Bundesregierung bestätigt sehr geringes Erdbebenrisiko durch Hydraulic Fracturing

Zum Erdbebenrisiko im Zusammenhang mit der Erdgasförderung stellten die Abgeordneten Hubertus Zdebel, Herbert Behrens, Caren Lay u. a. der Fraktion die LINKE eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung. Inzwischen liegen die zum Teil sehr interessanten Antworten in Form der Bundestagsdrucksache 18/5834 vor. Die Reaktion der Gegner inländischer Erdgasförderung darauf erscheint kurios und führt zu ungläubigem Kopfschütteln.

Aufgrund seiner Intraplattenlage ist Deutschland ein Land mit vergleichsweise geringer seismischer Aktivität. Dennoch gibt es mit dem Oberrheingraben, der Schwäbischen Alb, der Niederrheinischen Bucht, dem Vogtland sowie der Region um Gera bis nach Halle-Leipzig (hier ereignete sich das bislang stärkste Erdbeben in Deutschland im Jahr 2015, wurde vom Autor gespürt) Regionen mit erhöhter natürlicher seismischer Aktivität.

Erdbeben Ruhrgebiet und Ibbenbüren

Erdbebenkarte Ruhrgebiet und Ibbenbüren (Kartenausschnitt BGR)

Außerhalb dieser Gebiete treten natürliche Beben sehr selten auf. Jedoch können in diesen Gebieten Beben vorkommen, die durch menschliche Aktivitäten, insbesondere durch Bergbau, ausgelöst werden. Ein bekanntes Beispiel ist der im Zusammenhang mit dem Kalibergbau stehende Gebirgsschlag im thüringeschen Völkershausen im Jahr 1989. Das durch den Gebirgsschlag ausgelöste Beben hatte eine Lokalmagnitude von ML = 5,6 auf der Richterskala und führte zur Beschädigung bis zur Zerstörung von ca. 80 % der Bausubstanz (Quelle: Wikipedia). Als weitere Regionen, in denen häufiger bergbaubedingte seismische Ereignisse registriert werden, zählen die Steinkohlenreviere mit aktivem Untertagebau (Ruhrgebiet und Ibbenbüren, siehe Kartenausschnitt links).

Aber auch aus Regionen, in denen im größeren Stil Erdöl und/oder Erdgas gefördert werden, sind seismische Ereignisse bekannt. Das schwerwiegendste dürfte das Beben im Gebiet des usbekischen Erdgasfeldes Gasli aus dem Jahr 1984 sein, dass eine bemerkenswerte Lokalmagnitude ML = 7,2 aufwies (Quelle: SpiegelOnline). Ebenso ereigneten sich in Gebieten deutscher Erdgaslagerstätten sowie in deren unmittelbaren Umfeld mehrere seismische Ereignisse, von denen die wenigsten spürbar waren. Diese letztgenannten Ereignisse dürften den Anlass für die Kleine Anfrage, die 36 Fragen umfasst, gegeben haben.

Dementsprechend zielt die erste Frage darauf ab, welche Erkenntnisse der Bundesregierung vorlägen, inwiefern die Gewinnung von Erdgas aus konventionellen Lagerstätten für seismische Ereignisse verantwortlich wäre. Beantwortet wird die Frage, dass mehrere wahrscheinlich bzw. sogar sehr wahrscheinlich auf die Erdgasförderung zurückzuführen seien.

Präzisiert wird diese Einschätzung in Form einer Tabelle in der Antwort zur Frage 3. Hier fällt auf, das über die Jahre hinweg der Zusammenhang zwischen der Erdgasgewinnung und den seismischen Ereignissen tendenziell als immer wahrscheinlicher eingeschätzt wird. Zu begründen ist die Tendenz damit, dass die seismische Überwachung verbessert worden ist. Dafür ausschlaggebend dürfte das Beben von Rotenburg vom 20. Oktober 2004 mit einer lokalmagnitude von ML = 4,5 gewesen sein, dass bis in das ca. 60 km entfernte Hamburg zu spüren war. Ein Zusammenhang mit der in der Region stattfindenden Erdgasgewinnung wurde nach makroseismischer Auswertung zunächst ausgeschlossen (Erdbeben zwischen Rotenburg und Neuenkirchen, Lüneburger Heide). Eine spätere instrumentelle Auswertung kam jedoch zu dem Schluss, dass ein Zusammenhang zwischen Erdgasförderung und Beben nicht ausgeschlossen werden könne.

