Der Fracking-Treppenwitz und noch ein wenig mehr

Unter einem Treppenwitz verstand man ursprünglich einen geistreichen Gedanken, der einem nach einer Diskussionsrunde, quasi nach Verlassen des Raumes auf der Treppe einfällt und dementsprechend nicht mehr in die Diskussion eingebracht werden kann. Heutzutage versteht man darunter auch „Ironie des Schicksals“, „alberner Witz“ oder „unangemessenes, lächerliches Verhalten“ (Wikipedia).

In gewissem Sinne ließe sich eine Information, die dem Artikel Kampf um sauberes Grundwasser : Schwansener WBV protestiert in Berlin“ der SHZ zu entnehmen ist, als Treppenwitz bezeichnen. In dem Artikel ist zu lesen (Rechtschreibfehler übernommen):

Ein eindeutiges Fracking-Verbot sei zurzeit in Deutschland nicht möglich, da die Methode beispielsweise bei der Förderung von Heilwasser und bei privaten Bierbrunnen seit Jahren (so in Niedersachsen) zu gelassen sei.

Moment, da war doch was: Eine der Kernforderungen von „Fracking“-Gegnern ist es, die Anwendung von hydraulischen Fracmaßnahmen in der näheren Umgebung von Heilwasserquellen zu verbieten, sofern sich das geforderte Totalverbot dieser bewährten minimalinvasiven Bergbautechnologie nicht durchsetzen ließe.

Selbst die von ExxonMobil beauftragten Wissenschaftler zur Erstellung einer „Fracking“-Risikostudie um deren Leiter Prof. Dr. Dietrich Borchardt empfahlen, zunächst keine Fracmaßnahmen in der näheren Umgebung von Heilwasserquellen durchzuführen. Da ExxonMobil zugesagt hatte, den Empfehlungen des Wissenschaftlerkreises Folge zu leisten, wurden die Kohleflözgaserkundungsbohrungen „Holte Z2“ sowie „Bad Laer Z2“ aufgegeben und verfüllt, da sie sich zu nahe an Heilwasserquellen befanden.

Eine weitere Kernforderung ist, dass in der Nähe von Brunnen, die der Wasserversorgung von Brauereien zur Bierherstellung dienen, Fracmaßnahmen nicht mehr erlaubt sein sollen. Mehr als einmal ging durch die Medien (z.B. hier: „Fracking gefährdet Reinheitsgebot des deutschen Biers“), dass die deutschen Bierbrauer „Fracking“ wegen befürchteter „Verseuchung“ durch die dem Fracfluid beigefügten Zusätze ihrer Brunnen ablehnen. Bier Pilsener Brauart enthält 5 % Ethanol. Ethanol ist ein gängiges Additiv von Fracfluiden. Dort wird es, wenn es benötigt wird, allerdings in erheblich geringeren Konzentrationen eingesetzt (Frac Focus.org -What Chemicals Are Used). Denn die Gesamtkonzentration aller Additive bei Gelfracs liegt bei ca. 5 % während für Fracmaßnahmen in Tongesteinen („Schiefergas“) die Konzentration lediglich ca. 0,2 Prozent beträgt.

Es wäre somit schon eine Ironie des Schicksals, um auf das Thema „Treppenwitz“ zurückzukommen, wenn durch ein ausnahmsloses „Fracking“-Verbot, wie von Heilwasserquellen- sowie Brauereien gefordert, keine neuen Heilwasserquellen oder Brauereibrunnen in Betrieb genommen werden könnten. Man könnte das Verhalten auch als „unangemessen und lächerlich“ bezeichnen, da es sich bei der Kontamination von Wässern im Untergrund durch Fracarbeiten um eine bis heute nicht verifizierte Befürchtung handelt.

Fragt man „Fracking“-Gegner nach einem konkreten Beispiel für die „Verseuchung“ von Grund- oder sogar Trinkwasser (da besteht ein Unterschied!) durch hydraulische Rissbildung in Festgesteinen, herrscht entweder betretenes Schweigen oder aber man will unter „Fracking“ den Gesamtprozess der Schiefergasgewinnung von der Exploration über die Förderung bishin zur Beseitigung von Abwässern verstehen.

