Wirtschaftliche Konsequenzen aufgrund anhaltender Diskussion um inländische Erdgasgewinnung

Im Zuge der um den Jahreswechsel 2010/2011 aufkeimenden Debatte um die etablierte Technologie des Hydraulic Fracturings, die durch die Pseudo-Dokumentation „Gasland“ ausgelöst wurde, geriet die inländische Erdöl-Erdgas Industrie in den Fokus der Öffentlichkeit. Mitverantwortlich dafür sind auch Medienberichte, die fälschlicherweise meist räumlich eng begrenzte umweltrelevante Vorkommnisse dem Hydraulic Fracturing („Fracking“) andichteten.

Folge der Debatte war, dass sich die inländische Erkundungs- und Produktionsindustrie für Erdöl und Erdgas (E&P-Industrie) in einigen Regionen des Landes plötzlich mit Widerstand konfrontiert sah, der bis dato unbekannt war. Denn bislang hatte die E&P-Industrie ohne besondere Aufmerksamkeit zu erregen, seit Jahrzehnten Erdöl- und Erdgaslagerstätten, letztere sogar recht bedeutend, erschlossen und dabei auch hunderte Male das Fracverfahren anwenden müssen, um insbesondere Erdgasbohrungen in eine wirtschaftliche Produktion überführen zu können.

Doch diese Routine wurde plötzlich aus dem eingefahrenen Gleis geworfen, als Ende 2010 via Presse bekannt gemacht wurde, dass auch in Deutschland neue Erdgaslagerstätten exploriert werden, die sich teilweise nur mit Hilfe des Fracverfahrens erschließen lassen. Diese Explorationsphase war zum damaligen Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren im Gange.

Im November 2010 machte dann SpiegelOnline (SPON) auf die Erkundung mittels eines recht reißerischen Artikels auf die Exploration aufmerksam und titelte: US-Konzern presste giftige Chemikalien in Niedersachsens Boden. In der Einleitung des vom Politikwisenschaftler und Anglizisten Stefan Schultz verfassten Beitrag ist zu lesen:

Der US-Konzern Exxon hat bei einer Testbohrung Zehntausende Liter Chemikalien in den Boden gepresst. Einige der Stoffe sind nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen hochgiftig.

Gemeint ist hierbei die Bohrung „Damme 3“. Chemikalien, die als „hochgiftig“ eingestuft sind, sind im Sicherheitsdatenblatt zum Unterfangen im Gegensatz zu den angeblichen SPON-Informationen nicht zu finden (Sicherheitsdatenblatt Fracfluid Damme 3). Es sind lediglich Stoffe aufgelistet, die als „giftig“ eingestuft sind wie z.B. Tetramethylammoniumchlorid als Tonquellungshemmer. Mit diesem Stoff hat der Verfasser übrigens selbst gearbeitet, um ein bronzezeitliches Bestattungsgefäß zusammenkleben zu können (Eine Urne wird geröntgt).

Dieser SPON-Artikel dürfte im Zusammenspiel mit ungefähr gleichzeitig erschienenen Medienbeiträgen, die „Gasland“ für bare Münze nahmen, dazu geführt haben, dass zunächst in neuen Explorationsgebieten auf Kohleflöz- und Schiefergaslagerstätten vor allem in Nordrhein-Westfalen, später aber auch in anderen, teils klassischen Erdgasförderregionen, sich Widerstand gegen  das Fracverfahren entwickelte. Und das allein aus dem Grund, dass medial suggeriert wurde, dass das Fracverfahren aufgrund der Verwendung von Chemikalien (im inzw. allgemein naturwissenschaftlich mindergebildeten Deutschland ist „Chemikalie“ oder noch unseriöser „Chemie“ ein Quasisynonym für „schädlich“) das  Grundwasser (gerne gleichgesetzt mit Trinkwasser) „verseucht“ werden könnte.