Neben den Beben, die Folge der Erdgasförderung sind, interessiert sich die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke auch für das potenzielle Risiko der Erdbebeninduzierung durch die Versenkung mitgeförderten Lagerstättenwassers (LaWa) in den Untergrund. Hierzu werden je nach Förderregion entweder bereits salzwasserführende Gesteinsschichten genutzt, wie z.B. der kreidezeitliche Kalkarenit in der Förderregion „Elbe-Weser“ oder auch ausgeförderte Erdöllagerstätten, wie es im Raum Barnstorf, Landkreis Diepholz, der Fall ist.

Der Bundesregierung sind keine seismischen Ereignisse bekannt, die im Zusammenhang mit der LaWa-Versenkung stehen. Belege in Form von Aufzeichnungen existieren zudem nicht. Was zur Frage geführt haben dürfte ist die Erkenntnis, dass in den USA im Umfeld einiger weniger Versenkbohrungen Erdbeben induziert worden sind, bei denen teilweise Gebäudeschäden zu verzeichnen waren. Bezüglich dieser Ereignisse haben wir im Artikel Entgegen Behauptungen in deutschen Medien: Fracking nicht verantwortlich für dramatischen Anstieg von Erdbeben in Oklahoma ausführlich berichtet.

Wie im besagten Artikel dargelegt, wurden und werden die Beben in Oklahoma im Zusammenhang mit der Versenkung von Abwässern aus der Erdöl- und Erdgasproduktion gerne fälschlicherweise dem Verfahren Hydraulic Fracturing angedichtet. Dieser Mythos hat sich derart verbreitet und gefestigt, dass „Fracking“-Gegner (denen ist auch die Partei „Die Linke“ zuzurechnen) das angeblich hohe Erdbebenrisiko als Trumpfkarte für ihre Stimmungsmache ausspielen. Dementsprechend ist es wenig verwunderlich, dass in der hier diskutierten Anfrage „Fracking“ und Erdbeben thematisiert und dabei auch Bezug auf die, nachgewiesernermaßen falschen Medienberichte, Bezug genommen wird:

Frage Nr. 22

Verfolgt die Bundesregierung die Erfahrungen zu Zusammenhängen von Fracking und Erdbeben in den USA, wie sie z. B. nach Medienberichten für Kansas, Arkansas, Ohio, Oklahoma oder Texas berichtet werden (www.orf.atJstories12271269122712941)? Wenn ja, welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung hieraus für die Situation in Deutschland? Wenn nein, warum betrachtet die Bundesregierung diese Erfahrungen aus den USA nicht?

In der Antwort wird deutlich darauf hingewiesen, dass die Beben in den erwähnten Bundesstaaten nicht auf Fracmaßnahmen zurückzuführen sind, sondern auf die Versenkung von Abwässern. Ein Erdbebenrisiko durch Hydraulic Fracturing ist somit nicht gegeben. Ergänzend wird erläutert, dass die Versenkung in Bereichen erfolgte, die im Kontakt mit erdgeschichtlich sehr altem kristallinem Grundgebirge stehen, in welchem alte Störungen reaktiviert wurden. Es wird korrekt dargelegt, dass die Versenkung in Deutschland fernab solcher geologischen Strukturen erfolgt.

Erdbeben Gasregionen

Erdbeben in niedersächsischen Erdgasregionen zwischen Oktober 2014 und Oktober 2015 mit einer Lokalmagnitude ML ≥ 2,0

Ebenso sind die wenigen Beben, die tatsächlich mit Fracarbeiten in Verbindung gebracht werden können, darauf zurückzuführen, dass Störungen im kristallinen präkambrischen Grundgebirge beeinträchtigt wurden. In Deutschland wäre damit nicht zu rechnen, da sich die gasführenden Gesteine, in denen Fracmaßnahmen zum Zuge kommen können bzw. in den letzten mehr als 50 Jahren gekommen sind, fernab vom präkambrischen Grundgebirge befinden. Dementsprechend sind besteht nachgewiesenermaßen kein Zusammenhang zwischen Fracarbeiten in deutschen Erdgaslagerstätten und Erdbeben. Das geht auch aus der Antwort auf die Fragen 17 und 18 hervor:

Die BGR hat auf Grundlage der Liste des LBEG 327 Fracking-Maßnahmen untersucht, die in Niedersachsen seit 1961 im Rahmen der Gewinnung von Erdgas durchgeführt wurden. Diese wurden mit den gemessenen seismischen Ereignissen im Bereich der Erdgasfelder abgeglichen. Ein räumlich zeitlicher Zusammenhang mit dem Fracking konnte bisher in keinem Fall nachgewiesen werden.

