Ölpreisverfall, unsichere Rechtslage im Inland und Russland-Sanktionen lassen Celler Förderindustrie leiden

Seit Sommer 2014 haben sich die Erdölpreise halbiert. Seit inzwischen vier Jahren wird ohne Ergebnis über das zuvor 50 Jahre angewandte Hydraulic Fracturing („Fracking“)debattiert. Eine drastisch erschwerende Genehmigungspraxis für dieses Standardverfahren, aber auch für Tiefbohrungen insgesamt, ist zu erwarten. Hinzu kommen noch Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland. Keine guten Bedingungen für den Standort mehrerer Unternehmen, dem niedersächsischen Celle.

Bereits im vergangenen Sommer meldete das in Celle beheimatete Unternehmen ITAG Kurzarbeit für seine gesamte Tiefbohrabteilung an. Betroffen sind ca. 250 Mitarbeiter, von denen teilweise die Hälfte gleichzeitig in Kurzarbeit sind. Laut des Artikels „Förderpläne auf Eis gelegt“ des „Weserkuriers“ vom 30. Januar 2015 sähe es nach Ansicht des ITAG-Personalleiters Detlev Doering bitter aus für die Branche, wenn bezüglich „Fracking“ nicht zügig ein verlässlicher Rechtsrahmen geschaffen würde. Der „Weserkurier“ spricht fälschlicherweie von einer Legalisierung des längst etablierten und somit erlaubten Verfahrens.

Doch die ITAG ist inzwischen nicht mehr das alleinige betroffene Unternehmen im „Klein-Houston“ Deutschlands am Südrand der Lüneburger Heide. Das geht aus einer Pressemitteilung der  Industrie- und Handelskammer (IHK) Lüneburg-Wolfsburg hervor. Die IHK befragte 20 Unternehmen der mit 8.000 Beschäftigten für Celle bedeutenden Erdöl- und Erdgasindustrie zu ihrer wirtschaftlichen Situation.

Durch den internationalen Preisverfall für Erdöl sehen sich 15 Prozent der Unternehmen stark und weitere 50 Prozent sogar sehr stark betroffen. Bislang konnten die Unternehmen noch von Altaufträgen zwhren, doch gehen bei zwei von drei Unternehmen die Auftragseingänge erheblich zurück und bei der Hälfte gab es Auftragsstornierungen. Sieben Unternehmen mussten bisher Mitarbeiter entlassen und weitere vier meldeten Kurzarbeit an. Drei Unternehmen sehen sogar ihren Fortbestand im Inland gefährdet.

Erschwerend zum Ölpreisverfall kommt die gesellschaftspolitische Situation rund um die Erdgas- und Erdölförderung und hierbei insbesondere die Diskussion um Haydraulic Fracturing hinzu. Denn mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen erwirtschaftet den größten Teil ihres Umsatzes am nationalen Markt. Dementsprechend sehen sich 28 Prozent und genausoviele sogar sehr stark vom faktischen (auf keiner Gesetzesgrundlage beruhenden) „Fracking“-Moratorium betroffen:

Den Unternehmen fehlt Rechtssicherheit, denn seit knapp zwei Jahren werden in Erwartung einer verschärften Gesetzgebung keine Genehmigungen mehr erteilt.

Das ist so nicht ganz richtig, denn mittlerweile sind vier Jahre ins Land gezogen, seidem in Niedersachsen keine Fracmaßnahme mehr genehmigt worden ist. Dabei hat sich an der Gesetzeslage nichts geändert, unter der zuvor Fracmaßnahmen genehmigt worden sind.

Eine weitere Belastung stellen die Wirtschaftssanktionen gegenüber und seitens Russlands dar. Betroffen sind insbesondere Unternehmen, die zu mehr als drei Vierteln (23 Prozent der Befragten) oder sogar vollständig (15 Prozent) ihren Umsatz im Ausland erwirtschaften. Von den Sanktionen sind 30 Prozent der Unternehmen stark und weitere 10 Prozent sehr stark betroffen.

Das Zusammentreffen der drei Faktoren würde im Falle eines Andauerns bedeuten, dass über die nächsten 12 Monate 70 Prozent der Befragten einen Rückgang der Investitionen, 60 Prozent Umsatzverluste und 40 Prozent weiteren Personalabbau voraussehen.

Gegen den Ölpreisverfall ist von bundespolitischer Ebene aus wenig bis gar nichts auszurichten. Bezüglich des Verhältnisses zu Russland dürfte ähnliches gelten, wobei die Chancen besser stehen. Doch was die Verhältnisse im Inland betrifft, hat die Politik die notwendigen Werkzeuge in der Hand, um für die Industrie und insbesondere deren Mitarbeitern einen Rechtsrahmen mit Investitionsperspektive zu schaffen. Dazu wäre es aber unabdingbar, endlich Fachleuten Folge zu leisten und nicht den Bedenkenträgern. So sieht der Vorstandsvorsitzender des GeoEnergy Celle e.V., Thor Noevig, die Politik in der Verantwortung:

Bohrprojekte wären auch heute noch genug vorhanden, werden aber nicht umgesetzt. Denn in den letzten Jahren haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für Tiefbohrungen wesentlich verschlechtert. Das gefährdet nun Hunderte von Arbeitsplätzen.

Doch es sind nicht nur Arbeitsplätze gefährdet, sondern perspektivisch auch eine anteilige Versorgung mit durch im Inland gefördertes Erdgas.

Neben Celle dürften auch weitere Kommunen und Regionen von der teilweise hausgemachten Krise betroffen sein, die Unternehmen der Serviceindustrie beheimaten, wie z.B. Vechta und Umgebeung oder auch die sachsen-anhaltinische Kreisstadt Salzwedel.