Wartungsarbeiten auf altmärkischer Erdgasbohrung führen zu #Fracking-Spekulation durch Bürgerinitiative

In der westlichen Altmark, im Nordwesten Sachsen-Anhalts gelegen, befindet sich die zweitgrößte Erdgaslagerstätte Mittel- und Westeuropas. Seit nunmehr 45 Jahren wird dort der Rohstoff gefördert. Damit das so bleibt, müssen die Förderbohrungen verschiedenen Wartungsarbeiten unterzogen werden. Dazu zählt unter anderem der Austausch des innerhalb des durch Stahl- und Zementummantelung (Casing) ausgebauten Bohrlochs befindlichen Förderstranges (Tubing).

Und diese Routinearbeit auf einer seit den 1980er Jahren produzierenden Bohrung in der Teillagerstätte „Wenze“ südlich der Kleinstadt Klötze führte seitens der „Bürgerinitiative Kein CO2-Endlager in der Altmark“ (BI CO2 Altmark) zur Spekulation darüber, dass dort Arbeiten durchgeführt werden, die eine hydraulische Fracmaßnahme („Fracking“) vorbereiten sollen. Das geht aus dem Artikel „Neue Rohre für Gas-Förderanlage“ der „Volksstimme“ vom 27.11.2014 hervor. Dort ist indirekt zitiert folgende Interpretation des BI CO2 Altmark-Sprechers Christfried Lenz zu lesen:

Zu der Annahme, dass es sich bei den aktuellen Arbeiten an der Wenzer Anlage um Vorbereitungen für folgende Fördervorhaben des Unternehmens unter Zuhilfenahme des Fracking-Verfahrens handeln könnte, kommt BI-Sprecher Christfried Lenz aus Apenburg.

Und weiter heißt es:

Derartige Förderungen seien bereits in den 1960er Jahren angewandt worden, berichtet er.

Wie Lenz zu dieser Annahme kommt, dass das Fracverfahren angewendet werden soll, lässt sich nicht aus dem Presseartikel erschließen.

Fakt ist, dass in den Erdgas-(Teil-) Lagerstätten der Altmark das Fracverfahren angewendet wurde, um Lagerstättenteile bzw. Teillagerstätten in eine wirtschaftliche Produktion überführen zu können. Dieser Sachverhalt wird bestätigt durch Herrn Holger Markert, der seit 1970 u.a. in der Altmark Fracmaßnahmen leitete. Markert zählt in dem auf youtube abrufbaren Video namens Fracking Filmbesprechung Gasland, aufgenommen im Filmpalast Salzwedel (Altmark), die Lagerstätten (-teile) auf, in denen über 100 Fracarbeiten durchgeführt worden sind. Dazu zählt auch das Teilfeld Wenze. Bei dieser Filmvorführung war auch Christfried Lenz anwesend (ab Minute 50:00 zu sehen).

Möglicherweise hat Lenz aus den Ausführungen Markerts sowie aus der These der „Fracking“-Gegner, dass Hydraulic Fracturing die Reste von Erdgas aus den Lagerstätten „herausquetscht“ wird, geschlossen, dass das Verfahren eine förderverlängernde Maßnahme darstellt. Laut „Volksstimme“-Artikel soll sich Lenz in einem Telefoninterview dahingehend geäußert haben. Dass Hydraulic Fracturing eine förderverlängernde Maßnahme darstellt, ist jedoch nur teilweise zutreffend. Grundsätzlich dient das Verfahren primär dazu, Kohlenwasserstofflagerstätten in eine wirtschaftliche Förderung zu überführen.

Den Mutmaßungen der BI CO2 Altmark widerspricht das für die Wartungsmaßnahme (in Fachkreisen auch als „Workover“ bekannt) verantwortliche Unternehmen GDF Suez E&P Deutschland GmbH (GDF-Suez) mit Sitz in Lingen (und nicht in Linden, liebe Volksstimme). Der Verfasser Harals Schulz zitiert die Presssesprecherin Hanna Jansky indirekt :

Die Arbeiten an der seit den 1980er Jahren bestehenden Wenzer Förderanlage mit der Bezeichnung T44 dienen vorrangig dazu, im Rahmen der Wartung neue Rohre in die Förderstrecke einzubauen, so Jansky.

