Warum aus Fehlern lernen? Der NDR setzt Angstschürerei gegenüber Erdöl- und Erdgasgewinnung fort

Seit Anbeginn der „Fracking“-Debatte Ende 2010/Anfang 2011 fiel der NDR immer wieder unrühmlich durch reißerische Beiträge auf, die die Gewinnung von Erdöl und insbesondere Erdgas in Norddeutschland in ein schlechtes Licht rückten. Anlass dafür waren im Wesentlichen eher kleinere Zwischenfälle, die zu „Umweltskandalen“ aufgebauscht worden sind.

Dazu zählte z.B. ein Beitrag des Magazins „Markt“, dass sich den Verbraucherschutz ganz groß auf die Fahnen geschrieben hat. Dieses machte eine Havarie an einer Lagerstättenwasserleitung zum Aufmacher, um einen „Umweltskandal“ vom Zaun zu brechen. Dem Betreiber der Lagerstätte „Söhlingen“, der ExxonMobil Production Deutschland GmbH (EMPG) wurde in dem Bericht durch die Journalistin Alexa Höber vorgeworfen, den Vorfall verschwiegen zu haben.

In der Folge, parallel zur aufkeimenden „Fracking“-Debatte, schien es so, als hätte sich der NDR auf die Erdgasproduzenten und hierbei insbesondere auf den „US-Konzern“ ExxonMobil eingeschossen. Neutralität und Sachlichkeit wurden in den Berichten über Erdgasexploration und -produktion vermisst.

Befürchtungen und Anschuldigungen von Anti-Gasbohr-Bürgerinitiativen wurde stattdessen das Wort geredet. Dabei nahm man es mit der Wahrheit nicht sonderlich genau, sei es aus purem Unwissen oder aus „dramaturgischen“ Gründen. So wurde beispielsweise die bis heute nicht durchgeführte Explorationsbohrung „Nöpke 2“ 25 km nordwestlich von Hannover „mitten“ in das Wasserschutzgebiet (WSG) Hagen verlegt, obwohl sich der Bohrplatz tatsächlich am unmittelbaren (inneren) Rand des WSG befindet. Nur einen Steinwurf entfernt auf der anderen Straßenseite läge der Bohrplatz außerhalb und somit nicht mehr im Einzugsgebiet des Wasserwerkes. Doch das ist vergleichsweise harmlos zu dem, was noch kommen sollte.

Als vor knapp einem Jahr Anfang April 2014 „Anwohner“ einer Erdgasbohrung im Feld „Söhlingen“ behaupteten, dass beim Abfackeln von Erdgas Säure ausgetreten sei, war der NDR sofort vor Ort. Die Plausibilität der als Beweis angeführten, angeblich von Säure durchlöcherten Blättern, wurde nicht hinterfragt. Dabei sind selbst stark konzentrierte Säuren nicht in der Lage, Löcher in Blätter zu ätzen. Den NDR machte es offenbar auch nicht stutzig, dass die „Anwohner“, die angaben, gesundheitliche Schäden davongetragen zu haben, es nicht für nötig hielten, Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienste herbeizurufen.

Als das vom NDR produzierte Magazin „Panorama“ in verschiedenen Beiträgen im September 2014 die Furcht vor „Fracking“ (selbst-) kritisch hinterfragte, keimte die Hoffnung auf, dass der Sender den Weg zu sachlich-unvoreingenommener Berichterstattung gefunden hätte, wie es eigentlich Standard bei einem öffentlich-rechtlichen Sender sein sollte. Doch dem war mitnichten so!

