Wissenschaftsdoku „Risiko Fracking“ – Eine kritische Betrachtung Teil III

Am 19.11.2015 strahlte 3sat eine Sendung aus, die sich mit dem Reizthema „Fracking“ befassen sollte. Der unter der Rubrik „Wissenschaftsdoku“ laufende 43-minütige Film ist mit „Risiko Fracking“ betitelt. Hinzu kommt, dass der Autor des Films, der Spiegel-TV-Redakteur Felix Kasten, dem Verfasser dieser kritischen Betrachtung seiner Dokumentation auf dem Kurznachrichtenportal Twitter als den in Bürgerinitiativen engagierten Gegnern inländischer Kohlenwasserstoffgewinnung nahestehend aufgefallen ist. Eine undistanzierte, sachliche, faktenbasierte Dokumentation, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, war nicht zu erwarten. Leider wurde diese Erwartung bestätigt, wie es auch der dritte und abschließende Teil unserer ausführlichen Kritik darlegt.

6. Potenzielle, aber geringe Risiken des Fracverfahrens

Risiko Fracking? Geringer landschaftlicher Impact.

Zwei Förderplätze in Dimock, PA. „Verseuchte“ Landschaft? Quelle: GoogleMaps

Im weiteren Verlauf des Films wird sich mit der „Verschmutzung“ des zur Trinkwassergewinnung nutzbaren Grundwassers durch Methan befasst, falls in mindestens 1 Kilometer Tiefe beim Fracvorgang etwas „schiefgehen“ sollte. Diesbezüglich wird sich abermals auf Forschungsarbeiten von Prof. Sauter berufen.

Nach dessen Ansicht ist das unkontrollierte Entweichen von Erdgas über Störungszonen unwahrscheinlich, was die Filmemacher jedoch nicht davon abhält, diesbezüglich von einem Risiko zu sprechen, ohne auf die extrem geringe Eintrittswahrscheinlichkeit einzugehen. Es ist zwar richtig, dass vertikale Risshöhen von 600 Metern erreicht worden sind, das jedoch nur als absolute Ausnahme. Und selbst wenn dieser unwahrscheinliche Fall eintreten würde, müsste durch diesen Riss eine Störung angefahren werden, die zudem auch noch durchlässig ist sowie mit einem zur Trinkwassergewinnung geeigneten Aquifer in Verbindung steht. Eine Permeabilität ist bei den meisten Störungen nicht existent, da diese durch natürliche Zementation oder infolge der Ausfällung von Salzen verheilt sind.  Stattdesseb sind häufig Erdöl- und Erdgaslagerstätten  an geologische Störungen gebunden, was deren Undurchlässigkeit belegt.

Als weiteres Risiko werden undichte Bohrlöcher angesehen. Doch dieses Risiko ist bezogen auf Deutschland extrem gering, quasi nicht vorhanden. Gegenwärtig existieren auf bundesdeutschem Gebiet ca. 1.500 Bohrungen, aus denen aktiv Erdöl oder Erdgas gewonnen wird. Keines dieser Bohrlöcher weist eine mangelnde Integrität auf, denn ansonsten wären Verschmutzungen durch Öl oder Zutritte von Erdgas in flache Grundwasserschichten längst bekannt.

Wie bereits weiter oben erwähnt ist auch das Städtchen Dimock in Pennsylvania Gegenstand des Films. Die Ortschaft ist bereits aus dem vor Unwahrheiten strotzenden Film „Gasland“ bekannt. Mit der Wahrheit nimmt es die „Wissenschaftsdoku“ von Felix Kasten auch nicht so genau. Denn bereits einleitend heißt es:

Fracking habe hier bereits den Untergrund verschmutzt.

Wissenschaftlich belastbare Belege für diese Behauptung bleiben aber aus. Stattdessen werden an die Oberfläche sprudelnde Gasbläschen als Beweis angeführt. Angeblich solle es sich um Methan halten. Das kann durchaus sein, denn schließlich tritt Methan in zahlreichen Gewässern in Form von Gasbläschen aus, was z.B. auf Verwesungsprozesse organischer Substanz zurückzuführen ist. Tatsächlich sind natürliche Methanaustritte auch im Susquehanna County sehr lange bekannt (Geological Survey of Pennsylvania).

