Die Absurdität der deutschen #Fracking-Debatte erläutert am Beispiel Bodensee

Nach Jahren intensiver politischer Debatten rund ums sogenannte „Fracking“ sollen in Kürze Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht werden, die den Einsatz des Hydraulic-Fracturing erheblich erschweren sollen. In gasführenden Kohleflözen sowie Tonschiefern soll die Anwendung des Fracverfahrens mit Ausnahme von wissenschaftlich begleiteten Bohrungen quasi unmöglich gemacht werden. In Sandsteinlagerstätten, in denen das Verfahren bereits seit den frühen 1960er Jahren hunderte Male ohne Umweltschaden durchgeführt wurde, sollen die Hürden ebenfalls deutlich erhöht werden.

1. Vorbemerkungen

Verbreitung des Posidonienschiefer in Deutschland. Rot schraffiert Gebiete mit Schiefergaspotenzial. Quelle: BGR*

Verbreitung des Posidonienschiefer in Deutschland. Rot schraffiert Gebiete mit Schiefergaspotenzial. Quelle: BGR

Da es keinen nachgewiesenen Umweltschaden in der 50-Jährigen Anwendungsgeschichte gab, stellt sich natürlich die Frage, warum die Genehmigung in den konventionellen Sandsteinlagerstätten deutlich erschwert und in den bisher nicht erschlossenen Kohleflöz- und Schiefergaslagerstätten sogar nahzu unmöglich gemacht werden soll.

Die Antwort ist, dass der mit teils gefälschten Bildern und sonstigen Unwahrheiten aufwartende „Dokumentationsfilm“ „Gasland“ bzw. Berichte darüber Mitbürger aufschreckte. In Gegenden, in denen die bislang unerschlossenen Lagerstätten zunächst untersucht (!) werden sollten, gründeten sie Bürgerinitiativen (BI) und trugen ihren Unmut an die Medien und an Politiker von der lokalen bis zur Bundesebene. Erschwerend kam hinzu, dass umweltrelevante Vorkommnisse im Umfeld der „klassischen“ Erdgasförderung von einigen Medien zum „Umweltskandal“ aufgebauscht wurden und teilweise fälschlicherweise mit dem Fracverfahren in Verbindung gebracht wurden (z.B. Kontamination mit Benzol im engsten Umfeld von Lagerstättenwasserleitungen).

Da in Deutschland irgendwo immer Wahlkampf ist, musste die Politik auf den aufkeimenden Protest, der teilweise auch in den klassischen Erdgasfördergebieten aufkeimte, wo Fracmaßnahmen anstanden (Bohrung „Bötersen Z11“ bei Rotenburg/Wümme) bzw. wo die kleinräumigen Benzolkontaminationen nachgewiesen wurden (Völkersen bei Verden). Gestärkt wurden die Proteste durch Medienberichte, die inzwischen über jeden noch so kleinen Vorfall, wie z.B. den Austritt von 3-5 Liter Konservierungsöl auf der asphaltierten Fläche eines Betriebsplatzes, berichteten.

Weiterhin wurde jegliche Aufsuchungserlaubnis nach §7 BBergG auf Kohlenwasserstoffe (Erdöl und Erdgas) medial sowie von BI und Umweltverbänden zu „Fracking“-Gebieten deklariert, obwohl Anträge auf Aufsuchungserlaubnisse weder konkret den Lagerstättentyp und schon gar nicht etwaige technische Methoden wie das Hydraulic Fracturing benenennen. Dieses Phänomen ist vor allem in Schleswig-Holstein (SH) zu beobachten.

Dabei würde jeder, der sich ein wenig mit der Kohlenwasserstoffgeologie in Deutschland auskennt, erkennen, dass die Aufsuchungserlaubnisse im Umfeld bekannter Erdöllagerstätten vergeben worden sind. Mit „Fracking“ zur Erschließung von Schiefergaslagerstätten wäre dort aus geologischen Gründen zudem nicht zu rechnen. Dennoch schüren BI intensiv Ängste in SH und der Umweltminister Habeck investiert anscheinend viel Zeit in den Widerstand gegen das Verfahren oder die Schiefergasgewinnung insgesamt („Habeck will Fracking-Verbot über das Bergrecht“, SHZ 21.02.2014). Denn gerne wird seitens der Medien, BI, Umweltverbände und Politikern „Fracking“ mit dem Gesamtprozess der Schiefergasförderung gleichgesetzt.

Im wesentlichen drehten sich die Ängste vor Hydraulic Fracturing ursprünglich um die Kontamination von Grund- bzw. Trinkwasser (beides wird von der Allgemeinheit gern fälschlicherweise gleichgesetzt)  mit Erdgas sowie den der Fracflüssigkeit in geringen Konzentrationen beigemengten Chemikalien. Denn schließlich wurde so etwas in „Gasland“ behauptet. Doch wie gesagt: Trotz 50-jähriger „Fracgeschichte“ in Deutschland sind keine dieser Vorfälle bekannt.