Da davon auszugehen ist, dass beim Fracen von Brunnen keine chemischen Additive eingesetzt werden, bleibt noch das gerne kolportierte Risiko von Erdbeben durch „Fracking“. Tatsächlich hat es bei den inzwischen millionenfach durchgeführten Fracjobs allein in Erdgas- und Erdöllagerstätten seismische Ereignisse gegeben, die an der Oberfläche spürbar waren. Diese lassen sich an ein oder zwei Händen abzählen, was verdeutlicht, dass das Erdbebenrisiko durch Fracen gering ist („What size of earthquakes can be caused by fracking?“, Studie der Durham University).

Damit wäre der Treppenwitz im Artikel abgearbeitet, aber der Artikel bietet Stoff für mehr, da er wieder einmal verdeutlicht, dass Journalisten sich etwas aus den Fingern saugen, aber nicht ordentlich recherchieren. Dafür dürfte einerseits Zeitmangel, andererseits mangelndes Fachwissen verantwortlich sein oder schlimmstenfalls beides zusammen.

Es beginnt bereits damit, dass folgendes geschrieben wird:

Wasser ist ein lebensnotwendiges Elixier […] Dieses ist nach Ansicht des WBV bedroht, da ein Konsortium im Erlaubnisfeld Waabs eine Aufsuchungserlaubnis für eine Förderung von Erdöl und -gas angemeldet hat.

Bei dem angeblichen „Konsortium“ handelt es sich um das Unternehmen „Central Anglia A/S“ mit Sitz in Norwegen. Gesellschafter sind Privatpersonen, die bislang skandinavischen und deutschen Explorationsgeschäft tätig waren. Ein Konsortium stellt aber eine Zusammenarbeit von  mindestens zwei Unternehmen dar.

Es gibt zudem keine „Aufsuchungserlaubnis für eine Förderung von Erdöl und -gas „. Unterschieden wird nach Bundesberggesetz zwischen einer Aufsuchungserlabnis, die, wie die Bezeichnung schon sagt, Aufsuchungsaktivitäten dienen soll und einer Förderbewilligung nach erfolgreicher Aufsuchung. Das ist eigentlich auch logisch, da erst nach Fund infolge Suchens eine Förderung möglich ist. Das dürfte hiermit idiotensicher dargestellt sein.

Die reiselustigen Kritiker der geplanten Erkundungsmaßnahmen, die im Informationsschreiben „Explorationsprojekt Sterup“ dargestellt werden, befürchten eine Verschmutzung des Grundwassers durch Tiefbohrungen oder durch Fracarbeiten:

Die Delegation, […] trug ihre Sorgen um die Trinkwasserversorgung in Mittelschwansen vor. Das Grundwasser ist durch zwei unterhalb der Ostsee liegende Tonschichten geschützt – diese Schutzschichten könnten durch die Fracking-Methode zerstört werden.

Nein, diese Tonschichten unter der Ostsee, die angeblich das landseitige Grundwasser schützen sollen (kann mir anhand der Darstellung kein geologisches Abbild der Untergrundverhältnisse gedanklich vorstellen), können nicht zerstört werden. Einerseits lässt sich Ton nicht fracen, andererseits liegen diese Schutzschichten vertikal zu weit entfernt, um von Hydraulic Fracturing beeinträchtigt zu werden.

Dabei gibt es weder konkrete Pläne für Tiefbohrungen und schon gar keine zur Anwendung des standardmäßigen Hydraulic „Fracking“ Fracturing. Fracarbeiten werden aufgrund der Beschaffenheit der potenziellen Speichergesteine sogar von Central Anglis von vornherein ausgeschlossen. Zu gern verweise ich im Zusammenhang „Hydraulic Fracturing“ mit der „Fracking“-Angst in Schleswig-Holstein auf folgende Stellungnahme des durch den grünen Ministers Habeck geführten Umweltministerium (MELUR) von Schleswig-Holstein (SH):

4. Gab es in der Vergangenheit Fracking-Maßnahmen in Schleswig-Holstein ?

Ja, es gab mehrere Bohrungen mit dem Einsatz der Fracking-Methode. Diese Bohrungen fanden zwischen 1955 und 1994 überwiegend im Kreis Plön statt. Es gibt keine Hinweise, dass die Maßnahmen in dem betroffenen Gebiet zu schädlichen Umweltauswirkungen geführt haben.

