Leiter der „Fracking“- Studie des Umweltbundesamtes widerspricht Auftraggeber

Im Juli 2014 wurde der zweite Teil der vom Umweltbundesamt (UBA) in Auftrag gegebenen “Fracking”-Risikostudie veröffentlicht. Obwohl aus den dazugehörigen Handlungsempfehlungen keine Verbotsforderung der Standardtechnologie im Bereich von Schiefergas- und Kohleflözgaslagerstätten abzuleiten ist, forderte die UBA-Präsidentin Maria Krautzberger dieses dennoch in einer UBA-Pressemitteilung. Nun wurde ausgerechnet durch den hier oft wegen seiner Voreingenommenheit gegenüber dem Hydraulic Fracturing kritisierten NDR öffentlich gemacht, dass der Leiter der vom UBA in Auftrag gegebenen Studie seinem Auftraggeber widerspricht.

Mit der Publizierung der Studie erschien auf der Website des UBA eine Stellungnahme. Bereits in der Einleitung dieser ist zu lesen:

Fracking ist und bleibt eine Risikotechnologie[…]

Dementsprechend spricht sich die Präsidentin des UBA, Frau Maria Krautzberger (SPD), für weitreichende Umweltauflagen aus, die einem Verbot des „Fracking“ (in Schiefergas- bzw. Kohleflözgaslagerstätten) gleichkämen. Im Interview mit dem NDR schließt sich die Bundesumweltministerin Hendricks (SPD) der Ansicht der Parteigenossin an. Sie halte „Fracking“ sogar für „hochgefährlich“. Für sie stünden Mensch und Gesundheit und gesundes Trinkwasser im Vordergrund.

Der Interpretation der UBA-Präsidentin sowie den Ausführungen von Frau Dr. Hendricks widerspricht nun ausgerechnet der Leiter der vom UBA in Auftrag gegebenen Studie, der Hydrogeologe Uwe Dannwolf. Angesprochen auf die Interpretation von Frau Krautzberger antwortet dieser:

In unserem Gutachten stehen solche Worte nicht drin. Was Frau Krautzberger macht, kann ich ihr nicht vorschreiben, wir können nur auf das Gutachten verweisen und sagen, ich würde es so nicht auslegen.

Das, was von Dannwolf geäußert wird, wird von Frau Dr. Hendricks abgetan, in dem sie sagt, dass sie die Aussagen von Dannwolf nicht kennt und mit der Position des UBA übereinstimmt.

Dannwolf wird auf eine der Schlüsselszenen von „Gasland“, den brennenden Wasserhahn angesprochen, den ein Mann aus Colorado anzündet. Ursache soll Methan sein, dass infolge des Fracens in den Trinkwasserbrunnen gelangt sei. Doch dem widerspricht Dannwold:

Die brennenden Wasserhähne haben überhaupt gar nichts mit Fracking zu tun

Er erklärt, dass es sich bei dem Gas um biogen gebildetes handelt (z.B. in Mooren) und nicht um thermogenes, also durch hohe Temperaturen in tieferen Erdschichten gebildetes. Beispielhaft für die Bildung biogenen Gases wird aufsteigendes Methan in einem Graben in den Niederlanden im Film gezeigt und dieses dann angezündet.

Tatsächlich handelte es sich bei den in „Gasland“ gezeigten entflammbaren Wasserhähnen um welche, die durch den Zutritt biogenen Methans aus Kohleflözen in die Brunnen gelangt sind. Das geht aus einem Report der Colorado Oil and Gas Conservation Commission (COGCC) hervor. Lediglich in einem der drei Brunnen konnte auch thermogenes Methan nachgewiesen werden. Den Zutritt des biogenen Methans begründet die COGCC mit der Durchörterung mehrerer Kohleflöze durch die Trinkwasserbohrungen.

