Wartungsarbeiten auf altmärkischer Erdgasbohrung verängstigen Anwohner

Auf der altmärkischen Erdgasbohrung „Wenze 1“ werden seit Ende November 2014 standardmäßige Wartungsarbeiten (ein sogenannter „Workover“) durchgeführt. Konkret werden Förderrohre in der seit 2002 nach langjähriger Pause wieder Erdgas fördernden Bohrung ausgetauscht. Es handelt sich dabei um einen Vorgang, der hunderte Male auf den einst über 300 altmärkischen Förderbohrungen ohne großes Aufsehen durchgeführt wurde.

Doch wie die „Volksstimme“ am 11.12.2014 berichtet, geht in dem der Bohrung benachbarten Dorf Wenze wegen der Standardarbeiten die Angst um. Warum, wird im Artikel „Die Angst geht um in Wenze“ gleich eingangs erläutert:

Es brodelt in Wenze und Quarnebeck. Einwohner fordern konkrete Informationen von der Betreiberfirma GDF Suez, die derzeit Wartungsarbeiten an der Erdgasförderstelle vornimmt. Befürchtet wird, dass das Bohrloch bei Wenze für Förderprojekte mit dem Fracking-Verfahren fit gemacht werden soll.

Inwiefern eine Einzelbohrung, die bereits 1971 abgeteuft wurde und seit den 1980er Jahren mit teilweise langjähriger Unterbrechung in Förderung steht gleich für mehrere „Förderprojekte mit dem Fracking-Verfahren fit gemacht werden soll“, ist nicht nachvollziehbar. Eine Erklärung dafür bietet ein weiterer Artikel der Volksstimme ( „Neue Rohre für Gas-Förderanlage“), der hier auf dem Blog („Wartungsarbeiten auf altmärkischer Erdgasbohrung führen zu Fracking-Spekulation durch Bürgerinitiative„) diskutiert worden ist.

Sowohl aus dem Volksstimme-Artikel als auch aus dem Blogbeitrag dazu geht hervor, dass die in der westlichen Altmark gegen ein inzwischen aufgegebenes Kohlendioxid-Speicherprojekt agierende Bürgerinitiative „Kein CO2-Endlager Altmark“  (BI CO2 Altmark) für die an den Haaren herbeigezogenen Spekulationen verantwortlich ist. Offenbar benötigt diese Gruppierung ein neues Betätigungsfeld, nachdem ihr das ursprüngliche abhanden gekommen ist.

Bereits nachdem bekannt wurde, dass rund um die Lagerstätte „Wenze“, dem südlichsten Teilglied des Altmark-Lagerstättenkomplexes und von diesem über viele Kilometer isoliert, die Aufsuchungserlaubnis für Kohlenwasserstoffe mit der Bezeichnung „Kunrau“ erteilt worden ist, fühlte sich die BI CO2 Altmark dazu berufen, eine „Informationsveranstaltung“ zu veranstalten. Ich schrieb im sich damit befassenden Blogartikel „Aufregung um Aufsuchungserlaubnis in der Altmark“ dazu:

Informieren bedeutet dabei in diesem Zusammenhang erfahrungsgemäß eher das Gegenteil. Vielmehr sollen […] Ängste geschürt werden.

Und das Schüren von Ängsten ist der BI CO2 Altmark  allem Anschein nach bestens gelungen. Sowohl in  Form ihrer „Informationsveranstaltung“ als auch in Form der im Volksstimme-Artikel „Neue Rohre für Gas-Förderanlage“ wiedergegebenen Stellungnahme des BI-Sprechers Christfried Lenz.

Denn wie aus dem aktuellen Artikel hevorgeht, ist den Anwohnern bereits suspekt, dass die Anlage T-44 des Salzwedeler Unternehmens Erdöl-Erdgas Workover GmbH in Richtung des Ortes mit Containern abgeschirmt ist, die gegen Schall- und Lichtimmissionen schützen sollen. Nur zur Information: Die Entfernung zum nächsten Wohnhaus beträgt lediglich ca. 450 Meter (mit Hilfe von GoogleEarth ausgemessen). Da ist es doch legitim, dass eine auch in der Nacht betriebene Anlage gegen Schall abgeschirmt ist. Anwohner unterstellen jedoch Geheimniskrämerei, u.a. auch weil ein Sicherheitsdienst im Einsatz ist:

Container dienen als Lärm- und Sichtschutz, das Gelände ist Tag und Nacht bewacht. Anwohner in direkter Nachbarschaft zu dem Bohrloch empfinden das Prozedere als geheimnisvoll. Wer nichts zu befürchten habe und mit offenen Karten spiele, müsse sich nicht so verstecken, sagen die Kritiker.

