Wartungsarbeiten auf altmärkischer Erdgasbohrung – Bürgerinitiative bleibt unbelehrbar (Der unfreiwilligen Serie 3. Teil)

Bereits in zwei Beiträgen wurde sich mit Wartungsarbeiten, genauer einem sogenannten Workovereinsatz, auf einer Erdgasförderbohrung in der Altmark befasst. Das ist insofern ungewöhnlich, da es sich bei solchen Einsätzen um Routinearbeiten handelt, die hunderte Male, wenn nicht sogar mehr als 1.000-fach in der Altmark, Heimat des Verfassers, über Jahrzehnte durchgeführt worden sind. Und über Routinearbeiten wird hier nicht berichtet. Es sei denn, sie werden durch außerordentliche Ereignisse flankiert.

Und das ist der Fall. Die gegenwärtig seit Ende November 2014 laufenden Arbeiten auf der bereits 1971 abgeteuften Erdgasförderbohrung „Wenze 1“ führten zu Spekulationen, dass die Bohrung für Fracarbeiten vorbereitet werden soll. Verantwortlich für diese Spekulationen ist die Bürgerinitiative „Kein CO2-Endlager Altmark“ (BI CO2 Altmark). Das wurde bereits im ersten Artikel „Wartungsarbeiten auf altmärkischer Erdgasbohrung führen zu Fracking-Spekulation durch Bürgerinitiative“ dieser unfreiwilligen aber notwendigen Serie klar gestellt.

Die BI CO2 Altmark unterstellte über ihren Sprecher Christfried Lenz aus dem ca. 20 Kilometer vom Ort des Geschehens entfernten Flecken Apenburg, dass die Workovermaßnahmen der Vorbereitung von Fracmaßnahmen dienen sollten. Darüber wurde in einem Artikel “Neue Rohre für Gas-Förderanlage” der „Volksstimme“ berichtet. Dabei ist mit der Schlagzeile des Artikels bereits alles gesagt. Denn der Betreiber der Bohrung, GDF-Suez, weist die Mutmaßungen der BI CO2 Altmark zurück und stellt klar, dass lediglich der Förderstrang der Bohrung ausgewechselt wird. Das ist ein ganz normaler Vorgang, der regelmäßig u.a. wegen Verschleißes durchgeführt werden muss.

Bislang verliefen diese Arbeiten ohne größeres Interesse zu erwecken. Schließlich waren noch in den 1990er Jahren bis zu vier der Workoveranlagen gleichzeitig aktiv, um entweder Bohrungen zu überarbeiten oder um unproduktive Sonden zu verfüllen. Doch das änderte sich damit, dass die gegenwärtigen Arbeiten in einem Gebiet stattfinden, in dem eine neue Aufsuchungserlaubnis erteilt worden ist. Die Erteilung solcher Erlaubnisse führt seit ungefähr drei bis vier Jahren dazu, dass diese Gebiete von Medien und Bürgerinitiativen zu „Frackinggebieten“ umgewidmet werden oder es wird unterschwellig suggeriert, dass diese großflächig und grob umrissenen Gebiete intensiv zur Aufsuchung von Erdöl und Erdgas abgebohrt werden.

Doch dem ist mitnichten so. Die Abgrenzung dient vielmehr dem Schutz vor Mitbewerbern, so dass das Gebiet ungestört analysiert werden kann. Es ist dabei nicht unüblich, dass Aufsuchungserlaubnisse nach Auswertung bereits vorhandener Daten ohne die Durchführung einer einzigen technischen Maßnahme zurückgegeben werden bzw. die zeitlich befristete Erlaubnis ausläuft. Sollte im Zuge der Aufsuchungsaktivitäten Erdöl oder Erdgas geunden werden, verkleinern sich die Areale mit Förderbewilligung auf einen Bruchteil der ursprünglichen Aufsuchungserlaubnisse.

Zurück zum Thema: Nach Bekanntwerden der Erteilung der Aufsuchungserlaubnis „Kunrau“ fühlte sich die BI CO2 Altmark umgehend berufen, eine sogenannte „Informationsveranstaltung“ durchzuführen. Dazu wurden Vertreter von Bürgerinitiativen aus Hessen und Niedersachsen als Referenten eingeladen. Mehr dazu: „Aufregung um Aufsuchungserlaubnis in der Altmark“. Möglicherweise ist es bereits bei der Veranstaltung gelungen, Teile der Bevölkerung zu verunsichern und auf die Seite der Aktivisten zu ziehen. Denn das ist das Ziel solcher Veranstaltungen, möglichst viele Mitstreiter für die eigenen Interessen zu mobilisieren.