Denn nach wenigen Monaten der Ruhe wartete der NDR mit einem Beitrag auf, der von der bereits erwähnten Alexa Höber produziert wurde. Thematisiert wurden historische Bohrschlammgruben und deren vermeintliches Gefährdungspotenzial für Mensch und Umwelt. Kurioserweise war einer der Schauplätze eine Grube aus den 60er Jahren, die kurz zuvor Diskussionsthema bei Anti-Gasbohr-Bürgerinitiativen (BI) war (mehr dazu: „Ungereimtheiten in der Berichterstattung von “Markt” (NDR) im Zusammenhang mit historischen Bohrschlammgruben“). Auch in diesem Beitrag wurde wieder das Schlagwort „Umweltskandal“ verwendet.

Und kurioserweise war wieder einmal der zuvor bereits in mehreren Sendungen  des NDR sowie bei Radio Bremen zum Thema „Erdgasförderung“ zu sehende Andreas Rathjens zu sehen. Dieser wurde erneut als „Anwohner“ bezeichnet, wie bereits in anderen Beiträgen, obwohl die jeweiligen Lokationen bis zu 30 Kilometer auseinander liegen. Auch im aktuellsten Beitrag ist wieder einmal Herr Rathjens mit von der Partie und „Anwohner“!

Dieses Mal ist in einem Beitrag von „Hallo Niedersachsen“ die Erdölerkundung des kanadischen Unternehmens PRD Energy im nördlichen Landkreis Rotenburg/Wümme das Thema. Der Titel des Beitrages

„Protestwelle gegen Erdölbohrungen“

erscheint bereits unsachlich und tendenziös. Doch die Kurzbeschreibung setzt dem noch eins drauf:

Das kanadische Unternehmen PRD Energy will in Rotenburg neue Erdölbohrungen durchführen. Die Anwohner sind entsetzt. Sie fürchten eine Beeinträchtigung des Grundwassers.

Dass tatsächlich alle Anwohner entsetzt sind, wie der bestimmende Artikel „die“ suggeriert, ist kaum anzunehmen. Schließlich wurde aus der Lagerstätte „Volkensen“ zwischen 1960 und 1994, die PRD bei positiver Beurteilung von Explorationsarbeiten wiederentwickeln will, ohne umweltrelevante Probleme Erdöl gefördert. Wie die übrigen entzetzten Anwohner auf die Idee kommen, dass durch Bohrungen auf Erdöl Grundwasser beeinträchtigt werden könne, wird nicht klar und ist auch nicht nachzuvollziehen. Schließlich wurden in Deutschland seit den 1870er Jahren teilweise intensiv Bohrungen auf Erdöl und Erdgas im fünfstelligen Bereich abgeteuft, ohne die Befürchtung bestätigt zu haben.

Die Erläuterungsversuche, die die Befürchtungen begründen sollen, sind nicht hilfreich. Es soll „Wahnsinn“ sein, unterhalb (!) der teilweise aufgrund ihrer guten Grundwasserleitfähigkeit als zur Trinkwassergewinnung genutzten Rotenburger Rinne einen Bohrpfad entlangzuführen. Dabei blendet der Kritiker aus, dass a) die Rotenburger Rinne nur teilweise zur Trinkwassergewinnung genutzt wird, b) die tieferen Wasserleiter der Rinne aufgrund Versalzung zur Trinkwasserversorgung nicht geeignet sind und c) Tiefbohrungen gegen süßwasserführende Grundwasserleiter mehrfach abgeschirmt sind. Grundwasserverschmutzungen durch Bohrungen auf Erdöl und Erdgas sind deshalb nicht eingetreten! Doch Faktenresistenz ist ein Markenzeichen von Bedenkenträgern jeglicher Couleur.

Anschließend kommt der bereits benannte und bekannte Andreas Rathjens zu Wort. Er behauptet bezüglich des möglichen Ansatzpunktes der Bohrung:

„Und hier mittendrin im, äh, Trinkwassergewinnungsgebiet, oder so, da hauen wir jetzt wieder ein neues Loch rein. Das kann’s doch wohl nicht sein.“

Welches Problem Rathjens damit hat, ein Loch in die Erde zu treiben, ist nicht nachvollziehbar. Schließlich werden für Trinkwasserbrunnen ebenfalls Löcher gebohrt, was sich technisch nicht von Tiefbohrungen innnerhalb dieser Teufen unterscheidet. Außerdem befindet sich der Ansatzpunkt der möglichen Bohrung weit außerhalb von Wasserschutzzonen zur Trinkwassergewinnung.

