Niedersachsen hält am Hydraulic Fracturing fest

Niedersachsen ist das Bundesland mit den ergiebigsten Erdöl- und Erdgasvorkommen in Deutschland. Seit den 1960er Jahren wurde zur Erschließung von Erdgaslagerstätten auch das Hydraulic Fracturing erfolgreich angewendet. Aufgeschreckt durch den in vielerlei Hinsicht als unwahr entlarvten Film „Gasland“ bildete sich eine Gegnerschaft heraus.

Mit einem bemerkenswerten, jedoch im wesentlichen emotionalen und faktenresistenten Aktionismus, der durch zahlreiche wohlwollende lokale bis überregionale Medien mit oftmals inhaltlich nicht korrekten Berichten unterstützt wurde, gelang es, die Politik zu beeinflussen. War es zwischen 1961 bis 2011 problemlos möglich, über 300 Fracarbeiten alleine in Niedersachsen durchzuführen, war es plötzlich nicht mehr möglich, dieses international angewendete Standardverfahren einzusetzen.

Wahrscheinlich aus wahlkampftaktischen Gründen veranlasste der damalige niedersächsische Wirtschaftsminister Bode (FDP), dass die zuständige Bergbehörde „Mindestanforderungen an Betriebspläne, Prüfkriterien und Genehmigungsablauf für hydraulische Bohrlochbehandlungen in Erdöl- und Erdgaslagerstätten in Niedersachsen“ erarbeitete. Das erschwert die Genehmigungen von Fracmaßnahmen erheblich. Hinzu kommt, dass zwei bereits fertiggestellte Bohrungen (Bötersen Z11, ExxonMobil; Düste Z10, Wintershall), bei denen von vornherein Fracmaßnahmen vorgesehen waren, nutzlos in der Landschaft stehen. Die Bötersen Z11 ist dabei sogar schon vollständig komplettiert.

Ein vor dem Erlass zur Zulassung eingereichter Sonderbetriebsplan wurde als „nicht genehmigungsfähig“ zurückgewiesen. Eventuell wurde hier das Rückwirkungsverbot mit Füßen getreten. Im Falle der Düste Z10 fasste der Umweltausschusses des Landkreises Diepholz einen womöglich rechtswidrigen Beschluss gegen die Fracarbeiten. Der Verfasser war auf der Veranstaltung zugegen und musste feststellen, dass Sachargumente keinen Wert in solchen Debatten haben.

Das erstaunliche dabei war, dass der einzige tatsächlich „betroffene“ Politiker, der Barnstorfer Bürgermeister Jürgen Lübbers (SPD) FÜR das Projekt stimmte. Er verlieh mit den Worten „Ich vertraue der Wintershall“ seiner Zustimmung Nachdruck. Der eventuell rechtswidrige Beschluss wurde an den Umweltminister Stefan Wenzel (B’90/Grüne) als Leiter der Obersten Wasserbehörde weitergeleitet und wurde seit einem Jahr nicht bearbeitet. Im übrigen hatte Wintershall versprochen, ihr Recht nicht einzuklagen und sich bis heute daran gehalten.

Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) am 28.02.2014 berichtete , haben das Wirtschaftsministerium und das Umweltministerium des landes Niedersachsen einen gemeinsamen Erlass für eine  Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ausgearbeitet. Dafür soll die Kritik von Umweltschützern verantwortlich sein, die ihre Kritik nach meiner Ansicht nicht fundiert begründen können. Die HAZ schreibt weiter:

Fracking wird seit den sechziger Jahren in Niedersachsen betrieben, ist in jüngster Zeit aber in Verruf geraten.

