Der sinnige Unsinn – Ein Kommentar zur „Fracking“-Debatte nach „Panorama“-Reportage

Letzte Woche machte das ARD-Magazin Panorama mit einem Bericht auf sich aufmerksam, der Hydraulic Fracturing, oft auch nur „Fracking“ genannt, in ein anderes Licht und vor allem „Gasland“ kritisch auf die Probe stellte sowie die Ungereimtheiten im Film verdeutlichte. Im Nachgang der Reportage gab es ein paar Kommentare, die sich um Bestechlichkeit drehten. Doch wie sinnvoll ist das wirklich? Ein Kommentar.

Am 03.09.2014 zeigte „Panorama 3“ einen Beitrag, der den Film „Gasland“ und den daraus bekannten „brennenden Wasserhahn“ kritisch untersuchte. So kam endlich ein recht objektiver Beitrag zu Stande, der fachlich zwar noch nicht hundertprozentig korrekt, aber für die bisher bekannte Berichterstattung recht sachlich und nüchtern die Fakten aufbereitete. Diesen Beitrag nahm die ExxonMobil-Mitarbeiterin Ritva Westendorf-Lahouse zum Anlass einen Blog auf erdgassuche-in-deutschland.de zu verfassen, indem sie die Frage aufgreift, ob jemand behaupten könne, der NDR oder das UBA-Gutachten sei von ExxonMobil gekauft.

Am 04. September lief derselbe Beitrag, wenn auch leicht verändert und ergänzt bei Panorama in der ARD. Herrlich der ironische Schlusssatz von Moderatorin Anja Reschke:

„Übrigens: natürlich wurden wir für diesen Beitrag von Exxon bezahlt. Die Millionen klingeln schon auf unserem Konto. […] Muss Panorama reich sein.“

Das setzt alles bei einer Frage an, die ich mir ehrlich gesagt schon seit längerer Zeit selbst stelle: Glauben die Bürgerinitiativen bzw. Kritiker das eigentlich selbst, was sie alles sagen?

Versuchen wir einmal die Sache nüchtern zu betrachten: Wir haben in Deutschland vier große Erdöl- und Erdgasproduzenten, die, wenn auch nicht immer unter demselben Namen, teilweise seit über 100 Jahren Erdöl produzieren. Später kam das Gas hinzu und in Erdgaslagerstätten wurde vor 53 Jahren zuerst gefract. Zunächst brauchte man hierfür noch schwere Bohranlagen und konnte im Laufe der Zeit dies technisch so weiterentwickeln, dass eine Bohrung mit mehreren Fracs (Stages) stimuliert werden kann, auch in Horizontalstrecken und heute nur noch über eine Coiled-Tubing-Einheit. Das hat sich alles über die Jahre bewährt, wurde ständig verbessert, ist State-of-the-Art und eigentlich nicht weiter der Erwähnung wert.

Die Rig 30 der ITAG bohrt die Damme 2.

Die Rig 30 der ITAG bohrt die Damme 2.

In den Jahren 2008 und 2009 gab es seitens ExxonMobil erste Bemühungen, in die sogenannten Unconventionals einzusteigen. Das sind, nach heutiger Definition, Erdgaslagerstätten, die im Kohleflöz oder Tonschiefer gebunden sind. Mit zunehmender Erfahrung wird der Übergang von unkonventionellen zu konventionellen Lagerstätten allerdings immer fließender, da vor einigen Jahren selbst Tight Gas-Lagerstätten, Erdgaslagerstätten in geringpermeablen Sandsteinen, also mit einer schlechten  Porenverbundenheit (Permeabilität), noch als unkonventionell bezeichnet wurden.

Die ersten vier Projekte wurden noch recht lautlos durchgeführt, ohne großes öffentliches Interesse, eher wurde es positiv herausgestellt und vom NDR als etwas ganz tolles, neues erwähnt, was den Autor dieser Zeilen zumindest auf Fracs bezogen doch damals schon sehr verwunderte.

