Fünfzig Jahre Ölförderung auf Usedom

Sinnbild für 50 Jahre Ölförderung auf Usedom

In Vorpommern wurde 1961 in unmittelbarer Nähe des kleinen Dorfes Reinkenhagen eine Bohrung zur Erkundung von Erdöllagerstätten auf dem Gebiet der DDR erstmalig fündig. Es schloss sich eine intensive Explorationstätigkeit auf der als „Grimmener Wall“ bezeichneten, herzynisch streichenden Zechsteinstruktur, die sich vom Fischland bis nach Usedom erstreckt, an. Am 15.11.1965 kam die erste Explorationsbohrung auf der Suche nach Erdöl auf der Ostseeinsel Usedom ölfündig ein. Sie trug nach DDR-Nomenklatur die Bezeichnung „E Görmitz 1/65“ und bildete den Auftakt einer bis heute anhaltenden 50-jährigen Ölförderung auf Usedom.

Die mittlerweile aufgegeben und verfüllte Bohrung war eine der ergiebigsten der als „Lütow“ bezeichneten Lagerstätte. Dies ist ziemlich sicher auf die zentrale Lage im Förderfeld und damit verbundene beste Speicher- und Zuflussbedingungen zurückzuführen. Die Bohrung bildete die Grundlage intensiver Bohrtätigkeit zwischen 1966 und 1970 auf der Struktur Lütow. Von den 31 Explorations- und Produktionsbohrungen wurden schließlich 21 fündig. Zunächst trug die Lagerstätte die Bezeichnung „Görmitz“ nach einer kleinen Insel im Achterwasser, wurde kurz darauf jedoch nach einer nahegelegenen Ortschaft in „Lütow“ umbenannt, da geographische Gegebenheiten wie Flüsse, Seen, Inseln etc. als Namensgeber nicht zulässig waren.

Testarbeiten auf der Bohrung "E Görmitz 1" - Die lodernde Fackel belegt die Fündigkeit. Bildquelle: "Schatzsucher - Eine Chronik des Grimmener Erdölbetriebes"

Testarbeiten auf der Bohrung „E Görmitz 1“ – Die lodernde Fackel belegt die Fündigkeit.
Bildquelle: „Schatzsucher – Eine Chronik des Grimmener Erdölbetriebes“

Die regelmäßige Förderung aus der Lagerstätte begann nach Angaben des heutigen Betreibers ENGIE am 20. März 1966 (Förderjubiläum auf Usedom). Bereits 1970 erreichte die Förderung aus dem Feld Lütow mit 220.000 Tonnen den Höchststand. Anschließend fiel die Förderung rapide ab und erreichte 1974 mit knapp 40.000 Jahrestonnen weniger als ein Fünftel des wenige Jahre zuvor erreichten Fördermaximums.

Sehr wahrscheinlich ist der vermutlich lagerstättenschädigende Förderverlauf der Philosophie der DDR-Führung geschuldet, dass das Erdöl für die Volkswirtschaft „heute“ und nicht erst „morgen“ gebraucht würde. Man hoffte, weitere Lagerstätten in der Größenordnung von Lütow aufschließen zu können. Diese Hoffnung erfüllte sich jedoch nicht. „Lütow“ blieb trotz intensiver Erkundung die einzige Lagerstätte auf dem Gebiet der DDR, aus der mehr als 1 Millionen Tonnen Erdöl gefördert werden konnten. Bis heute summierte sich die kumulative Förderleistung auf nahezu 1,35 Millionen Tonnen (Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2014).

Der Lage der Lagerstätte geschuldet ergab sich für die Ölförderung auf Usedom bzw. für den Abtransport des gewonnen Rohstoffs eine Besonderheit: Im Gegensatz zu heute existierte vor 50 Jahren keine Schienenanbindung zum Festland. Ein Transport mittels Eisenbahnkesselwagen, wie er beispielsweise aus Reinkenhagen erfolgte, war somit keine Option. Aber auch der Transport über die Straße war aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Schließlich wurden Anfangs bis zu 1.000 Tonnen Erdöl pro Tag produziert. Diese Menge entspricht etwa 40 bis 50 Tanklastwagenladungen heutiger Größe. Vor 50 Jahren wären es bei Kapazitäten von 9 m³ je LKW ungefähr 100 Transporte pro Tag gewesen.

