Zum Frackingverbot in unkonventionellen Lagerstätten

Erdgasbohrung Bötersen Z11:Vom Frackingverbot nicht betroffen

Seit 2011 wurde über Hydraulic Fracturing (ugspr. „Fracking“) intensiv debattiert. Auslöser dafür war der Film „Gasland“ sowie darauf anknüpfende, unkritische Medienberichte. Zeitgleich wurde bekannt, dass in Nordrhein-Westfalen umfangreiche Erdgasvorkommen, die mit dem Fracverfahren gewonnen werden könnten, vermutet werden. Mehrere Studien wurden von der Politik in Auftrag gegeben, die die vermeintlichen Risiken dieser zuvor über Jahrzehnte auch in Deutschland angewendeten Methode ermitteln sollten. Jüngst verständigte sich die Regierungskoalition auf ein pauschales Frackingverbot in unkonventionellen Kohlenwasserstofflagerstätten. Entgegen den Empfehlungen sämtlicher in Auftrag gegebener Studien.

Rückblick auf Erkundung unkonventioneller Lagerstätten in Deutschland vor 2010

Entwicklung der erdgasförderung und der Erdgasreserven in Deutschland. Quelle:

Entwicklung der Erdgasförderung und der Erdgasreserven in Deutschland. Quelle: Erdöl- und Erdgasreserven in der Bundesrepublik Deutschland

Im Zuge der Debatte, insbesondere zu deren Beginn, wurde von Medien und Gegnern häufig behauptet, es würde sich beim Hydraulic Fracturing um eine neue Methode handeln, deren Risiken angeblich nicht erforscht bzw. dessen Folgen nich abschätzbar wären. Unter Einbeziehung des Vorsorgeprinzips wurden Forderungen nach einem Frackingverbot untermauert. Doch dabei ist das Fracverfahren keineswegs eine neue Technik. Selbst im Zusammenhang mit der Erkundung potenzieller Lagerstätten in Tonschiefern sowie Kohleflözen fand es schon vor 2010 Anwendung in Deutschland.

Bereits 1967/1968 wurden im Saarland zur Entgasung eines Kohleflözes als Sicherheitsmaßnahme für dessen späteren Abbau die Bohrungen Klarenthal 4 und 5 abgeteuft und anschließend gefract. Innerhalb eines Zeitraums von 7 Jahren konnten aus ca. 610 m Teufe 21,6 Millionen Kubikmeter Erdgas gewonnen werden. Die erzeugten Fracs hatten waren senkrecht zur Hauptspannung des Gebirges ausgerichtet und wiesen eine maximale Weite von 3 cm auf. Im Zuge des späteren Abbaus des Kohleflözes konnten später sowohl das Bohrloch als auch die Fracs aufgeschlossen werden (Hydraulic Fracturing in Deutschland – Die Risiken aus geowissenschaftlicher Sicht).  Eine weitere Entgasungsbohrung ist mit der Weiher 1 aus dem Jahr 1999 bekannt. Ob diese einer Fracbehandlung unterzogen worden ist, geht aus der Quelle (Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 1999) nicht hervor.

Versuche, Erdgas aus Kohleflözen unabhängig vom Steinkohlebergbau im Münsterland zu gewinnen, datieren in das Jahr 1995. Insgesamt waren fünf Bohrungen eines Konsortiums aus ConocoPhillips, Ruhrkohle AG sowie Ruhrgas AG geplant. Sie sollten allesamt Fracbehandlungen unterzogen werden. Umgesetzt wurden jedoch nur „Rieth 1“ in Drensteinfurt (Bohrtiefe: 1736 Meter) und „Natarp 1“ in Warendorf-Hoetmar (Bohrtiefe: 1969 Meter). Lediglich in letzgenannter Bohrung sind Fracarbeiten durchgeführt worden. Im Ergebnis konnten nur unwirtschaftliche Erdgasmengen während der Testarbeiten produziert werden, so dass das Vorhaben aufgegeben wurde (Erdgasprobebohrungen 1995 – Alle vorhandenen Informationen offengelegt).

Mit sich abzeichnendem deutlichen Rückgang der inländischen Erdgasreserven sowie rückläufiger inländischer Produktion wurde ab 2008 begonnen, nach neuen Ressourcen in sogenannten Schiefergaslagerstätten sowie erneut in Kohleflözen des Oberkarbon zu suchen. Diese vornehmlich von ExxonMobil Production Deutschland GmbH (EMPG) durchgeführten Maßnahmen blieben von der breiten Öffentlichkeit unbeachtet. Neben reinen Kernbohrungen zur Gewinnung von Gesteinsproben standen auch Bohrungen auf der Agenda, in denen weitere Maßnahmen angewendet werden sollten. Dazu zählten erstmalige Fracmaßnahmen in Schiefergestein in der Bohrung „Damme 3“ im Jahr 2008 (Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2010).