Neben Uwe Dannwolf wird auch Prof. Dr. Hans-Joachim Kümpel, Präsident der Bundesanstalten für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zu seiner Meinung zum „Fracking“ befragt und dabei speziell zur Erdbebengefährdung. Er schätzt diese für sehr gering ein, insbesondere im Vergleich zur konventionellen Erdgasförderung, wo es gelegentlich auch in Deutschland sehr leichte Erdbeben gibt. Und wie es der Zufall will, gab es ein solches bei Visbek (Quelle LBEG) wenige Stunden vor der Ausstrahlung des Beitrages.

Anschließend weist Dannwolf darauf hin, dass wir keine Null-Risiko-Gesellschaft haben und wünscht sich eine faire Bewertung der Risiken bzw. eine definierte Grenze, bis zu der Risiken tolerabel sind. Und das solle gleichwertig für alle Technologien gelten.

Eine Trinkwasserbeeinträchtigung durch die dem Fracfluid zugesetzten Chemikalien schließen sowohl Dannwolf als auch Kümpel aus, jeweils aus verschiedenen Sichtweisen. Während Dannwolf anhand dokumentierter maximaler Risslängen argumentiert, weist Kümpel auf die verschiedenen hydraulisch Dichten Gesteinspakete oberhalb der Speichergesteine hin. Außerdem wird vom Reporter darauf hingewiesen, dass die Chemikalien wie sie heutzutage für Schiefergas eingesetzt werden, „nicht wirklich“giftig sind. Symbolträchtig trinken einige Mitarbeiter von ExxonMobil ein Schnapsglas mit Fracfluid auf einem Erdgasförderplatz.

Obwohl es um das Thema Hydraulic Fracturing geht, gibt es gegen Ende des Films einen Hinweis auf Vorfälle im Zusammenhang mit dem Transport von Lagerstättenwasser. Doch anstatt sich vom eigentlichen Thema zu entfernen und die Vorfälle „auszuschlachten“ wie in anderen Beiträgen des NDR geschehen, bekommt der Bericht die Kurve und belässt es bei dem Hinweis.

Ganz am Ende wird die Frage gestellt, warum der Auftraggeber, dass dem Bundesumweltministerium unterstellte UBA die Studie so einseitig interpretierte. Dazu kommt noch einmal Uwe Dannwolf zu Wort, der ein gewisses Unverständnis für die Interpretation erkennen lässt. Auf die Frage des Reporters, ob er das Verfahren für sicher hält, antwortet er kurz mit „Ja, sicherlich.“ Die Bundesumweltministerin will sich zu der Kritik nicht äußern und pflichtet der Interpretation des UBA bei.

Der Beitrag schließt mit folgenden Worten:

Es wird Zeit für eine nüchterne Debatte des Fracking. Mit mehr Sachlichkeit und weniger Emotionen.

Bötersen Z11, März 2012 chef79

Tightgas-Bohrung Bötersen Z11, März 2012 ©chef79

Diese Schlussworte im Zusammenhang mit dem Hydraulic Fracturing hätten wir von „Erdöl und Erdgas in Deutschland“ dem NDR nicht zugetraut. Denn dieser stand unserer Ansicht nach der Erdgasförderung im Allgemeinen und dem Hydraulic Fracturing im Speziellen in der Vergangenheit alles andere als nüchtern und sachlich gegenüber. Stattdessen konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, als fungiere der NDR als Sprachrohr der Anti-Gasförderungsgruppierungen. Dieser Eindruck konnte mit diesem gut recherchierten Beitrag, der, wie nicht anders zu erwarten, von der Gegnerschaft scharf kritisiert wird, gemindert werden. An dieser Stelle möchte ich nur einen Kommentar von einem gewissen Matthias zitieren:

Matthias schrieb am 03.09.2014 15:09 Uhr:Es steht ausser Zweifel, dass die amerikanischen Behörden bei hunderten von vergifteten Brunnen Fracking als Verursacher festgestellt und amtlich bestätigt haben.
Gegen die Aussagen die in dieser Reportage des NDR gemacht werden sollte man wegen vorsätzlicher Fehlinformation klagen.
Ich bin einfach nur entsetzt.

