Der tiefere deutsche Untergrund-Eine Tabuzone?

Ein äußerst interessanter Artikel ist in „Der Spiegel“, Ausgabe 10/2013 erschienen. Thematisiert wird der Widerstand gegen Tiefengeothermie, CO2-Speicherung sowie auch Hydraulic „Fracking“ Fracturing. Die Autoren, drei Geowissenschaftler, warnen vor den Folgen für den Forschungsstandort Deutschland und dem Aus für Pilotprojekte.

Zunächst wird die CCS(Carbon Capture and Sequestration)-Technik thematisiert, bei der Kohlendioxid bei der Kohleverstromung aus den Abgasen abgeschieden werden und im Untergrund in Aquiferen oder in ehemaligen Erdöl- und Erdgasfeldern zu speichern. Allein bei Betrachtung dieses Themas wird das Dilemma in Bezug auf vermeintlich ökologisch heikle Fragen deutlich. Die Autoren stellen dabei die unsachliche Vorgehensweise insbesondere in der Visualisierung, der, wie sie es nennen, realen und irrealen Risiken auf. Als Beispiel führen sie ein Plakat an, auf dem ein Schiff in einer aufsteigenden CO2-Blase versinkt. Zusätzlich wird an einem zweiten Beispiel deutlich, dass es den Gegnern oftmals an naturwissenschaftlichen Grundkenntnissen mangelt. So wurde bei Wittstock ein Test, der zuvor in Schleswig-Holstein am Protest scheiterte, in flacheren Grundwasserschichten durchgeführt. Dabei wurde lediglich 1 (!) Tonne CO2 in die wasserführenden Schichten gepresst, um z.B. Umweltfolgen zu analysieren. Die Anwohner fürchteten um ihr Grundwasser. Dabei ist es Grundstoff im Chemieunterricht, das CO2 in Wasser löslich ist und dabeiei Kohlensäure bildet. Die Anwohner hätten also maximal ein prickelndes Erlebnis gehabt. Laut den Autoren suggerieren Protestplakate zudem, und hier wird die Brücke zum Hydraulic Fracturing geschlagen, dass in CCS- und eventuellen Schiefergasfördergebieten ein Überleben nur mit Gasmaske möglich ist. Grundwasserkontaminationen werden durch diese Technologien als unausweichlich gegeben angesehen: „Die Science wird von der Fiction überstrahlt., schreiben die Wissenschaftler. Sie führen weiter aus, dass ein vom Bund zur Erforschung von CCS beschlossenes Gesetz von den Ländern unter dem Druck von Protestlern ausgehebelt wurde, oftmals unter Ignorierung von Argumenten für die Forschung, so dass das Gesetz in Bundesländern mit geeigneten geologischen Voraussetzungen als „mausetot“ zu betrachten ist.

Ähnlich wird es sich nach Ansicht der Geowissenschaftler mit dem Gesetz zum Hydraulic Fracturing verhalten, auf das sich Umweltminister Peter Altmaier (CDU) und Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) verständigt haben. Ihrer Ansicht nach handelt es sich eher um ein „Fracking-Verhinderungsgesetz“, das im Bundesrat einen ähnlichen Weg gehen könnte, wie das CCS-Gesetz. Bundesweit formal erlaubt-durch Ausnahmeregelungen der Länder faktisch nicht durchführbar.