Studien sehen keine Grund für pauschales Frackingverbot

Gebiete mit Schiefergas-/öl und möglichem Schiefergas-/öl - Potenzial in Deutschland. Quelle:

Gebiete mit Schiefergas/-öl und möglichem Schiefergas/-öl – Potenzial in Deutschland. Quelle: BGR 2016

Obwohl die Anwendung des Fracverfahrens in unkonventionellen Lagerstätten auch in Deutschland, wie dargelegt, kein absolutes Novum war, sah sich die Politik veranlasst, auf den aufkeimenden Bürgerprotest zu reagieren. Dieses sollte über theoretische Studien erfolgen, mit denen zum einen via Umweltbundesamt (UBA) ein Konsortium privatwirtschaftlicher Unternehmen beauftragt wurde, zum anderen der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU). Vornehmliche Aufgabenstellung war es, aus dem Film „Gasland“ sowie aus Berichten abgeleitete Risiken der Fractechnik zu untersuchen.

Bemerkenswert ist, dass an den „Risikostudien“ kein einziger Wissenschaftler beteiligt war, der über Expertise in Tiefbohrtechnik oder Lagerstättenkunde verfügte. Einen naheliegenden Grund dafür sah Prof. Dr. Horst Rüter, Verfechter der Tiefengeothermie, darin, dass die Politik sich „auf die Basisdemokratie als dem schöner klingenden Bruder des Populismus“ besann. Dem Frackingverbot als vermeintlichen „Volkswillen“ wollte die Politik jedoch noch einen wissenschaftlichen Anstrich geben (Fracking – kann die Politik noch sachbezogen handeln?).

Doch das von Rüter vermutete Vorhaben führte nicht zum gewünschten Ergebnis. Im Gegenteil: Keine der drei Risikostudien im Auftrag der Bundesregierung, zwei davon via UBA, kam zu dem Schluss, dass das Fracverfahren in unkonventionellen Lagerstätten verboten werden müsse. Öffentlichkeitswirksam widersprach der Studienleiter des zweiten UBA-Gutachtens, Uwe Dannwolf, sogar der Präsidentin des UBA. Diese hatte auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Gutachtens behauptet, „Fracking ist und bleibt eine Risikotechnologie“. Dannwolf sagte gegenüber dem NDR, dass sich diese Einschätzung con Krautzberger nicht aus der Studie ableiten ließe. Stattdessen wäre die Technik nicht riskanter als andere (Das schlechte Image von Fracking).

In ihrer Einschätzung bezüglich möglicher Risiken des Hydraulic Fracturing aus geowissenschaftlicher Sicht wurde die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) völlig ignoriert. Im Zuge eines mehrjährig angelegten Forschungsvorhabens zur Abschätzung des Potenzials an Erdöl und Erdgas in Schiefergesteinen, beauftragt durch das Bundeswirtschaftsministerium, sollten auch potenzielle Risiken erörtert werden. Dazu bediente sich die BGR nicht nur vorhandener Kenntnisse, sondern führte auch eigen praktische Forschungsarbeit durch. Conclusio war, dass unter Beachtung geltender Gesetze und sonstiger Vorschriften sowie detaillierter standortbezogener Voruntersuchungen das Fracverfahren sicher durchführbar ist. (Studie: Schieferöl und Schiefergas in Deutschland – Potenziale und Umweltaspekte (2016))

Mit dieser Einschätzung stand die BGR nicht allein da. Sämtliche Staatliche Geologische Dienste (SGD) der Bundesländer sehen das genauso. Genauso wie die BGR sind sie von der Politik, die sie eigentlich beraten sollten, völlig ignoriert worden.

Mit dem jüngst beschlossenen pauschalen Frackingverbot in Tonsteinen, Mergeln und Schiefern („Schiefergaslagerstätten“) sowie Kohleflözen ignorierte die Politik also Schlussfolgerungen sämtlicher von ihr in Auftrag gegebener Studien. Besonders bitter ist hierbei die komplette Ignoranz gegenüber ihren eigentlichen Beratern in den SGD sowie der BGR.