Belege dafür können die „Fracking“-Gegner trotz über 2,5 Millionen Fracjobs seit 1947 nicht liefern Deshalb ist stets von ihrer Seite zu vernehmen, dass sie eine Grundwasser-„Verseuchung“ durch die Anwendung des Fracverfahrens befürchten.

Diese insgesamt fehlerbehaftete Information durch etablierte Medien führte schließlich dazu, dass die E&P-Industrie durch Teile der Öffentlichkeit, und dazu zählt auch die Politik, äußerst kritisch beäugt wurde. Jeder noch so kleine Zwischenfall, der im Gegensatz zu tatsächlichen umweltrelevanten Havarien, wie sie z.B. in den Förderregionen durch Biogasanlagen ausgingen („Panne in Biogasanlage: Fischsterben im Landkreis Rotenburg“), als quasi irrelevant anzusehen ist, da die Umwelt keinen Schaden nahm, wurde medial zum „Umweltskandal“ aufgebauscht und genüsslich von den mittlerweile entstandenen Bürgerinitiativen (BI) verbreitet.

Eine der genannten Havarien ist der Austritt von Schadstoffen aus Leitungen, die dem Transport von mit dem Erdgas mitgeförderten Lagerstättenwasser (LaWa) dienten. Um es auf den Punkt zu bringen: Jeglicher Austritt von Schadstoffen ist zu vermeiden. Diesbezüglich gibt es nichts zu diskutieren.

Diskussionswürdig ist jedoch die Reaktion der durch BI angestoßenen Debatte: Denn diese wollen je nach vermeintlicher Problematik entweder das Fracverfahren gesetzlich verboten sehen, ohne das anhand vorliegender Erfahrungen und wissenschaftlicher Erkenntnisse begründen zu können, sowie aber auch die Versenkung von LaWa in dafür geeignete Gesteinsschichten. Denn ähnlich wie beim Fracverfahren wird seitens der BI eine Grundwasser-/Trinkwasser-„Verseuchung“ befürchtet.

Tatsächlich sind LaWa-Vorfälle, die medial dem Fracverfahren angedichtet wurden, auf den Transport von LaWa in Rohren, die aus Polyethylen (PE) bestehen, zurückzuführen. Aufgrund dieser räumlich eng begrenzten Vorkommnisse, die medial zum „Umweltskandal“ aufgbauscht wurden, wird von BI gefordert, die Versenkung von LaWa einzustellen.

Zwar ist bei der Versenkung von LaWa im Gegensatz zum Transport in PE-Leitungen kein Zwischenfall bekannt, erst recht nicht die Kontamination von „Trinkwasser“, die eine Einstellung der seit Jahrzehnten bewährten Praxis rechtfertigt. Aber die Argumentation der BI lautet stets, dass dennoch etwas geschehen könnte und sei es noch so unwahrscheinlich.

Aufgrund solcher Befürchtungen hat die Politik reagiert oder möchte es gerne. So fordert z.B. der Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt (CDU) , die bislang unproblematische Versenkung von LaWa in dafür geeignete Formationen zu verbieten. Er schreibt auf seiner Website:

Seit langem fordere ich ein Verpressverbot für Lagerstättenwasser. Es ist nicht einsehbar, warum das giftige Lagerstättenwasser verpresst werden soll.

Erdgasbohrung "Bötersen Z11", im Zuge der aufkeimenden Debatte steht die geplante und notwendige Fracmaßnahme noch aus ©chef79

Erdgasbohrung „Bötersen Z11“, im Zuge der aufkeimenden Debatte steht die geplante und notwendige Fracmaßnahme noch aus ©chef79

Mattfeldt prangert dabei u.a. an, dass das extrem salzhaltige LaWa in die Ursprungsformation versenkt werden soll, statt wie bislang, allerdings auch unproblematisch, in salzwasserführende Gesteinsschichten.

