Stell Dir vor, es ist Anti-„Fracking“-Demo und niemanden interessiert es

Am 24. Mai fand im vorpommerschen Dorf Saal bei Ribnitz-Damgarten eine Demonstration gegen die dort stattfindende Erdöl-Testförderung auf der Bohrung „Barth 11“ statt. Hintergrund ist, dass in der durch die Speicherformation horizontal verlaufende Bohrung hydraulische Stimulationsverfahren durchgeführt werden sollen.

1. Vorbemerkungen

Dieses Verfahren wird auch als Hydraulic Fracturing bezeichnet und ist ein seit über sechs Jahrzehnten weltweit millionenfach angewendetes Standardverfahren. Dabei werden durch Einpressen einer Flüssigkeit unter hohem Druck (Hydraulik) Risse (engl. Fractures) erzeugt. Dadurch werden künstliche Fließwege in meist wenig durchlässigem Gestein erzeugt, um die Förderrate des Speichermediums (Erdöl, Erdgas, Thermalwasser) zu erhöhen.

Infolge des Filmes „Gasland“, der dem „Mockumentary“-Genre zuzuordnen ist, geriet dieses Verfahren in Verruf. Der Macher des Films , Josh Fox, wollte mit dem Film die angeblich fatalen folgen der Schiefergasförderung in den USA darstellen. Und dazu bediente er sich nicht nur der Übertreibung, sondern auch der Falschdarstellung, wie er in einem Interview mit dem konservativen Journalisten Phelim McAleer zugab.

Dennoch zeigte der Film seine Wirkung und wurde von vielen für bare Münze genommen. Dafür sind aber auch zahlreiche Medien verantwortlich zu machen, die die Szenen aus „Gasland“ unkritisch verbreiteten. Und selbst nachdem die Unwahrheiten aufgeflogen sind, wurde der Film in öffentlich-rechtlichen Kultursendern (!) ausgestrahlt. Dementsprechend brannte sich die Furcht vor diesem jahrzehntelang fast unbemerkt durchgeführten Verfahrens in zahlreiche Köpfe ein.

Hinzu kommt, dass dem Fracfluid verschiedene Chemikalien beigemischt werden, von denen in der Vergangenheit einige wenige als giftig eingestuft sind. Durch die Verwendung wird die „Verseuchung“ von Trinkwasser befürchtet, obwohl a) infolge der millionenfachen Anwendung höchstens eine einzige Kontamination eines einzigen privaten Brunnens in den 1980er Jahren erfolgte (Quellen widersprechen sich, viele offizielle geben keine einzige Kontamination an) und b) insbesondere in Deutschland die öl- und gasführenden Gesteine hydraulisch von den flach liegenden zur Trinkwassergewinnung  genutzten Grundwasserleitern entkoppelt sind.

Doch allein diese Befürchtung (in vielen Medien hat sich „Kritiker befürchten“ als geflügeltes Wort breitgemacht) genügt, um das bewährte Verfahren in Frage zu stellen. Und so haben es einige in Bürgerinitiativen (BI) engagierte Menschen geschafft, dass seit 2011 keine Fracmaßnahmen in Deutschland mehr genehmigt worden sind. Und das nicht etwa aus dem Grund, dass es in Deutschland infolge der Anwendung zu umweltrelevanten Vorfällen kam, sondern aufgrund von den BI mit Unterstützung von Umweltverbänden und vielen Medien  geschürten Ängsten.

2. Das Vorhaben „Barth 11“

Erdölerkundungsbohrung "Pudagla 2" auf Usedom Oktober 2011 ©chef79

Erdölerkundungsbohrung „Pudagla 2“ auf Usedom Oktober 2011 ©chef79

Und von dieser Angstschürerei ist auch das in Vorpommern stattfindende Vorhaben betroffen. Dort wurde bereits 2011 eine Erkundungsbohrung auf Erdöl abgeteuft. Diese befindet sich in der Nähe einer ölfündigen Bohrung aus DDR-Zeiten. Aus dieser sind seinerzeit geringe Mengen Erdöl (1.130 Tonnen*) gewonnen worden. Mehr ließ sich mit der damals vorhandenen Technik nicht an die Oberfläche bringen.

