Verfüllungen und Rekultivierungen statt neuer Erdgasbohrungen

Im Jahr 1996 erreichte die inländische Förderung von Erdgas mit über 23 Milliarden Kubikmetern ihren Höhepunkt. Dieses Niveau konnte über acht Jahre hinweg gehalten werden. Aufgrund ausbleibender signifikanter Neufunde, einhergehend mit der natürlichen Erschöpfung der produktiven Lagerstätten endete die Plateauphase. Ein deutlicher Abschwung der heimischen Produktion setzte ein. Um diesem entgegenzuwirken, sind seitens der Förderunternehmen Erdgasbohrungen, konkreter Erkundungsbohrungen auf vermutete unkonventionelle Erdgasvorkommen seit 2008 vorgenommen worden.

Ab 2008 neue Erdgasbohrungen auf vermutete unkonventionelle Lagerstätten

Erdgasbohrung Düste Z10, März 2012. © Steven Arndt

Vorreiter war seinerzeit die ExxonMobil Deutschland GmbH (EMPG), welche im genannten Jahr in Niedersachsen die Bohrungen Damme 2 und Damme 3 sowie im nordrhein-westfälischen Münsterland die Bohrung Oppenwehe 1 abteufte. In den beiden darauffolgenden Jahren sind weitere Bohrungen zur Erkundung des Erdgaspotenzials in Tongesteinen mit hohem organischen Kohlenstoffgehalt („Schiefergas“) sowie Kohleflözen des Oberkarbons vorgenommen worden (Jahresberichte „Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland“). Weitere Vorhaben waren für die folgenden Jahre geplant.

Diese wurden jedoch infolge des der Unwahrheit überführten Filmes „Gasland“ und auf Druck von Bürgerinitiativen (BI), Umweltverbänden im Zusammenwirken mit wohlgesonnenen Journalisten politisch gestoppt. Hintergrund waren und sind bis heute unbewiesene Unterstellungen, dass durch Anwendung des Hydraulic Fracturing, umgangssprachlich als „Fracking“ bekannt, Umweltverschmutzung, insbesondere das Grundwasser betreffend, unvermeidbar und irreversibel wären.

Dabei ist den den BI auf den Leim gegangenen, ja gar sekundierenden Journalisten entgangen, dass das hydraulische Fracverfahren in Deutschland eine lange Tradition hat, insbesondere in Erdgasbohrungen. So wurde die erste Fracmaßnahme zur Ermöglichung einer wirtschaftlichen Förderung bereits 1961 in der Bohrung Rehden 15 (Landkreis Diepholz) durchgeführt (Siehe Artikel). Doch wen interessieren schon Fakten?

Konsequenz einer breit angelegten Desinformationskampagne aus BI und teilweise mit ihnen eng kooperierenden gleichgesinnten Journalisten war die Einstellung von Fracmaßnahmen im Jahr 2011. Betroffen waren auch Lagerstättentypen, in welchen zuvor über 50 Jahre erfolgreich entsprechende Stimulationsarbeiten durchgeführt worden sind. Dementsprechend wurde die letzte Fracmaßnahme in einer deutschen Erdgaslagerstätte am 21.07.2011, also vor nunmehr ziemlich exakt sechs Jahren, in der Bohrung Buchhorst T12 (Landkreis Diepholz) vorgenommen. Verantwortlich dafür zeichnete sich die EMPG.

Anstehende geplante Fracmaßnahmen konnten trotz unveränderter Gesetzeslage nicht durchgeführt werden. Die Politik hatte die Genehmigungsbehörden in einem unglaublichen Akt von Willkür angewiesen, entsprechende Anträge nicht mehr zu genehmigen. Das muss man sich vergegenwärtigen: Auf Druck einer kleinen lautstarken Minderheit und infolge einer konzertierten medialen Desinformation verboten politische Entscheidungsträger die Genehmigung eines zuvor 50 Jahre mehrere 100 Male und dabei ohne nachweisbare Umweltprobleme durchgeführten Verfahrens. Die Zahlen beziehen sich hierbei ausschließlich auf Niedersachsen.