Ein Vertreter des Wasserverbandes  erklärt anschließend, dass sich die möglichen Bohrungen 2,5 km außerhalb der nächstgelegenen Wasserschutzgebiete befinden. Das bedeutet also, dass sie 2,5 km außerhalb der Einzugsgebiete der jeweiligen Trinkwassergewinnungsbrunnen liegen. Damit ist ein unwahrscheinliches Kontaminierungsrisiko durch die eventuelle Bohrung mit Sicherheit ausgeschlossen. Das sollte ein Wasserverbandsvertreter, selbst wenn er kein Hydrogeologe ist, eigentlich wissen. Im Landesbergamt dürfte hoffentlich genügend Expertise vorhanden sein, um die ungerechtfertigten Bedenken des Wasserversorgers auszuräumen.

Der Beitrag schwenkt dann über zu „weiteren Erkundungen“, für die u.a. Landwirte Flächen zur Verfügung stellen müssen. Gemeint sind sicherlich seismische Erkundungsmaßnahmen, die ein Abbild des Untergrundes liefern sollen und herangezogen werden, um möglichst günstig den Verlauf des Bohrpfades sowie den Aufschluss der Lagerstätte zu planen. Um das Einverständnis der Landwirte und sonstiger Grundstückseigentümer ist es schlecht bestellt.

Klageberechtigte Umweltschutzverbände, die regen Gebrauch von ihrem Verbandsklagerecht machen, haben anscheinend Teile der Bevölkerung aufgewiegelt. Dass dem so ist, lässt sich z.B. aus dem Artikel der „Kreiszeitung“

„Umweltverbände lassen Gespräch mit PRD platzen“

erahnen.

Ein interviewter Landwirt hat laut Beitrag Angst vor „Fracking“. Schließlich hätte man in den Medien darüber Negatives gehört:

„Da war ich schon ein bischen skeptisch, weil, man hat ja durch die Medien auch schon ein bischen was mitgekriegt, dass dieses „Fracking“ halt nicht so ohne sein sollte […]

Durch/über die Medien erfährt man so einiges. Viel zu oft stellt sich leider heraus, dass es Unsinn ist, was verbreitet wird. Selten gelangen diese Medien zur Selbstkritik. Eine löbliche Ausnahme stellt z.B. das vom NDR produzierte Magazin „Panorama“ dar. Die redaktion gab zu, vom Film „Gasland“ ins Bockshorn gejagt worden zu sein.

Bedenken vor der Erdölgewinnung vor der eigenen Haustür hat anscheinend auch die Lokalpolitik. Zu Wort kommt Bernd Wölbern, ein Vertreter der SPD des Kreistages Rotenburg:

„Wir haben ausreichend negative Erfahrungen mit der Erdgas- und Erdölförderung was Umweltbelastungen und auch die Belastung von Menschen angeht.“

Zur Umweltbelastung: Eine Langzeitmessung des Landesbergamtes stellte fest, dass es im Umfeld der Sammelstation „Söhlingen“ zu keiner Belastung der Luft gekommen ist. Während jeder noch so kleine Vorfall im Zusammenhang mit der Erdgasgewinnung vom NDR thematisiert wurde, verschwieg der Sender diese entwarnende Meldung gegenüber der Öffentlichkeit (Das Verschweigen der Entwarnung).

Tatsächlich gab es Quecksilberkontaminationen, die selbst Prüfwerte für Industrieflächen überschritten, an einem einzigen Betriebsplatz, auf dem ausgemusterte Anlagenteile gereinigt wurden (Söhlingen-Ost Z1). Auch wenn dieser Platz im Niemandsland, also fernab jeglicher Wohnbebauung liegt, hätte diese Kontamination nicht stattfinden dürfen. Bei allem Wohlwollen für die inländische Förderung von Erdgas: Hierfür ist Schlamperei verantwortlich die es zu vermeiden gilt!

