Zur endgültigen Beerdigung des Enhanced Gas Recovery-Forschungsprojektes CLEAN

Im Nordwesten von Sachsen-Anhalt befindet sich mit dem aus mehreren Teillagerstätten bestehenden Komplexes „Altmark“ Deutschlands bedeutendstes Erdgasvorkommen. Nach fast vierzigjähriger Produktionshistorie wurden Überlegungen angestellt, wie sich noch vorhandenes, aber mit bislang eingesetzten Methoden nicht gewinnbares, Erdgas fördern lässt. Als Möglichkeit wurde das Injizieren von Kohlendioxid (CO2) in die Lagerstätte als Enhanced Gas Recovery-Methode angesehen.

Kohlendioxid gilt als klimawirksames Gas und soll für den Temperaturanstieg der unteren Atmosphäre (Troposphäre) der letzten 150 Jahre hauptverantwortlich sein. Auf Grund dessen wird seit mehreren Jahren nach Möglichkeiten gesucht, den Ausstoß von CO2 zu verringern. Erwogen wird dabei auch die Einlagerung in aufnahmefähigen Gesteinsschichten im tieferen geologischen Untergrund. Als geeignet gelten poröse, permeable Gesteine, insbesondere Sandsteine.

Poröse und mehr oder weniger permeable Sandsteine fungieren häufig als Speichergesteine für Erdöl und Erdgas. Auch das aus der Lagerstätte „Altmark“ gewonnene Erdgas ist an Speichergesteine aus Sandsteinen des unterpermischen Rotliegenden gebunden. So war es naheliegend, dass ein Teilbereich der Lagerstätte mit der Bezeichnung „Altensalzwedel“, für ein wissenschaftliches Projekt mit der Bezeichnung „CO2 Large-Scale Enhanced Gas Recovery in the Altmark Natural Gas Field“ (CLEAN) gewählt wurde.

Wäre Enhanced Gas Recovery in Altmarklagerstätte möglich gewesen?

Lage des Lagerstättenkomplexes „Altmark“. Bildquelle: GFZ Potsdam

In dessen Rahmen wollte der Lagerstättenbetreiber GDF-SUEZ zum ersten Mal in Deutschland erproben, ob sich der Ausbeutegrad einer nahezu erschöpften Erdgaslagerstätte durch da Injiziieren von  CO2 steigern lässt. Maßnahmen, die der Gewinnung zusätzlicher Erdgasvolumina dienen, werden „Enhanced Gas Recovery“, kurz EGR genannt. Das notwendige Kohlendioxid sollte aus der Oxyfuel-Pilotanlage am Kraftwerk Schwarze Pumpe des schwedischen Unternehmens Vattenfall bezogen werden (Quelle BGR).

Kühn et al. (2013) präzisierten das Forschungsziel dahingehend, dass neben der Ausbeutesteigerung Technologien erforscht und entwickelt  werden sollten, die eine dauerhafte Einbringung großer Volumina von CO2 in die Lagerstätte unter Aspekten der Ökonomie und Ökologie ermöglichen. zudem sollten Erkenntnisse gewonnen werden, die der geologischen CO2-Speicherung in erschöpften Gaslagerstätten weltweit dienen können.

Neben den genannten Unternehmen waren weitere 16 Forschungseinrichtungen oder Firmen am Projekt beteiligt, das vom renommierten Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ) koordiniert wurde (Liste der Projektpartner: FuE-Programm GEOTECHNOLOGIEN) . Eine Förderung des CLEAN-Verbundes fand im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprogramms (FuE) „Geotechnologien“ durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung statt und für eine (zunächst) dreijährige Projektphase wurden ca. 15 Millionen Euro öffentlicher Mittel zur Verfügung gestellt. Das Projekt wurde in fünf Teilverbünde gegliedert (FuE-Programm GEOTECHNOLOGIEN):

  • TV 1: Technikumsanlage Injektion von CO2
  • TV 2: Bohrungsintegrität
  • TV 3: Geowissenschaftliche Prozessbeschreibung
  • TV 4: Umwelt und Prozessmonitoring
  • TV 5: Öffentliche Akzeptanz

Das Stichwort „Öffentliche Akzeptanz“ bietet sich als Überleitung dazu an, um zu erläutern, warum es nicht zur technischen Umsetzung des Vorhabens kam. Denn wie heutzutage leider nicht unüblich, sah sich das Vorhaben durch organisierte Bedenkenträger konfrontiert. Diese ersonnen Schreckensszenarien, traten damit an die Öffentlichkeit und fanden in unkritischen lokalen wie regionalen Medien ihre Erfüllungsgehilfen.

Auf der Seite der Gruppierung „Kein CO2-Endlager“ aus Schleswig-Holstein, wo ebenfalls Projekte zur CO2-Speicherung angedacht waren, sind zahlreiche „Verbotsgründe“ aufgeführt, von denen der überwiegende Teil aus naturwissenschaftlicher Sicht als an den Haaren herbeigezogen bewertet werden kann. Völlig abstrus ist z.B. die Behauptung, dass sich in Folge der CO2-Sequestierung Anhydrit in Gips umwandelt, was zu bei der Gesteinsumwandlung einer Volumenzunahme führt. Das Problem: Eine Umwandlung von Anhydrit zu Gips unter Zugabe von CO2 ist chemisch unmöglich. Ferner waren Anhydrite für die CO2-Speicherung überhaupt nicht vorgesehen! Das Erschreckende: Einer der führenden Köpfe der Gruppierung, Reinhard Knof, ist promovierter Chemiker.

