Geplante Gesetzesverschärfungen der Bundesregierung zur Erdgasgewinnung widersprechen Koalitionsvertrag

Fünfzig Jahre lang wurde Hydraulic Fracturing, inzwischen umgangssprachlich „Fracking“ genannt, nahezu unbehelligt hunderte Male in Deutschland Ost wie West in Erdgaslagerstätten angewendet. Doch dann erschien 2010 ein Film namens „Gasland“. In diesem wurden, untermalt mit dramatischen Bildern, angebliche Auswirkungen dieses weltweit seit 1947 millionenfach angewendeten Verfahrens dargestellt werden.

Von diesen Bildern ließen sich insbesondere in Deutschland zunächst einige Menschen beeindrucken, in deren Nachbarschaft im Jahr 2010 nach neuen Erdgaslagerstätten in Kohleflözen (z.B. Nordwalde, Nordrhein-Westfalen) sowie insbesondere in Tonschiefern (z.B. Lünne, Niedersachsen) gesucht werden sollte. Erste Bohrungen auf diese Formationen seit 2008 fanden hingegen keine Beachtung.

Anstatt das in „Gasland“ Gezeigte kritisch zu hinterfragen, nahmen die aufgeschreckten Mitbürger es stattdessen für bare Münze. Mit ihren Sorgen wandten sie sich an die Presse und wurden dort teilweise mit offenen Armen empfangen. Denn schließlich stoßen von Sorgen und Ängsten erfüllte Berichte auf mehr Interesse als sachliche langweilige Nachrichten. Nicht umsonst besagt ein englischsprachiges Zitat, anscheinend eine Maxime des Journalismus:

„Only bad news are good news“

Nachdem noch im November 2010 sich insbesondere nordrhein-westfälische Zeitungen mit Jubelmeldungen über das nicht nachgewiesene Erdgasvorkommen von 2.000 Mrd. Kubikmetern allein in Kohleflözen überschlugen (hier ein aufgefundenes Beispiel), schlug die Stimmung mit der Verbreitung der Schreckensbilder aus „Gasland“ in nahezu allen Medien schlagartig um. Schlag auf Schlag gründeten sich in Gebieten, die allein für die Erkundung (!) von Schiefer- oder Kohleflözgaslagerstätten von den zuständigen Behörden vergeben worden sind, Bürgerinitiativen gegen die Aufsuchung.

Befeuert wurde die Ablehnung durch unsachliche „Reportagen“, wie z.B. beim ARD-Magazin „Monitor“ vom 18.11.2010 (auf youtube zu sehen). Man beachte einfach nur, wie Frau Mikich in der Anmoderation das Wort „Fracking“ betont. Weitere Berichte in diesem Stil folgten, zumal Vorfälle an Lagerstättenwasserleitungen zum „vertuschten Umweltskandal“ aufgebauscht (NDR „Markt“, Ende 2010? , bei youtube) und tlw. mit „Fracking“ in Verbindung gebracht wurden (ZDF zoom 2011, bei youtube), obwohl kein Zusammenhang besteht.

Diese „Reportagen“, gekennzeichnet von Falschdarstellungen und Durcheinanderbringen von Sachverhalten erreichten immer mehr Mitmenschen, die diesem ausgemachten Unsinn Glauben schenkten. Dementsprechend gründeten sich dann sogar in klassischen Fördergebieten Bürgerinitiativen (BI), um gegen das Standardverfahren Hydraulic Fracturing zu opponieren, nachdem sie erfahren haben, dass auch in ihrer Umgebung gefract wurde (Erdgaslagerstätte „Völkersen“) oder Fracs unmittelbar bevorstehen sollen (z.B. Bohrung „Bötersen Z11“, Lagerstätte „Rotenburg-Taaken“).

Schließlich führte die durch BI und Medien erzeugte Hysterie dazu, dass sich die politischen Entscheidungsträger davon beeinflussen ließen. In Niedersachsen wurde im Angesicht der anstehenden Landtagswahl 2013 vom damaligen Wirtschaftsminister Bode (FDP) eine Rundverfügung zur Verschärfung der Genehmigungspraxis veranlasst. In Nordrhein-Westfalen wurde nach den Empfehlungen eines Auftragsgutachtens von der Landesregierung ein zweifelhaft begründetes Moratorium erlassen. Inzwischen werden die Moratorien von Fachjuristen sogar als rechtswidrig angesehen (Quelle: Wirtschaftswoche):

„Die Moratorien der Bundesländer gegen Fracking sind eindeutig rechtswidrig“, sagte Walter Frenz, Professor für Bergrecht an der RWTH Aachen, der Wirtschaftswoche.