Es stellt sich die Frage, was daran verwerflich ist, extrem salzhaltiges Wasser in ebenfalls extrem salzhaltige Wasserleiter oder sogar in die Ursprungsformation versenken. Eine plausible Begründung kann Mattfeldt erwartungsgemäß nicht vortragen und verweist stattdessen auf Aufbereitung in Kläranlagen. Was mit den im Zuge der Aufbereitung abgeschiedenen (giftigen) Stoffen geschehen soll, vergisst er dabei zu erklären, ebenso wie andere in BI engagierte Gegner der bewährten Praxis aus dem Verdener Raum.

Die Debatte um das bewährte Standardverfahren Hydraulic Fracturing wie auch um die Praxis der LaWa-Versenkung zog im Laufe der letzten vier Jahre seine Konsequenzen nach sich.

So wurde seit 2011 in Niedersachsen trotz nicht geänderter Gesetzeslage, die es bislang erlaubte, Fracmaßnahmen durchzuführen,  keine einzige hydraulische Bohrlochstimulation genehmigt. Und das allein aus der Unterstellung, dass mit dem seit zuvor 50 Jahren ohne umweltrelevante Probleme angewendeten Verfahren „unkalkulierbare“ Risiken für Mensch und Umwelt einhergehen würden. Diese politische Willkür muss man sich vergegenwärtigen!

Dazu zählt z.B. auch die Befürchtung, dass durch Fracarbeiten Grundwasser „verseucht“ werden könnte. Dabei haben hunderte Fracjobs allein in Niedersachsen bewiesen, dass diese Befürchtung, die auf Darstellungen aus „Gasland“ zurückzuführen ist, jeglicher Grundlage entbehrt.

Doch allein diese unfundierte Unterstellung hat dazu geführt, dass Fracarbeiten, die von einem Bohrplatz ausgehen, der sich in der Wasserschutzzone III  befindet, per Weisung der 2013 abgewählten niedersächsischen CDU/FDP-Landesregierung nicht mehr durch das Landesbergamt genehmigt werden dürfen. Hier der LINK.

Damit und mit der generellen Nichtgenehmigung von Anträgen, obwohl die E&P Industrie einen Anspruch auf Bearbeitng und aufgrund der gegenüber 2010/2011 nicht geänderten Gesetzeslage sogar einen Anspruch auf Genehmigung hat, ist der Wirtschaft die Grundlage für Planungssicherheit entzogen worden.

So werden seit 2011 kaum noch Bohrungen auf Sandsteine der Formationen Buntsandstein (Trias), Rotliegendes (Perm) oder Oberkarbon vorgenommen, weil sich in diesen von Vornherein Fracmaßnahmen kaum ausschließen lassen. Fracmaßnahmen fanden in Niedersachsen dank politischer Willkür seit 2011 auch nicht mehr statt, obwohl entsprechende Bohrungen vor bzw. während der Debatte abgeschlossen worden sind.

Die Konsequenz daraus ist wiederum, dass Dienstleister für die E&P-Industrie, die Bohrarbeiten durchführen oder auch Stimulationsarbeiten wie Hydraulic Fracturing, nicht ausgelastet sind und deshalb Mitarbeiter in Kurzarbeit versetzen oder wenn es hart kommt sogar entlassen müssen .

Dass im Laufe der Industriegeschichte Unternehmen auf der Strecke bleiben, ist ein normaler Vorgang, sofern der Industriezweig aufgrund gleichwertigen Ersatzes verdrängt wird. Bei der inländischen E&P-Industrie verhält es sich jedoch gänzlich anders. Nach wie vor spielen Erdöl und Erdgas eine bedeutende Rolle bei der Energieversorgung Deutschlands. Das wird sich auf absehbare Zeit auch nicht ändern.

Vor diesem Hintergrund eigentlich logisch, die heimische E&P-Industie bei der Suche und Gewinnung des im Inland verfügbaren Erdöls und Erdgases zu unterstützen. Doch leider sieht das die von BI und Umweltschutzgruppen getriebene Politik offenbar anders und tut alles dafür, die subventionsfreie Gewinnung heimischer Energieressourcen zu torpedieren.