Weiterhin werden Aussagen von angeblichen „Fracking-Geschädigten“ als Beweis angeführt. Stellungnahmen kompetenter Ansprechpartner z.B. von Umweltschutzbehörden oder des staatlichen geologischen Landesdienstes sind hingegen Fehlanzeige. Denn diese hätten ein völlig anderes Bild ergeben.  Eine Verunreinigung von Trinkwasserbrunnen durch Fracarbeiten konnte nicht nachgewiesen werden. Laut eines Berichtes der EPA wurden die im Film gezeigten Lieferungen von Trinkwasser (in der Doku falsch übersetzt mit verdinglischtem „Frischwasser“) per Tankwagen bereits vor mehr als drei Jahren eingestellt (EPA Completes Drinking Water Sampling in Dimock, Pa.).

7. Politisch bedingter Stillstand in Deutschland

Risiko Fracking? Hier wird zunächst gebohrt.

Erdgasbohrung „Düste Z10“ im März 2012 ©chef79

Anschließend geht es wieder zurück nach Deutschland, und zwar ins beschauliche Barnstorf. In und um Barnstorf wurden bereits vor 60 Jahren Erdöl- und Erdgaslagerstätten aufgeschlossen. Dazu zählt auch das Erdgasvorkommen in dichten Sandsteinen des Oberkarbon. Um diese Vorkommen zu erschließen, sind Fracarbeiten erforderlich. Eine Bohrung (Düste Z10, Abbildung links) wurde 2011/2012 erbohrt, beantragte Fracmaßnahmen bis heute trotz nicht geänderter Rechtslage (!), nach denen bis dahin solche Arbeiten von der Bergbehörde gestattet worden sind, nicht genehmigt. Das findet man übrigens nicht nur beim „Konzern“ Wintershall unverständlich, sondern auch in wissenschaftlichen Kreisen. So befand Prof. Walter Frenz (RWTH Aachen) bereits 2014 (Quelle):

Die Moratorien der Bundesländer gegen Fracking sind eindeutig rechtswidrig.

Zudem erläutert der Mitarbeiter die Wintershall nachvollziehbar, dass eine Grundwasserkontamination zum einen durch die geologischen Rahmenbedingungen, als auch durch technische Vorkehrungen (Mehrfachummantelung der Bohrung) ausgeschlossen werden kann. Immerhin wird eingestanden, dass der Stillstand beim „Fracking“ eine Konsequenz der Ängste und Bedenken vieler Bürger ist. Doch wer hat denn diese Ängste geschürt bzw. befeuert? Es waren doch vor allem die Massenmedien, die den Unsinn, der in „Gasland“ dargestellt wurde, über Jahre unkritisch verbreiteten, bis man es nach vier Jahren endlich einsah, dass man damit einen unverzeihlichen Fehler begangen hat (Öffentlich-rechtliche Sender wollen „Gasland“ nicht mehr ausstrahlen – Entscheidung kommt vier Jahre zu spät). Unverzeihlich deshalb, weil von Anfang an bekannt war, zumindest nach der ersten Ausstrahlung, dass der Filmemacher Josh Fox dreist gelogen hatte, was er 2011 öffentlich eingestehen musste (Gasland director hides full facts).

Selbstverständlich ist es vor diesem Hintergrund und dem Fakt, dass sich über Jahrzehnte kaum jemand dafür interessiert hat, dass Fracarbeiten durchgeführt werden nicht nachvollziehbar, dass aufgrund der Behauptungen eines überführten Scharlatans und Mitmenschen, die auf diesen reingefallen sind, einem nachweislich ohne Umweltkonsequenzen durchgeführten Verfahren politisch der Garaus gemacht wird.