Workovereinsatz auf eine Erdgasbohrung in der Altmark. Sommer 2014. chef79

EEW-Anlage T-44 bei einem Workovereinsatz auf der Erdgasbohrung „Salzwedel 74“ in der Altmark. Sommer 2014. ©chef79

Nun nehmen wir an, es bestünde kein Schallschutz. Dann würden sich die unmittelbaren Nachbarn wahrscheinlich über Lärm beschweren. Dass solche Anlagen rund um die Uhr bewacht werden, ist auch erst seit den grassierenden Treibstoffdiebstählen sowie im Fall der Erdgasgewinnung seit der „Fracking“-Diskussion üblich. Ich kann mich noch erinnern, dass in den 1990er Jahren solche Anlagen wie diese in der Altmark am Wochenende unbewacht und nur mit einer leuchtenden Flugsicherungslampe in der Landschaft standen.

Wie gesagt: Die Angstschürerei hat gewirkt:

Während der Sitzung des Ortschaftsrates am Dienstag in Quarnebeck machten sie ihrem Herzen Luft. Sie sprachen von ihrer Angst, dass die Bohrsonde still und heimlich für das Fracking vorbereitet werden soll.

Ernsthaft: Kein Unternehmen würde es bei der seit Jahren anhaltenden Debatte um das Hydraulic Fracturing wagen, still und heimlich Vorbereitungen für eine Fracmaßnahme durchzuführen. Außerdem hat GDF-Suez, Betreiber der Bohrung, bereits vor zwei Wochen klar gestellt, dass lediglich der Förderstrang ausgewechselt wird. Das ist ein normaler Vorgang, der aus verschiedenen Gründen (z.B. Verschleiß) erforderlich ist, um die Sicherheit der Bohrung zu gewährleisten und/oder die Förderung aufrecht zu erhalten.

Dementsprechend ist es verwunderlich, dass die Bedenkenträger nicht wüssten, was auf der Bohrung gegenwärtig geschieht. Es war aus der Zeitung bzw. über das Online-Portal der Volksstimme zu erfahren, was für Arbeiten durchgeführt werden. Doch offenbar ist es gegenwärtig in Deutschland üblich, den Unterstellungen von Bürgerinitativen zu folgen, statt den Stellungnahmen und Erklärungen von Unternehmen Glauben zu schenken.

Erdgasförderbohrung Wenze 4 April 2013 chef79

Erdgasförderbohrung „Wenze 4“ April 2013 ©chef79

So lässt es sich erklären, dass der Ortsbürgermeister Marco Wille vorschlägt, zusammen mit der BI CO2 Altmark die Betreibergesellschaft GDF-Suez zu einer Informationsveranstaltung aufzufordern. Und auch so lassen sich Aussagen von Anwohnern erklären, die aufgrund der Behauptungen der BI Angst bekommen haben und dass sogar Vorschläge unterbreitet werden, die Zufahrt zur Förderbohrung zu blockieren, um GDF-Suez zu klaren Aussagen zu zwingen. Es wird außerdem „eine eindeutige Positionierung, ob bei Wenze Fracking angewendet werden soll oder nicht“ gefordert.

Nun, da kommen die von der BI aufgestachelten Kritiker um über drei Jahrzehnte zu spät. Denn nach Aussage des einst für den VEB Erdgasförderung Salzwedel tätigen Ingenieurs H. Markert konnte neben anderen Lagerstättenteilen auch die Struktur Wenze nur mit Hilfe von Fracarbeiten in eine wirtschaftliche Produktion überführt werden. Diese indirekt zitierte Aussage ist dem Video zur „Fracking Filmbesprechung Gasland im Salzwedeler Filmpalast entnommen worden (ab Minute 3:50). (Neben Herrn Markert sitzt noch der Ingenieur Jörg Sperling im Podium, der einiges Interessantes zu erzählen/berichten/erläutern weiß.)

Zusammenfassend ist festzustellen, dass es wieder einmal eine Bürgerinitiative, auch mit Hilfe einer unkritischen Presse, gelungen ist, mit ihren Vermutungen, Unterstellungen und Behauptungen Teile der Bevölkerung zu verunsichern, Ängste zu erzeugen und auf ihre Seite zu ziehen. Und das in einem Ort, in dessen näherer Umgebung seit 43 Jahren (Wenze 1) bzw. 40 Jahren (Wenze 4, erst 2009 reaktiviert, ebenfalls mit Hilfe einer Anlage, wie sie derzeit auf der Wenze 1 steht) zwei Erdgasförderbohrungen existieren, die offenbar über die vier Jahrzehnte niemanden gestört oder großartig interessiert haben.