Die Forscher benennen ein weitere Dilemma: Ihre Aufgabe sei es, „nachhaltige Systeme zu entwickeln und zu testen“, da nur auf diese Weise Umweltauswirkungen neuer Technologien (Anm. I. Adler: beim Hydraulic Fracturing ist eher von neuen geologischen Formationen bzw. Lagerstättentypen zu sprechen) beschrieben und Risiken quantitativ erfasst werden könnten. Doch das ist nicht möglich, da die Forschungen im Gelände, und dabei ist es irrelevant ob es sich um CCS, Hydraulic Fracturing in Schiefergesteinen oder Tiefengeothermie handelt, aufgrund von Protesten häufig nicht einmal mehr in Form von Pilotprojekten durchgeführt werden könnten.
Dabei sind die Wissenschaftler der Ansicht, und ich stimme ihnen dabei im Wesentlichen zu, dass alle drei Felder von entscheidender Bedeutung für die Energieversorgung und den Klimaschutz (naja), aber eben auch für den Wissenschafts- und Industriestandort Deutschlands (nicht umsonst war die mehrfach gefracte horizontale Tightgasbohrung „Söhlingen Z10“ ein Weltrekordprojekt). Und alle drei Gebiete stoßen in Teilen der Bevölkerung z.T. auf massiven Widerstand. Als Ursachen werden die Probleme bzw. Täuschungen der Bevölkerung bezüglich der „Asse“ genannt, sowie mit Problemen verbundene Projekte wie das Geothermieprojekt Staufen sowie der Betrieb des Geothermiekraftwerkes in Landau (Pfalz).
Und hier sind wir bei Dilemma Nummer 3: Probleme in völlig anderen Bereichen („Asse“) sowie Einzelereignisse werden von Gegnern missbraucht (anders möchte ich es bewusst nicht nennen), um Technologien als generell riskant und deren Umsetzung als unverantwortlich zu diskreditieren. Dass es Risiken gibt, verleugnen die drei Autoren auch nicht, sie bemängeln aber, und auch das wiederum völlig zu recht, dass sie, die diese Risiken prognostizieren sollen, dass kaum mehr vollbringen können, da sie Untersuchungen selbst in kleinem Maßstab nicht mehr durchführen können.

Und zum Abschluss Dilemma Nummer 4: „Wir haben den Eindruck, dass es auf geowissenschaftliche Fakten kaum mehr ankommt.“, schreiben die Autoren in Bezug auf Hydraulic Fracturing. Zwei von ihnen, Prof. Martin Sauter (Göttingen) und Prof. Frank Schilling (Freiburg) waren selbst an der Erstellung von Gutachten zu diesem Thema beteiligt. Sie bemängeln, dass die Gutachten, die zu dem Schluss kamen, das Hydraulic Fracturing unter Umweltgesichtspunkten bei Beachtung bestimmter Auflagen durchführbar sei, ihre Gutachten in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch ins Gegenteil verkehrt werden. Bereits vorher wiesen sie darauf hin, dass es zum wissenschaftlichen Standard gehöre, auch Szenarien für den schlimmsten Fall darzustellen. Nur bleiben diese (unwahrscheinlichen) Schreckensszenarien hängen.

Zusammenfassend beschreiben nach meiner Ansicht nach ein Problem, dass allgemein als „German Angst“ bekannt ist. In den konkreten Fällen ist da Problem eine in meinen Augen unzureichende allgemeine natur- sowie geowissenschaftliche Bildung großer Teile der Bevölkerung. Beispiele sind sowohl aus dem sehr zu empfehlenden Originalartikel als auch dieser z.T. subjektiven Zusammenfassung abzuleiten. Und das ist traurig für ein Land, das einst als das der Dichter und Denker galt, aber auch für großartige Natur- und Geowissenschaftler sowie hervorragende Ingenieure bekannt war.

Den Originalartikel gibt es in „Der Spiegel“, Ausgabe 10/2013 zu lesen. Neben den genannten Professoren war noch Prof. Andreas Dahmke (Kiel) als Autor beteiligt.

Ein Kommentar zu Der tiefere deutsche Untergrund-Eine Tabuzone?