Doch seit der Aufgabe der Förderung im Jahr 1985 hat sich die Welt nicht nur politisch gewandelt. Auch in technischer Hinsicht gab es fortschrittliche Entwicklungen. Dazu gehört z.B. die Möglichkeit, Lagerstätten durch horizontal verlaufende Bohrungen zu erschließen. Dadurch wird die Kontaktfläche zwischen Bohrung und Speichergestein erheblich vergrößert, was den Zustron zum Bohrloch erhöht. Dadurch wird zudem die Anzahl von Bohrungen deutlich reduziert, was wiederum Natur und Landschaft schont, aber selbstverstädlich ökonomisch ebenso sinnvoll ist.

Zu einer weiteren Steigerung der Förderrate können sogenannte Stimulationsmaßnahmen führen. Zu diesen zählt auch das Hydraulic Fracturing, bei dem, wie oben bereits kurz beschrieben, durch Druckübertragung mittels einer Flüssigkeit feine Risse im Gestein erzeugt werden. Dadurch wird das Gestein durchlässiger und es können auch bohrlochsnahe Schädigungen beseitigt werden. Die Servicefirma Fangmann aus Salzwedel beschreibt es so:

Durchbrechen der bohrlochnahen Schädigungszone, die durch den bohrtechnischen Aufschluss und die fördertechnische Installation entstanden ist

Und genau das ist in der Bohrung „Barth 11“ laut CEP, der Betreiberfirma, vorgesehen. Aufgrund der in der Öffentlichkeit geführten emotionalisierten „Fracking“-Debatte wird der Begriff von CEP nicht verwendet. Und das aus nachvollziehbarem Grund: Zum einen dreht sich die Debatte im Wesentlichen um die Gewinnung von Schiefergas, was die Anwendung des Hydraulic Fracturings zwingend erfordert und zum zweiten wird „Fracking“ mit dem Gesamtprozess der Schiefergasförderung synonymisiert. So ist häufig selbst in seriösen und eher sachlich berichtenden Medien wie der FAZ  zu lesen:

Fracking, also die Förderung von Schiefergas aus tiefen Gesteinsschichten

Das hat CEP jedoch nicht vor und grenzt sich deutlich davon ab. Das Speichergestein ist ein Karbonat im zweiten Zyklus des Zechsteins. Es wird als „Staßfurtkarbonat“ bezeichnet oder abgekürzt „Ca2“. Sämtliche Erdöllagerstätten auf dem Gebiet der einstigen DDR sind an dieses Gestein geknüpft. Darüber hinaus befinden sich zahlreiche bedeutende Erdgaslagerstätten in Niedersachsen im Staßfurtkarbonat.

Darüber hinaus verweist CEP darauf, dass auf der Insel Usedom, wo sich die bedeutendste Erdöllagerstätte auf dem Gebiet der einstigen DDR befindet, heute noch eine Bohrung in Förderung steht, die bereits in den 1960er Jahren hydraulisch stimuliert worden ist. Einem Faltblatt ist zu entnehmen:

Dieses Verfahren zur konventionellen Ölförderung wurde seit Ende der 60er-Jahre viele Hundert Male sicher und erfolgreich in ganz Deutschland eingesetzt, unter anderem auch im benachbarten Richtenberg-Feld oder im Lütow-Ölfeld auf Usedom, wo eine so angeschlossene Bohrung seit Jahrzehnten bis heute fördert.

Letzten Endes handelt es sich aber um Hydraulic Fracturing. Das rief nach Bekanntwerden die selbsternannte „Anti-Fracking-Bewegung“ auf den Plan, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Standardverfahren durch die Politik verbieten zu lassen. Begründet wird die Verbotsforderung durch die Unterstellung, es könnte das Grundwasser durch die Zusätze im Fracfluid „verseucht“ werden. Zwar fehlen dafür Beweise, insbesondere in Deutschland, aber das tangiert die Kritiker nicht im geringsten. Die nicht vorhandenen Nachweise erklären sie damit, dass bisher nicht nach möglichen Kontaminationen gesucht worden ist.