Dabei wird in Kauf genommen, dass Deutschland unter hohen energetischen Verlusten Erdöl und Erdgas in größerem Umfang importieren muss. Außerdem wird akzeptiert, dass  Serviceunternehmen wie Bohrkontraktoren wie die ITAG oder inzwischen auch wohl die KCA Deutag Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen.

Hinzu kommt, dass beim gegenwätig herrschenden Klima der Angst vor Standardtechnologien die Forschung und Entwicklung zur Verbesserung derer auf der Strecke bleibt. Und ja, selbstverständlich sind auch Arbeitsplätze ein Argument! Vor allem in Städten wie Celle, Vechta oder Salzwedel, wo wichtige wertschöpfende Unternehmen der E&P Industrie sowie deren Dienstleister zu Hause sind.

Deutschland hat Erdöl und Erdgas. Deutschland braucht Erdöl und Erdgas. Also sollte der Politik daran gelegen sein, diese bedeutenden Rohstoffe im Inland zu fördern.

2 Kommentare zu Wirtschaftliche Konsequenzen aufgrund anhaltender Diskussion um inländische Erdgasgewinnung

  • Barney Gumble sagt:

    Erdöl ist gerade relativ günstig, Erdgas verglichen dazu relativ teuer, gemessen an den gewohnten Preisen der letzten Jahre. Anders in den USA: WTI ist billig, Gas noch billiger.
    Als Konsequenz kaufen preisbewusste Autofahrer wieder mehr Diesel und weniger Erdgasautos, und das im Umweltzonen-Deutschland.

    Global wird der Anteil an Gas an der Primärenergie nicht nur gehalten, sondern massiv ausgebaut. Gerade Deutschland braucht zur Regelung volatilen Wind- und Sonnenstroms Gaskraftwerke. Weil auch LNG nicht in naher Zukunft ausreichend zur Verfügung steht, und sibirisches Gas scheinbar günstiger ist (so lange wir aufpassen, den Kreml nicht mit irgendwas zu verärgern wie der Weiterverkauf von Gas an die Ukraine) unterstützen wir Putin und indirekt die Banditen Strelkov, Borodaj, Sachartsschenko und den angeblich kürzlich verstorbenen „Motorola“.

    Öl ist aufgrund des jüngsten Preisturzes kaum gewinnbringend in Deutschland zu fördern, Erdgas u.U. schon. Aufgrund der politischen Blockade der Erdgasförderung in Deutschland wird
    1) die Abhängigkeit vom Weltmarkt zementiert, damit auch von Währungsschwankungen
    2) Wie erwähnt, die Substitution von Öl durch Gas nicht mehr sinnvoll. Gas wird global immer billiger, sodass die ganze Petrochemie bald auf niedrige Alkane aufgebaut ist, ein weiter Nachteil für die europäische Naphtachemie. Gaskombikraftwerke laufen in Amerika auf Volllast und könne ihren Wirkungsgrad auch wirklich ausspielen, Lokomotiven und Schiffe werden auf Erdgas umgestellt, Schmierstoffe bereits vollsynthetisch aus Gas gemacht, und bis GTL-Treibstoff konkurrenzfähig wird, ist es nur eine Frage der Zeit.

    Die deutschen Raffinerien und Petrochemie, die auf Öl gegründet sind, könnten bald zu einem Anachronismus werden, der Übergang ins Gaszeitalter kommt in Deutschland nicht an, weil die Transportkosten den Kostenvorteil auffressen und wir kaum genug Gas für Raumwärme und Kraftwerke haben.

    1. SAR sagt:

      Hallo Barney 😉 ,

      ein hervorragender Kommentar der die Bedeutung des Rohstoffes Erdgas nicht nur für die Wärme- und Stromerzeugung beleuchtet, sondern auch als Grundstoff für die petrochemische Industrie. Letzteres hatte ich bislang kaum auf dem Schirm.

      Mehr brauche ich nicht hinzuzufügen.

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