Die bereits 1971 aufgeschlossene und nach mir vorliegenden Informationen in den 1980er Jahren in Produktion genommene Lagerstätte „Wenze“, südlichstes Teilglied des Lagerstättenkomplexes „Altmark“ und von diesem über viele Kilometer isoliert, wird von der neu erteilten Aufsuchungserlaubnis „Kunrau“ umschlossen. Die zeitliche Nähe des Bekanntwerdens der Vergabe der Erlaubnis und den nun durchgeführten standardmäßigen Arbeiten auf der Bohrung „Wenze 1“ gaben der BI CO2 Altmark Anlass, weiter zu spekulieren und eine weitere „Informationsveranstaltung“ im Dorf Köckte bei Wenze durchzuführen und dabei Teile der Bevölkerung zu verunsichern, was ihr offensichtlich gelungen ist: „Wartungsarbeiten auf altmärkischer Erdgasbohrung verängstigen Anwohner“.

Dementsprechend befindet sich der Betreiber der Bohrung, die GDF-Suez E&P GmbH (GDF-Suez) mit Sitz in Lingen in der Defensive und muss aufgrund der durch die seitens der BI CO2 Altmark geschürten Verunsicherung Stellung beziehen. Das ist einem weiteren Volksstimme-Artikel  „Große Ängste, aber wenig Konkretes“ zu entnehmen. Dort stellt die GDF-Suez Pressesprecherin Hanna Jansky, indirekt zitiert, noch einmal klar:

[…] dass es sich bei den derzeitigen Aktivitäten auf dem Areal der Bohrstelle Wenze1 ausschließlich um routinemäßige Wartungsarbeiten handelt. Derartige Überprüfungen und Wartungen unterliegen alle Bohrstellen, die von dem Unternehmen betrieben werden

Die Volksstimme moniert daraufhin, dass von etwaigem Abfackeln keine Rede war und erst eine weitere Anfrage des Blattes Folgendes von GDF-Suez erklärt wurde, nachdem die BI CO2 Altmark die Volkstimme informierte, dass ein ca. 8 bis 10 Meter hoher „Turm“ errichtet worden ist:

„in Ausnahmefällen besteht [die Möglichkeit des Abfackelns], um eine Bohrung zu testen oder im Zuge von Wartungs- und Reparaturarbeiten, wie im Falle der Bohrung Wenze 1, das ist möglich“

Erdgasförderbohrung Wenze 1 im April 2013 chef79

Erdgasförderbohrung Wenze 1 im April 2013 ©chef79

Nun, eigentlich ist das sogar die Regel. Denn bevor ein Förderstrang ausgetauscht werden kann, wird die Bohrung mit Wasser totgepumpt, so dass kein Erdgas austreten kann. Nach Abschluss der Arbeiten muss dann das Wasser wieder aus der Bohrung entfernt werden. Dieser Vorgang wird als Freiförderung bezeichnet. Das dabei mitgeförderte Erdgas wird dann über eine Fackel verbrannt. Das ist deshalb notwendig, weil die Bohrung zu dieser Zeit nicht an die Erdgasleitung angeschlossen ist.

Informant über die Errichtung des neuen Turmes war, wie kaim anders zu erwaten, Christfried Lenz, im Volksstimme-Artikel fälschlicherweise Siegfried Lenz (wie der vor kurzem verstorbene Literat ostpreußischer Herkunft) genannt. Er sagt dazu:

„Das würde bedeuten, GdF beabsichtigt, Rohgas abzufackeln“

Ja, davon ist auszugehen. Doch was ist daran verwerflich? Das versucht Harald Schulz, Autor des Volksstimme-Artikels zu erläutern oder er beruft sich auf Aussagen von Lenz:

Rohgas falle bei der Erdgasgewinnung immer wieder an, sei jedoch der gesundheitsschädlichste Teil in der Erdgasproduktionskette

Rohgas fällt bei der Erdgasproduktion nicht „immer wieder“ an, sondern fortlaufend. Das, was aus der Erde strömt, ist Rohgas, da es nicht behandelt worden ist. Warum dieser von der Umwelt abgeschirmte Prozess der „gesundheitsschädlichste Teil“ der Erdgasproduktionskette sein soll, wird auch nicht durch die Erläuterungen von Herrn Lenz klar:

„Darin enthalten sind sämtliche Giftstoffe aus der Tiefe, wie beispielsweise Quecksilber, andere Schwermetalle und radioaktive Stoffe. Die würden durch Abfackeln je nach Windrichtung und -geschwindigkeit in die Umgebung verteilt werden.“

Richtig, im Rohgas können die genannten Stoffe enthalten sein. Falsch ist aber, dass diese einfach so über die Fackel in die Umwelt verstreut werden. Denn schließlich sind der Fackel Filteranlagen/Abscheider vorgeschaltet. Ein Quecksilberadsorber ist z.B. auf dem Foto oben im Artikel zu erkennen. Es sind diese orangenen bauchigen Behälter (zum Vergrößern einfach aufs Bild klicken).