Nachgewiesene Belastungen von Menschen, wie vom Politiker behauptet, gibt es jedoch nicht. Es gibt einzig und allein Unterstellungen von Teilen der ortsansässigen Bevölkerung, dass für nachgewiesene höhere Leukämiererkrankungen die Erdgasförderung verantwortlich sein soll. Dabei kommt der entsprechende Bericht des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen zu dem Schluss, dass die Ursache für die höhere Krebsrate ausschließlich bei Männern (!) unbekannt ist. Trotz unbekannter Ursache wird durch einige Medien wie dem NDR oder der TAZ ein Zusammenhang mit der Erdgasförderung suggeriert.

Es stellt sich die Frage, ob dieser von der Politik angelegte Maßstab auch bei anderen Varianten der Energiegewinnung angelegt wird. Havarien durch den Betrieb von Biogasanlagen haben im Landkreis Rotenburg bereits zu erheblichen Umweltbeeinträchtigungen geführt, bei denen z.B. die Fischfauna eines Fließgewässers komplett vernichtet wurde („Panne in Biogasanlage: Fischsterben im Landkreis Rotenburg“). Eine derartige Umweltbeeinträchtigung ist durch die jahrzehntelange Erdgas- und untergeordnet Erdölförderung, gegen die sich so vehement gewehrt wird, nicht bekannt.

Insofern ist die von einzelnen Personen, klagewütigen Umweltverbänden geschürte Angst vor der Gewinnung von Erdöl und Erdgas, beides begehrte Rohstoffe, die auch vom schärfsten Kritiker verwendet werden, nicht tolerierbar. Das gilt auch für Medienbeiträge wie dem hier diskutiertem.

Es kann nicht sein, dass ein zur Sachlichkeit und Neutralität verpflichtetes öffentlich-rechtliches Medium wie der NDR sich als Sprachrohr von Bürgerinitiativen und Umweltverbänden geriert. Spätestens die Erkenntnis,  auf „Gasland“ reingefallen zu sein, hätte dazu führen müssen, beim Thema Erdöl- und Erdgasgewinnungdifferenziert zu recherchieren und dementsprechend ausgewogen zu berichten. Dazu hätte, um beim konkreten Thema zu bleiben, auch eine Stellungnahme des Unternehmens PRD Energy gehört.

 Der Beitrag des NDR ist übrigens eine Woche nach Veröffentlichung 18 Mal bewertet worden. Die Durchnittszensur ist 2,11 von 5, wobei 5 mit „Bestnote“ gleichzusetzen ist. Die schlechte Beurteilung sollte dem NDR zu denken geben. Im Übrigen war die Lagerstätte „Volkensen“ bis 1994 in Betrieb und nicht „bis in die 80er Jahre“ wie vom NDR behauptet.

Der NDR vermeidet es jedoch konsequent, aus gemachten Fehlern zu lernen. Thema der Sendung „Markt“ am 23.03.2015 ist „Erdölförderung: Mögliche Risiken mitten in der Stadt“. Gemeint ist die Lagerstätte Sinstorf am Rand und nicht „mitten“ von Hamburg. Siehe oben, dort wurde ein Bohrplatz am Rande eines Wassserschutzgebietes durch den NDR „mitten“ in dieses verlegt.

Zur Recherche hat Bürgerinitiative „Kein Fracking in der Heide!“ beigetragen, wie diese prahlend bekanntgibt. Der NDR geriert sich somit eindeutig zum wiederholten Male als Sprachrohr von Bedenkenträgern. Ob auch dieses Mal das angeprangerte Unternehmen (GDF-Suez) wie üblich nicht in den Beitrag einbezogen wird? Das bleibt abzuwarten!