Workovereinsatz auf eine Erdgasbohrung in der Altmark. Sommer 2014. chef79

EEW-Anlage T-44 bei einem Workovereinsatz auf der Erdgasbohrung „Salzwedel 74“ in der Altmark. Sommer 2014. ©chef79

Zu diesem Zitat eine notwendige Anmerkung, die den Dilletantismus der deutschen Lokaljournallie aufzeigt: Die Bohrung „Wenze 1“, auf der zur Zeit der Workover stattfindet, ist bereits laut Bohrdatenbank des Landesamtes für Geologie und Bergbau Sachsen-Anhalt im Jahr 1971 abgeteuft worden. Es kann schon sein, dass nach hydraulischen Stimulationsarbeiten die Förderung erst in den 1980er Jahren aufgenommen wurde (mit meines Wissens nach Unterbrechung zwischen 1992 und 2002). Doch die „Förderanlage“, besser Fördersonde, heißt „Wenze 1“ und nicht „T-44“. Denn die T-44 des Salzwedeler Untenehmens Erdöl-Erdgas Workover GmbH ist die Bezeichnung für die Workoveranlage, die zum Austausch des Förderstranges eingesetzt wird.

Im übrigen hätte Lenz klar sein müssen, welchen Zweck diese Anlagen haben. Denn in dem Video zur Podiumsdiskussion im Salzwedeler Filmpalast wird einer Fragestellerin diesbezüglich vom Fracingenieur Jörg Sperling (arbeitet nicht bei GDF-Suez) beantwortet. Sie haben den Zweck, Rohrstränge und andere Untertageausrüstung auszutauschen bzw. unproduktive Bohrungen zurückzubauen.

Was offenbar weiterhin zum Unmut der BI CO2 Altmark führt, ist der Sachverhalt, dass GDF-Suez in unmittelbarer Nachbarschaft der Lagerstätte „Wenze“ bzw. diese umfassend, eine Aufsuchungserlaubnis mit der Bezeichnung „Kunrau“ erhalten hat. Denn allein die Erteilung der Erlaubnis zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen veranlasste die „Volksstimme“ dazu, von einem „riesigen Erdgasfeld“ zu phantasieren (siehe Blogartikel: GDF-Suez erhält Aufsuchungserlaubnis in der südwestlichen Altmark). Und die BI CO2 Altmark sprang darauf an.

Dem widerspricht wiederum GDF-Suez. Pressesprecherin Jansky wird mit folgenden Worten zitiert:

„Nachdem das Land Sachsen-Anhalt der GDF SUEZ die Lizenz ,Kunrau` zum Auffinden von Kohlenwasserstoffen im Jahre 2013 verliehen hat, werden zurzeit die vorhandenen geologischen Daten analysiert. Erst nach deren Auswertung entscheidet das Unternehmen über das weitere Vorgehen. Diese Entscheidung ist aus heutiger Sicht frühestens 2015 zu erwarten.“

Es zeigt sich somit wieder einmal, dass dank der Debatte um „Fracking“ die Sachlichkeit im Zusammenhang mit einem Erdgas-Erkundungsprojekt auf der Strecke bleibt. Mitverantwortlich dafür sind sowohl die Presse, die bereits im Vorfeld jeglicher Erkundung über „riesige Erdgasvorkommen“ spekuliert als auch die in der Region agierende BI CO2 Altmark. Letzterer ist offenbar infolge des Abrückens von Vattenfall, die sogenannte CCS-Technologie weiter zu verfolgen, das Betätigungsfeld abhanden gekommen. Denn schließlich liegt somit das Pilotprojekt, in einem anderen Lagerstättenteil („Altensalzwedel“) bei der Braunkohleverstromung abgeschiedenes CO2 zu versenken und einzulagern und gleichzeitig durch Verdrängung des Erdgases die Ausbeute zu erhöhen, auf Eis. Nun widmet sich die BI CO2 Altmark um den dem Dialekt nach zu urteilen aus dem südwestdeutschen Raum zugegzogenen Christfried Lenz dem Thema Erdgasgewinnung.