Zur Kohleflözgasnutzung in Deutschland unter besonderer Betrachtung der aktuellen Aktivitäten der HammGas

Vor ziemlich genau vier Jahren überschlugen sich nordrhein-westfälische Zeitungen mit Jubelmeldungen, dass Nordrhein-Westfalen (NRW) auf einem riesigen Erdgasfeld sitze. Es wurde behauptet, es befänden sich bis zu 2.200 Milliarden Kubikmeter Erdgas im „Boden“ von NRW in Kohleflözen. Umgehend fühlten sich aber sofort besorgte Bürger auf den Plan gerufen, um gegen die Erkundung der angeblich „riesigen Erdgasfelder“ 1)Riesige Erdgasfelder in NRW zu opponieren.

1. Vorbemerkungen

Sie hatten offenbar „Gasland“ gesehen und sich von den dort gezeigten Szenen beeindrucken lassen (inzw. gestand der Filmemacher Josh Fox vor laufender Kamera, dass er seine Zuschauer getäuscht hatte 2)Gasland director hides full facts).  Und auch die Journalisten glaubten das, was ihnen in „Gasland“ „berichtet“ wurde und verbreiteten unter anderem solches 3)Riesige Erdgasfelder in NRW:

Bei der neuen Fördertechnik wird mit hohem Druck Wasser in die Bohrlöcher gepumpt, um das Gestein aufzusprengen. Dabei werden dem Wasser giftige Chemikalien beigemischt, was in den USA bereits in mehreren Fällen das Grundwasser radioaktiv verseucht hat.

Aha, durch gering konzentriert beigemengte Chemikalien, wovon wiederum nur ein Bruchteil als giftig eingestuft war, soll also Grundwasser radioaktiv geworden sein? Als naturwissenschaftlich gebildetem Menschen stellt sich die Frage, wie der Verfasser des RP-Artikels solchen Unsinn schreiben konnte.

Durch solche Artikel im Einklang mit der Agitation der Bürgerinitiativen (BI) keimte die Saat der Angst auf und gelangte zügig zur Blüte. Explorationsaktivitäten auf Kohleflözgas wurden jedoch aufgrund unterstellter Gefährlichkeit des Hydraulic Fracturings („Fracking“), dass unter Umständen notwendig wäre, um das Gas zu gewinnen, auch durch die rot-grüne Landesregierung bereits im Keim erstickt.

2. Was ist Kohleflözgas?

Kohleflözgas ist im Grunde Erdgas, das in Kohlelagerstätten enthalten ist. Dabei werden drei Formen unterschieden. Flözgas ist das aus unverritzten, also bergbaulich nicht beanspruchten, Kohleflözen etwa durch eine Bohrung freigesetzte Gas. Im Englischen wird es als coalbed methane (CBM) bezeichnet. Weitere Varianten sind Grubengase, die aus aktiven Kohlegruben durch Absaugung gewonnen werden (coalseam methane, CSM) sowie coalmine methane (CMM), das ebenfalls durch Absaugung aus stillgelegten Grubengebäuden abgesaugt wird.4)Kohleflözgas in Deutschland

Die Anteile brennbaren Methans schwanken zwischen den drei Varianten erheblich. Mit 90 bis 95 Prozent ist der Methangehalt im CBM am höchsten. Diese Konzentration entspricht ungefähr der von qualitativ guten Erdgasen in konventionellen Lagerstätten. CMM weist Methangehalte zwischen 60 und 80 Prozent auf, womit der Methangehalt im Bereich von Biogas (ca. 60 Prozent) und weit darüber liegt. Den geringsten Anteil an Methan enthält CSM mit lediglich 25 bis 60 Prozent. 5)Kohleflözgas in Deutschland

Entsprechend der Schwankungen der Methangehalte sind auch die Anteile anderer Gase wie Sauerstoff, Stickstoff oder Kohlendioxid starken Schwankungen unterworfen. In Spuren treten noch höhere Kohlenwasserstoffe auf.6)Kohleflözgas in Deutschland Zu diesen höheren Kohlenwaserstoffen gehören auch die von den BI gefürchteten Aromate wie z.B. Benzol. Grund zur Sorge besteht demnach nicht, da die Aromate wiederum nur einen Bruchteil der in Spuren vorkommenden höheren Kohlenwasserstoffe darstellen.