Zum Abschluss des Films wird noch einmal in unverantwortlicher Weise dramatisiert, indem in einer Animation Bohranlage an Bohranlage gesetzt wird und dadurch das Landschaftsbild verschandelt wird. Denn für die Erschließung des Potenzials von 1.300 Milliarden Kubikmetern wären mit Berufung auf eine Studie des Umweltbundesamtes (UBA) bis zu 48.000 Bohrungen auf 9.300 km³ erforderlich. Das wären ca. 5 Bohrungen pro Quadratkilometer. Diese Umsetzung ist schon allein aufgrund raumordnerischer Rahmenbedingungen unrealistisch. Zudem ist vorgesehen, bis zu 20 Bohrungen auf einem Platz zusammenzufassen (Zukunftsweisende Konzepte der Erdgasproduktion in Deutschland Teil II). Ferner ist es überhaupt noch nicht klar, ob eine wirtschaftlich vertretbare Förderung der geschätzten Potenziale möglich ist. Schließlich wurde die aktive Erkundung politisch bedingt im Keim erstickt. All das verschweigt die Dokumentation „Risiko Fracking“!

8. Zusammenfassung zu „Risiko Fracking“

Risiko Fracking? Auch in dieser Bohrung wurde das Verfahren sicher durchgeführt.

Fracarbeiten in der Tightgasbohrung Leer Z5. Im Hintergrund: Abteufen der Bohrung Leer Z6. Quelle: Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V.

Der hier kritisch beleuchtete Film „Risiko Fracking“ hat an sich den Anspruch gestellt, eine „Wissenschaftsdokumentation“ zu sein. Leider konnte der an sich selbst gestellte Anspruch nur zu kleinen Anteilen erfüllt werden. Gründe für diese Einschätzung sind vielfältig und zum Beispiel darin zu sehen, dass Aussagen getätigt werden, die mittels einfacher Recherche auf Basis wissenschaftlicher Quellen simpel widerlegbar sind.

Bereits in der Einleitung unterliefen Kasten und seinen Mitarbeitern handwerkliche Fehler, die darauf hindeuten, dass einschlägige Quellen nicht betrachtet worden sind. Nicht anders ist es zu erklären, dass im Jahr 2000 Erdgas in Deutschland angeblich zu 100 Prozent aus Sandsteinen gewonnen wurde, obwohl ca. 40 Prozent dem Stassfurtkarbonat (Kalkstein) des Zechstein entstammten. Aber auch die Darstellung der Verbreitung potenzieller Schiefergaslagerstätten in Deutschkland entspricht nicht dem wissenschaftlichen Kenntnisstand. So wurden Gebiete dargestellt, in denen eine Schiefergasbildung nicht möglich ist und Regionen mit Lagerstättenpotenzial fehlten hingegen.

Darstellungen zur Schiefergaserkundung in Deutschland, die, noch in den Kinderschuhen steckend, 2011 aufgrund des Protestes von Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen, befeuert durch reißerische Medienbeiträge gestützt, eingestellt wurde, sind durch nachweisbare Falschaussagen, unbelegte Behauptungen und Spekulationen geprägt. Der aufmerksame und unvoreingenommene Zuschauer kann aber erkennen, dass der konsultierte Wissenschaftler Prof. Sauter potenzielle Risiken als unwahrscheinlich einschätzt.

Bezüglich des Impactes auf die Umwelt bzw. des landschaftsbildes ließen die Dokumentatoren Bilder sprechen. Wissenschaftler bzw. wissenschaftliche Quellen wurden zu den getätigten Äußerungen weder befragt noch zitiert. Einige der Darstellungen sind sicherlich nicht von der Hand zu weisen, stehen aber in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Anwendung der Fractechnologie und könnten beispielsweise auch bei der Produktion von Biogas oder der Gewinnung von Deponiegas auftreten.

