„Fracking“-Expertise bei vielen Politikern nicht erwünscht

Bereits Ende September haben wir mit dem Artikel Bundestagsabgeordneter Frank Schwabe (SPD) diffamiert BGR-Chef als „Fracking-Lobbyisten“ nachgewiesen, dass selbst höherrangige Politiker kein Interesse daran zeigen, sich über Hydraulic Fracturing („Fracking“) sachgerecht zu informieren. Stattdessen werden Stimmungsmacher aus Anti-Fracking/Erdgasförderungs- Bürgerinitiativen ohne fachliche „Fracking“-Expertise konsultiert. Das wurde in den letzten Tagen anhand zweier Artikel aus dem Münsterland deutlich.

So war bereits aus der Schlagzeile eines der beiden hier diskutierten Artikel zu erschließen, dass eine sachgerechte Information nicht gewollt ist oder wie soll diese mit dem Wortlaut „Argumente im Kampf gegen Fracking gesucht“ anders interpretiert werden?

Wie kaum anders zu erwarten, wartet der Artikel durch eine gehörige Portion Unwissens auch auf Seiten des namentlich nicht benannten Artikelschreibers auf. Es wird behauptet:

Mit diesen Worten beurteilte Sabine Weiss den vorliegenden Gesetzentwurf, der das Fracking in ganz Deutschland endlich rechtsverbindlich regeln soll.

rp_cep_foto_bohrung-barth-11-wird-an-lagerstaette-angeschlossen_16-06-2014.jpeg

Fracerbeiten auf der Bohrung „Barth 11“ im Sommer 2014, Bildquelle CEP GmbH

Es handelt sich um eine weitverbreitete Mär, dass der technische Prozess des Hydraulic Fracturing, also der künstlichen Risserzeugung in Festgestein mittels Druckübertragung durch eine Flüssigkeit, gesetztlich nicht geregelt wäre. Denn das ist bereits der Fall. Wie sonst ist es zu erklären, dass über Jahrzehnte hinweg Fracarbeiten im Rahmen von Zulassungsverfahren, die selbstverständlich einer rechtsverbindlichen Grundlage bedürfen, genehmigt worden sind? Sollte mit „Fracking“ aus nicht nachvollziehbarem Grund der Gesamtprozess der Erdgasförderung, bei dem das Fracverfahren, sofern angewendet, zum Zuge kommt gemeint sein, gilt dasselbe. Die gesetzliche Grundlage stellt das Bundesberggesetz (BBergG) dar. Zudem werden im Rahmen des Zulassungsverfahrens weitere Gesetze, Richtlinien und Verordnungen beachtet.

Aus dem Artikel geht hervor, dass die Politiker, namentlich die Mitglieder des Bundestages (MdB) Sabine Weiss (CDU) und Hans-Ulrich Krüger (SPD) dem Thema nicht neutral, sondern voreingenommen gegenüberstehen. „Und beide stehen auch klar und deutlich auf der Seite der Frackinggegner.“ heißt es im Text. Doch warum, wird nicht klar. Stattdessen bitten sie „Fracking“-Gegner, die sich in Bürgerinitiativen (BI) gegen das bewährte Standardverfahren engagieren, dazu auf, Argumente dagegen vorzutragen. Schließlich gäbe es auch eine nicht kleine Gruppe „Fracking“-Befürworter im Bundestag. Wörtlich heißt es:

„Welche Waffe, welches Schwert könnt ihr uns an die Hand geben, damit wir sagen können, ,das und das ist nicht in Ordnung’?“

Sich bei Fachbehörden zu informieren, deren Zweck es u.a. ist, Politikern beratend zur Seite zu stehen, ist offenbar zuviel verlangt bzw. würde zu einem Egebnis führen, das keine Wählerstimmen bei diesem aus wissenschaftlich-technischer Sicht völlig zu Unrecht diskreditierten Verfahrens sichern würde. Denn sowohl die Bergbehörde Nordrhein-Westfalens, die bei der Bezirksregierung Arnsberg angesiedelt ist, als auch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), die direkt dem Bundeswirtschaftsministeriums unterstellt ist, sehen keinen Grund, „Fracking“ zu verbieten.

So kam Dr. Volker Wrede vom Geologischen Landesdienst Nordrhein-Westfalens im Rahmen eines Vortrages, den es bei youtube.com zu sehen gibt, zu folgendem Schluss:

Die Erkundung der Vorkommen ist notwendig, um die erforderlichen Entscheidungsgrundlagen zu gewinnen – zur Zeit sind aber alle Erkundungsmaßnahmen politisch gestoppt.