Wirtschaft kündigt Moratorium auf – Politik boxt Frackingverbot durch

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Fracarbeiten in der Bohrung Barth 11 in Vorpommern im Sommer 2014. Das Fracverfahren in konventionellen Lagerstätten wie dieser bleibt künftig mit starken Einschränkungen erlaubt. Bildquelle: Central European Petroleum

Am 15.06.2016 fand sich der „Lobbyverband“ der Erdöl-Erdgas-Industrie in Hannover zu seiner Jahrestagung zusammen. Neben der Umbenennung in Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V. (BVEG) wartete der Verband mit einer weiteren Überraschung auf. Das (inoffizielle) Fracking-Moratorium wurde nach fünf Jahren aufgekündigt. (Branche fürchtet um Standorte und Arbeitsplätze)

Begründet wurde die Aufkündigung damit, dass ein gesamter Wirtschaftszweig nach einem halben Jahrzehnt politischer Untätigkeit sich in seiner Existenz bedroht sieht. So läge seit einem Jahr ein Gesetzentwurf zur Verschärfung der Regulierung der Erdgasförderung, insbesondere unter Anwendung des Fracverfahrens, vor. Jedoch wurde dieser nicht zur Abstimmung in den Bundestag eingebracht, da sich die Koalitionäre inhaltlich nicht einigen konnten.

Hauptkritikpunk aus den Reihen der SPD war, dass eine fünfköpfige Expertenkommission (u.a. aus BGR, SGD, UBA) darüber befinden soll, ob Hydraulic Fracturing auch in unkonventionellen Lagerstätten umfangreich eingesetzt werden kann. Entscheidungsgrundlage für die Expertenkommission sollten Erkundungsbohrungen sein, die wissenschaftlich begleitet werden. Die SPD forderte jedoch einen Parlamentsvorbehalt. Soll heißen: Nicht etwa die Kommission, sondern der Bundestag soll darüber entscheiden, ob das Fracverfahren umfänglich eingesetzt werden darf.

Eine absurde Forderung in zweierlei Hinsicht. Denn zum einen gab es bereits entsprechende Bohrungen, die selbstverständlich wissenschaftlich begleitet wurden. Zum zweiten wäre die Kommission völlig überflüssig, wenn sich das Parlament aus Furcht vor „dem Wähler“ sich über ihre Empfehlungen hinwegsetzen könnte.

Doch mit der Aufkündigung des freiwilligen Moratoriums nahm die Politik Fahrt auf. Nur eine Woche nach Aufkündigung verkündete die deutsche Medienlandschaft, dass die Koalition sich geeinigt hätte. Jedoch wurde der Gesetzesentwurf, der bereits völlig überzogene, da bereits vorliegende Erkenntnisse sowie aus Studien abgeleitete Handlungsempfehlungen ignorierend, Forderungen enthielt, noch einmal verschärft. Drei aus Sicht des Verfassers weitreichendste, teils absolut nicht nachvollziehbare Vorhaben sollen vorgestellt und kurz diskutiert werden:

  • wissenschaftlich nicht begründbares Pauschalverbot des Hydraulic Fracturing in unkonventionellen Lagerstätten, erlaubt sind maximal 4 Probebohrungen zu wissenschaftlichen Zwecken, die der Genehmigung des jeweiligen Bundeslandes bedürfen

Ziel dieser „Probebohrungen“ soll es sein, Erkenntnisse zu gewinnen. Diese sollen einer Neubewertung des Pauschalverbotes im Jahr 2021 dienen. Doch wie soll ein Erkenntnisgewinn erfolgen, wenn die Bundesländer die Option ziehen können, selbst diese Bohrungen zu versagen? Niedersachsen sowie Nordrhein-Westfalen als Bundesländer mit den potenziell größten Vorkommen haben bereits angekündigt, diese Option zu ziehen.

  • pauschales Verbot von Hydraulic Fracturing in Wasserschutzgebieten, Heilquellenschutzgebieten sowie an Seen und Talsperren zur Trinkwassergewinnung und Naturschutzgebieten. Darüber hinaus können die Bundesländer weitere Gebiete ausschließen.

Bereits heute sind Tiefbohrungen und somit die Durchführung von Fracarbeiten innerhalb der Wasserschutzzonen I und II nicht genehmigungsfähig. Da in der Zone II der oberbodenabtrag nicht gestattet ist, wäre bereits die Errichtung eines Bohrplatzes nicht möglich. In der Schutzzone III waren sie bisher erlaubt und unproblematisch für den Grundwasserhaushalt erfolgt.

  • in konventionellen Lagerstätten dürfen Fracfluide maximal mit der Wassergefährdungsklasse (WGK) I zugeordnet sein, in unkonventionellen der WGK 0

Warum in konventionellen Lagerstätten WGK I gestattet ist, in unkonventionellen jedoch nur WGK 0 ist logisch nicht nachvollziehbar. Schließlich sind die potenziellen Kontaminierungspfade von der Oberfläche oder aus der Bohrung heraus identisch. Zudem sind unkonventionelle Lagerstätten flüssigkeitsdicht. Aber auch eine Kontaminierung von der Oberfläche aus bzw. aus der Bohrung heraus sind nach deutschen Standards nahezu ausgeschlossen. Zum einen ist der Bohrplatz versiegelt, zum anderen die Bohrung im Bereich von Süßwasserleitern gegenüber diesen durch Mehrfachverrohrung und Zementierung der Ringräume zwischen den Rohrtouren abgeschottet.

