GDF-Suez erhält Aufsuchungserlaubnis in der südwestlichen Altmark

Normalerweise ist es auf diesem Blog im Gegensatz zu den Gegnern inländischer Erdgasförderung nicht der Rede wert, wenn einem Unternehmen die bergrechtliche Erlaubnis zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen (Erdöl/Erdgas) erteilt wird. Doch jede Regel hat auch ihre Ausnahmen. Und das in diesem Fall aus guten Gründen, die im Folgenden erläutert werden.

Vor wenigen Tagen, am 16.07.2014 berichtete Volksstimme.de über die Erteilung der Erlaubnis und betitelte den Artikel mit:

Riesiges Erdgasfeld unter Altmarkkreis Salzwedel

Als im Kreis Salzwedel Geborener und Aufgewachsener ergab sich sofort die Frage, was denn neu oder berichtenswert an dieser Tatsache sei. Schließlich ist seit 1969 bekannt, dass sich in der westlichen Altmark die zweitgrößte mittel- und westeuropäische  Erdgaslagerstätte befindet.

Doch schon die ersten Zeilen des Artikels sorgten für Klarheit! Thema des Artikels war nicht etwa der seit fast 45 Jahren in Förderung stehende Lagerstättenkomplex „Altmark“, sondern die Erteilung einer Aufsuchungserlaubnis für Kohlenwasserstoffe an das in der Altmark seit 20 Jahren tätige Unternehmen GDF SUEZ E&P Deutschland GmbH (GDF-Suez). Die Volksstimme schreibt dazu:

Ein riesiges Erdgasfeld könnte im Altmarkkreis Salzwedel ausgebeutet werden.

Und darum sind wir bereits beim ersten guten Grund, warum sich hier mit diesem Artikel befasst wird. Bereits bevor überhaupt eine Maßnahme durchgeführt wurde, die auch nur ansatzweise beurteilen könnte, ob überhaupt Erdgas im Untergrund in bauwürdiger Menge vorhanden sein könnte, wird anhand der Fläche der Aufsuchungserlaubnis (328 Quadratkilometer) spekuliert, dass ein „riesiges Erdgasfeld“ vorhanden sein könnte. Das ist hochgradig unseriös!

Die Fläche von Aufsuchungserlaubnissen wird regelmäßig großräumig mit grober Begrenzung abgesteckt, um möglichst die potenziell kohlenwasserstoffführenden Strukturen komplett zu überdecken, aber auch um die an der Oberfläche anzutreffenden Gegebenheiten in die Betrachtung zu integrieren und zu bewerten. Das dient z.B. dazu, potenzielle Nutzungskonflikte zwischen der Kohlenwasserstoffgewinnung und den natur-, landschafts- sowie siedlungsräumlichen Gegebenheiten zu ermitteln und diese potenziellen Konflikte dann im Falle einer Erschließung und Gewinnung zu minimieren.

Festzuhalten ist, dass Aufsuchungserlaubnisse niemals spätere Förderbewilligungsgebiete 1:1 überdecken sondern regelmäßig größer als die Bewilligungsfelder ausfallen oder sogar ohne jegliche technische Maßnahme wegen Aussichtslosigkeit auf (wirtschaftlichen) Erfolg zurückgegeben werden. Beispiele dafür gibt es zur genüge, auch wenn das Bürgerinitiativen, Politiker und eben auch viele Medien nicht begreifen. Diese setzen oft Aufsuchungserlaubnis-Gebiete mit Aufschluss und Förderung gleich und führen damit bewusst oder unbewusst das Wort AufSUCHung ad absurdum!

Erdgasförderbohrung Wenze 1 im April 2013 chef79

Erdgasförderbohrung „Wenze 1“ im April 2013 ©chef79

Dass in der Region Potenzial für Erdgaslagerstätten vorhanden ist, beweist die Lagerstätte „Wenze“, die von der erteilten Erlaubnis umschlossen wird.  Diese nimmt im Lagerstättenkomplex „Altmark“ eine Sonderrolle ein.  Dazu ein kleiner Exkurs:

Die Lagerstätte südlich der einstigen Kreisstadt Klötze wurde bereits 1971 entdeckt. Anders als die übrigen Teilglieder des Lagerstättenkomplexes befindet sich die Lagerstätte in vergleichsweise geringer Teufe von 1120 – 1300 m. Das ist damit zu erklären, dass das Rotliegend nach Süden ansteigt und im Flechtinger Höhenzug sogar zu Tage tritt. Im Gegensatz zu den anderen Lagerstättenteilen ist das Vorkommen nicht an poröse Silt- und Sandsteine, sondern an Klüfte des sedimentären sowie des effusiven (vulkanitischen) Rotliegend gebunden. Der Methangehalt liegt bei lediglich 30 % und somit im Durchschnitssbereich des Lagerstättenkomplexes (Quelle: REGIONALE GEOLOGIE VON OSTDEUTSCHLAND).