Bereits bis hierher wird deutlich, dass die Debatte bezüglich Hydraulic Fracturing in Deutschland recht absurd ist! Es gibt keinen Beweis für Umweltbeeinträchtigungen durch das Verfahren in Deutschland. Es gibt keine plausible Erklärung, wie Chemikalien und Erdgas aus kilometertief versenkten Gesteinsschichten in zur Trinkwassergewinnung genutztes Grundwasser aufsteigen soll. Eine Möglichkeit bestünde zwar über undichte Bohrungen, doch dafür gibt es bei derzeit ca. 1.500 aktiven Erdöl- und Erdgasbohrungen (die älteste datiert ins Jahr 1928!) keine Indizien. Zudem hat die Integrität von Bohrungen mit dem Fracverahren, um das es bei der Debatte und den geplanten Gesetzesänderungen geht, nichts zu tun. Ebensowenig die anderen Vorfälle, die sich hauptsächlich auf Betriebsplätze beschränkten.

2. Die „Fracking“-Debatte am Bodensee

Besonders absurd ist die Diskussion bezüglich den angeblichen Umwelt- und Trinkwassergefährdungen in der Region Bodensee. Und das aus mehreren Gründen, die im Folgenden näher erläutert werden sollen.

Der Bodensee befindet sich im voralpinenen Molassebecken. Damit befindet er sich in einer Region, in der laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR 2012) Schiefergas gebildet werden könnte. Das ist wahrscheinlich der Hintergrund für die Aufsuchungserlaubnisse, die dem britischen Unternehmen 3Legs Resources im Jahr 2009 zugesprochen worden sind. Zwar kann aus der Erteilung einer Aufsuchungserlaubnis nicht geschlussfolgert werden, welche Lagerstätten mit welchen Methoden erschlossen werden sollen, doch 3Legs Resources machte (aus der Erinnerung) keinen Hehl daraus, nach Schiefergas zu suchen.

Doch Suchen bedeutet nicht, dass etwas gefunden wird. So weist die BGR für die Bodenseeregion überhaupt kein Schiefergaspotenzial in dem als einzig in Frage kommenden jurassischen Posidonienschiefer aus. Auf der Seite des baden-württembergischen Grünen-MdL Siegfried Lehmann ist stattdessen zu lesen:

Der Schwerpunkt der geplanten Erkundung ist das unkonventionelle Gas-Potenzial des Permo-Carboniferoius-Schiefer im Bodensee-Trog.

Eine Quellenangabe für diese Aussage ist nicht zu finden. Für das Permokarbon weist die BGR für die Region zudem nicht einmal Tonschiefer aus, die gasführend sein könnten. Stattdessen konnten in der Bohrung „Dingelsdorf 1“ lediglich schwache Ölspuren im Oberkarbon nachgewiesen werden (Boigk 1981).

Eigentlich wird bereits bis hierhin die Absurdität der Debatte um „Fracking“ am Bodensee deutlich. Würden sich BI und sonstige Gegner einmal mit dem bereits vorhandenen Wissensstand auseinandersetzen, könnten sie ihre Freizeit sinnvoller nutzen als gegen nicht vorhandene Gespenster zu opponieren.

Doch die eigentliche Absurdität in der Debatte ist eine vollkommen andere. Zur Erinnerung: Der Hauptgrund der „Fracking“-Angst ist die „Verseuchung“ von Trinkwasser durch die im Fracfluid enthaltenen Zusätze. Und der Bodensee stellt mit seinem Volumen von 48,4 Kubikkilometern (!) den bedeutendsten natürlichen Wasserspeicher zur Trinkwassergewinnung in Europa dar. Unter der Annahme, dass entgegen den Einschätzungen der BGR doch Schiefergas in der Bodenseeregion vorhanden ist, dass sich nur unter der Zuhilfenahme von Hydraulic Fracturing gewinnen ließe, soll die Absurdität der Angstdebatte an einem Zahlenbeispiel erläutert werden:

Wie gesagt, der Bodensee hat ein Volumen von 48,4 Kubikkilometern Wasser. Das sind 48,4 Milliarden Kubikmeter oder 48,4 Billionen Liter Wasser bzw. 48,4 Billonen Kilogramm.

Schauen wir uns im Gegenzug die Menge und Zusammensetzung des Fracfluids der Bohrung „Damme 3“ an. Diese Bohrung ist die bislang einzige in Deutschland, in der eine potenziell gasführende Tonschieferformation, hier der „Wealden“, Fracmaßnahmen unterzogen worden ist. Zum Einsatz kam dabei ein Fluid mit der Gesamtmasse von 12.114.873 kg, wovon der Wasseranteil 12.095.000 kg oder 99,84 Prozent ausmachte. Der Anteil der Chemikalien betrug also 0,16 Prozent oder 19.873 kg. Von diesen 19.873 kg sind wiederum 9.563 kg als „gefährliche Chemikalien“ eingestuft.