Somit musste eine alternative Lösung gefunden werden. Diese bestand darin, im Hafen des Örtchens Netzelkow einen Verladesteg für Tankschiffe der Deutschen Binnenreederei zu errichten. Diese transportierten das Rohöl nach Anklam an der Peene, wo es in Kesselwagen der Deutschen Reichsbahn umgeladen wurde. Von dort aus erfolgte der Weitertransport in das Petrolchemische Kombinat Schwedt (PCK). Kurioserweise hatte das an der Oder gelegene PCK keine Entlademöglichkeit für Tankschiffe.

Entsprechend der heutigen „No Flaring“-Prämisse, nach der kein oder zumindest nur wenig des bei der Erdölgewinnung anfallenden Erdölbegleitgases nutzlos verbrannt wird, wurde das mitproduzierte Gas seit 1967 vollumfänglich volkswirtschaftlich genutzt. Zunächst wurde das Kraftwerk in Peenemünde an eine Pipeline angeschlossen. Zwischen 1981 und 1986 erhielten weitere Betriebe Anschluss an das Gasversorgungsnetz aus der Lagerstätte Lütow. Damit hatte die Ölförderung auf Usedom einen positiven Nebeneffekt für die an Rohstoffknappheit leidende DDR. Das Begleitgas hat immerhin einen Methangehalt von etwa 75 Prozent und somit ergheblich mehr als so manches Erdgas aus reinen Erdgaslagerstätten.

Erdölförderbohrung auf Usedom ©chef79

Wie bereits weiter oben erwähnt, wird auch heute noch Ölförderung auf Usedom aus der Lagerstätte „Lütow“ betrieben. Nach Angaben des Jahresberichtes Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2014 waren es im Berichtsjahr noch knapp 3.300 Tonnen, die aus drei Bohrungen gewonnen werden konnten. Daneben konnten ca. 290.000 m³ Erdölbegleitgas abgeschieden werden, die nach Angaben von ENGIE in einem Blockheizkraftwerk vor Ort verstromt werden. Insgesamt erbrachte die Lagerstätte bislang etwa 1,35 Mio. Tonnen Erdöl und über 645 Mio. m³ Erdölbegleitgas.

Eine signifikante Erhöhung dieser Mengen ist nicht zu erwarten, da die Lagerstätte unter Anwendung heute verfügbarer Techniken als nahezu ausgefördert gilt. Immerhin konnten somit nahezu 1/3 des in der Lagerstätte vorhandenen Erdöls ausgebracht werden. Versuche, mittels Süßwasserflutens die Ausbeute zu steigern, scheiterten bereits in den 1960er Jahren. Aufwand und Nutzen standen in keinerlei vertretbarem Verhältnis.

Neben „Lütow“ gab es weitere Aufschlussversuche von Erdöllagerstättenauf Usedom. Diese waren jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Aus dem Vorkommen „Bansin“ konnten in den 1980er Jahren lediglich 189 Tonnen Erdöl gefördert werden. Aufschlussaktivitäten der Central European Petroleum GmbH (CEP) im Umfeld der vorbezeichneten Lagerstätten konnten zwar Erdöl nachweisen, jedoch nicht im erhofften Umfang, der eine wirtschaftliche Förderung über mehrere Jahre gerechtfertigt hätte (http://www.cepetro.de/aktivitaeten.html). Mit diesen Misserfolgen dürfte das Ende der Ölförderung auf Usedom in naher Zukunft besiegelt sein.

Wirtschaftliches Potenzial hat jedoch die Erdgaslagerstätte Heringsdorf, die ebenfalls bereits zu DDR-Zeiten aufgeschlossen worden ist. Während die seinerzeitige Erschließung aufgrund des Mangels an geeignetem Material scheiterte, ist nachwendezeitlich eine Umsetzung trotz äußerst innovativer Ideen aufgrund von Bürgerprotesten gescheitert. Gegenwärtig unternimmt der Inhaber ENGIE einen weiteren Anlauf mit einem neuen Erschließungskonzept.

Sofern nicht anders angegeben, entstammen die Inhalte dem Buch „Schatzsucher – Eine Chronik des Grimmener Erdölbetriebes“

Artikelfoto: Erdölförderbohrung im Feld Lütow ©chef79