen ist. Falls das nicht möglich sein sollte schreibt die BI laut eines Artikels der „Rotenburger Rundschau“ :

In dem Brief, der an den niedersächsischen Wirtschaftsminister Olaf Lies, an Umweltminister Stefan Wenzel, den Präsidenten des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG), Andreas Sikorski, und den Vorstandvorsitzenden von Exxon Mobil Deutschland, Oliver Kalkofen, gerichtet ist, wird alternativ eine Luftschadstoffmessung verlangt.

Hintergrund des Briefes ist, dass eine in der BI engagierte Söhlingerin im Zuge der Verbrennung des Erdgases in ihrem garten „Rauchgase“ wahrgenommen haben will.

Was die Dame allerdings nicht bedacht hat ist Folgendes: Erdgas, dass weitestgehend frei von höheren Kohlenwasserstoffen ist, verbrennt ohne die Entwicklung von Rauch. Hierfür verantwortlich ist der geringe Anteil von Kohlenstoff im Verhältnis zu Wasserstoff. Sollte allerdings nicht etwa die visuelle Wahrnehmung von Rauchgasen gemeint sein, sondern die geruchliche, so sei der BI gesagt, dass Erdgas, so wie es in Söhlingen zusammengesetzt ist, geruchlos verbrennt.

Zusammengefasst ist festzustellen, dass die Gegner inländischer Gasförderung offenbar über ein ausgeprägtes Wahrnehmungsvermögen verfügen. Trotz eingesetzter Hg-Adsorber und über eine Distanz von 7 km verspüren sie einen metallischen Geschmack auf der Zunge, was ihrer Ansicht nach auf die Emission von Quecksilber (Hg) zurückzuführen ist. Dabei ist diese Wahrnehmung nur bei sehr hohen Quecksilberkonzentrationen in der Luft möglich.

Außerdem können einzelne Vertreterinnen Gerüche wahrnehmen, wo keine entstehen können oder alternativ Rauch optisch wahrnehmen, wo überhaupt kein Rauch aufgrund naturwissenschaftlicher Gesetze entstehen kann. Irgendwie unheimlich, diese übersinnlichen Kräfte.

Ein Kommentar zu Die übersinnlichen Kräfte der Gasförderungsgegner

  • Dirk Weißenborn sagt:

    Der Beitrag deckt die gestörte Wahrnehmung der so genannten „Anwohner“ schonungslos auf. Ausgezeichnet!

    Beim Lesen kommt unwillkürlich der Gedanke an keltische „Seher“ (besser „Riecher“) und mittelalterliche so genannte „Hexenmeister“ auf. Zum Glück ist die Bevölkerung der Erdgasfördergebiete noch nicht zur Gänze der Massenpsychose und den Angststörungen anheim gefallen.

    Wären diese Analytiknasen wirklich so sensitiv, wie sie behaupten, könnten sie mit Sicherheit bei der Gewerbeaufsicht, dem Landesbergamt oder einem Umweltlabor sofort anfangen. Wer mit seiner Nase Stoffinhalte im nanogramm/m3-Bereich wahrnimmt, schlägt die beste instrumentelle Analytik.

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