Reaktion von Politik und Wirtschaft auf das Frackingverbot

SPD Fracking

An Unserösität kaum zu überbietender Tweet der SPD. Was soll US-Fracking sein?

Die Regierungskoalition feiert das verabschiedete Gesetz als guten Kompromiss. Insbesondere die SPD als kleinerer Koalitionspartner triumphiert, da sie sich mit der Forderung eines aus Sicht des Verfassers völlig absurden Parlamentsvorbehaltes durchsetzen konnte. Nachdem der Bundesrat ebenfalls dem populistischen Gesetz zugestimmt hatte, versendete die SPD via Twitter nebenstehenden Flyer, der an Angstpropaganda einer Nichtregierungsorganisation (NGO) erinnert, nicht jedoch an eine ernstzunehmende Partei mit „Volkspartei“-Anspruch.

Erwartungsgemäß geht für die Opposition im Bundestag, bestehend aus Bündnis90/Die Grünen (Grüne) sowie Die Linke, das bereits in der Form völlig wissenschaftsignorante Gesetz nicht weit genug. Beide Parteien haben für ein komplettes Verbot der Anwendung des Fracverfahrens, auch in konventionellen Lagerstätten plädiert. Hauptargument der Grünen ist, kaum überraschend, der sogenannte Klimaschutz. Dabei haben die USA bewiesen, dass mit vermehrtem Einsatz von Erdgas als Kohlesubstitut in der Produktion von Elektroenergie der Ausstoß von Kohlendioxid signifikant reduziert werden konnte. In Deutschland blie der Ausstoß trotz „Energiewende“ mit Vollzug des Ausstieges aus der Kernkraft quasi stabil.

Erwartungsgemäß alles andere als begeistert von den Gesetzesänderungen zeigt sich die Erdöl-Erdgasindustrie in Deutschland. Lediglich die Rechtssicherheit nach fünfjährigem politischen Eiertanz inklusive von der Industrie geduldeten Rechtsbruches (Nichtbearbeitung von Anträgen) wird begrüßt. Immerhin wird zumindest die Fortsetzung der Erdgasproduktion ermöglicht, wenngleich auch mit erheblichen Einschränkungen.

Durch die restriktive Position zum Schiefergas wird die Erforschung unkonventioneller Lagerstätten in Deutschland nahezu unmöglich. Es ist bedauerlich, dass wissenschaftliche Erkenntnisse und technologische Expertise in dieser Debatte so wenig Gewicht erhalten.Dr. Christoph Löwer, BVEG e.V.

Insbesondere das Frackingverbot in unkonventionellen Lagerstätten stoßen auf absolutes Unverständnis. Das pauschale Verbot sowie die Quasi-Verunmöglichung von Forschungsvorhaben seien ein schlechtes Signal für den Industriestandort Deutschlands. Dieser lebe von Innovationen, so Dr. Christoph Löwer vom Branchenverband BVEG e.V. Der Politik sei es nicht gelungen, trotz fünfjähriger intensiver Debatte einen Weg aufzuzeigen, die in Deutschland vorhandenen Erdgaspotenziale in unkonventionellen Lagerstätten zu erkunden. Stattdessen werde seitens der Politik weiter blockiert, so der BVEG e.V.

Aus Sicht des Verfassers ist es besonders bitter, dass sich in Deutschland abermals von Campaignern gezielt geschürte Ängste erfolgreich politische Entscheidungsträger beeinflusst haben. Dass sich Politiker bei solchen Angstschürern auch noch für die Unterstützung für ein Frackingverbot bedanken, ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die mit Expertise die Politik beraten sollten. Sie sind jedoch weitestgehend ignoriert worden. Es stellt sich abschließend die Frage, warum übehaupt steuerfinanzierte Gutachten in Auftrag gegeben wurden. Denn den darin enthaltenen Handlungsempfehlungen für die Politik ist nur in geringem Umfang, wenn überhaupt, Folge geleistet worden.

Artikelfoto: Erdgasbohrung Bötersen Z11 bei Rotenburg/Wümme. Aufgrund des Moratoriums erfolgten seit Fertigstellung 2010 keine erforderlichen Fracmaßnahmen. Vom verabschiedeten Frackingverbot ist diese Bohrung nicht betroffen. Aufnahme März 2012, ©chef79