Für die Erdöl- und Erdgasbranche sind also Stimulationsarbeiten der Formation mittels Hydraulic Fracturing nichts Besonderes. Im Jahre 2010 wurde dann bekannt, das diese Erprobung auch auf Nordrhein-Westfalen (bzw. weiter in NRW rein, da es bereits eine Probebohrung im niedersächsischen Grenzgebiet gab) ausgebaut werden sollte, wobei die Erprobung nicht zwingend Frac-Aktivitäten umfasst. Befeuert durch „Gasland“ und den brennenden Wasserhahn formierte sich mehr und mehr Widerstand. Das hat zu Folge, dass seit 2011 Fracs auf Erdgas-Formationen gar nicht mehr genehmigt wurden bzw. vom Genehmigungsstand in der Schwebe stehen und lediglich eine Behandlung im Zechsteinkarbonat der Ölbohrung Barth 11 in Mecklenburg-Vorpommern im Frühjahr dieses Jahres durchgeführt wurde.

Früher war es auch so, dass die entsprechenden Anträge beim Bergamt gestellt wurden, dann die Genehmigungsphase mit allen gesetzlich vorgeschriebenen Anhörungen und Behörden folgte und anschließend das Projekt umgesetzt werden konnte. Eventuell wurde noch eine kleine Anwohnerinformation gemacht bzw. in einer Pressemitteilung über das Projekt informiert. Bevor hier jetzt jemand wieder anfängt über mangelnde Transparenz zu schreiben: Das hat in der Regel so gereicht, da das Interesse schlichtweg auch nicht größer war.

Von unzähligen Foto-Touren kann der Verfasser dieses Beitrags das berichten: Es hat sich schlichtweg keiner oder kaum jemand dafür interessiert, was da gemacht wird. Es gab ein Schild mit einer Projektbeschreibung und einer Adresse, an die man sich für weitere Fragen und Informationen hätte wenden können. Das ist ein Punkt, den man in dieser ganzen Transparenz-Debatte nicht vergessen darf und wo ich auch schon oft die Gegenfrage gestellt habe, warum man sich nicht einfach früher dafür interessiert oder nachgefragt hat, was da vor der eigenen Haustür passiert.

Bei den Firmen dürfte ein entsprechendes Interesse daran bestehen, dass man Felder und Produktion bestmöglich entwickeln kann. Dazu kann es eben nötig sein, die Lagerstätten entsprechend mit Fracs zu behandeln. Der Forderung nach mehr Transparenz kommen die Firmen durch diverse Webauftritte und Vor-Ort-Termine nach.

Ein anderer springender Punkt ist aber der folgende, worauf ich auch eigentlich hinaus will:

Werden Studien angefertigt und veröffentlicht, die zum Fazit kommen, dass Hydraulic Fracturing bzw. die Erdgas- und Erdölgewinnung nicht gefährlicher sind, als andere Industriezweige bzw. Formen der Energiegewinnung, wird das von seiten der Gegner angezweifelt, egal wie objektiv und wissenschaftlich schlüssig sie sind. Oder aber sie werden als industrienah bzw. „gekauft“ diffamiert.

Hier stelle ich mir jedoch die Frage „Was bringt das?“ Was bringt es zum Beispiel einem renommierten Wissenschaftler, sich von irgendwelchen Firmen oder Verbänden kaufen zu lassen und dabei ggfs. seinen guten Ruf aufs Spiel zu setzen? Ich denke, man hat als anerkannter Wissenschaftler da recht wenig von, irgendetwas für eine Studie aufs Spiel zu setzen, was man sich durch jahrelange Tätigkeit aufgebaut hat.

Dieselbe Frage kann man aber auch auf die Firmen anwenden. In der Regel ist es ja heute so, dass es irgendwann rauskommt, wenn irgendwo Gelder geflossen sind, um bestimmte Resultate zu beschönigen. Was würde das aber einer Firma bringen, die darum bemüht ist, möglichst viel für die Öffentlichkeit zu tun, um bald wieder normal, also wie es jahrzehntelang problemlos in Deutschland der Fall war, Erdöl und Erdgas produzieren zu können? In meinen Augen ergibt das nämlich extrem wenig Sinn, wenn man hier einen Skandal produzieren könnte, da man sich dann die Aktivitäten und eventuell noch weitere komplett abschminken könnte.

Eine Bohranlage der Angers Söhne auf der Aufschlussbohrung "Schlahe 1".

Eine Bohranlage der Angers Söhne auf der Aufschlussbohrung „Schlahe 1“.