Trotz dieser positiven Erkenntnis versucht Habeck alles in seiner Macht stehende, um Fracarbeiten zu verhindern, sofern auch nur der geringste Anlass bestehen könnte, solche durchzuführen.

Dazu wurde sogar in SH der Förderzins für Erdöl auf den Maximalwert von 40 % erhöht. Diese Anhebung, die durch Habecks MELUR fadenscheinig mit „Ressourcenschonung“ begründet wurde, veranlasste mehrere Unternehmen bezüglich Erkundungsarbeiten, die Segel zu streichen. Konsequenz: Keine weitere Erkundung, keine Bohrungen und somit auch keine Fracarbeiten, sofern sie überhaupt notwendig wären. Somit hat sich Habeck durch eine ideologische geprägte Entscheidung (Verhinderung von Lagerstättenerkundung auf Erdöl und damit Ausschluss des unwahrscheinlichen Einsatzes von Hydraulic Fracturing durch hohe Förderabgaben) eines vermeintlich leidigen Themas trotz besseren Wissens entledigt.

Die Delegation, u.a. bestehend aus Horst Böttcher, Hartmut Keinberger (Bürgermeister in Kosel), Fritz-Wilhelm Blaas (Bürgermeister in Barkelsby), Jens Kolls (Bürgermeister in Rieseby), Ulrike van Bargen (Bürgermeisterin in Thumby), Günther Wöhlk (Bürgermeister in Dörphof), Udo Steinacker (Bürgermeister in Waabs) und Sönke Greve (WBV-Verbandsmitglied) trug ihre Ängste und Befürchtungen vor Grundwasserverschmutzung durch Tiefbohrungen, die jeglicher Grundlage sowohl theoretisch als auch praxisbezogen entbehren, gegenüber Umweltministeriums-Staatssekretär Florian Pronold als auch den Bundestagsabgeordneten Dr. Johann Wadephul (CDU) und Sönke Rix (SPD) vor.

Der Staatssekretär aäußerte sich u.a. folgendermaßen:

Nach meinem Verständnis ist das Gebiet, von dem Sie berichten, eindeutig Wasserschutzgebiet.

Um zu befinden, was ein Wasserschutzgebiet ist oder nicht bedarf es nicht des Verständnisses irgendeines Staatssekretärs, der sich ein Urteil aufgrund von Beschreibungen erlaubt. Wasserschutzgebiete sind eindeutig definiert. Ihre äußere Grenze stellt gleichzeitig die äußere Grenze des Einzugsgebietes von Trinkwassergewinnungsbrunnen dar. Glaubt man einem als Zitat gekennzeichneten Satzes im Artikel, dann wollen die beiden Abgeordneten „alle Werkzeuge in Gang  setzen, um Probebohrungen gesetzlich zu verhindern.“

Wider einmal wird deutlich, dass sich Politiker nicht an Fakten orientieren, sondern an unbegründeten Ängsten und Befürchtungen. Den genannten Herren sei gesagt, dass in Deutschland Erdöl benötigt wird und das noch auf einen unübersehbaren Zeitraum, also mehr als zwei Generationen, benötigt wird. Unter nüchterner Betrachtung ist deshalb die Nutzung heimischer Vorkommen erstrebenswert. Nicht allein aus ökonomischen Gründen, sondern auch aus ökologischen.

Denn jedes Barrel im Inland geförderte Erdöl muss nicht unter hohen energetischen Aufwendungen importiert werden. Diese Aufwendungen bedeuten letztendlich stofflichen wie finanziellen Verlust und zusätzlich Beeinträchtigung der Umwelt. Warum das die Bedenkenträger nicht erkennen (wollen), die gerne Umweltschutz als Begründung vortragen, ist nicht nachvollziehbar.

Im Übrigen befand sich in Waabs, der Ortschaft von der u.a. der Protest ausgeht, einst die Landstation des Erdölfeldes Schwedeneck-See vor der Ostseeküste in der Eckernförder Bucht. Die Förderung von zwei Plattformen aus verlief zwischen 1984 und  dem Jahr 2000 ohne Umweltbeeinträchtigung. Insgesamt konnten dort über 3,4 Millionen Tonnen Erdöl und über 31 Millionen Kubikmeter Erdölbegleitgas gewonnen werden (Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2000).