Auch die damalige Bundesregierung, die aus einer Koalition der Parteien CDU und FDP gebildet wurde, diskutierte intensiv über den Umgang mit dem politisch heiklen Thema „Fracking“, konnte sich jedoch im Wahlkampf zur anstehenden Bundestagswahl nicht auf eine Regelung verständigen.

Das versucht nun im zweiten Anlauf die gegenwärtige Bundesregierung aus CDU und SPD. Dazu hat diese noch vor der Sommerpause Eckpunkte formuliert. Inhaltlich ist vorgesehen, das Durchführen von Fracarbeiten in konventionellen Lagerstätten, wie es zuvor problemlos in Bezug auf Umwelt und die befürchtete Grundwasserverunreinigung 50 Jahre lang erfolgte, durch Auflagen zu erschweren. Die Anwendung des Verfahrens in Schiefergas- sowie Kohleflözgaslagerstätten soll sogar nahezu unmöglich gemacht werden.

Diese Forderungen widersprechen jedoch in teils eklatanter Weise den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages (Seite 46 im Link). Allein das dort zur politischen Umsetzung Vorgesehene entspricht entgegen den Formulierungen den wissenschaftlichen Erkennnissen und jahrzehntelangen Erfahrungen, also ohne fundierte Begründung.

So ist im Koalitionsvertrag zu lesen:

Nach den vorliegenden Untersuchungen zur Umweltrelevanz ist der Einsatz der Fracking-Technologie bei der unkonventionellen Erdgasgewinnung – insbesondere bei der Schiefergasförderung – eine Technologie mit erheblichem Risikopotenzial.

Erdgasbohrung "Bötersen Z11", im Zuge der aufkeimenden Debatte steht die geplante und notwendige Fracmaßnahme noch aus ©chef79

Erdgasbohrung „Bötersen Z11“, im Zuge der aufkeimenden Debatte steht die geplante und notwendige Fracmaßnahme noch aus ©chef79

Eine Quellenangabe, auf welche Untersuchungen sich die Koalition beruft, sind nicht zu finden. Insofern ist die Aussage zweifelhaft. Die 50-jährigen Erfahrungen aus deutschlandweit (DDR und BRD) über 400 Fracmaßnahmen, die aus der Anwendung der Technologie gewonnen worden sind, widersprechen der These. Zudem hat es kaum praktische Untersuchungen und somit Ergebnisse gegeben, die die Behauptung, dass insbesondere die Schiefergasförderung risikoreich sei, untermauern.

Kurioserweise wird das im Eckpunktepapier des Bundesumweltministriums (BUMB) sowie des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) bestätigt. Dort ist zu lesen:

Beim Fracking in Schiefer- und Kohleflözgestein lassen sich derzeit mangels eigener nationaler Erfahrungswerte die Auswirkungen noch nicht abschätzen.

Einerseits behauptet die Bundesregierung also, dass es erhebliche Risiken gibt, sie also weiß, dass es negative Auswirkungen gibt, anderseits heißt es jedoch aus den Ministerien, dass sich (die) Auswirkungen nicht abschätzen lassen, also unklar ist ob und in welchem Ausmaß sie überhaupt eintreten!? Das ist widersprüchlich.

Im Koalitionsvertrag ist weiterhin zu lesen:

Den Einsatz umwelttoxischer Substanzen bei der Anwendung der Fracking-Technologie zur Aufsuchung und Gewinnung unkonventioneller Erdgaslagerstätten lehnen wir ab.

Abgesehen davon, dass es den Begriff  „umwelttoxisch“ zur Einstufung des Gefährdungspotenzials nicht gibt (diesbezüglich sind wir uns sogar mit den Gegnern einig, wenn auch aus anderen Blickwinkeln): Zur Aufsuchung wird die Fractechnologie regelmäßig nicht angewendet, sondern höchstens im Zuge von Aufsuchungsmaßnahmen zu Testzwecken. Das ist aber nebensächlich. Inzwischen sind für Fracmaßnahmen Fluide entwickelt worden, die keine giftigen (toxischen) und umweltgefährdenden Substanzen enthalten (Quelle: Neue Frac-Fluide für Schiefergas- und Sandstein (Bö Z11) Lagerstätten). Insofern dürfte der Erschließung von unkonventionellen Lagerstätten unter Anwendung des Fracverfahrens nichts im Wege stehen.