Entgegen der Behauptung bon Matthias (Elshoff?) wurde „Fracking“ als Verursacher nicht festgestellt. Daran ändert auch folgende Behauptung bei gegen-gasbohren.de, betrieben von Matthias Elshoff, nichts:

In den US-Bundesstaaten Ohio, West Virginia und Texas lagen Tausende von Beschwerden über verschmutztes Brunnenwasser vor, wovon jedoch nur sechs in Ohio als durch Fracking verursacht anerkannt wurden.

Denn in der Quelle, die diese Behauptung stützen soll, steht das genaue Gegenteil:

Ohio had 37 complaints in 2010 and no confirmed contamination of water supplies; 54 complaints in 2011 and two confirmed cases of contamination; 59 complaints in 2012 and two confirmed contaminations; and 40 complaints for the first 11 months of 2013, with two confirmed contaminations and 14 still under investigation, Department of Natural Resources spokesman Mark Bruce said in an email. None of the six confirmed cases of contamination was related to fracking, Bruce said.

Am erschreckendsten an der Geschichte ist jedoch, dass eine dem Bundesumweltministerium unterstellte Behörde, hier das UBA, eine Studie in Auftrag gibt, deren Ergebnisse jedoch nicht akzeptiert bzw. fehlinterpretiert via Pressemitteilung an die Öffentlichkeit weitergibt. Es ist zu vermuten, dass die Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen der Studie nicht den Wünschen oder auch Ideologie des Auftraggebers entsprachen. Anders ist die Interpretation der UBA-Präsidentin kaum zu erklären.

LINK zum panorama3-Beitrag „Übertriebene Panik? Das schlechte Image von Fracking“

 

2 Kommentare zu Leiter der „Fracking“- Studie des Umweltbundesamtes widerspricht Auftraggeber

  • Dirk Weißenborn sagt:

    Zur Person dieser Frau Krautzberger (UBA-Präsidentin) steht bei Wikipedia u.a. geschrieben:

    „Nach dem 1973 abgelegten Abitur nahm Krautzberger ein Studium der Soziologie und Anglistik an der Universität München auf. Es folgte ein Studium der Verwaltungswissenschaften in Konstanz. Von 1979 bis 1980 arbeitete sie als wissenschaftliche Angestellte am Seminar für Politische Wissenschaften der Universität Bonn, anschließend wechselte sie in die Stadtverwaltung Wuppertal. Dort stieg sie als wissenschaftliche Sachbearbeiterin und Sachgebietsleiterin ein, ab 1986 war sie Abteilungsleiterin im Amt für Stadtentwicklung und Umweltschutz. 1992 wechselte sie als Umweltsenatorin in die Stadtverwaltung Lübecks und nahm dort ab 1997 auch die Funktion der stellvertretenden Bürgermeisterin wahr. 1998 war sie zunächst Mitarbeiterin bei der Vereinigten Energiewerke AG (VEAG), danach bis zu ihrer Ernennung zur Staatssekretärin Beigeordnete für das Dezernat Planen, Bauen, Wohnen der Stadt Oberhausen.“

    Wie kann eine Soziologin mit Anglistik und Verwaltungswissenschaft sich überhaupt anmaßen, in irgendeiner Weise Verfahren wie „Fracking“ beurteilen? Den oben wiedergegebenen Zeilen ist zudem klar zu entnehmen, dass Ihre Karriere ganz eindeutig im politischen bzw. sehr politiknahen Raum stattfand, meist bei staatlichen Institutionen – immer schön abgesichert. Parteinetzwerke dürften dabei hilfreich gewesen sein.

    Dieser Person kann jeder hergelaufene Hilfs-Josh Fox ein X für ein U vormachen – auch im Falle der flammenden Wasserhähne.

    Es wird Zeit, dass die Spitzen sämtlicher Bundesbehörden wieder mit Fachpersonal statt mit vernetzten Politkadern besetzt wird.

    1. SAR sagt:

      Dem ist wie immer, wenig, in diesem Falle sogar gar nichts hinzuzufügen.

      Das UBA ist mir sowieso spätestens seit der „Schwarzen Liste“ unliebsamer Klimawissenschaftler mehr als suspekt.

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