Bundestagsabgeordneter Frank Schwabe (SPD) diffamiert BGR-Chef als „Fracking-Lobbyisten“

Bereits vor gut zwei Monaten gab uns eine via Twitter-Mitteilung (Tweet) des SPD-Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe verbreitete Pressemitteilung zum Thema „Fracking“ den Anlass, diese in einem Artikel kritisch zu hinterfragen. Unter anderem haben wir dargelegt, dass Schwabes Ansicht, „Fracking“ sei in Schiefergestein nicht verantwortbar, u.a. den Erkenntnissen der obersten geowissenschaftlichen Behörde Deutschlands diametral gegenübersteht.

Bei der obersten gewowissenschaftlichen Behörde Deutschlands handelt es sich um die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) mit Sitz in Hannover. Ihr Aufgaben- sowie Betätigungsfeld ist entsprechend des breiten Spektrums der Geowissenschaften äußerst vielfältig. Vertreten wird die BGR durch deren Präsidenten Prof. Dr. Hans-Joachim Kümpel. Und eben dieser wurde von Frank Schwabe in einem Tweet als „Fracking-Lobbyist“ diffamiert. Hier der Tweet:

Herrn Schwabe der Diffamierung Prof. Kümpels zu bezichtigen ist natürlich ein schwerwiegender Vorwurf, jedoch ein begründeter. Denn diffamieren bedeutet, dass jemand einen anderen öffentlich durch falsche Behauptungen in einen schlechten Ruf bringt. Und genau das hat Frank Schwabe getan.

Es beginnt bereits damit, dass der Begriff „Lobbyismus“ in Deutschland negativ besetzt ist. Im Allgemeinen werden darunter Vertreter aus Wirtschaftsunternehmen oder Wirtschaftsverbänden (oftmals als „Lobbyverbände“ bezeichnet) verstanden, die aktiv Einfluss auf politische Entscheidungsträger in Exekutive und Legislative nehmen. Jedoch ist Prof. Kümpel weder ein Vertreter eines Wirtschaftsunternehmens noch eines Wirtschaftsverbandes.

Im weiteren Sinne gilt der Lobbyismus-Begriff auch für Verbände und deren Vertreter jenseits der freien Wirtschaft. Zuvorderst seien hier Umweltverbände genannt, die insbesondere in Deutschland durchaus erfolgreich Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen. Allerdings wird deren Engagement in der breiten öffentlichen Wahrnehmung im Regelfall weniger kritisch gesehen als das der Wirtschaftslobbyisten. Doch auch dem Verbandslobbyismus jenseits der Wirtschaft ist Prof. Kümpel nicht zuzurechnen.

Denn schließlich ist er Präsident einer Behörde. Und zwar nicht irgendwelcher, sondern einer Bundesbehörde, die dem Bundeswirtschaftsministerium direkt unterstellt ist. Bundeswirtschaftsminister ist gegenwärtig Schwabes Parteigenosse Sigmar Gabriel. Neben einer Behörde stellt die BGR gleichzeitig einen wissenschaftlichen Dienst dar. In diesem Zusammenhang ist Wikipedia zu entnehmen:

Je besser Abgeordnetenbüros mit wissenschaftlichen Mitarbeitern, Parlamente mit eigenen wissenschaftlichen Diensten oder Behörden mit Fachbeamten ausgestattet sind, desto schwieriger ist es für Lobbyisten sich unentbehrlich zu machen.

Prof. Kümpel  ist Präsident einer Bundesbehörde, die zusätzlich einen wissenschaftlichen Dienst darstellt (!) und deren Aufgabe es u.a. ist, Politikern beratend zur Seite zu stehen und mit ihrer Expertise (Wirtschafts-) Lobbyisten das Leben schwerer machen soll. Dementsprechend ist Schwabes Vorwurf des Lobbyismus völlig abwegig und mit aller Deutlichkeit zurückzuweisen. Sein Vorwurf stellt in Anbetracht dessen, dass der Lobbyismusbegriff in Deutschland negativ besetzt ist, eine veritable Entgleisung gegenüber dem unbescholtenen BGR-Präsidenten dar.

Es gibt wohl selten einen vergleichbaren Fall, bei dem ein Mitglied des Bundestages, der einer Partei der Regierungskoalition angehört und dessen Parteifreund Dienstherr der genannten Behörde ist, den Präsidenten dieser staatlichen Institution öffentlich diffamiert. Doch leider blieb diese Entgleisung Schwabes bislang ungesühnt.

Das dürfte einerseits am relativ kleinen Kreis liegen, der in Deutschland via Twitter erreicht wird und andererseits am Thema „Fracking“. Denn dieses ist ähnlich wie der Begriff „Lobbyismus“ in der öffentlichen Diskussion negativ besetzt. Die Ursachen hierfür sollen an dieser Stelle nicht diskutiert werden, da dies bereits in verschiedenen Beiträgen auf dem Blog „Erdöl und Erdgas in Deutschland“ mehr oder weniger ausführlich geschehen ist.

Doch was veranlasste Frank Schwabe zu diesem entwürdigenden Tweet?