Unter dem Druck des organisierten Protestes, der, wie kaum anders zu erwarten, durch professionelle Nicht-Regierungs-Organisationen wie Greenpeace mitgetragen wurde, beschloss die Bundesregierung ein restriktives Gesetz, dass die Carbon Dioxide Capture and Storage (CCS)-Technologie zwar grundsätzlich erlaubt, den Bundesländern aber die Möglichkeit eingeräumt, selbst zu entscheiden, ob sie etwaige Vorhaben zulassen (Gesetz zur Demonstration der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid (Kohlendioxid-Speicherungsgesetz – KSpG)). Eine positive Entscheidung des Landes Sachsen-Anhalt erfolgte nicht, so dass dem Feldversuch des CLEAN-Enhanced Gas Recovery-Vorhabens die gesetzliche Grundlage fehlte.

Wäre Enhanced Gas Recovery in Altmarklagerstätte möglich gewesen?

Ehemalige Förderbohrung AAZ 1, die als Injektor vorgesehen war sowie Feldstation Maxdorf mit den CO2-Anlage. Bildquelle: GoogleMaps

Dabei sind die technischen Voraussetzungen für das  Enhanced Gas Recovery-Vorhaben, letzten Endes vorschnell, bereits im Jahr 2009 geschaffen worden. Auf dem Gelände der Feldstation Maxdorf, auf der das Erdgas der altmärkischen Teillagerstätten Winkelstedt, Zethlingen sowie Altensalzwedel gesammelt wird, wurde eine entsprechende Anlage mit zwei imposanten Edelstahltanks zur Kohlendioxidzwischenspeicherung errichtet. Die Injiziierung sollte über die in nur 100 Metern Entfernung befindliche erschöpfte Bohrung „Altensalzwedel 1“ (AAZ1) erfolgen.

Nachdem das restriktive Gesetz verabschiedet wurde, gab GDF-SUEZ bereits 2012 bekannt, das EGR-Projekt nicht mehr weiter zu verfolgen (Aus für geplante CO2 -Verpressung bei Maxdorf). Anfang November 2015 teilte das Unternehmen mit, die Anlage demontieren zu wollen (GDF SUEZ E&P Deutschland demontiert Forschungsobjekt im Altmark-Kreis). Der Abbau der beiden je 62 Tonnen schweren Speichertanks sowie deren Abtransport erfolgte am Nikolauswochenende 2015.

Immerhin ist für die Tanks eine sinnvolle Nachnutzung vorgesehen. Sie werden an den 60 Kilometer entfernten GDF-SUEZ-Standort Schönewörde im niedersächsischen Landkreis Gifhorn gebracht. Dort wird Erdöl aus den Lagerstätten Vorhop sowie Knesebeck gesammelt und aufbereitet. Das dabei anfallende Erdölbegleitgas wird in den Tanks gespeichert und einem Blockheizkraftwerk zugeführt.

Das endgültige Scheitern dieses Enhanced Gas Recovery-Vorhabens erweckt zunächst den Eindruck, dass eine seit mehreren Jahren zu beobachtende Technologieanimosität dafür maßgeblich verantwortlich sei. Doch das dürfte nur zu einem gewissen Teil zutreffen. Bei genauerer Betrachtung der Protagonisten des Widerstandes gegen dieses sowie weiterer vergleichbarer Vorhaben kann tatsächlich umfassender geschlussfolgert werden, dass dem sogenannten „fossil-atomaren Komplex“, salopp gesagt, eins ausgewischt werden soll. Als Grundlage dieser Schlussfolgerung dienen neben den Akteuren vor allem deren kompromissloses Eintreten für eine Energiewende auf Basis sogenannter „Erneuerbarer Energien“.

In Kanada feiert übrigens ein kommerzielles CCS-Projekt gegenwärtig einjähriges Jubiläum. Das Boundary Dam Carbon Capture Project verfolgt dabei nicht nur die Abscheidung von Kohlendioxid und dessen Speicherung  im Untergrund. Dabei wird ein Teil für „Enhanced Oil Recovery“-Maßnahmen eingesetzt, während der verbleibende Anteil in tiefe Wasserleiter (Aquifere) eingebracht wird. Ferner wird im Rahmen dieses Vorhabens Schwefeldioxid abgeschieden, das zu Schwefelsäure umgewandelt und der chemischen Industrie als Grundstoff zugeführt wird. Zudem dient aufgefangene Flugasche als Ausgangsstoff für Zement/Beton.

Wie es in den vergangenen Jahren auch auf anderen Forschungsgebieten zu beobachten ist gehen andere Nationen vorweg, während in Deutschland gezaudert wird. Welche Konsequenzen dieses wissenschaftsfeindliche Verhalten für den Standort Deutschland mittel- bis längerfristig nach sich ziehen wird, bleibt abzuwarten.

Artikelfoto: altmärkische Erdgasförderbohrung PGG 113, im Hintergrund: Bohrarbeiten zur Ablenkung der PGG 1, ©chef79