Zu einem großen Teil widmet sich die Dokumentation dem Thema Erdbeben und stellt dabei heraus, dass zwar durch intensive Erdgasförderung aufgrund von Druckentlastung im Lagerstättenbereich Beben induziert werden können. Ein Zusammenhang, wenn auch nur ein indirekter, zwischen „Fracking“ und der Zunahme von Beben z.B. in Oklahoma wird zwar behauptet, aber nicht belegt. Das ist auch nicht möglich, da selbst der indirekte Zusammenhang, nämlich das die Versenkung von „Fracking“-Abwässern verantwortlich ist, von Studien des geologischen Staatsdienstes der USA (USGS) nicht gestützt wird. Hier haben sich Kasten und Kollegen offenbar auf Artikel von Kollegen berufen oder auf Aussagen von Umweltschutzorganisationen, nachweislich jedoch nicht auf wissenschaftliche Quellen, obwohl man das von einer „Wissenschaftsdoku“ erwarten sollte.

Zum Thema Fracfluide wird zwar zunächst ein ausgewiesener Fachmann, Prof. Mohammed Amro (TU Bergakademie Freiberg, siehe auch „Fracking? – Eine etablierte Standardtechnologie!“ bei den Kollegen des Science Skeptical Blogs) konsultiert. Er erklärt u.a. leicht verständlich, was die Aufgaben der Fracfluidzusätze sind. Doch die Entwicklung giftfreier Fracfluide wird in Frage gestellt und stattdessen die angebliche Gefährlichkeit der zurückgeförderten Flüssigkeit nach dem Fracvorgang in den Mittelpunkt gerückt. Dabei bleibt man in seinen Aussagen vage bzw. spekulativ, was nicht gerade als „wissenschaftlich“ bezeichnet werden kann.

Ähnlich verhält es sich mit potenziellen Risiken, was insbesondere die Reinheit von zur Trinkwassergewinnung geeignetem Grundwasser betrifft. Dazu geht es in die USA, genauer nach Pennsylvania ins Städtchen Dimock.  Es wird behauptet, dass dort „Fracking“ den Untergrund verschmutzt hätte. Leider wurde es wieder einmal versäumt, wissenschaftliche Belege dafür anzuführen. Stattdessen werden Filmaufnahmen gezeigt, die nach unserer Einschätzung bereits mehrere Jahre alt sein dürften und die, was das dort Dargesteöllte betreffend, inzwischen widerlegt sind.

Abschließend wird auf den seit nunmehr fast fünf Jahren anhaltenden Stillstand in Deutschland eingegangen, was Fracmaßnahmen insgesamt betrifft. Dabei war es zuvor über 50 Jahre (!) möglich, sowohl in Erdöl- als auch Erdgaslagerstätten zu fracen. Eine wissenschaftliche Begründung für das vermutlich rechtswidrige Moratorium existiert nicht. Verantwortlich dafür sind stattdessen engagierte Bürgerinitiativen, die erfolgreich Duck auf die Politik ausüben. Unterstützt werden diese, ob bewusst oder unbewusst, durch Beiträge wie dem hier diskutierten Film.

Bezogen auf diesen ist es bitter festzustelen, dass dieser wissenschaftliche Maßstäbe an sich anlegt, diese aber nur in geringem Umfang erfüllt. Die einleitende Frage, wem die „Fracking“-Technologie nützt und welche Risiken sie birgt, wurde lediglich zu geringen Teilen beantwortet. Zwar wurde erwähnt, dass durch die Anwendung des Verfahrens bislang nicht erschließbare Kohlenwasserstoffvorkommen produziert werden können, was zu Preissenkungen führte, was wiederum bedeutet, dass der Verbraucher Vorteile hat.

Aber was die unterstellten Risiken betrifft, mussten die die Filmemacher um Felix Kasten zugeben, dass diese quasi nicht existieren. Denn anstatt diese konkret zu bennen, wichen die Produzenten auf andere Bereiche aus, die zwar im Zusammenhang mit der Erdgasgewinnung stehen, aber kein Alleinstellungsmerkmal, wenn überhaupt, der Anwendung des Fracverfahrens sind. Genaugenommen hat der Film unbewusst eingestanden, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit der unterstellten Risiken sehr gering ist.

Artikelfoto: Bohrlochabschluss (Eruptionskreuz) der Erdgasbohrung „Düste Z10“ bei Barnstorf ©sukrams