3. Nutzungsgeschichte

Seit Jahrhunderten war Kohleflözgas wegen seiner Explosivität bei Bergleuten gefürchtet. Denn schon bei nur 5 Volumenprozent bildet Methan mit Sauerstoff ein explosives Gemisch (Schlagwetter).7)Schlagwetter Doch was explosiv ist, ist gehaltvoll an Energie. Dementsprechend gab es bereits im frühen 20. Jhrhundert in Deutschland erste Unternehmungen, Kohleflözgas energetisch zu nutzen.

Bereits 1908 wurde CSM im Saarland zur Dampferzeugung genutzt. Zwischen 1948 und 1954 entstanden 12 CSM-Absugsanlagen. In den 90er Jahren wurden über ein 93 Kilometer langes Verbundnetz ein Stahlwerk, die chemische Industrie, eine Kokerei, Kraftwerke und Wärmezentralen mit Gas versorgt.Im Jahr 1993 konnten 350 Millionen Normkubikmeter Grubengas mit einem Methangehalt von 50 Prozent gewonnen werden. Diese Menge entspricht der Leistung von zwei bis drei konventionellen Erdgassonden mit sehr guten Förderraten.

Seit den frühen 1990er Jahren wurde dann versuchsweise begonnen, CBM zu produzieren. Ein Konsortium aus der Conoco Mineralöl GmbH, der Ruhrgas AG und der Ruhrkohle AG wollte beispielsweise im Münsterland fünf Bohrungen abteufen. Ursprünglich sollten nach einem Bericht der Bezirksregierung Arnsberg (dort ist die Bergbehörde von NRW angesiedelt) in allen fünf Bohrungen Fracmaßnahmen durchgeführt werden. Tatsächlich wurden im Oktober 1995 lediglich in der Bohrung „Natarp 1“ zwei Fracjobs in unterschiedlichen Teufen umgesetzt.8)Kohleflözgas in Deutschland9)Erdgasprobebohrungen 1995 – Alle vorhandenen Informationen offengelegt (12.04.2011)

Außerdem gab es im Saarland Versuche, CBM-Potenziale zu erschließen. Die DSK AG brachte dazu 1997 und 1999 die Bohrungen Aspenhübel und Weiher 1 auf flözführendes Oberkarbon nieder. Die Gasführung war zwar höher als im Ruhrgebiet, jedoch wurden mit 2.500 m³ Erdgas pro Tag (!), die innerhalb von 6 Monaten auf nur noch 200 m³ täglich absanken, keine wirtschaftlich vertretbaren Förderraten erzielt. Notwendig wären mindestens 6.000 m³/d gewesen, was im Vergleich zu konventionellen Erdgasbohrungen sehr wenig ist. 10)Kohleflözgas in Deutschland

Gegenwärtig werden nach Angaben des Interessenverbandes Grubengas Deutschland e.V. (IVG) monatlich ca. 1 Mio. m³ Grubengas aus stillgelegten Zechen (also CMM) gewonnen und zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt. Dadurch dass klimawirksame Methanemissionen vermieden werden, fällt die Gewinnung von Strom und Wärme aus CMM sogar unter das „Erneuerbare Energie Gesetz“.11)Interessenverband Grubengas e.V. Die Erkundung des CBM-Potenzials, womit durch die ExxonMobil Production Deutschland GmbH (EMPG) 2008 in Niedersachsen begonnen wurde und die anschließend in NRW fortgesetzt werden sollte, liegt derzeit wegen eines möglicherweise rechtswidrigen „Fracking“-Moratoriums auf Eis.