Ohne Erkundungen können seiner Ansicht nach keine Verbotsforderungen formuliert werden. Erst recht nicht vor dem Hintergrund, dass in Deutschland bereits hunderte Fracmaßnahmen durchgeführt worden sind, die zu keinem nachgewiesenen Umweltschaden geführt haben. Das wird durch den BGR-Präsidenten Prof. Dr. Hans-Joachim Kümpel bestätigt (LINK):

Aus geowissenschaftlicher Sicht spricht nichts gegen die Fracking-Technologie. Sie ist beherrschbar. Weltweit wird die Technologie seit vielen Jahrzehnten routinemäßig eingesetzt – in Deutschland seit den 50er-­Jahren bereits mehr als 350-mal. Bei uns ist dabei nicht ein Schadensfall aufgetreten, der zu einer Umweltbeeinträchtigung oder Grundwasserkontamination geführt hat.

Gegenüber diesen harten Fakten erscheinen die Gegen-„Argumente“ der „Fracking“-Gegner sehr dünn und gehen am Thema völlig vorbei. So wird der betriebswirtschaftliche Gewinn einzelner Unternehmen angeführt, der volkswirtschaftlich „ein Tropfen auf den heißen Stein“ sei. Abgesehen davon, dass das auf nahezu alle Gewerke und deren jeweilige einzelnen Unternehmen zutrifft und erst die Summe der vielen Unternehmen sich positiv bzw. bemerkbar auf die volkswirtschaftliche Bilanz auswirkt, ist deshalb ein Verbot aus wissenschaftlich-technologischer Perspektive zu begründen.

Als weiteres Argument gegen „Fracking“ wird angeführt, dass mittels „Probebohrungen“ der „Boden“ (gemeint ist der geologische Untergrund) „für nichts Gesichertes perforiere, weil alles nur auf Annahmen und Hochrechnungen beruhe“ perforiert würde.

Eben weil es keine ausreichende Datengrundlage gibt, sind Probebohrungen (im Fachjargon deshalb auch als Explorationsbohrungen bezeichnet) erforderlich, um Erkenntnisse zu gewinnen um die Annahmen und Hochrechnungen zu bestätigen oder möglicherweise auch zu widerlegen. Hiermit gestehen die „Fracking“-Gegner unbewusst ein, dass sie sich genaugenommen wegen nichts Konkretem echauffieren.

Auch das dritte und letzte angeführte Argument lässt sich ohne Weiteres widerlegen und hat mit dem Verfahren des Hydraulic Fracturings eher nichts zu tun. Es wird behauptet, dass „man unbrauchbare Flächen und den nachfolgenden Generationen ein höchst unsicheres Erbe hinterlasse“.

Selbstverständlich muss für die Durchführung einer Bohrung, die Voraussetzung für Fracmaßnahmen ist, Fläche beansprucht werden. Doch das Faktum, dass in Deutschland zahlreiche ehemalige Bohr- und/oder Förderplätze rekultiviert worden sind und land- sowie forstwirtschaftlich genutzt werden, führt das Argument ad absurdum.

Dass politische Entscheidungsträger nicht gewillt sind, sich sachgerecht zu informieren, sich im hier diskutierten Thema eine „Fracking“-Expertise bei Fachleuten einzuholen, wurde zusätzlich durch den Artikel Netzwerk gegen Fracking – Erdbeben und giftiges Wasser“ deutlich gemacht. 

Hintergrund des Artikels ist, dass sich im Münsterland Lokalpolitiker zu einem „Netzwerk gegen Fracking“ zusammenschließen wollen. Die Begründung ist sehr wahrscheinlich darin zu finden, dass es zum Thema „Fracking“ zahlreiche negative Schlagzeilen gibt. So behauptet die Verfasserin Anna Spliethoff:

Was Erdgasgewinnung mit Hilfe der umstrittenen Fracking-Methode anrichten kann, wird in Medienberichten schon seit vielen Jahren gezeigt.

Dass sich zahlreiche Medienberichte auf den Film „Gasland“ berufen haben, der viel zu spät wegen faktenwidriger Darstellungen aus dem Programm der öffentlich-rechtlichen Medien genommen worden ist, ignoriert die Autorin sehr wahrscheinlich. Für sie steht es augenscheinlich fest, dass „Fracking“ etwas besonders schlimmes Verfahren ist (haben mehrere Kollegen von ihr so behauptet) und „dennoch Konzerne wie „ExxonMobil“ und „HammGas““ ihre Projekte bewerben“. Hinter „HammGas“ steckt übrigens ein Konsortium, an dem zu großen Anteilen die Stadtwerke Hamm beteiligt sind und kein Konzern.