Weiterhin fraglich ist, warum die Volksstimme über ein „riesiges“ Vorkommen spekuliert. Das lässt sich aus den vorhandenen Daten der Lagerstätte „Wenze“ nicht ableiten. Diese ist mit drei in Förderung überführte Bohrungen erschlossen worden. Namentlich handelt es sich um „Wenze 1“, „Wenze 4“ sowie „Dannefeld 1“. Bereits 1992 wurde die Lagerstätte außer Betrieb genommen (Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 1992, NLfB). Bis dahin wurden knapp 181 Millionen m³ gefördert. Im Jahr 1997 kamen noch einmal 1,171 Millionen m³ hinzu (Quelle: Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 1997).

Doch im Jahr 2002 wurden die Bohrungen „Wenze 1“ und „Dannefeld 1“ reaktiviert und lieferten für eine seit fast 10 Jahren stillgelegte Lagerstätte mit insgesamt geringer Kapazität erstaunliche 23,4 Millionen m³ und somit innerhalb eines Jahres mehr als 1/10 der über viele Jahre hinweg erbrachten Leistung (Quelle: Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2002). Im Jahr 2009 wurde schließlich noch die „Wenze 4“ reaktiviert. Aufgrund einer tlw. nicht nachvollziehbaren Zusammenlegung des LBEG von Lagerstättenteilen lässt sich seit 2002 nicht mehr nachvollziehen, wieviel Erdgas der Lagerstätte „Wenze“ entnommen wird.

Insgesamt wurden also bisher zwischen 200 Millionen m³ und 300 Millionen m³ Erdgas aus der Lagerstätte „Wenze“ gewonnen. Damit handelt es sich um ein vergleichsweise kleines Erdgasvorkommen. Deshalb ist es schon verwunderlich, wie die Volksstimme dazu kommt, über ein „riesiges Erdgasfeld“ im Umfeld der Lagerstätte zu spekulieren. Wenn überhaupt, dann muss von kleinen Lagerstätten ausgegangen werden. Denn schließlich wären aufgrund der intensiven Explorationsarbeiten zu DDR-Zeiten größere, gar riesige Lagerstätten längst entdeckt worden.

Was im Artikel natürlich nicht fehlen darf, ist das Reizwort „Fracking“!

Inwieweit die umstrittene Fracking-Technologie bei der Erdgasgewinnung zum Einsatz kommen könnte, könne das Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, […]

Das ist logisch! Denn bevor die potenzielle Lagerstätte aufgeschlossen worden ist, lässt sich nicht beurteilen, ob die Standardmethode des Hydraulic Fracturing („Fracking“) eingesetzt werden muss oder nicht. Falls im Erlaubnisfeld „Kunrau“ jemals tatsächlich Erdgas nachgewiesen werden sollte, ist die Anwendung des Fracverfahrens wahrscheinlich unumgänglich. Schließlich konnten nach Aussage des sich im Ruhestand befindenden Fracingenieurs Holger Markert die Wenzer Bohrungen nur nach Durchführung von Fracarbeiten in Produktion gesetzt werden. Selbstverstänflich ohne Auswirkungen auf das Grundwasser trotz der vergleichsweise geringen Teufe von 1.100 bis 1.300 Metern. In diesem Teufenbereich will die derzeitige Bundesregierung übrigens ohne fundierte Begründung Fracarbeiten verbieten!

Zusammenfassend bleibt also festzustellen, dass GDF-Suez im Umfeld einer bekannten Erdgaslagerstätte nach weiteren Erdgasvorkommen suchen will. Vor dem Hintergrund, dass die bekannte Lagerstätte auch für deutsche Verhältnisse vergleichsweise klein ist, ist die kritische Frage erlaubt, wie die Volkssstimme dazu kommt von einem „riesigen“ Erdgasvorkommen zu spekulieren.