  • hydropower99 sagt:

    Ja, das ist tatsächlich traurig. Das geowissenschaftliche Verständnis beschränkt sich vielfach auf

    1) Im Untergrund wühlen = Risiko

    und

    2) Da gab es doch … an dieser Stelle bitte beliebigen Einzelfall ohne allgemeingültige Ausagekraft einsetzen (z. B. Staufen oder Basel für Geothermie) … = unverantwortliches Risiko

    Der Originalartikel im Spiegel ist tatsächlich lesenswert. Das Fazit ist bitter: Ohne Pilotprojekte keine Weiterentwicklung, Ohne Weiterentwicklung folgt Stillstand. Im Falle der Erschließung unkonventioneller Gasvorkommen wird eine prinzipiell durchaus machbare Gewinnungsmethode totgeschrien und u. U. gesetzlich aus dem Verkehr gezogen. Und das ohne je ernsthaft versucht zu haben, das Verfahren intensiv zu sichten. Nur dann können Schwachstellen erkannt und entweder soweit minimiert werden, dass ein praktischer, nach menschlichem Ermessen schadloser Gebrauch möglich ist oder die Feststellung getroffen werden, dass die Schwachstellen nicht in den Griff zu bekommen sind.

    Warum nicht intensiv kontrolliert in einem für die Trinkwassergewinnung nicht nutzbaren Areal testen? Hierfür könnten und sollten ein oder mehrere Gewinnungsfeld(er) mit einigen Tiefbohrungen inkl. Fracking installiert werden. Wir haben in Deutschland einen großen Bestand an geeigneten Flächen. In Frage kommen z. B. Testflächen:

    – ohne ergiebige Grundwasserleiter in akzeptabler Tiefe (etwa 400 – 600 m),
    – mit Grundwasser, welches bis in den oberflächennahen Bereich versalzen ist,
    – mit Grundwasser, welches aufgrund anthropogener Belastung unbrauchbar ist.

    Hier können die wesentlichen Gefährdungspotentiale intensiv beäugt und v. a. Lösungen entwickelt werden. Das ist es auch, was sinnvollerweise sowohl die UBA als auch das NRW-Gutachten und auch die von ExxonMobil beauftragte Studie vorschlagen. In geeigneten Testflächen ist das ohne Aussicht auf die befürchtete Grundwasserbeeinträchtigung möglich. Dabei ist die immer wieder unreflektiert hervorgeholte Belastung durch die ach so giftigen Chemikalien sicher nicht das Hauptproblem. In meinen Augen ist Wesentlich, dass die Betreiber einer Gasgewinnungsanlage mit einigen Hundert Produktionsbohrungen/Gewinnungsfeld ihren Laden unterirdisch dauerhaft dicht bekommen. Hier sehe ich vordringlichen Klärungsbedarf bei Fragen zu der dauerhaften Dichtigkeit der genutzen Bohrungen (v. A. Dichtheit gegenüber Erdgas einschl. Monitoring und Reparatur von Leckagen), der umfassenden Systemkenntnis in Bezug auf unterirdische Schwachstellen (v. A. Störungssysteme und deren Kommunikation mit hangenden Grundwasserleitern) und dem sicheren Entsorgen des Flowback (auch hier wieder Stichwort Bohrungsintegrität aber auch Aufbereitung).

    Nur wenn solche intensiv mit umfangreichem Grundwassermonitoring, hochaufgelöster Seismik und begleitenden Strömungs- und Transportmodellen untersuchten Systeme nachweisbar dicht zu bekommen sind, sollte über den Einsatz an anderer Stelle nachgedacht werden.

    Na ja, wird vermutlich nicht so kommen, stattdessen sang und klangloses Totschreien einer Technik mit leider oftmals geowissenschaftlich abstrusen Behauptungen. Science wird durch Fiktion überstrahlt – trifft wohl leider zu. Hat bereits mit dem CCS-Gesetz funktioniert, wird wohl auch mit der Schiefergasgewinnung klappen.

    Mein Fazit: Pauschalverdacht für den Untergrund befeuert durch German Angst. Aus SIcht eines Geowissenschaftlers wirft das auf die Auseinandersetzungsfähigkeit in Deutschland mit geotechnischen Anwendungen das schlechtesmögliche Bild.

    Da bleibt mir nur noch, mich beim Betreiber dieser Seiten für seine Bemühungen um eine sachliche Auseindersetzung zu bedanken.

    P. S.: Habe nichts mit der Gasindustrie zu tun und bin als Hydrogeologe für den täglichen Grundwasserschutz zuständig.

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