Hintergrund ist ein Interview der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) mit Prof. Kümpel zum „Fracking“, das leider nur gegen Bezahlung vollständig gelesen werden kann (uns liegt es vollständig vor). Kümpel geht dabei in seinen Antworten auf die Ängste und Sorgen weiter Kreise der Bevölkerung ein, die im wesentlichen auf Falschdarstellungen im Film „Gasland“ sowie auf unhaltbaren Übertreibungen von Risiken, wie sie von angstschürenden Umweltgruppierungen und Bürgerinitiativen mit selbsternannten „Fracking“-Experten verbreitet werden, beruhen.

Als Beispiele seien der brennende Wasserhahn oder angeblich quadratmeilenweise devastiertes Terrain als Folge des Hydraulic Fracturing bzw. der Schiefergasförderung genannt. Einen Artikel, der Kümpels Aussagen im Wesentlichen zusammenfasst, erschien bereits im Juli 2014 beim Handelsblatt unter der Schlagzeile „Angst vor Fracking ist unbegründet“. In eine kürzlich ausgestrahlten Beitrag des Nachrichtensenders n-tv hat Prof. Kümpel seine Argumente ebenfalls vortragen können.

Folgende Aussage Kümpels im NOZ-Interview ist sicherlich auch für Frank Schwabe zutreffend:

Aber Politiker sind oft ebenso verunsichert wie die breite Bevölkerung. Notwendig wäre mehr Fachwissen bei allen Akteuren, um Fracking umfassend bewerten zu können.

Doch von Fachexpertise hält Frank Schwabe offensichtlich nichts. Er bedankt sich vielmehr bei der politisch weit links stehenden Organisation Campact! für die Unterstützung gegen „Fracking“, wie folgender Tweet verdeutlicht:

Campact! geriet übrigens erst Anfang September 2015 wegen möglicherweise mit dem Datenschutz im Widerspruch stehenden Methoden in die Kritik (Stuttgarter Nachrichten). Neben diesem Vorwurf steht auch noch der im Raum, dass Campact! mittels Halbwahrheiten versucht, Mitmenschen für ihre Kampagnen zu gewinnen. Das gilt nach Ansicht des CDU-Politikers Peter Friedrich laut Stuttgarter Nachrichten auch für das Thema „Fracking“:

Auch bei den Kampagnen gegen die Freihandelsabkommen und Fracking sei ihm aufgefallen, dass Campact es mit den Tatsachen nicht so genau nehme, sondern versuche, „mit kontrafaktischen Behauptungen und Zuspitzungen Stimmung zu erzeugen. “ Mit „Aufklärung und demokratischer Auseinandersetzung hat es leider nichts zu tun.“

Es ist schon starker Tobak, dass ein Bundestagsabgeordneter einer Regierungspartei den Präsidenten einer unmittelbar dem Bundeswirtschaftsministerium untergeordneten Behörde sowie Staatsdienstes aufgrund dessen Expertise des „Lobbyismus“ bezichtigt, sich gleichzeitig aber mit einer fragwürdigen politischen Gruppierung verbündet.

Mit dem Vorwurf des „Fracking“-Lobbyisten sieht sich Prof. Kümpel nicht zum ersten Mal konfrontiert. Bereits vor einigen Monaten wurde er durch den WDR-„Energieexperten“ Jürgen Döschner als solcher tituliert („Ein zweifelhafter „Freispruch“ für Fracking“).

Mit Schwabes Tweet ist ein erneuter Tiefpunkt in der „Fracking“-Debatte erreicht. Neben diversen journalistischen Tiefpunkten, von denen wir drei hier und hier diskutiert haben, gab es bereits vor gut einem Jahr einen auf der politischen Ebene. Damals fiel die Präsidentin des Umweltbundesamtes (UBA), Maria Krautzberger (SPD),  dem Leiter des zweiten „Fracking“-Risikogutachtens im Auftrag des UBA, Herrn Uwe Dannwolf, in den Rücken. Sie behauptete bei der Vorstellung dieses Gutachtens, dass „Fracking“ nach wie vor eine Risikotechnologie sei. Doch diese Einschätzung wäre aus dem Gutachten nicht ableitbar, sagte Dannwolf sinngemäß in der „panorama 3“-Sendung  „Das schlechte Image von Fracking“, die vom NDR produziert wurde.

In einer Demokratie sollten politische Entscheidungen sich am Willen des Volkes orientieren. Jedoch ist die neuzeitliche bzw. moderne Demokratie (auch) ein Ergebnis der Aufklärung. Dementsprechend sollten von politischen Entscheidungsträgern wissenschaftliche Fakten, nichts anderes hat Prof. Kümpel dargelegt, ernst genommen und bei der Entscheidungsfindung Beachtung finden. Wie das hier geschilderte Beispiel verdeutlicht, verhält es sich jedoch völlig anders. Wissenschaftliche Expertise wird ignoriert und schlimmstenfalls sogar in den Dreck gezogen. Stattdessen wird sich bei mit fragwürdigen Methoden agierenden Gruppierungen für den „Kampf“ gegen eine Sache, von der man aufgrund des Ignorierens wissenschaftlich-technischer Fakten wenig versteht, bedankt.

Artikelfoto: Fracarbeiten auf der Erdölerkundungsbohrung „Barth 11“ in Vorpommern der Central European Petroleum GmbH. Hier wurden im Sommer 2014 die bislang letzten Fracmaßnahmen in Deutschland im Zusammenhang mit der Kohlenwasserstofferkundung bzw. -gewinnung vorgenommen.