Dementsprechend sind die Behauptungen von Erdgasgewinnungsgegnern, es wäre am 1. April aus einer Fackelanlage (es ist die im Foto zu sehende) auf der Bohrung „Söhlingen Z5“ zu einem „Säureregen“ gekommen: „Angeblicher Säureregen in Söhlingen – Soll(te) ein Skandal konstruiert werden?“. Selbst wenn Säure ausgetreten sein sollte, wäre sie nicht in der Lage, Löcher in Blätter zu ätzen. Das ist von einem Leser des Blogs, der nicht in der Erdgasindustrie tätig ist, nachgewisen worden: „Ergebnis eines privaten Experiments: Starke Säuren können Blätter nicht perforieren“.

Eine weitere Befürchtung von Lenz und seinen Mitstreitern soll die sogenannte Freiförderung sein:

Eine andere Befürchtung der BI sei die sogenannte Freiförderung. So würden Flüssigkeiten oder Feststoffe aus Förderbohrungen entfernt. Bei Freiförderarbeiten und Tests werden ebenfalls häufig Fackelarbeiten notwendig, wodurch Quecksilberemissionen auftreten können, informiert Lenz.

Hier offenbart sich, dass weder Presse noch Bürgerinitiativler wissen, worüber sie schreiben bzw. „informieren“. Freiförderarbeiten finden dann statt, wenn zuvor, wie bereits oben erwähnt, zuvor Flüssigkeiten in die Bohrung eingebracht worden sind, um diese „stillzulegen“, so dass nicht unkontrolliert Erdgas austritt. Um die Bohrung anschließend (wieder) in Betrieb in Betrieb zu nehmen, muss sie vom eingebrachten Fluid freigefördert werden.

Das dabei mitgeförderte Erdgas in „rohem“ Zustand kann aus oben genanntem Grund nicht genutzt werden und wird aus Sicherheits- und Umweltgründen verbrannt. Abfackeln von Rohgas und Abfackeln von Rohgas im Zusammenhang mit Freiförderarbeiten sind quasi ein und dasselbe und bedarf keiner „weiteren Befürchtung“, die aufgrund strenger gesetzlicher Vorgaben und damit einhergehenden technischen Installationen wie Filtern/Abscheidern gegenstandslos sind.

Da inzwischen, wie auf dem Foto zum Artikelanfang zu sehen, die Test-/Freiförderanlagen installiert sind, ist davon auszugehen, dass der Workovereinsatz in wenigen Tagen abgeschlossen sein wird. Danach wird die Sonde in ihren alltäglichen Zustand (siehe zweites Foto) versetzt und wird dann wieder Erdgas produzieren. Die Bürgerinitiative wird erkennen müssen, dass sie grundlos besorgt war und sinnlos andere Mitbürger verängstigt hat. Die durch die Bürgerinitiative verunsicherten und verängstigten Mitbürger werden hoffentlich erkennen, dass sie Scharlatanen aufgesessen sind.

Die zum Abschluss des Volksstimme-Artikels erwähnte durch die BI CO2 Altmark in Erwägung gezogene Demonstration als Bürgerprotest (gegen was?) wird sehr wahrscheinlich ausfallen. Oder müssen sich GDF-Suez sowie Kontraktoren in Zukunft auf Demos einstellen, wenn Workovereinsätze oder Verfüllungen von unproduktiven Bohrungen durchgeführt werden.

Christfried Lenz ist übrigens Verfechter von Biogasanlagen (Artikel aus der Altmarkzeitung: „Grüne Energie regional“). Was diese Anlagen bislang an Umweltschäden verursacht haben, kann man z.B. in einem Artikel des Spiegel erfahren: „Die Bauernopfer“. Das, was dort geschildert wird, hat die scharf kritisierte Erdgasindustrie glücklicherweise nicht geschafft. Interessanterweise werden Vorfälle aus dem angeblich von der Erdgasförderung geschundenen Landkreis Rotenburg/Wümme geschildert.

Artikelbild:  D. U. Merten