Das ist jedoch nicht der Fall. Denn im Eckpunktepapier des BMUB und des BMWi soll dennoch anhand einer offenbar mit dem Lineal durch den Untergrund, also willkürlich, gezogenen Linie die Anwendung des Fracverfahrens oberhalb 3.000 Meter grundsätzlich verboten werden. Das widerspricht somit nicht nur den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages, in dem diese Begrenzung nicht benannt wird, sondern insbesondere auch den wissenschaftlichen Erkenntnissen, auf die sich sowohl Koalition als auch die Ministerien in ihrem Papier indirekt berufen. Stattdessen wird ein Sicherheitsabstand von 1.000 Metern zwischen Fracansatzpunkt und Geländeoberkannte als ausreichend angesehen (Quelle SHIP):

Aus den maximalen Transportdistanzen und hydraulisch erzeugten Frack-Höhen lässt sich ein empfohlener Mindestabstand von zunächst 1000 m zwischen Perforation in der Verrohrung und der Geländeoberkante ableiten: 500 m Frack-Höhe + 200 m vertikale Migrationsdistanz (= zweifache Mobilisierung der Frack-Fluide à 50 m x Sicherheitsfaktor von 2). Die obersten 300 m (oberflächennaher Entspannungs- und Auflockerungsbereich), einschließlich des 100 m mächtigen oberflächennahen Grundwasserleiters werden nicht als barriererelevante Abfolge betrachtet.

Im Eckpunktepapier wird weiterhin, wiederum ohne fundierte Begründung, ein Verbot der kommerziellen Förderung bis 2021 angedacht:

Der Gesetzgeber überprüft die Angemessenheit der gesetzlichen Verbotsregelung im Jahr 2021 auf der Grundlage eines Berichts der Bundesregierung zum bis dahin erlangten Stand von Wissenschaft und Technik zur Fracking-Technologie.

Im Dezember 2010 gefracte Erdgasbohrung "Mellin 20" in der Altmark ©chef79

Im Dezember 2010 gefracte Erdgasbohrung „Mellin 20“ in der Altmark ©chef79

Wie man jedoch Wissen über Verbote erlangen soll, fragte ich bereits in einem im Juli 2014 publizierten Beitrag. Deswegen soll auf diesen Aspekt nicht weiter eingegangen werden.

Tatsache ist, dass seit nunmehr fast vier Jahren ohne Ansatz einer fundierten Begründung die Entwicklung der inländischen Erdgasgewinnung ausgebremst, auf gewisse Lagerstättentypen bezogen sogar verhindert wird.

Dabei kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das durch die gegenwärtige Bundesregierung insbesondere in Person von Frau Dr. Hendricks bewusst unter vorgeschobenen Argumenten erfolgt. Beispielhaft soll hier ein Interviewauszug aus der Rheinischen Post zitiert werden:

Was wird also konkret in Ihrem Gesetzentwurf stehen?

Hendricks Das sogenannte unkonventionelle, also das neue, riskante Fracking wird es in Deutschland auf absehbare Zeit zu wirtschaftlichen Zwecken nicht geben. In Deutschland haben wir nicht genügend Erfahrungswerte, um die Auswirkungen auf das Grundwasser seriös abschätzen zu können.

Aus diesen Worten spricht die reine Ahnungslosigkeit der Ministerin, das muss an dieser Stelle so klar und deutlich gesagt werden. Um darauf noch weiter einzugehen, würde den Rahmen des Beitrags sprengen. Schließlich wurde das Ignorieren von Ergebnissen von Studien, die von der Politik in Auftrag gegeben wurden, hier vor wenigen Tagen zur Sprache gebracht: Politik ignoriert Fakten zur Erdöl/Erdgasaufsuchung und -gewinnung

Stattdessen soll abschließend auf eine Stellungnahme des Wirtschaftsverbandes Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V. verwiesen werden, die sich auf die zweite vom Umweltbundesamt beauftragte Studie bezieht:

Die Erdgasproduzenten sehen sich durch das UBA-II-Gutachten zum Fracking in ihrer Position bestätigt, dass Fracking in Deutschland sicher durchführbar ist. In den vergangenen 50 Jahren wurden hier dreihundert Fracks in konventionellen und drei Fracks in unkonventionellen Lagerstätten durchgeführt, ohne einen einzigen Fall einer nachhaltigen Verunreinigung von Grundwasser.