Im Dezember 2010 gefracte Erdgasbohrung "Mellin 20" ©chef79

Im Dezember 2010 gefracte Erdgasbohrung „Mellin 20“ ©chef79

Es darf die Frage gestellt werden, warum das Verfahren in Verruf geraten ist. Hätte es einen umweltrelevanten Unfall gegeben, wäre das nachvollziehbar. Nur gab es keinen in Deutschland. Weder in Niedersachsen, noch in Schleswig-Holstein, wo zwischen 1955 und 1994 in Erdöllagerstätten gefract wurde und auch nicht in Sachsen-Anhalt, wo mindestens 100 Fracarbeiten durchgeführt worden sind, zum überwiegenden Teil bereits zu DDR-Zeiten unter erheblich laxeren Umwelt- und Sicherheitsstandards als heute. Das bestätigt nicht nur der Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler, sondern auch das schleswig-holsteinische Umweltministerium sowie die Landesregierung von Sachsen-Anhalt.

Bevor die HAZ kurz das Wesen einer UVP beschreibt, nämlich die Beachtung der definierten Schutzgüter (Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima, Landschaft, Kulturgüter und sonstige Sachgüter sowie die Wechselwirkungen zwischen den Schutzgütern) sowie die Möglichkeit von Einwendungen und Stellungnahmen seitens Verbänden (dürfte wieder einige Anwälte von BUND und Co. freuen), Behörden und Bürgern, werden  die Bedenken von Umweltschützern angeführt:

Umweltschützer sehen durch die Chemikalien unter anderem das Grundwasser in Gefahr.

Zunächst ist die Sinnhaftigkeit einer UVP zu hinterfragen, da sich sämtliche Schutzgüter außerhalb des Bereiches der eigentlichen Fracmaßnahme kilometertief unter der Oberfläche befinden und eine Fracmaßnahme nur 1-2 Stunden in Anspruch nimmt. Sollte sich die UVP auf den Gesamtprozess Bohrung-Fracmaßnahme-Förderung beziehen, erscheint eine UVP sinnvoller. Was die Bedenken der Umweltschützer betrifft, sei auf die positiven Erfahrungen, weiter oben bereits erwähnt, verwiesen.

Dass das Land Regeln für die UVP schafft, ist ein grundsätzliches Bekenntnis zum Fracking in Niedersachsen…

Es ist zunächst ein Bekenntnis zur Erdgasförderung, die ohne Hydraulic Fracturing oftmals nicht möglich wäre. Entsprechend äußert sich auch Wenzel:

die weitere Nutzung der konventionellen Lagerstätten unter strengen Auflagen ermöglicht werden

Hier ist anzumerken, dass die Auflagen zuvor auch schon streng waren. Sonst hätte es ja Unfälle gegeben. Dem war aber nicht so. Ähnlich sieht es Wirtschaftsminister Lies (SPD) und ergänzt, dass Wasserschutzgebiete ausgeschlossen werden. Das war zuvor im Wesentlichen auch der Fall mit Ausnahme der Schutzzone III, wo Tiefbohrungen und somit in deren Folge auch Fracarbeiten möglich waren. Es bedurfte zuvor der Genehmigung der zuständigen Wasserbehörde. In Anbetracht der Durchführung von hydraulischen Stimulationen in Deutschland ohne Folgen für die Umwelt erscheint die Neuregelung zu weitreichend, da von Tiefbohrungen kaum eine Gefahr für das Grundwasser ausgeht. Entsprechende Schichten werden vor Bohrbeginn durch eingerammte Stahlrohre abgeschottet. Zudem geht überhaupt keine Gefahr durch die Fracarbeiten aus, da nach Fertigstellung der Bohrung die Grundwasserleiter dann mehrfach abgeschottet sind und die Risse vertikal kilometerweit entfernt erzeugt werden.

Natürlich geht diese Verschärfung der Regeln dem BUND nicht weit genug, was auch nicht anders zu erwarten war. Unter Ignoranz des äußerst geringen Gefährdungspotenzials und der Entwicklung immer umweltverträglicherer Fracfluide hält dieser an der Maximalforderung „Verbot“ fest:

Wir sind der Auffassung, dass es ein Verbotsgesetz und bis dahin keine weiteren Genehmigungen mehr geben sollte.