Das ist auch derselbe Punkt, den ich bei der Debatte bzw. den „Argumenten“ bei Gegnern bzgl. der Sicherheit nicht nachvollziehen kann. Ich denke, sollte da bei der Bohrung oder der Handhabung mit irgendwelchen Stoffen wirklich so geschlampt werden, dass wirklich große Unfälle passieren, kann sich die Firma doch sicherlich eine weitere Aktivität sparen oder sie sehr, sehr eingeschränkt durchführen.

Und mal ehrlich? Warum sollte eine Firma zum Beispiel bei der Bohrlochintegrität sparen? Zum Einen sind die Firmen natürlich auch an sicheren und ordnungsgemäß funktionierenden Bohrungen interessiert, zum Anderen würde es doch enorme Kosten verursachen, wenn man eine Bohrung nicht vernünftig verrohrt und zementiert und dann in ein paar Monaten oder Jahren wieder mit einer Workover-Anlage auf die Bohrung darf, um den Pfusch dann auszugleichen. Das kann auch mal die ein oder andere Million mehr kosten und ist betriebswirtschaftlich alles andere als sinnvoll.

Der nächste Punkt wären auch die Mitarbeiter: Ich denke, jeder verantwortlichen Person ist daran gelegen, dass die eigenen Mitarbeiter morgens (oder je nachdem wann Schichtbeginn ist) gesund zur Arbeit erscheinen und zum Feierabend wieder genauso gesund den Betriebsplatz verlassen können.

Ich frage mich dabei wirklich, wie seitens der Gegner behauptet werden kann, dass da mitunter vorsätzlich gehandelt und geschlampt wird. Das hat für mich auch ein wenig mit nicht vorhandenem Respekt gegenüber den Mitarbeitern in den Betrieben der Erdöl- und Erdgasindustrie zu tun. Es klingt oft so, als sei es den Firmen (also eigentlich ja ihren Mitarbeitern) egal, was mit der Umwelt und auch den eigenen Anlagen passiert. Mal ehrlich? Kann man sowas wirklich ernst meinen, dass es Müttern und Vätern egal sein soll, ob sie und ihre Kollegen noch ein vernünftiges Leben führen können?

Für mich ist das sehr respektlos, wie von einigen Seiten der Kritiker mit Mitarbeitern der Industrie umgegangen wird. Da werden Bohrarbeiter als Wanderzirkus tituliert oder Ingenieuren wird vorgeworfen, vorsätzlich das Grundwasser und die Natur zu schädigen. Das Interessante daran ist aber, dass, wenn man manche Aussagen der Gegnerschaft bezweifelt, recht schnell von ihr mit rechtlichen Konsequenzen gedroht wird. Ich möchte mir nicht ausmalen, was es für ein Echo geben würde, wenn wir hier vom Blog oder Mitarbeiter der Öl- und Gasbranche den Spieß mal umdrehen oder den Berufszweig der jeweiligen Gegner entsprechend in Verruf bringen würden…

Wieder bringt es da ein Satz aus der Panorama-Reportage auf den Punkt:

Vielleicht würde mehr Nüchternheit statt Emotion der Debatte gut tun.

Und ein wenig Anstand und Respekt bei einigen der Gegnerschaft auch.

Letztlich wollen Kritiker und vor allem verängstigte Menschen mit ihren Argumenten und Ängsten ernst genommen werden. Dazu gehört aber auch ein Mindestmaß niveauvolles Verhalten gegenüber Mitarbeitern der Firmen und gegenüber Wissenschaftlern und Forschern, die unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten eine Lösung finden wollen. Vor allem vor dem Hintergrund der jetzt gesendeten Bilder und Fakten von Panorama muss man sich auch auf Seiten der Hardcore-Kritiker und Bürgerinitiativen fragen, wie weit man nicht selbst zu einer Verunsicherung beigetragen hat und dabei nicht etwas weit über das Ziel hinausgeschossen ist.

