Als Technik noch begeisterte

Bei der Recherche nach Artikeln zur anhaltenden Debatte zum Thema des seit Jahrzehnten bewährten Verfahrens des Hydraulic Fracturing stieß ich auf einen Beitrag des „Hamburger Abendblatt“ vom Oktober 2008, der sich mit der Durchführung einer Fracmaßnahme befasst. Die Darstellung erfolgt dabei völlig sachlich und im Großen und Ganzen fundiert. Grund genug, diesen Beitrag zu kommentieren.

Nach einer anschaulichen Beschreibung der Bohrlochsicherung mittels Stahlrohren des obersten Abschnittes einer Tiefbohrung offenbart der erste Absatz allerdings gleich einen Schnitzer. So heißt es, dass es „jetzt“ (also 2008) erstmals gelungen sei, im Gestein gefangenes Gas, gemeint ist Tight Gas, zu gewinnen. Das ist nicht korrekt, da Fracmaßnahmen in gering durchlässigen Sandsteinen davor schon sehr lange durchgeführt wurden und auch extrem dichte Sandsteine mittels Kombination von Horizontalbohrtechnik und Mehrfachfracs bereits 1995 erstmals erschlossen worden sind (Söhlingen Z10).

Im zweiten Abschnitt wird dann zunächst die Förderung von Erdgas aus konventionellen Lagerstätten vom Prinzip her korrekt und für den Laien gut verständlich beschrieben. Mit der Anmerkung, dass diese leicht zu gewinnenden Lagerstätten langsam zur Neige gehen – der Abwärtstrend der inländischen Erdgasförderung war 2008 bereits in vollem Gange, siehe Statistik – wird zu den Tight-Gas-Vorkommen übergegangen. Auch deren Beschaffenheit, Tonminerale verstopfen Porenzwischenräume und behindern das Gas am Strömen, wird fachlich korrekt dargestellt.

Das gängige Klischee, dass Erdgas in unterirdischen Blasen lagert, wird im nächsten Abschnitt aus der Welt geschafft, in dem wiederum recht anschaulich an einem Beispiel die Eigenschaften von konventionellen und Tight-Gas-Lagerstätten gegenübergestellt werden. Während eine Gesteinsprobe aus ersterem Lagerstättentyp aufgeträufeltes Wasser aufnimmt, geschieht das bei der zweiten Gesteinsprobe nicht. Solch eine Darstellung ist auch für völlig Unbedarfte leicht verständlich. Und während heute von Gegnern der inländischen Erdgasförderung der wirtschaftliche Nutzen heimischen Erdgases angezweifelt wird, auch die bedeutenden Potenziale in Tonschiefern, die im Idealfall die bereits geförderte Menge an Erdgas im Inland (ca. 1 Bio. m³) um mehr als das doppelte übersteigen (2,3 Bio. m³ laut BGR-Studie), wird im Artikel die Bedeutung der Tight-Gas-Ressourcen von 150 Mrd. m³ herausgestellt, die nach heutigem Stand einem Inlandsverbauch von mehr als 1,5 Jahren entsprächen. Das Erschließen der dichten Erdgaslagerstätten wird im Großen und Ganzen auch korrekt beschrieben. Auffällig ist, dass damals noch von einem „Spezialgel“ gesprochen wurde und nicht von einem „Wasser-Sand-Chemikalien“-Gemisch wie heutzutage. Das geht so auch vllig in Ordnung, denn das Wesentliche am Fracprozess ist ja neben der Rissbildung der Transport von Stützmitteln (Sand, Keramikkügelchen, Schwerminerale) in die Risse, was nur mit einer viskosen Flüssigkeit möglich ist. Alle weiteren Zusätze, die heutzutage ja in der Diskussion stehen (die „Chemikalien“), sollen diesen Prozess unterstützen (Reibungsminderung, Verhinderung von Bakterienwachstum, Unterstützung der Gelbildung durch Quervernetzung, Gelbrechung, um Flüssigkeit zurückzufördern). Erdgas aus dem Gestein zu lösen, wie oft zu lesen und das möchte ich hier noch einmal betonen, ist nicht die Aufgabe der Zusätze. Im weiteren Verlauf des Artikels wird der Fracprozess völlig richtig und abermals anschaulich und leicht verständlich erläutert. Davon könnten sich die Kollegen vom NDR eine dicke Scheibe abschneiden. Denn so wie hier oder gar hier dargestellt, funktioniert das Verfahren ganz bestimmt nicht.

Insgesamt ein erfreulich sachlicher Artikel mit kleineren fachlichen Schwächen, von denen man sich mehr wünscht (natürlich idealerweise ohne die Schnitzer). Leider sind heutzutage selbst sogenannte „Wissensmagazine“ wie z.B. „W wie Wissen“ (ARD) dazu nicht mehr in der Lage oder sogar Willens, technische Errungenschaften jenseits der „Greentec“ einem breiten Publikum leicht verständlich zu erklären. Und um noch einmal auf den Artikel zurückzukommen: Dieser würde dem gegenwärtigen grünen Zeitgeist entsprechend vermutlich als „Werbeartikel“ für die verachteten „Multis“ diffamiert werden.

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