Im Zusammenhang mit der Verbotsforderung wird dann noch der Fokus auf den schleswig-holsteinischen Umweltminister Habeck (B’90/Grüne) gerichtet, der ebenfalls ein Verbot fordert:

allerdings nur für Fracking in Schiefergestein

Aufsuchungserlaubnisse für Kohlenwasserstoffe (rot) in Schleswig-Holstein Quelle: LBEG-Kartenserver

Aufsuchungserlaubnisse für Kohlenwasserstoffe (rot) in Schleswig-Holstein Quelle: LBEG-Kartenserver

Sollte das stimmen, wäre Habecks Forderung in zweierlei Hinsicht nicht nachvollziehbar. Erstens gibt er zu, dass Fracarbeiten in Schleswig-Holstein ohne Umweltauswirkungen durchgeführt worden sind und zweitens gibt es laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) überhaupt kein Schiefergaspotenzial in Schleswig-Holstein. Und wer, wenn nicht die Fachbehörde für Rohstofffragen sollte das besser beurteilen können? Aber es wurde hier schon mehrfach angesprochen, dass die fachlich fundierten Erkenntnisse der BGR öffentlich totgeschwiegen werden. Selbst deren Abschätzung zum Schiefergaspotenzial wird medial dem Umweltbundesamt (UBA) zugeschrieben, obwohl das UBA lediglich die BGR zitiert.

Am Ende wird Wenzel noch einmal indirekt zitiert:

Es sei unverantwortlich, dass die Probleme im Zusammenhang mit dem Einsatz neuer Technologien wie dem Fracking immer noch nach dem Regelwerk „alter preußischer Bergrechtstraditionen“ bearbeitet werden, …

Es gehört schon eine gewisse Chuzpe dazu, ein 1949 patentiertes Verfahren als „neue Technologie“ zu bezeichnen. Und es ist zwar richtig, dass das Bergrecht auf alten Gesetzen beruht. Es ist aber seit seines Inkrafttretens mehrfach novelliert worden. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) noch aus Kaisers Zeiten stammt. Demnach müsste das BGB nach Wenzels Argumentation auch veraltet sein.

Zum Artikel gibt es noch einen Kommentar des Redakteurs Karl Doeleke. Darauf soll nur in wenigen Punkten eingegangen werden. Doeleke beweist dabei eine gewisse Voreingenommenheit:

Die Schätze will das Land heben, aber nicht das Dorado des Frackings werden, wo – wie in den USA – relativ hemmungslos Chemikalien in das Erdreich gepresst werden können…

Immer wieder diese Mär von der „Chemikalienverpressung“. Zum Fracen würde tatsächlich Wasser genügen. Diese Variante wird tatsächlich bei der Stimulierung von trinkwasserbrunnen in Festgestein oder für die Schaffung von Hot-Dry-Rock-Risssystemen, indenen permanent Wasser zirkuliert, eingesetzt. Da Flüssigkeiten nicht komprimiert werden können, bleiben die Risse offen.

Anders bei der Gasgewinnung: Hier muss ein Stützmittel (z.B. Sand) verpumpt werden. Damit das gelingt, müssen dem Wasser in geringen Konzentrationen Zusätze (Chemikalien) beigemengt werden. Welche Chemikalien, viele davon völlig harmlos wie z.B. Guarkernmehl, das sein können und welche Aufgaben sie haben, kann bei der Nicht-Industrieseite fracfocus.org nachgelesen werden.

Doeleke schwenkt dann auf die angebliche Ablehnung des ExxonMobil-Chefs Rex Tillerson über, welche in zahlreichen deutsch Medien ihren Niederschlag fand, und behauptet:

Rex Tillerson hat sich erfolgreich vor Gericht gegen ein Fracking-Projekt in der Nähe seiner Luxusranch in Texas gewehrt…

Das ist falsch wenn nicht sogar bewusst gelogen. In sämtlichen Artikeln war zu lesen, dass Tillerson sich mit anderen gegen die Errichtung eines 49 Meter hohen Wasserturms zur Wehr gesetzt hat. Dieser soll Wasser für Fracmaßnahmen bereit halten. Aus dem Bau eines Wasserturms ein „Fracking-Projekt“ zu konstruieren, ist mindestens als dummdreist zu bezeichnen. Denn in einem ausführlicheren Artikel der FAZonline war zu lesen:

Wie das „Wall Street Journal“ schrieb, sind im seit dem Jahr 2007 im Umkreis von Tillersons Anwesen mindestens neun Fracking-Bohrstellen entstanden.