Es interessiert sie auch nicht, dass in der Bohrung „Barth 11“ ein Fluid eingesetzt werden soll, dass als „nicht wassergefährdend“ eingestuft ist. Die Zusätze sind laut Faltblatt:

  • 0,35 % Natrium-Carboxymethylcellulose
  • 0,02 % Schwefelsäure
  • 0,06 % Aluminiumsulfat
  • 0,01 % Zitrusextrakt
  • 0,01 % Isopropanol
  • 0,001 % Hemicellulase (Enzyme)
  • 0,06 % Zitronensäuretriethylester

Welche Funktion diese Zusätze haben und wo sie im Alltag eingesetzt werden, wird im genannten Faltblatt beschrieben.

3. Demonstration gegen „Fracking“

Erdölförderbohrung Mesekenhagen 1 bei Greifswald ©chef79

Erdölförderbohrung Mesekenhagen 1 bei Greifswald ©chef79

Trotz dieser Faktenlage, also dass das Verfahren Standard ist, in Mecklenburg-Vorpommern sowie mindestens deutschlandweit ohne Schaden für die Umwelt über Jahrzehnte angewendet wurde und zudem die Flüssigkeit als „nicht wassergefährdend“ eingestuft ist, hat es die selbsternannte „Anti-Fracking-Bewegung“ geschafft, 220 Menschen (Quelle: Tweet des Spiegel-Journalisten Felix Kasten) oder gar 300 (Eigenangabe der Veranstalter) dazu zu bewegen, nach Saal zu reisen und gegen das Vorhaben zu demonstrieren.

Wie viele Anwohner sich darunter befanden, ist unklar. Fakt ist, dass die Demonstration nicht von Anwohnern angemeldet worden ist, sondern von Daniel Daedlow aus Rostock und bekannter Atomkraft-Gegner, wie aus dem Artikel des Uni-Magazins „Moritz“, der Almer Mater des Verfassers dieser Zeilen zugehörig, hervorgeht. Offenbar ist die Vermutung zutreffend, dass „Fracking“ das neue „Atom“ sei, also mangels Protestgründen aufgrund des Ausstieges aus der Kernkraft sich die Gegner ein neues Betätigungsfeld suchen. Dafür spricht auch die Fahne der „Republik Freies Wendland“ an der Front des Demonstrationszuges auf einem via Twitter übermittelten Bildes von Felix Kasten.

Das wird unterstrichen durch die Eigenauskunft:

Zahlreiche Initiativen, Umweltverbände und AnwohnerInnen sowie Vertreter von Parteien aus dem grünen und linken Spektrum waren dem Aufruf der Bürgerinitiative Erdöl Barth gefolgt.

Es sind also vorrangig nicht Anwohner gewesen, die an der Demonstration teilnahmen. Und „BI Erdöl Barth“?  Wohl kaum, wenn man weiß, dass der Anmelder aus dem ca. 40 Kilometer entfernten Rostock kommt.

In der Selbstauskunft reihen sich dann Behauptungen, die jeglicher fachlich fundierter Basis entbehren, aneinander.

Schärfste Kritik erfuhr dabei die Ignoranz der Politik und der Behörden gegenüber den Umweltrisiken des Fracking.

Welche Risiken sollen das sein? Diese Frage wird vom Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler überzeugend beantwortet:

Die Hauptargumente der Fracking-Kritiker, die Verunreinigung des Trinkwassers […] haben nach Auffassung des BDG wenig Bestand: Seit diese Technik in Deutschland eingesetzt wird, ist kein einziger Fall einer Grundwasserverunreinigung durch Fracking aufgetreten […]

Außerdem ist es schlichtweg unwahr, dass Politik und Behörden die angeblichen Gefahren ignorieren. Anders ist der Stillstand seit 2011 bezüglich Fracmaßnahmen nicht zu erklären. politik und Behörden nehmen die unterstellten Risiken zu ernst.

Gefordert wurden hohe Sozial- und Umweltstandards für die Erdöl- und Erdgasförderung weltweit, genauso wie eine ernsthafte Energiewende hin zu den erneuerbaren Energien.

