Fracking? – Eine etablierte Standardtechnologie!
Der Landkreis Rotenburg/Wümme stellt eine der bedeutendsten Förderregionen Deutschlands dar. Das dort geförderte Erdgas befindet sich in Sandsteinen des Rotliegenden, die teilweise so dicht und damit undurchlässig sind, dass das darin enthaltene Erdgas nur unter Zuhilfenahme des Fracverfahrens erschlossen werden können. Mit dem Aufkommen der Debatte um das inzwischen verbreitet als „Fracking“ bezeichnete Verfahren geriet auch diese Erdgasförderregion in den Fokus der Öffentlichkeit.
Dabei kam erschwerend hinzu, dass ungefähr gleichzeitig ein Sanierungsfall an einer Lagerstättenwasserleitung durch einen anonymen Anwohner an den NDR angetragen wurde. Der NDR stilisierte diesen Vorfall trotz räumlich enger Begrenzung auf ca. 1.000 m² und trotz der durchgeführten Sanierungsarbeiten zum Umweltskandal. Das ist dem noch bei Youtube zu sehenden Bericht „ExxonMobil und die verschwiegene Umweltverschmutzung in Niedersachsen„. Von „verschwiegener Umweltverschmutzung“ konnte dabei keine Rede sein, schließlich war die Sanierungsfläche a) gut einsehbar und b) stand direkt daneben eine Informationstafel. Beides ist in dem Bericht gut zu sehen.©
Dieser dramatiesierend gestaltete Bericht unter Federführung der Journalistin Alexa Höber (später dazu mehr) war die Initialzündung für weitere „Berichte“ dieser Art sowohl beim NDR/der ARD sowie dem ZDF sowie für die Gründung von Bürgerinitiativen (BI) in der Region, die der Berichterstattung Glauben schenkten, die dieses Vorkommnis sowie ein Ähnliches im benachbarten Landkreis (LK) Verden dem „Fracking“ andichteten.
Seit 2011 steht die Erdgasgewinnung im LK Rotenburg sowie im benachbarten LK Verden unter äußerst skeptischer Beobachtungen von BI, die teilweise einen erheblichen Druck auf die Kommunal- und Regionalpolitik ausüben und denen es gelungen ist, zumindest eines der beiden Lokalblätter, nämlich die „Rotenburger Kreiszeitung“ auf ihre Seite zu ziehen. Das Konkurrenzblatt, die „Rotenburger Rundschau“ ist in ihrer Berichterstattung hingegen zurückhaltender und z.T. auch kritisch den gelegentlichen Ausfällen von BI-Vertretern eingestellt.
Zur Verschärfung der kritischen Einstellung gegenüber der regionalen Erdgasgewinnung trugen einerseits die anhaltende negative Darstellung des Fracverfahrens auf quasi sämtlichen Ebenen zahlreicher Medien statt, von der lokalen bis zur überregionalen. Hinzu kamen weitere Vorwürfe gegenüber der Erdgasförderindustrie.
Die mit dem größten Nachhall dürfte der von einigen Personen unterstellte Säureregen im Zuge der Abfackelung von Erdgas nach einer Bohrlochreinigung gewesen sein sowie die festgestellte deutlich erhöhte Leukämierate in der Samtgemeinde Bothel, die der Erdgasgewinnung angedichtet wird, obwohl der Bericht des Krebsregisters Niedersachsen ganz klar wiedergibt, dass eine Aussage über die Ursache nicht getroffen werden kann (Kurzfassung des EKN Berichtes zur Häufigkeit von Krebsneuerkrankungen in der Samtgemeinde Bothel).