„Die Moratorien der Bundesländer gegen Fracking sind eindeutig rechtswidrig“, sagte Walter Frenz, Professor für Bergrecht an der RWTH Aachen, der Wirtschaftswoche.12)Im Umweltbundesamt bröckelt der Widerstand gegen Fracking

Dieses Moratorium ist so weitreichend, dass nicht einmal Erkundungsbohrungen abgeteuft werden dürfen, sofern für das gesamte Aufsuchungsgebiet hydraulische Bohrlochstimulationen ausgeschlossen werden können. Nur wie soll man das ohne Erkundungen ausschließen können? Dazu abermals eine Einschätzung von Professor Frenz 13)Im Umweltbundesamt bröckelt der Widerstand gegen Fracking:

Frenz begründet seine Einschätzung mit dem rechtlichen Zirkelschluss, den die Moratorien enthalten: Darin wird den Bergbehörden aufgetragen, Anträge auf Erkundungsbohrungen vorerst nicht zu erteilen, da die Umweltrisiken nicht ausreichend erforscht seien. Zugleich aber sei die Klärung dieser Risiken ohne Erkundungsbohrungen wohl gar nicht möglich.

4. HammGas plant Aufschlussbohrung

Vom Moratorium unbeirrt zeigt sich das Unternehmen HammGas GmbH & Co. KG (HammGas). Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss folgender Unternehmen: Stadtwerke Hamm GmbH, PVG GmbH – Resources Services & Management, GeoK GmbH und Tief- und Brunnenbaubetrieb Messmaker.14)HammGas

HammGas teilte am 22.10.2014 mit, dass eine Aufsuchungsbohrung in Ascheberg-Herbern vorgesehen sei. Die Bohrung trägt die Bezeichnung „Herbern 58“ und soll vom Gelände des ehemaligen Steinkohleschachtes „Radbrod 7“ niedergebracht werden. Sie befindet sich nach Angaben des Unternehmens außerhalb jeglicher Schutzgebiete.15)HammGas

Die Bohrung soll einen Bereich erschließen, der durch natürliche Klüftung gekennzeichnet ist. Dadurch sind natürliche Migrationswege für das Erdgas vorhanden, so dass auf die Schaffung künstlicher Klüfte durch Hydraulic Fracturing verzichtet werden könne. Stattdessen soll sich der sogenannten Tektomechanik bedient werden. Mit diesem Verfahren können Bereiche im Speichergestein identifiziert werden, die durch natürliche Gebirgsbewegungen (Tektonik) mechanisch beansprucht wurden, so dass Klüfte entstanden. In diese Klüfte kann aus den Poren der Kohle das Erdgas migrieren, zum Bohrloch fließen und schließlich abgefördert werden.16)HammGas

Sicherlich auch aufgrund der wissenschaftlich nicht fundierten Ablehnung des Hydraulic Fracturing („Fracking“) distanziert sich HammGas von diesem Verfahren. Davon ließen sich aber Medien nicht beeindrucken. Diese setzen gerne genauso wie Bürgerinitiativen Aufsuchungserlaubnisse mit „Frackinggebieten“ gleich. So offenbar auch die WAZ, weswegen sich HammGas zu einer Gegendarstellung veranlasst fühlte: 17)HammGas: Aktuelles

Die WAZ listete in einem Artikel vom 05.06.2014 u.a. HammGas als Inhaber von „Frackingrechten“ in Nordrhein-Westfalen auf. Diese Aussage ist falsch! Richtig ist vielmehr: HammGas hält Erlaubnisse zur Aufsuchung von Kohlenwasserstoffen. Das HammGas-Konzept ist auf die Aufsuchung von Kohleflözgas gerichtet. Hierbei werden die natürlich vorhandenen Gasmigrationswege in den Steinkohlenlagerstätten genutzt.

HammGas ist und bleibt an den einstimmigen Beschluss der Gesellschafter von 2011 gebunden, wonach jetzt und in Zukunft kein Fracking eingesetzt wird.

Folglich hat HammGas keine Erlaubnis zum Einsatz von Fracking beantragt noch erhalten.

Doch solche Richtigstellungen werden von den Gegnern inländischer Erdgasgewinnung bewusst ignoriert. Diese spekulieren nach wie vor darüber, dass das Standardverfahren Hydraulic Fracturing eingesetzt wird.