Medial herbeigeredeter Bohrschlamm-Skandal Teil III – Riesenwelle um Nichts!

Seit Wochen geistern durch zahlreiche Medien Berichte über die Entsorgung von Bohrschlamm. Angestoßen wurde die Berichterstattung von einem Rechercheteam des NDR und des WDR um die Journalisten Alexa Höber (NDR) und Jürgen Döschner (WDR). Zu dieser Berichterstattung haben wir auf dem Blog in zwei Artikeln Stellung bezogen. In Teil I kritisierten wir vornehmlich die unseriöse Dramatisierung eines Berichts bei NDR markt, der tlw. durch Falschaussagen geprägt war. Teil II befasste sich mit einem Beitrag von Jürgen Döschner, der u.a. einen fragwürdigen Zusammenhang zur Fractechnik herstellte und die inländische Erdöl-Erdgasindustrie anhand einer unglaublichen Milchmädchenrechnung vor einem „gewaltigen Entsorgungsproblem“ wähnte. Doch inzwischen gab es zum Teil deutliche Kritik an den vermeintlichen Enthüllungen, mit denen wir uns u.a. in Teil III des medial herbeigeredeten Bohrschlammskandals befassen wollen.

Sanierung einer Bohrschlamm-Grube in der Altmark neben bestehendem Förderplatz, Quelle: GoogleMaps

Sanierung einer Bohrschlammgrube in der Altmark neben bestehendem Förderplatz, Quelle: GoogleMaps

Wie bereits im zweiten Teil beschrieben, gab es von fachlicher Seite deutliche Kritik an den Darstellungen des „investigativen“ Rechercheteams. Z.B. widersprach das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) der Behauptung, dass ein Volumen von angeblich 2 Millionen Kubikmetern zu entsorgender Bohrschlämme aus historischen Bohrschlammgruben zukünftig anfällt. Nach Erkenntnissen der Bergbehörde seien es tatsächlich bis zu maximal 300.000 Kubikmetern, also weniger als einem Siebtel des von Döschner behaupteten Volumens. Selbstverständlich widersprach auch der Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V. der Berichterstattung und verwies auf heute gültige Entsorgungpraktiken.

Doch in ihrer Arroganz lassen sich die „aufdeckenden“ Journalisten nicht von Fakten oder Kritik beeindrucken und setzen den eingeschlagenen Weg unbeirrt fort. Beispielsweise in einem Beitrag bei tagesschau.de mit der Überschrift Entsorgung von Bohrschlamm NRW zieht die Notbremse. Die Schlagzeile ist nicht nur irreführend, sondern schlichtweg falsch. Denn wie aus dem Artikel hervorgeht, hat der nordrhein-westfälische Umweltminister Remmel (Bündnis 90/Die Grünen) keine rechtliche Handhabe, die Transporte stoppen zu lassen.

Laut des Berichts wurde Remmel durch die WDR-„Recherchen“ zu den Bohrschlammtransporten „alarmiert“. Er wünsche sich, dass die Unternehmen aufgrund der öffentlichen Diskussion von sich aus für sechs bis acht Wochen auf Transporte verzichten. Nur warum sollten die betroffenen Unternehmen das tun? Bei den Transporten handelt es sich im wesentlichen um solche, die im Rahmen der Sanierung von historischen Bohrschlammgruben anfallen (dazu später mehr).

Es geht somit um Vorhaben mit aufgrund von Planungen abgesteckten Zeitrahmen sowie abgeschlossenen Verträgen. Verzögerungen als Folge von politischem Aktionismus infolge  panikmachender, schlecht recherchierter Berichte dürften kostspielig werden. Wer diese Kosten dann tragen soll, bleibt dabei offen. Die betroffenen Unternehmen, die ihre Kapazitäten bereits verplant haben, werden aufgrund einer Willkürentscheidung sicherlich alle Möglichkeiten dagegen ausschöpfen.

Auffällig ist, dass abermals Bohrschlämme durchweg als „giftige Abfälle“ oder „giftiger Sondermüll“ bezeichnet werden, ohne konkrete Angaben über die Zusammensetzung und insbesondere die Konzentration möglicherweise enthaltener Schadstoffe zu tätigen. „Giftig, giftig über alles!“ scheint das Motto zu sein, denn mit diesem Attribut lässt sich hervorragend Aufmerksamkeit erzeugen. Eine differenzierte Darstellung, aus der hervorgeht, dass Bohrschlamm auch völlig harmlos sein kann, vermag das nicht.

Ähnlich verhält es sich mit einem Artikel beim NDR vom 09.04.2016, der an den oben diskutierten annküpft. Doch hier hat es ein Kommentator, der sich „Geowissenschaftler“ nennt, gewagt, die Berichterstattung kritisch zu hinterfragen. Insbesondere wurde die pauschale Kategorisierung von Bohrschlamm in „giftig“ oder „gefährlich“ angeprangert und diese Art von Journalismus als das bezeichnet, was er ist: Unverantwortliche Panikmache!