Heimische Erdgasproduktion mit medialer Skandalisierung konfrontiert

Erdgasbohrung „Buchhorst T12“ ein Dreivierteljahr nach Fracmaßnahme im Juli 2011. © Steven Arndt

Betroffen waren jedoch nicht nur Fracmaßnahmen, sondern die Erdgasproduktion als solche. Kleinere Vorfälle wurden zu Umweltskandalen aufgebauscht. Begonnen hat das Ganze mit einer „Reportage“ im NDR-Format „Markt“, in der eine nicht zu übersehene und völlig normale Sanierungsmaßnahme skandalisiert und der Betreiberfirma, wiederum der EMPG, Vertuschung vorgeworfen wurde. Es folgten diverse solcher Sendungen.

Das hatte wiederum Konsequenzen: Fast überall dort, wo neue Erdgasbohrungen vorgesehen waren, gingen, angestachelt von diesen Skandalisierungsberichten sowie von sich als „Experten“ gerierenden  BI-Vertretern aus Nachbarorten, Mitbürger auf die Barrikaden bzw. schlossen sich selbst in neugegründeten BI zusammen. In der Folge konnten die Unternehmen keine Pachtverträge für Bohrplätze mehr abschließen. Dabei handelten die potenziellen Verpächter eventuell aus freien Stücken. Der Verfasser möchte jedoch nicht ausschließen, dass der Verzicht nicht freiwillig geschah, sondern dem Druck von BI-Vertretern klein beigegeben wurde. In kleinen dörflichen Gemeinschaften wird man eben schnell ausgegrenzt, wenn man aus der Reihe tanzt.

Somit ging die Anzahl neuer Erdgasbohrungen trotz vorhandener bedeutender Potenziale seit 2011 permanent zurück. Insbesondere waren Lagerstättentypen betroffen, in denen Fracmaßnahmen für eine wirtschaftliche Produktion zwingend bzw. sehr wahrscheinlich erforderlich sind. Die Erkundung mittels Bohrungen unkonventioneller Lagerstätten kam nach 2011 völlig zum Erliegen. Aber auch in anderen Lagerstättentypen reduzierten sich die Bohraktivitäten trotz in der Schublade liegender Pläne dort, wo BI besonders agil auftraten. Dank moderner Bohrtechnik war es jedoch möglich, aus bestehenden Bohrlöchern Ablenkungen auf unerschlossene Lagerstättenbereiche abzuteufen und somit die Akquirierung neuer Flächen zu vermeiden.

Es ist wenig verwunderlich, dass aufgrund der beschriebenen Ereignisse der letzten Jahre im vergangenen Jahr 2016 lediglich eine einzige Bohrung zur Erschließung von Erdgas von einem neuen Platz aus niedergebracht worden ist. Es handelt sich hiebei um die Bohrung Päpsen Z2 im Erdgasfeld „Staffhorst-Nord/Päpsen“, welches von der Wintershall Holding GmbH (WIHO) betrieben wird. Dabei anzumerken ist, dass diese Bohrung sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Päpsen Z1 befindet, in diesem Fall auf der gegenüberliegenden Seite des Zufahrtsweges. Die Straße, die zu den Bohrungen führt heißt übrigens, und das ist kein Scherz, „Gasstraße“. Neben der Päpsen Z2 gab es mit der DEA-Bohrung Völkersen Z8a lediglich eine weitere Erdgasbohrung, die im Jahr 2016 abgeschlossen wurde. Wie das nachgestellte „a“ verrät, handelte es sich hierbei jedoch um eine Ablenkung aus einem bestehenden Bohrloch heraus. Immerhin konnten beide 2016 abgeschlossenen Erdgasbohrungen fündig gemeldet werden.

Kaum neue Erdgasbohrungen 2017

Verfüllung der unproduktiven Erdgasbohrung Mühlhausen 4 aus dem Jahr 1934. Im Vordergrund die Mühlhausen 2 aus dem Jahr 1932. Mai 2016. © Steven Arndt

Der seit 2011 zu beobachtende rückläufige Trend inländischer Erdgasbohrungen wird sich auch im laufenden Jahr fortsetzen. Das ist einerseits der Tatsache geschuldet, dass mit Wirksamwerden des sogenannten, unmittelbar vor der parlamentarischen Sommerpause 2016 durchgepeitschten „Fracking-Gesetzespaket“ die Erkundung von unkonventionellen Lagerstätten nunmehr quasi verunmöglicht wurde. Hinzu kommt, dass die Genehmigungsverfahren für sonstige Erdgasprojekte mit hohen Hürden versehen worden sind und ohne nachvollziehbaren Grund weite Bereiche mit einem Bohrverbot belegt worden sind. Wie vor diesem Hintergrund BI, Umweltverbände sowie Bündnis90/Die Grünen und Die Linke in bester Propaganda-Manier diese Paket gar noch als „Fracking-Erlaubnis-Gesetz“ bezeichnen können, ist einzig und allein mit absolutem Realitätsverlust sowie damit einhergehender Selbstüberhöhung /notorischer Rechthaberei zu erklären.

Fakt ist: Auch 2017 wird es kaum neue Erdgasbohrungen geben. Gegenwärtig wird die „Völkersen-Nord Z6a“ durch die DEA abgeteuft, worauf die „Völkersen-Nord Z4b“ folgen wird. Ansonsten sind dem Verfasser keine weiteren konkreten Pläne bekannt. Dabei gäbe es im Inland genug Potenzial für zahlreiche weitere Erdgasbohrungen. Doch anstatt heimische Vorkommen zu nutzen verlässt man sich auf Importe. Diese erfolgen teilweise über 1.000e Kilometer Entfernung mit dabei einhergehenden energetischen Transportverlusten. Doch das interessiert die angeblich um Umwelt- und Klimaschutz besorgten Mitmenschen in BI, Umweltverbänden und den genannten Parteien nicht. Es gilt das Motto: „Nicht vor meiner Haustür!“ sowie die reine Klimaschutzweste, in dem man auf die Gewinnung von fossilen Rohstoffen im Inland verzichtet, diese mangels Alternativen jedoch zum Teil um den halben Erdball heranschafft.

Verfüllungen von Erdgasbohrungen logische Konsequenz

Päpsen Z2 und Päpsen Z1.

Erdgasbohrungen Päpsen Z2 und Päpsen Z1. Februar 2016. © Steven Arndt

Gegenwärtig dominieren neben Wartungs-, Instandhaltungs sowie Instandsetzungsarbeiten Meldungen über Verfüllungen von Erdgasbohrungen die Pressemitteilungen der Unternehmen.

Bereits am 26. Juni 2017 meldete die WIHO, die vor 4 Jahren abgeteufte Bohrung Barrien 15T zu verfüllen. Aufgurnd schwieriger geologischer Gegebenheiten konnte seinerzeit die Bohrung nicht in Förderung genommen werden. Aus der Erinnerung des Verfassers heraus wurden im Anschluss Überlegungen angestellt, die Bohrung abzulenken, um dennoch eine Fündigkeit zu erzielen. Diese Überlegungen wurden nun offensichtlich verworfen, so dass die Bohrung endgültig aufgegeben und verfüllt wird.

Nur wenige Tage später, am 30.06.2017 gab ebenfalls die WIHO bekannt, die unmittelbar am westlichen Ortsrand von Emlichheim gelegene Bohrung Emlichheim Z4A, in der Mitteilung fälschlicherweise mit kleinem „a“ versehen, verfüllen zu wollen. Warum fälschlicherweise? Nun, kleine Buchstaben stehen für Ablenkungen aus bestehenden Bohrungen heraus. Großbuchstaben werden jedoch für Neuansetzungen abseits des ursprünglichen Ansatzspunktes verwendet, was hier der Fall ist. Die Bohrung wurde bereits 1958 abgeteuft und förderte bis 2016 insgesamt 894 Millionen Kubikmeter Erdgas. Zum Vergleich. Ein Durchschnittshaushalt mit Erdgasheizung benötig ca. 4.000 m³ pro Jahr.

Am 17. Juli gab die EMPG bekannt, dass im August 2017 die Bohrung Walsrode Z6 verfüllt werden soll. Diese sich auf einem Clusterplatz, also einer mehrere Bohrungen umfassende Lokation, nordwestlich der Stadt Walsrode befindliche Bohrung wurde 1994/1995 abgeteuft. Wieviel Erdgas dieser Bohrung entnommen wurde, gibt das Unternehmen in der Mitteilung nicht an.

In einer weiteren Mitteilung vom selben Tage meldet die EMPG, den Platz der bereits verfüllten Bohrung Siedenburg Z8 rekultivieren zu wollen. Die Bohrung wurde bereits 1971 durch die damalige BEB Erdgas-Erdöl GmbH niedergebracht und produzierte bis zur Aufgabe nach Unternehmensangaben beachtliche 4,4 Milliarden Kubikmeter.

Gleich 4 Bohrungen will ENGIE E&P Deutschland GmbH (ENGIE) in der Grafschaft Bentheim verfüllen. Das geht aus einer Meldung vom 17.07.2017 hervor. Es handelt sich hierbei um die Bohrungen Gildehaus Z2, Esche Z3, Adorf Z4 sowie Norddeutschland 5.

Die Gildehaus Z2 befindet sich ca. 4,5 km südlich der Ortschaft Gildehaus und nur etwa 50 Meter von der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen entfernt. Laut NIBIS-Kartenserver wurde sie von November 1982 bis März 1983 auf das Westfal C des Oberkarbon niedergebracht und konnte keine Fündigkeit erzielen.

Die Bohrung Esche Z3 wurde bereits von Oktober 1963 bis April 1964 ebenfalls auf das Westfal C des Oberkarbon abgeteuft und war fündig. Die Erdgaslagerstätte wurde bereits 1995 aufgegeben.

Auch mit der Bohrung Adorf Z4, heute inmitten eines Torfabbaugebietes gelegen, konnte eine Fündigkeit erzielt werden. Endhorizont der zwischen Dezember 1956 und Juli 1957 erstellten Bohrung war laut NIBIS-Kartenserver der Werra-Anhydrit des Zechsteins. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass das Stassfurtkarbonat den Förderhorizont darstellt. Laut dem Verfasser vorliegenden Bildmaterials befindet sich die Bohrung bereits seit vielen Jahren nicht mehr in Produktion.

Schließlich soll noch die Bohrung Norddeutschland 5 verfüllt werden. Sie befindet sich ca. 3 km nordwestlich von Gildehaus und war fündig. Diese Bohrung wurde von September 1954 bis Mai 1955 durchgeführt und erschloss gasführende Erdgasspeichergesteine im Zechstein im Bereich der Lagerstätte Bentheim. Die Lagerstätte wurde bereits 1938 mit der Bohrung Norddeutschland 1 bei der Suche nach Erdölvorkommen entdeckt. Die Lagerstätte selbst ist bis heute produktiv, wenn auch nur auf niedrigem Niveau. Bereits 2015 war die Norddeutschland 5 nach eigener Beobachtung nicht mehr produktiv und das augenscheinlich schon seit einigen Jahren.

Abschließend sei anzumerken, dass die Verfüllungen logische Konsequenz der Erschöpfung bekannter Lagerstätten sind. Dass sie jedoch gegenwärtig einen wesentlichen Teil der Arbeit der Förderunternehmen darstellen, hat nach Ansicht des Verfassers politische Gründe. Denn aufgrund des nach wie vor vorhandenen hohen Bedarfs an Erdgas wäre es auch aus Sicht des Umweltschutzes sinnvoller, die einheimischen Potenziale zu nutzen anstatt Erdgas über tausende Kilometer aus Sibirien oder künftig auch aus Katar zu importieren.

 

Artikelfoto: Erdgasbohrung Barrien 15T während der Bohrarbeiten im Sommer 2013. © Steven Arndt