Schließlich ist es schon ein Zeichen genug, dass der NDR durch die Panorama-Berichte seine früheren Aussagen und Sendungen relativiert hat. Und einfach zu sagen „Wir wollen das nicht!“ ist in meinen Augen zu kurzsichtig und grenzt, besonders bei Betrachtung der wenig bis gar nicht vorhandenen Alternativen an blanker Ironie oder gar Scheinheiligkeit, insbesondere wenn man sieht, woraus zum Beispiel Windkraftanlagen und Solarpanele bestehen und wo und wie die Grundstoffe bergmännisch gewonnen werden. Selbst wenn man in Deutschland gar nicht mehr fracen dürfte, werden wir mehr und mehr Gas importieren müssen, das auch garantiert aus gefracten Formationen stammt. Unter welchen Umständen das im Ausland produziert wird liegt dann nicht mehr in unserer Hand.

Wie sagte vor Jahren einmal ein junger Mann vom WWF zu mir? „Du musst uns aber auch mal verstehen.“ Ich entgegnete nur: „Ihr tut es ja bei mir auch nicht.“ Und fühlte mich irgendwie im Recht.

3 Kommentare zu Der sinnige Unsinn – Ein Kommentar zur „Fracking“-Debatte nach „Panorama“-Reportage

  • Dirk Weißenborn sagt:

    „Selbst wenn man in Deutschland gar nicht mehr fracen dürfte, werden wir mehr und mehr Gas importieren müssen, das auch garantiert aus gefracten Formationen stammt.“

    Nun, vielleicht kann die Anti-Gasbohr-Liga ja bald auf breiter Front Ihren finalen Sieg frenetisch feiern.

    „Fracking“ in Deutschland? Dank der „heiligen Barbara“ und des Energieerzengels Gabriel sowie einer Handvoll „Aktivisten“ wird dies kaum noch möglich sein.

    Die politische Entwicklung zwischen Russland und Europa birgt latent die Gefahr eines wirklichen Versorgungsengpasses. Dazu bedarf es nicht unbedingt eines Gegenboykotts der russischen Regierung. Es reichen u.U. kriminelle Entnahmen aus den Transferpipelines in der Ukraine in Verbindung mit einem langen, strengen Winter aus.

    Wie blind müssen bestimmte „Gutmenschen“ sein, angesichts dieses durchaus möglichen Szenarios auf ineffiziente Power-to-Gas-Verfahren zu setzen, die es bisher nur in Pilotanlagen gibt, deren ökonomische Implementierung Jahre bräuchte und deren Investitionskosten in voller Wucht bevorzugt die Privatkunden und kleineren Gewerbebetriebe treffen würde.

    Bis dahin könnte sich Erdgasmangel ausgebreitet haben. Es wäre für manche „Aktivisten“ doch mal was Neues, zeitweilig in der Kälte zu hocken, während sie am Rechner die nächsten Horrorgeschichten hinsichtlich der inländische Erdgasförderung produzieren.

    Leider wären auch andere – vor allem andere – MitbürgerInnen und Mitbürger davon betroffen. Und in denjenigen Ländern der Europäischen Union, die aufgrund höheren Importanteils noch in weitaus höherem Umfang von Lieferengpässen beim russischen Erdgas betroffen wären, könnte sich sogar eine unfreundliche Stimmung gegen die dortige Anti-Gasbohr-Szene breitmachen.

    In Polen und anderen Ländern Osteuropas könnten in einer solchen Situation manche Menschen meinen, wer gegen „Fracking“ sei, der wäre mit der russischen Regierung politisch oder finanziell im Bunde. Dann könnte es dort nicht nur durch die niedrigen Raumtemperaturen ungemütlich werden…

  • Barney Gumble sagt:

    Ein anderes Gedankenexperiment: Die einheimischen Jamal-Nenzen oder andere Völker in den Gasgebieten Russlands streben Unabhängigkeit an.
    Die blockieren dann die Gasförderung ähnlich wie die BI hier in Deutschland, allerdings gegen reale Umweltprobleme-deren Rentiere sterben durch verölte Flechten-
    würden sich die Bauhofs hierzulande solidarisieren oder verlangen, dass die Menschen dort sich mit den ökologischen Zuständen abfinden müssen, um „Fracking“ in Deutschland zu verhindern?

    1. SAR sagt:

      Also Herr Bauhof hatte sich vor einiger Zeit dahingehend geäußert, dass ihm „Putin-Gas“ lieber wäre als „gefracktes Gas“ aus Deutschland. Auf meine Frage hin, ob er denn wisse, dass auch in Russland fleißig gefract wird, kamen nur irgendwelche Pöbeleien.

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