Wir hätten auch gerne die genauen Werte der Schadstoffe in den verschiedenen Schlämmen genannt, aber sie würden uns großenteils vorenthalten. Jürgen Döschner, WDR

gelände der inzwischen vollständig rekultivierten zentralen Bohrschlammgrube Niephagen in der Altmark. Quelle: GoogleMaps

gelände der inzwischen vollständig rekultivierten zentralen Bohrschlammgrube Niephagen in der Altmark. Quelle: GoogleMaps

Erstaunlicherweise hat Jürgen Döschner auf die fundierte Kritik in Form eines eigenen Kommentarbeitrages reagiert. Er gibt zu, dass die stoffliche Zusammensetzung von Bohrschlamm variieren kann und somit auch der Schadstoffgehalt. Ferner räumt er ein, dass ihm und den anderen aufdeckenden Journalisten die genauen Anteile von Schadstoffen unbekannt ist. Angeblich wurde die genaue Zusammensetzung dem Rechercheteam „großenteils vorenthalten“. Warum trotz dieser Tatsache  Bohrschlamm dennoch nahezu grundsätzlich mit dem Wort „giftig“ oder zumindest „gefährlich“ attributisiert wird, bleibt eine berechtigte, aber unbeantwortete Frage.

Doch Widerspruch an den zahlreichen Berichten zum angeblichen „Bohrschlammskandal“ erfolgt auch von anderer Stelle. Im Artikel „Streit um Ölschlamm in Neuenhausen“ bei RP-Online vom 08.4.2016 wird der für Grevenbroich zuständige Landtagsabgeordnete Rainer Thiel (SPD) dahingehend zitiert, dass nach ihm vorliegenden Informationen es mit Blick auf die inzwischen stillgelegte Sondermülldeponie kein Anlass zu Beunruhigung bestünde. Hinsichtlich des Gehaltes von Quecksilber, das Schwermetall wird u.a. regelmäßig als Argument für die angebliche Gefährlichkeit von Bohrschlämmen von Döschner und Co. angeführt, sagt Thiel, dass dessen Gehalt „hart an der Nachweisgrenze“ läge.

Riesen-Welle mit nichts dahinter Franz Niederau, Baudezernent des Kreises Steinfurt

Deutliche Kritik, insbesondere an der Berichterstattung des WDR, äußerte Franz Niederau, Baudezernent des Kreises Steinfurt und Geschäftsführer der kreiseigenen Entsorgungsfirma EGST, in den Westfälischen Nachrichten. Im Kreis Steinfurt sind in einer Deponie in der Nähe der Ortschaft Altenberge ca. 4.000 Tonnen Bohrschlamm aus der Alt-Deponie Gölenkamp in der Grafschaft Bentheim eingelagert worden. Laut Niederau wären alle gemessenen Werte völlig harmlos und insbesondere der WDR hätte eine Riesen-Welle mit nichts dahinter provoziert und stelle Sachverhalte völlig falsch dar.

Schadstoffgehalte, insbesondere BTEX-Gehalte mit 0 bis 2,05 mg/kg seien so gering, dass man den Schlamm „auf einen Teller tun und essen könnte“, so Niederau. Das ist natürlich nicht korrekt, da Schlamm unverdaulich, also nicht essbar ist. Döschner, der anscheinend keine Kritik verträgt bzw. höchstens in geringer Dosis, verdrehte Niederaus Aussage dahingehend, dass er auf Twitter behauptete, Niederau wolle den Bohrschlamm essen:

Niederau reagierte darauf mit folgendem Tweet:

Offenbar kennt Döschner die Kontrollanalysen nicht. Denn Anstatt auf die Frage einzugehen, lässt Döschner folgenden blamablen Tweet ab:

Was bleibt also nach der wochenlangen Berichterstattung um Bohrschlammtransporte von Niedersachsen auf,  in Abhängigkeit der Beschaffenheit der Schlämme, Sondermülldeponien oder andere in Nordrhein-Westfalen festzuhalten?

Permanent wird in den Artikeln im Netz, in Radio und Fernsehbeiträgen des NDR/WDR-Rechercheteams Bohrschlamm als grundsätzlich „gefährlich“ oder gar als „giftig“ kategorisiert. Konkrete Angaben zur Beschaffenheit, also zu stofflichen Zusammensetzung, die eine solche Einstufung erlaubt, erfolgt durch das Team, das sich in diversen Beiträgen hinsichtlich ihrer Recherchearbeit selbst lobt das es bis zum Himmel stinkt, nicht.

Stattdessen versucht man sich damit herauszureden, dass genauere Angaben den Journalisten vorenthalten worden sind. Trotz dieser eklatanten Wissenslücke scheute man nicht davor zurück, mit den dürftigen Rechercheergebnissen an die öffentlichkeit zu gehen und Teile der Bevölkerung zu verunsichern sowie die Politik zu nicht notwendigem Aktionismus zu nötigen.