Und an diesen Zahlen wird die Absurdität der Angstdebatte um eine „Verseuchung“ des Trinkwasserreservoirs Bodensee deutlich. Denn selbst für den extrem unwahrscheinlichen Fall, dass die gesamte Menge von gefährlichen Chemikalien in den Bodensee laufen würde, wäre sie gegenüber den 48,8 Billionen Kilogramm Bodenseewassers, dass sich zudem durch Zu- und Abfluss in permanentem Austausch befindet, vernachlässigbar. Das Verhältnis wäre Folgendes: Auf 1 Teil gefährliche Chemikalien kämen 5,02 Milliarden Teile Bodenseewasser. Das bedeutet nichts weiter, als das dieser hypothetische Worst Case keine Gefährdung der Trinkwassergewinnung darstellt.

Anmerkung zum Beispiel: Die Rezeptur des Fracfluids der Bohrung „Damme 3“ (ExxonMobil) sollte lediglich der Veranschaulichung dienen. Fracfluide variieren im Regelfall von Bohrung zu Bohrung. Die Größenordnung von ca. 0,2 Prozent an Additiven ist für Schiefergaslagerstätten jedoch nicht untypisch. Einen erheblichen Anteil von 6.367 kg gefährlicher Chemikalien machte das als „giftig“ eingestufte Tetramethylammoniumchlorid aus. Sieses Additiv soll die Quellung von Tonmineralen hemmen und wurde zwischenzeitlich durch das ungiftige Cholinchlorid ersetzt.

3. Zusammenfassung

Erdgasbohrung wird einer Fracmaßnahme unterzogen ("Goldenstedt Z23") Quelle: WEG Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V.

Erdgasbohrung wird einer Fracmaßnahme unterzogen („Goldenstedt Z23“)
Quelle: WEG Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V.

Die Diskussion um die Standardtechnologie des Hydraulic Fracturing in Deutschland ist durch eine gewisse Absurdität hinsichtlich der unterstellten Gefahren gekennzeichnet. Dass wir z.B. daran deutlich, dass Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem Gesamtprozess der Erdgasgewinnung dem Verfahren zugeschrieben werden bzw. dass „Fracking“ mit dem Gesamtprozess der Schiefergasgewinnung synonymisiert wird. Und im Zusammenhang mit der Schiefergasgewinnung gibt es sicherlich auch den ein oder anderen umweltrelevanten Zwischenfall genauso wie bei anderen Energiegewinnungs- bzw. Erzeugungsformen.

Absurd ist im Zusammenhang mit der Erdgasgewinnung die dramatische Überzeichnung von potenziellen Gefahren, wie z.B. der Grundwasserkontamination. Tatsächlich ist trotz 50-jähriger „Fracgeschichte“ in Deutschland Ost (also DDR) wie West bei hunderten Anwendungen kein einziger Fall einer Kontamination bekannt geworden. Weshalb das beim Fracen von im Regelfall flacher liegender Schiefergaslagerstätten so sein soll, können die Gegner bislang nicht plausibel erklären.

Besonders absurd ist die Diskussion um das „Fracking“ in der Bodenseeregion zu bezeichnen. Zunächst ist nach bisherigem geowissenschaftlichen Kenntnisstand dort überhaupt nicht mit einem Schiefergaspotenzial zu rechnen. Das dürfte erklären, warum nicht die bekannten im Inland tätigen Unternehmen wie ExxonMobil, Wintershall, GDF-Suez sowie RWE-Dea dort tätig wurden, sondern unbekannte kleine Firmen wie 3Legs Resources.

Hinzu kommt, dass selbst für den schlimmsten anzunehmenden Fall, dass das gesamte Fluid eines Fracvorgangs wie auch immer in den Bodensee gelangt, keine Gefährdung der Trinkwasserversorgung anzunehmen ist, sondern im Gegenteil sogar auszuschließen ist. Das lässt sich mit dem enormen, stets im Austausch befindlichen Wasserkörper des Sees begründen.

Doch leider sind politische Entscheidungsträger kaum empfänglich für derlei Sachargumente. Stattdessen wird den Bedenkenträgern und ihren Befürchtungen gefolgt. Dabei entspringen die Bedenken nicht etwa Fakten, sondern der fachlich unfundierten Interpretation von Internetvideos. Das zeigt der Beitrag Fracking am Bodensee – Anwohner fürchten um die Trinkwasserqualität beim Deutschlandfunk (16.11.2012):

„Viele Bürger, die in Hohenfels leben, waren sehr betroffen: Auf den Videos hat man gesehen, wie martialische Bohrmaschinen und Höchstdruckmaschinen in Unmengen Chemikalien in Bohrlöcher pumpen. Und wir haben uns gesagt: So etwas bei uns am Bodensee – kann doch gar nicht sein!“

Wie gesagt: Absurd!