Dennoch war in der Überschrift zu lesen:

Exxon-Chef gegen Fracking vor der eigenen Tür

Und dabei war die FAZ bislang noch eine der wenigen verbliebenen Medien, der man ein gewisses Vertrauen hinsichtlich Sachlichkeit bei diesem Thema aussprechen konnte. Präzisiert wird die Nicht-Ablehnung des „Fracking“ vor Tillersons Anwesen durch Angaben der Texas Railroad Commission, der zuständigen Behörder für Erdöl-/Erdgasangelegenheiten Hier ein Zitat des star-telegram (USA):

According to Texas Railroad Commission records, about a dozen gas wells are within a mile of Tillerson’s ranch.

Doch zurück zum Kommentar von Herrn Doeleke:

Betroffene in Niedersachsen haben dagegen wenig zu lachen, wollen sie gegen Fördergenehmigungen in der Nachbarschaft vorgehen…

Die entscheidende Frage ist ja, warum sie gegen ein Verfahren, das 50 Jahre lang problemlos angewendet wurde, vorgehen sollten? Es sind Journalisten wie Doeleke mitverantwortlich, dass überhaupt so eine breite Ablehnung existiert. Denn solche Aussagen suggerieren bar jeglicher Evidenz eine Gefährlichkeit eines Standardverfahrens.

An der Ausarbeitung des Erlasses sind Industrie wie Bürgerinitiativen beteiligt. Beide Seiten sollten die Gelegenheit nutzen, sich konstruktiv einzubringen. Verweigerung, weil der Erlass den einen zu weit und den anderen nicht weit genug geht, nützt nichts.

Seitens der Industrie ist keine Verweigerung zu erkennen. Mit Aufkeimen der Debatte bot sie von sich aus mehr Transparenz an, z.B. in Form eines Dialogprozesses, initiiert von ExxonMobil. Diese wurde zum Teil als Alibi-Veranstaltung diffamiert. Auf anderen Veranstaltungen wurden die Unternehmensvertreter schon fast niedergebrüllt.

Eine Verweigerung ist ausschließlich bei der Gegnerschaft zu erkennen, die nach wie vor kompromisslos das Verbot von Hydraulic Fracturing fordert, egal, ob es in Sandsteinlagerstätten oder in potenziellen Schiefergaslagerstätten angewendet wird. Teilweise wird sogar ein Handelsverbot mit „gefrackten“ Kohlenwasserstoffen gefordert.

Nach fast drei Jahren bewegt sich in Sachen Hydraulic Fracturing und einer damit verbundenen Rohstoffsicherung einheimischer Erdgaspotenziale wieder etwas in Richtung weiterer Anwendung. Zu kritisieren ist dabei, dass die Politik trotz der durchweg positiven Erfahrungen, und somit unbegründet, die Anwendung erschweren will. Wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine sichere Durchführung von Fracarbeiten nachweisen, werden dabei ignoriert und den im Gegensatz zur Industrie kompromisslosen Gegnerschaft und deren Bedenken zu viel Bedeutung beigemessen. Im Kommentar von Herrn Doeleke spiegelte sich zum einen die Voreingenommenheit gegenüber dem Fracverfahren  sowie die oberflächliche, an der Causa Rex Tillerson nachgewiesene, journalistische Arbeit wider.

Weder Artikel noch Kommentar sind bei der HAZ kostenlos einsehbar. Dennoch sehe ich mich verpflichtet, diese zu verlinken.