Was in der Berichterstattung völlig unterschlagen wurde, ist, dass Bohrschlammgruben, aus denen der Bohrschlamm, der nach NRW gebracht wird, längst nicht mehr Stand der Technik sind. Die Sanierung bzw. Rückbau der Bohrschlammgruben erfolgt aufgrund heutiger Vorschriften. Als Folge dieser Maßnahmen muss der ausgekofferte Schlamm transportiert und auf Deponien, die heutigem Umweltstandard entsprechen, eingelagert werden. Sofern es sich um Sondermüll handelt, sind es eben Sondermülldeponien, auf die der Schlamm verbracht wird. Was daran skandalös sein soll, bleibt von den Journalisten um Jürgen Döschner und Alexa Höber unbeantwortet.

Im übrigen hat es unserer Meinung nach wenig mit investigativem, also „enthüllendem“ oder „aufdeckendem“ Journalismus zu tun, mit lückenhaften Erkenntnissen, wie es z.B. von Herrn Niederau festgestellt und selbst von Jürgen Döschner eingestanden wurde, an die Öffentlichkeit zu gehen. Vielmehr bleibt der Eindruck haften, dass die Erdöl- und Erdgasindustrie mit einem neuen Skandal belegt werden sollte. Statt „investigativem Journalismus“ wäre die Bezeichnung „Krawalljournalismus“ oder auch „Skandaljournalismus“ zutreffender.

 

Artikelbild: Inzwischen sanierte Bohrschlammgruben bei Emlichheim (Grafschaft Bentheim). Quelle: GoogleMaps

4 Kommentare zu Medial herbeigeredeter Bohrschlamm-Skandal Teil III – Riesenwelle um Nichts!

  • Dirk Weißenborn sagt:

    Spülungszusätze enthielten und enthalten so gut wie überhaupt kein Quecksilber.

    Bohrschlamm aus „alten“ Gruben Niedersachsens (vor ca. 1975) enthält ganz überwiegend Material aus känozoischen und mesozoischen Formationen, welches vor allem bei den zahlreichen Erdölbohrungen anfiel. Mobiles Quecksilber ist da wirklich nur „an der Nachweisgrenze“ oder darunter zu erwarten.

    Als hauptsächliche geochemische Heimat mobilen Quecksilbers kommen in der der Nordwestdeutschen Tiefebene nur das Rotliegend, weit untergeordnet Oberkarbon (Westphal) und der subsalinare Zechstein in Betracht. Da die Masse der Bohrungen in diese Formationen erst nach 1975 abteuft wurde, ist mit einem vermehrten Auftreten des Quecksilbers in ungesicherten Bohrschlammgruben nicht zu rechnen.

    Der Grund: Ab dieser Zeit wurden die Schlämme zusehends in geordneten Deponien gelagert. Ausbetonierte Schlammgruben zur Zwischenlagerung an Bohrlokationen wurden schnell zum Standard.

    Die oben stehenden Erkenntnisse und Überlegungen können das folgende Zitat aus dem Text also nur stützen:

    „Hinsichtlich des Gehaltes von Quecksilber, das Schwermetall wird u.a. regelmäßig als Argument für die angebliche Gefährlichkeit von Bohrschlämmen von Döschner und Co. angeführt, sagt Thiel, dass dessen Gehalt „hart an der Nachweisgrenze“ läge.“

    Glückauf

    1. SAR sagt:

      Besten Dank für diese zusätzlichen Informationen.

  • Jan-Peter Schmiegel sagt:

    So sieht also die Kritikfaehigkeit eines Journalisten, der fuer sich in Anspruch nimmt gehoert und gelesen zu werden, aus.
    Wird man beim Luegen und/oder Verbreiten von Unwahrheiten erwischt, reagiert man zynisch und argumentativ unterhalb des Niveaus eines Hauptschuelers.
    Dankeschoen Herr Doeschner, da wuensche ich mir mehr von.

  • Norbert Schulte sagt:

    Bis vor kurzer Zeit galten die öffentlich rechtlichen Medien wie ARD, WDR und NDR aber auch die Süddeutsche Zeitung als kritische und auf jeden Fall seriöse Berichterstatter. Kritische Beiträge zu diversen Themen wurden immer mit Interesse wahrgenommen.

    Leider kommen mir nach der bisher verfolgten Berichterstattung zum Thema „Bohrschlammdeponien“ heute jedoch auch Zweifel zum Wahrheitsgehalt anderer kritischer Beiträge. Ich hätte nie erwartet, dass derart schlecht recherchierte Beiträge Sendezeiten von den Redaktionen bei ARD und WDR erhalten könnten.

    Die verantwortlichen Journalisten scheinen an einer seriösen Darstellung/Recherche nicht interessiert oder zu dieser nicht fähig. Sie schaden allen seriös arbeitenden Kollegen und bringen den Berufsstand in Verruf.

    Der eigentliche Skandal an diesem Vorgang ist nicht die nach den gesetzlichen Rahmenbedingungen erfolgende ordnungsgemäße Verbringung der „Bohrschlämme“, sondern das Niveau der Berichterstattung.

  • Jetzt einen Kommentar verfassen!

    *Ihre E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht.