NOZ mit neuer Fracking-Definition

Am 02.03.2017 fand das Pressegespräch des Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V. (BVEG) statt. Hierbei handelt es sich um die Interessenvereinigung der heimischen Erdöl- und Erdgaswirtschaft. Über das Pressegespräch berichtet auch die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ). Diese wartete vor wenigen Wochen bereits mit Fake-News zur Erdöl- und Erdgasförderung in Nordwestdeutschland auf (Wir berichteten). Und auch dieses Mal bleibt man nicht einfach beim Faktischen, sondern wartet gar mit einer neuen Fracking-Definition auf.

Nicht die erste eigenwillige Fracking-Definition in der Medienlandschaft

Bohrung Düste Z10 zur Erkundung von Erdgas in wenig durchlässigen, nur mit Fracmaßnahmen zu erschließenden Sandsteinen des Karbon, März 2012. Quelle: Steven Arndt

Seit die Debatte rund ums Hydraulic Fracturing in Deutschland um 2011 nach fünfzigjähriger Anwendung aufkam, gab es die teils abenteuerlichsten Definitionen in der deutschen Medienlandschaft bezüglich dieser Standardtechnik zu lesen. Die wohl gängigste ist, dass beim umgangssprachlich zu „Fracking“ verballhornten Verfahren ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden/ins Erdreich gepresst würde, um Gas zu lösen. Teilweise wird die Technik auch auf Erdgasfördermethode/Erdgasgewinnung mit Chemie oder ähnlichem reduziert.

In jüngerer Zeit wird zudem zwischen angeblich „konventionellem“ und „unkonventionellem“ Fracking unterschieden. Absurd abenteuerliche Erklärungsversuche gibt es dazu beim NDR zu lesen, wie z.B. in diesem recht aktuellen Artikel (mit vielsagender Schlagzeile): Firmen wollen wieder fracken: Kritiker entsetzt Man beachte das blaue Textfeld neben dem eigentlichen Artikel.

Auf ähnlich niedrigem Niveau wie die NDR/ARD Erklärungsversuche bewegt sich die Fracking-Definition der NOZ. Dabei werden sogar neue Parameter eingeführt.

Beim unkonventionellen Fracking wird Gestein mit Wasserdruck und chemischen Substanzen in ökologisch und in Sachen Grundwasserschutz sensibleren Gesteinsschichten aufgebrochen als beim konventionellen Fracking – beispielsweise in Schiefergestein.

Zunächst einmal wird beim Hydraulic Fracturing Gestein generell durch hydraulischen Druck aufgebrochen, was aus dem Begriff selbstdefinierend hervorgeht. Drucküberträger muss dabei aber nicht zwingend Wasser oder ein auf Wasser basierendes Fluid sein. Beim Fracen in Schiefergaslagerstätten stellt Wasser jedoch mit einem Anteil von 99,8 Prozent den Löwenanteil des Fracfluids dar. Den Rest machen die „chemischen Substanzen“ aus. „Chemisch“ ist dabei weder mit umweltgefährdend oder gar giftig gleichzusetzen, wie es offenbar weitverbreitet von Mitbürgern verstanden wird.

Die interessantesten Punkte sind jedoch die, dass beim vermeintlich „unkonventionellen Fracking“ sensiblere Gesteinschichten bezüglich Ökologie und Grundwasserschutz aufgebrochen werden.

Ebenso wie wenig durchlässige Sandsteinschichten, in denen in Deutschland bislang nahezu ausschließlich gefract wurde, sind auch die potenziellen Schiefergaslagerstätten vom Ökosystem und von nutzbaren, süßwasserführenden Grundwasserleitern entkoppelt. Der am simpelsten verständliche Nachweis dafür ist, dass einerseits in den Speichern abbauwürdige Kohlenwasserstofflagerstätten enthalten sind und andererseits das Süßwasser von darunterbefindlichen Salzwasserleitern absolut unbeeinflusst ist.

Wie der Autor zu seiner Einschätzung kommt, bleibt offen und der fachlich Bewanderte reibt sich aufgrund dieser eigenwilligen Fracking-Definition mehr als zuvor verwundert und erschrocken die Augen.

Weitere eigenwillige Einschätzungen im NOZ-Artikel

Erdgasbohrung wird einer Fracmaßnahme unterzogen („Goldenstedt Z23“)
Quelle: WEG Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V., heute BVEG

Weiterhin heißt es im neuen Artikel, dass mit dem neuen „Fracking“-Gesetz mit Inkrafttreten im Februar 2017 „pro Jahr vier solcher Bohrungen zu Forschungszwecken“ erlaubt wären. Das ist insofern mehrfach falsch!

Zunächst gibt es kein „Fracking“-Gesetz, auch wenn dies landauf-landab zu lesen und zu hören ist. Tatsächlich wurde ein „Regelungspaket Fracking“ verabschiedet, welches Änderungen verschiedener Gesetze beinhaltet. Diese Gestzesändenderungen, insbesondere das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) betreffend, hatten zum Ziel, die Erkundung und vor allem die Gewinnung von Erdgas aus Tongesteinen und Kohleflözen unter Anwendung der Fractechnik zu verunmöglichen.

Als besonders hohe, mit Stacheldraht und tiefem Wassergraben umwehrte Hürde wurden dabei die erwähnten vier Bohrungen in die Gesetzesänderungen implementiert. Es sollen jedoch nicht pro Jahr vier möglich sein, sondern bis 2021 insgesamt vier. Davon zwei in potenziellen Schiefergaslagerstätten und zwei in Kohleflözen. Die Genehmigung dieser Bohrungen falle unter Ländervorbehalt. Sämtliche Länder mit entsprechenden Potenzialen haben bereits ihre Ablehnung bekannt gegeben. Siehe hierzu u.a. Stellungnahme des Bundesumweltministeriums: Hendricks begrüßt Einigung der Koalitionsfraktionen zum Fracking Gesetz

Nach neuer Gesetzgebung kann aber erst 2021 anhand von Forschungsergebnissen darüber entschieden werden, ob eine kommerzielle Gewinnung aus den betroffenen Lagerstättentypen genehmigungfähig ist. Doch da die Forschung aufgrund der bewusst implementierten Verhinderungsmaßnahmen nicht möglich sein wird, werden in logischer Konsequenz entsprechende Forschungsergebnisse ausbleiben und eine Neubewertung unmöglich sein. Wie in diesem Zusammenhang Bürgerinitiativen, BUND, NABU und Co. sowie Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen in trauter wissenschaftsfeindlicher Eintracht darauf kommen, die unbegründeten Verbote in ein „Fracking-Erlaubnisgesetz“ umzuinterpretieren, bleibt deren Geheimnis.

Ferner schreibt die NOZ bzw. deren Redakteur:

Fracking gilt auch als Ursache kleinerer Erdbeben in Niedersachsen.

Nein, gilt es definitiv nicht! Als Ursache gilt die Druckentlastung in Speichergesteinen infolge der Erdgasförderung und nicht etwa das Hydraulic Fracturing. Das wird in jedem Bericht zur Auswertung der jeweiligen seismischen Ereignisse deutlich herausgestellt. Offenbar hat der NOZ-Autor auch hier nicht ausreichend tiefgründig recherchiert. Exemplarisch als Beleg folgende Pressemitteilung der zuständigen Behörden: Erdbeben im Landkreis Verden vom 22. April 2016: LBEG und BGR veröffentlichen Kurzbericht – Informationsveranstaltung am 1. Februar in Langwedel

Artikelfoto: Als noch unvoreingenommen und gesetzeskonform nach potenziellen Schiefergaslagerstätten in Deutschland gesucht werden durfte: Bohrung Damme 2 (2008), ©sukrams