Zuletzt kam noch die Aufdeckung eines weiteren vermeintlichen Umweltskandals hinzu, nämlich das Thema Historischer Bohrschlammgruben, die z.T. Giftstoffe enthalten. Die „Aufdeckung“ erfolgte durch die bereits erwähnte Journalistin Höber in enger Zusammenarbeit von Vertretern verschiedener BI, die der Erdgasgewinnung ablehnend gegenüberstehen („Ungereimtheiten in der Berichterstattung von “Markt” (NDR) im Zusammenhang mit historischen Bohrschlammgruben“). Diese Vertreter werden in verschiedenen „Berichten“ gerne trotz der häufig mehrere Zehnerkilometer auseinanderliegenden Orte der (vermeintlichen) Vorkommnisse als „Anwohner“ oder „Betroffene“ bezeichnet. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Insgesamt führten Medienberichte sowie das Engagement von BI sowie Umweltverbänden dazu, dass die in ihrer Umweltrelevanz überzeichneten Vorkommnisse (strengste Prüfwerte übertreffende Quecksilber-Werte im Umfeld von Reinigungsplätzen von Anlagenteilen) , aber auch die unterstellten wie der angebliche Säureregen oder die Krebserkrankungen, die Politik auf den Plan zu rufen.
Deshalb fühlten sich nun die 13 Bürgermeister des LK Rotenburg dazu berufen, einen Brief an den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) aufzusetzen. Sie schreiben in Bezug auf die von der Bundesregierung geplanten Gesetzesverschärfungen bezüglich des „Fracking“ sowie der Erdgasförderung insgesamt (sofern „Gänsefüßchen“ gesetzt sind, handelt es sich um ein direktes Zitat aus dem Brief, ansonsten um eines aus dem Artikel der „Kreiszeitung“: „Fracking: 13 Bürgermeister aus dem Landkreis bringen ihre Sorgen zum Ausdruck – Brief an den Landesvater“):
„Doch reichen unserer Ansicht nach die beabsichtigten Regelungen bei Weitem nicht aus, denn die bisher über 20 bis 30 Jahre betriebene Erdgasförderung ist für uns hier im Landkreis Rotenburg zu einer großen Gefahr geworden, der wir mit dieser Resolution begegnen wollen“
Inwiefern die Erdgasgewinnung tatsächlich zu einer „großen Gefahr“ geworden ist, ist zu hinterfragen. Es gab sicherlich im Rahmen des Transportes von Lagerstättenwasser (LaWa) sowie der Reinigung von Anlagenteilen Kontaminationen von Boden und z.T. Grundwasser (nicht Trinkwasser!). Diese waren jedoch räumlich eng auf das Umfeld des sanierten Leitungsabschnittes sowie der beiden Reinigungsplätze eng begrenzt. Eine großflächige Verschmutzung konnte nicht einmal der NABU nachweisen!
Die „Kreiszeitung“, auf deren Artikel sich hier bezogen wird, schreibt weiter:
Rotenburg liege mitten in einem Erdgasfördergebiet. Im Landkreis gebe es mehr als 23 Bohrstellen, an denen schon häufig mit hochtoxischen Flüssigkeiten gefrackt worden sei, schreiben die Hauptverwaltungsbeamten.
Nirgends, an keiner einzigen Stelle ist im LK Rotenburg mit hochtoxischen Flüssigkeiten gefract worden. Solche Fracfluide gab es weder in der Vergangenheit und schon gar nicht gegenwärtig. Im Grunde kann hier abermals von Desinformation gesprochen werden, egal ob nun bewusst oder unbewusst. Das trifft auch auf folgenden Satz zu:
Hinzu gekommen seien noch die vielen Bohrschlammgruben, die offensichtlich in den vergangenen Jahren leichtfertig angelegt worden seien und heute eine erhebliche Gefahr für das Trinkwasser bedeuteten.
In den vergangenen Jahren ist keine einzige neue Bohrschlammgrube angelegt worden. Denn das Anlegen von Bohrschlammgruben ist bereits seit Jahrzehnten nicht mehr erlaubt. Die historischen Bohrschlammgruben mögen zwar Gefahrstoffe im Deponiekörper enthalten, was wenig überraschend ist. Dass deshalb eine erhebliche Gefahr für das Trinkwasser ausgeht (wahrscheinlich wieder einmal mit Grundwasser verwechselt), ist frei erfunden.