Etwas zu fordern ist simpel. Schwieriger wird es, Vorschläge auszuarbeiten. Deshalb werden Vorschläge auch nicht formuliert. Zumindest nicht konkret. Außerdem sollten die Kritiker bedenken, dass Erdöl mehr ist als Energieträger. Die Flügel von Windkraftanlagen z.B. bestehen aus Kunststoffen, die wiederum aus Erdöl gewonnen werden.

Interessant ist wieder einmal der Vertretungsanspruch der Aktivisten für die Allgemeinheit:

Dies wollen die Menschen nicht unwidersprochen hinnehmen.

Also ich bin auch ein Mensch und habe sogar, vermutlich im Gegensatz zu vielen Demonstrationsmitgliedern, familiäre Wurzeln in der Region. Darüber hinaus erinnere ich mich zu gern an geowissenschaftliche Untersuchungen dort. Dazu gehört u.a. die Dokumentation der Sedimente des Saaler Bachs hinsichtlich seiner Schadstoffbelastung oder auch die Entwicklung des Küstenüberflutungsmoores am Saaler Bodden auf dem Fischland.

In Redebeiträgen wurden die Probleme der Erdölförderung in Saal aufgezeigt. Das unzureichende Monitoring von Luft, Wasser und Boden wurde kritisiert und die Verzögerungen bei der aktuellen Vorbereitung der Testförderung beleuchtet.

Leider werden die Probleme nicht benannt. Außerdem werden Monitorings durchgeführt, obwohl keine juristische Basis dafür existiert. demzufolge von „unzureichend“ zu sprechen, ist einer von vielen nicht belastbaren Vorwürfen. Das betrifft auch die angeblichen „Verzögerungen“.

Die Unvereinbarkeit von Fracking mit den deutschen Umweltgesetzen wurde angesprochen, Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Frack-Projekten wurden laut.

Wären die Fracmaßnahmen mit der scharfen deutschen Umweltgesetzgebung nicht vereinbar, würden sie nicht genehmigt. Selbstverständlich müssen bei der Genehmigung Gesetze des Umweltrechtes beachtet werden. Das Bundesberggesetz, sowie untergeordnete Vorschriften, stehen nicht über den Umweltgesetzen.

Außerdem berichteten befreundete Bürgerinitiativen über ihre erfolgreiche Arbeit, mit der sie Fehler in bergrechtlichen Verfahren offenlegen und Frack-Vorhaben zunächst verhindern konnten

Auch hier fehlen Belege. Derzeit werden aus rein politischen Gründen Anträge auf Fracmaßnahmen nicht bearbeitet. Dementsprechend dümpeln die vor der Hysterie geplanten und teils durchgeführten Bohrungen vor sich hin. Die Unternehmen verzichten bislang auf Klagen, die allein schon wegen der Gesetzgebung und des damit verbundenen Gewohnheitsrechts aussichtsreich wären. Schließlich hat sich die Gesetzeslage seit 2011, dem Jahr, in dem die bislang letzte Fracmaßnahme durchgeführt wurde, nicht verändert.

Amüsant ist die Bildunterschrift eines Fotos:

Fracking tötet” — Demonstranten kamen aus Saal und aus anderen betroffenen Regionen in ganz Nord- und Mitteldeutschland

Das Bild zeigt einen gut gelaunten Punk. Dieser hält in der hohlen rechten Hand eine Zigarette. Mir liegt es fern, den Moralapostel heraushängen zu lassen. Aber im Gegensatz zum Hydraulic „Fracking“ Fracturing  ist es erwiesen, dass das Rauchen von Tabak tatsächlich gesundheitsgefährdende und lebensverkürzende Wirkungen hat.

Und damit soll dieser Beitrag abgeschlossen werden. Mit der Anmerkung, dass die Demo die lokale „Ostsee-Zeitung“ nicht interessiert, der NDR aber sich genötigt sah, darüber online zu berichten. Das verstärkt erneut den Verdacht, dass der NDR sich als Sprachrohr von Umwelt-/Naturschutzverbänden geriert.

*“Schatzsucher – Eine Chronik des Grimmener Erdölbetriebes“, Erdöl und Heimat e.V., Reinkenhagen, 2. Auflage 2009