In der Darstellung der Ergebnisse kommt das Umweltbundesamt jedoch zu genau gegenteiligen Schlussfolgerungen. So bleiben in den Bewertungen des Gutachtens genau jene Aussagen unerwähnt, welche die These widerlegen, dass es sich um eine, wie vom UBA behauptet, sogenannte „Risikotechnologie“ handele. Stattdessen wird nur auf diejenigen Risikoaspekte verwiesen, die auf falschen Darstellungen, nicht zutreffenden Szenarien und dem Ausblenden von Fakten beruhen.

Das sind nur die einleitenden Worte. Die gesamte Stellungnahme ist hier zu finden: Stellungnahme zum UBA-II-Gutachten

Es verhält sich in Deutschland also so, dass die Politik aufgrund des Drucks einiger hundert in BI engagierter Menschen entgegen wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie jahrzehntelanger positiver Erfahrungen die Erdgasgewinnung mit Hilfe des bewährten Verfahrens Hydraulic „Fracking“ Fracturing einschränken will. Das geht bereits aus dem Koalitionsvertrag hervor.

Erschreckend ist jedoch, dass unter Missachtung wissenschaftlicher Erkenntnisse aus Studien der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe sowie im Auftrag des Umweltbundesamtes das BMUB sowie das BMWi über die unfundierte Vereinbarung im Koalitionsvertrag sogar noch hinaus gehen wollen. Diese von Befürchtungen, der vom Ausland belächelten „German  Angst“, getriebene Politik ist nicht nachvollziehbar und nicht tolerierbar.

Durch dieses Verhalten wird in wichtigen Teilen der Wissenschafts-, Technologie- und Wirtschaftsstandort bedroht und in Bezug speziell auf das Vogehen gegenüber der Fractechnologie auch eines der vielen wichtigen Standbeine der inländischen Energiegewinnung. Insbesondere letzteres sollten sich die Kritiker mit Beginn der anstehenden Heizperiode und der aus welchen Gründen auch immer aktuell reduzierten Liefermengen aus Russland, wo übrigens auch fleißig gefract wird, vergegenwärtigen.

2 Kommentare zu Geplante Gesetzesverschärfungen der Bundesregierung zur Erdgasgewinnung widersprechen Koalitionsvertrag

  • Hans-Gerold Schmidt sagt:

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    diese Debatte ist ein erschreckendes Beispiel dafür, was für Unheil Politiker anrichten können wenn Sie Entscheidung treffen über Sachverhalte, mit denen Sie nicht vertraut sind. Zitat Frau Dr. Hendricks „In Deutschland haben wir nicht genug Erfahrungswerte, um die Auswirkungen auf das Grundwasser seriös abschätzen zu können“ Zitat Ende. Ausser ich habe etwas übersehen, sind dreihundert Fracks keine Aussage? Anscheinend nicht.
    Dann, auf einmal, ist es ein erhöhtes Risikopotential ?? Wie das, kam dieser Blitz über nacht ??
    Hin und her und, bloss keine Verantwortung übernehmen, sollte allen jetzt klar sein, von den Lenkern dieses Landes, ob nun mit oder ohne „Expert Gutachten“, wird keine Entscheidung in dieser Sache gefällt werden. Sie deklarieren Ihre eigene Inkompetenz und lassen sich von einigen „besorgten Bürgern“ , die gerade mal die Bild aufgeschlagen hatten und die Schlagzeile “ Wir waren dabei“ sahen, die Richtung vorgeben.
    Ob diese „Handlungsinkompetenz“ nun einige, vielleicht auch mehrere Firmen oder Menschen in den Ruin treiben wird, darüber verlieren diese Leute keinen Schlaf. Aber diese Menschen und Familien, die ihre Existenz verlieren durch die abwartende Haltung der Entscheidungsträger, diese sollten auf keinen Fall vergessen, wer Sie in diese Lage gebracht hat..Geben Sie doch mal dieses Gutachten in Auftrag “ Wieviel Stimmen könnte uns das Ausbremsen des Wirtschaftsstandortes Niedersachsen kosten“!.

    1. SAR sagt:

      Wenn auch teilweise überspitzt, kann man Ihrem Kommentar vollumfänglich zustimmen.

      Frau Hendricks sagte einst gegenüber den Erdgasförderungsgegnern in ungefährem Wortlaut: Sie können nichz von mir erwarten, dass ich die Industrie mit einem Federstreich abschaffe.

      Das ist richtig. Sie und ihre Politkollegen machen es nicht durch einen Federstreich, sondern durch das Aussitzen von Entscheidungen, was dazu führt, dass keine Investitionssicherheit besteht und die Industrie langsam aber sicher und schneller den Bach runter geht.

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