Im Ergebnis lässt sich aus den Antworten auf die „Kleine Anfrage“ der Bundestagsfraktion Die Linke folgendes schließen:

  1. Erdbeben infolge der Erdgasförderung aus konventionellen Lagerstätten in Deutschland sind nicht nur möglich, sondern gelten inzwischen als erwiesen. Aufgrund ihres vergleichsweise geringen Lagerstätteninhaltes und damit einhergehenden relativ geringen Produktionsraten sowie ihrer Lage in tektonisch stabilen Gebieten ist die Eintrittswahrscheinlichkeit spürbarer Ereigniss mit Gebäudeschäden als gering einzustufen.
  2. Die Versenkung von LaWa in Deutschland hat bislang zun keinem nachgewiesenen seismischen Ereignis geführt. Die bekannten Beben aus dem mittleren Westen der USA sind ursächlich mit den dortigen spezifischen geologischen Voraussetzungen zu begründen, die auf die  Verhältnisse in Deutschland nicht zu übertragen sind.
  3. Die 327 im Zusammenhang mit der Erschließung von Erdgaslagerstätten in Niedersachsen durchgeführten Fracmaßnahmen stehen in keinerlei örtlichem wie zeitlichem Zusammenhang mit den registrierten Beben im Umfeld von Erdgaslfeldern. Die wenigen bekannten spürbaren Beben infolge von Fracmaßnahmen in den USA sowie Kanada sind ursächlich ähnlich zu begründen wie die Beben infolge der Versenkung von Produktionsabwässern im mittleren Westen der USA.

Insgesamt ist das Erdbebenrisiko infolge der Induzierung durch LaWa-Versenkung sowie Hydraulic Fracturing als sehr gering einzustufen und aufgrund der geologischen Bedingungen in Deutschland nahezu auszuschließen. Hingegen ist ein Risiko induzierter Beben durch die Erdgasproduktion und damit einhergehender Druckentlastung in konventionellen Lagerstätten auch in Deutschland vorhanden, wenngleich spürbare Beben und solche mit Schäden an der Bausubstanz kaum auftreten.

Interessant ist die Reaktion der „Fracking“-Gegner auf die Antworten der Kleinen Anfrage von Hubertus Zdebel, Herbert Behrens, Caren Lay u. a. Obwohl unmissverständlich erläutert worden ist, dass weder die LaWa-Versenkung noch Hydraulic Fracturing auf die im Regelfall nicht spürbaren seismischen Ereignisse im Gebiet einiger inländischer Erdgaslagerstätten verantwortlich sind und international betrachtet diese Aktivitäten ein geringes Erdbebenrisiko darstellen, wird als Konsequenz ein „Fracking“-Verbot sowie die Versenkung von Flowback sowie LaWa gefordert (Siehe folgenden Link zum  Tweet).

https://twitter.com/StopptFracking/status/648856566343561216

Folgt man dem dortigen Link fb.me/7CpxCWf7C stößt man auf folgendes Zitat von Hubertus Zdebel:

„Zwischen konventioneller Erdgasförderung, Fracking und dem Verpressen von Flow-Back und Lagerstättenwasser auf der einen Seite und der Entstehung von Erdbeben auf der anderen Seite besteht ein kausaler Zusammenhang. Das bestätigt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage „Erdbebenrisiken der Erdgasförderung“.

Den Zusammenhang zwischen „Fracking und dem Verpressen von Flow-Back und Lagerstättenwasser“ bestätigt die Bundesregierung tatsächlich NICHT! Das genaue Gegenteil ist der Fall. Die Bundesregierung, die sich hier erstaunlicherweise auf die Fachbehörde Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) beruft, kommt vielmehr zu der Feststellung, dass von beiden Verfahren, bezogen auf inländische geologische Voraussetzungen kein nachweisliches Erdbebenrisiko  ausgeht.  Das haben jahrzehntelange Erfahrungen bewiesen!

3 Kommentare zu Bundesregierung bestätigt sehr geringes Erdbebenrisiko durch Hydraulic Fracturing

  • Jan-Peter Schmiegel sagt:

    Gelesen, für gut befunden, geteilt und versucht den Zweiflern die Augen zu öffnen. Dank an den Autor!

    1. SAR sagt:

      Der Autor dankt für’s Teilen.

  • Walter Stephan sagt:

    Gut geschrieben, Steven und sachlich überzeugend argumentiert. Die uneinsichtige und eigentlich unverständliche Reaktion des Journalisten und MdB Hubertus Zdebel zeugt nach meinem Empfinden davon, dass er offensichtlich die Antworten der Bundesregierung nur bruchstückweise, und zwar nur die Wörter „Erdgasförderung“, „Fracking“, „Einpressung“ und „Erdbeben“ gelesen hat, sie aus dem Kontext herausgenommen und dann seine gewünschten Aussagen daraus als Schlussfolgerungen konstruiert hat. Ein bisschen erinnert mich das an die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Frau Maria Krautzberger, die offensichtlich das so genannte UBA – 2 – Gutachten auch nicht gelesen oder so gelesen hatte, wie sie es gern gehabt hätte.

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