Aufgrund dieser sowie weitere Unterstellungen, deren Basis wohl dem „Erkenntnisgewinn“ aus Medienberichten sowie Behauptungen von BI-Vertretern geschuldet ist, fordern die 13 Bürgemeister:
Interessant, dass das politisierte Umweltbundesamt (UBA) hier als Nabel der Welt gesehen wird, obwohl bekannt ist, dass diese Behörde die Ergebnisse der von ihr beauftragten Studien zum Thema „Fracking“ nicht verstanden hat. Deshalb widersprach Uwe Dannwolf, Chefgutachter der zweiten UBA-„Fracking“-Studie seinem Auftraggeber. Aber auch zahlreiche andere Gutachter und Wissenschaftler sowie die geologischen Behörden sehen Hydraulic Fracturing im gegensatz zum UBA nicht als Risikotechnologie, sondern als etablierte Standardmethode.
Im Übrigen wäre es interessant zu wissen, ob die Bürgermeister den geforderten Maßstab des Ausschlusses eines Risikos für die Umwelt auch für Windkraft- oder Biogasanlagen anlegen wollen. Denn gerade im LK Rotenburg gab es im Zusammenhang mit einer Biogasanlage einen Vorfall, der die der Erdgasgewinnung in den Schatten stellt: „Panne in Biogasanlage: Fischsterben im Landkreis Rotenburg“
Im Gegensatz dazu haben die zahlreichen Fracmaßnahmen im LK Rotenburg und auch darüber hinaus zu keinem einzigen nachgewiesenen Umweltschaden geführt, weshalb die Forderung absurd ist.
Ein sofortiger Stopp der LaWa-Versenkung würde einem sofortigen Stopp der Erdgasgewinnung gleichkommen. Hinzu kommt die fehlende Begründung für diese Forderung, denn schließlich wird das salzhaltige LaWa nachgewiesernermaßen seit Jahrzehnten in salzwasserführenden Gesteinsschichten verwahrt. Doch da eine oberirdische Entsorgung als Sondermüll vorgeschlagen wird, sollte vielleicht eine Salzhalde am Stadtrand von Rotenburg errichtet werden. Aber ich schätze, das ist von der Bevölkerung genausowenig gewollt wie ein sofortiger Stopp der regionalen Erdgasgewinnung. Denn dieses wird im Gewinnungsumfeld an die Verbraucher geleitet.
Abschließend soll noch auf einen dritten der insgesamt acht Forderungen eingegangen werden:
Erdgas wird kontrolliert abgefackelt, es sei denn, der unwahrscheinliche Fall einer Havarie tritt auf. Daran ändern auch Behauptungen von BI nichts. Das Erdgas wird vor dem Abfackeln durch Quecksilberadsorber und andere Filter soweit gereinigt, dass die Verbrennungsprodukte der Fackeln die strengen Anforderungen der TA-Luft genügen. Dass im Erdgasfeld Söhlingen in der Luft keine grenzwertüberschreitenden Werte von Benzol oder Quecksilber auftreten, ist in einem Langzeittest dokumentiert worden („Immissionsmessungen an einer Erdgasstation im Landkreis Rotenburg (Wümme)“). Diese offiziellen Messungen des LBEG sind jedoch durch die Medien verschwiegen und somit einer breiteren Öffentlichkeit vorenthalten worden.
Somit bleibt festzuhalten, dass sich die Forderungen der 13 Bürgermeister im Wesentlichen auf Sorgen, Befürchtungen und teilweise Unterstellungen berufen, kaum jedoch auf belastbare Messwerte. Das ist nicht gerade die Basis einer sach- und problembezogenen Diskussion. Und während wieder einmal die „Rotenburger Kreiszeitung“ Schützenhilfe beim Torpedieren der inländischen Erdgasversorgung leistet, in dem sie über den aus fachlicher Sicht kaum haltbaren Forderungskatalog berichtet, hält sich die „Rotenburger Rundschau“ zurück.
Weiteres zum Thema hier auf dem Blog:
Historische Bohrschlammgruben Teil I: Kallmoor Z1 – Die Rolle des Grundstückseigentümers
Erhöhte Krebsfälle in Bothel – Werden Opfer politisch instrumentalisiert?
Angeblicher Säureregen in Söhlingen – Soll(te) ein Skandal konstruiert werden?
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