Doch anstatt sich sachlich und neutral zu informieren, wie z.B. bei den genannten Staatlichen Geologischen Diensten der Bundesländer bzw. des Bundes, ziehen es Lokalpolitiker aus dem Münsterland stattdessen vor, den Ortsbürgemeister der niedersächsischen Gemeinde Völkersen, den Friedhofsgärtner Andreas Noltemeyer, zu einem Vortrag einzuladen. Dass Noltemeyer auch Sprecher der Bürgerinitiative „No Fracking“ ist und somit nicht als vorurteilsfreie Referenz taugt, verschweigt die Autorin.

Dementsprechend werden die Aussagen Noltemeyers ohne einen Anflug der Skepsis wiedergegeben. So werden die Folgen der seit 1992 stattfindenden Erdgasförderung aus der Lagerstätte „Völkersen/Völkersen-Nord“ als „erschreckend wie verheerend“ beschrieben. So sei „Wasser ausgetreten, das zuvor für die Förderung des Gases benutzt worden war.“

Verlauf der Bohrpfade von Bohrungen im Feld Völkersen

Dank Richtbohrtechnik werden Bohrplätze bei der Erschließung von Erdöl-/Erdgasfeldern reduziert (Lagerstätte „Völkersen“).

Tatsache ist jedoch, dass im Feld „Völkersen“ an einigen Stellen Benzol aus Leitungen diffundierte, die Lagerstättenwasser (LaWa) transportieren. LaWa wird jedoch nicht zur Förderung des Gases eingesetzt, wie behauptet, sondern ist ein natürliche Begleitstoff der Erdgasförderung. Sein Vorkommen steht in keinerlei Zusammenhang mit der Methode des Hydraulic Fracturing. Es ist zudem falsch, dass das LaWa aus den Rohren ausgetreten sei. Lediglich Benzol ist diffundiert und das auch nur in Bereichen, in denen die Rohre in oberflächennahem Grundwasser (aufgrund der dortigen geologischen Verhältnisse in Stauwasser) lagen.

Weiter wird den Tatsachen widersprechend behauptet, dass die verwendeten Rohre nicht zugelassen worden wären. Das waren sie, auch wenn die lokale BI das Gegenteil behauptet. Wenn, dann waren sie auf lange Sicht ungeeignet, was aus einem TÜV-Bericht hervorgehen soll, der angeblich den BI vorliegt. Vor einer Offenlegung dieses Berichts scheuen sich die BI jedoch seit mehreren Jahren.

Laut des Artikels soll Noltemeyer behauptet haben, dass in der Region die Zahl der Krebsfälle steige. Die Zahlen geben jedoch etwas anderes her. Tatsächlich sind laut eines Berichts des Epidemiolgischen Krebsregisters Niedersachsen (EKN) für die Region des Erdgasfeldes „Völkersen“ keine statistisch signifikanten Abweichungen festgestellt worden.

Das Fracverfahren wurde dem Inhalt des Artikels nach in der Lagerstätte „Völkersen“ bislang nicht eingesetzt und es würde laut Noltemeyer die angeblichen Risiken um ein Vielfaches potenzieren. Tatsächlich sind auch in der Lagerstätte „Völkersen“ in mehreren Bohrungen Fracarbeiten durchgeführt worden. Nur stehen diese in keinerlei Zusammenhang mit den vom Referenten dargelegten Vorkommnissen.

Noltemeyers auf kaum vorhandener Faktenlage beruhender Vortrag hatte jedoch seine Wirkung erreicht. Dass sowohl bei der Autorin des Artikels, als auch bei den Lokalpolitikern sowie den Zuhörern. Der Sprecher der einladenden BI Stefan Hendrichs war „fast sprachlos über die Horrorszenarien, die man da geschildert kriegt.“. Das ist wenig verwunderlich, wenn man den Schilderungen Noltemeyers glaubt, deren Ziel nichts anderes gewesen sein dürfte als Ängste zu schüren, anstatt sich selbst ein Bild vor Ort zu verschaffen.

Denn dieses Bild stellt eine wenig von der Erdgasförderung beeinträchtigte Landschaft dar. Förderplätze sind kaum auszumachen, selbst wenn man an ihnen direkt vorbeifährt, wie z.B. auf der A27 Walsrode-Bremen. Auffällig ist lediglich der Betriebsplatz  bei Schülingen, auf dem mehrere Bohrungen sowie die Aufbereitungsstation konzentriert ist. der landschaftliche „Impact“ ist dadurch erheblich reduziert, wie es der Darstellung zu entnehmen ist.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass in unserem Land, dass sich einst als Nation der Dichter und Denker verstand, fachlich fundiertes Wissen, also auch „Fracking“-Expertise, nicht mehr erwünscht ist. Stattdessen orientieren sich politische Entscheidungsträger am oftmals lautstark vorgetragenen, nicht an Fakten orientiertem Protest.

 

Artikelfoto: Schiefergasexplorationsbohrung „Oppenwehe 1“ im nördlichen Münsterland. Bildquelle: WEG e.V.