Erdgasspeicher Etzel – Bürgerinitiative und NDR-Markt erneut in einem Boot

Erdgasspeicher Etzel

Auf unserem Blog befassen wir uns hauptsächlich mit der Erkundung und Produktion von Erdöl und Erdgas in Deutschland. Eine untergeordnete Rolle spielt hingegen die untertägige Speicherung dieser Rohstoffe. Doch ein tendenziöser Beitrag im NDR-Magazin „Markt“ vom 09.04.2018 gibt Anlass, sich nach langer Zeit auch wieder einmal mit diesem Thema zu befassen. Gegenstand des NDR-Beitrages, verantwortet von einer bekannten zur Dramatisierung und Skandalisierung neigenden Autorin, welcher im Folgenden kritisch kommentiert wird, ist der Erdgasspeicher Etzel in Ostfriesland.

Erdgasspeicher Etzel – Einige Eckdaten

Kavernenanlage in Etzel. Quelle: BVEG – Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V.

Strenggenommen handelt es sich bei den Speicheranlagen in Etzel nicht um einen reinen Erdgasspeicher. Stattdessen fußt die Anlage von Speicherkavernen auf einer Selbstverpflichtung der Bundesrepublik Deutschland von 1970, eine Bundesrohölreserve anzulegen. Diese Selbstverpflichtung erfolgte demnach bereits vor den Ölkrisen 1973 und 1979. Ab 1973 wurden 33 Kavernen in einem Salzstock angelegt, in denen 10 Millionen Tonnen Roherdöl gespeichert werden konnten (Wikipedia).

Ende der 1980er Jahre wurden bis 1992 neun Kavernen zur Speicherung von Erdgas umgerüstet und 1993 in Betrieb genommen. Von diesem Zeitpunkt an erfolgte die schrittweise Erweiterung der Anlage (Wikipedia). Mit Stand vom 31.12.2016 stellt sich die Situation wie folgt dar:

Es sind 24 Kavernen zur Speicherung von Rohöl und Mineralölprodukten vorhanden sowie 48 für die Speicherung von Erdgas. In diesen 48 Hohlräumen im Salz können 4,2 Milliarden Kubikmeter Arbeitsgas (gespeichertes nutzbares Erdgas) gelagert werden. Weitere 26 Erdgaskavernen befinden sich in Planung oder Bau. Diese haben ein Gesamtvolumen von 3,3 Milliarden Kubikmetern Erdgas, wobei hier keine Trennung von nutzbarem Arbeitsgas und zur Druckerhaltung erforderlichen Kissengases erfolgt (Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2016).

Angst als Aufhänger des NDR-Beitrages

Kavernenanlage in Etzel. Quelle: BVEG – Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V.

Leider ist es über die Jahre in Mode gekommen, in Formaten wie dem Wirtschafts- und Verbrauchermagazin „Markt“ nicht einfach sachlich und neutral zu informieren, sondern möglichst zu dramatisieren und skandalisieren. Besorgte Mitbürger auf der einen sowie Behörden und/oder Unternehmen auf der anderen Seite sind dabei oft die Gegenspieler. So verhält es sich auch im Beitrag zum Erdgasspeicher Etzel.

Zunächst werden teils absurde Vergleiche angestellt, um die Angst der Anwohner als berechtigt darzustellen. In mindestens 2 von 3 Fällen handelt es sich um Mitglieder der lokalen Bürgerinitiative (BI) , die gegen die Speicheranlage opponieren, aber das wird, wie üblich, vom NDR verschwiegen. Selbst vor Unwahrheiten schreckt die Autorin Alexa Höber nicht zurück. So wird behauptet, dass bei einer Explosion auf dem Erdgasspeicher Berlin vor 14 Jahren (!) zwei Personen ums Leben kamen. Tatsächlich erlitten drei Arbeiter schwere Brandverletzungen, kamen jedoch mit dem Leben davon (z.B. Schwere Explosion an Berliner Gasspeicher). Die beiden anderen dargestellten Unfälle haben mit Erdgasspeicherung rein gar nichts zu tun und sind somit als absurde Vergleiche zu bewerten.

Worst-Case-Szenario ohne Einordnung

Autorin Alexa Höber, hier Screenshot aus NDR-„Markt“-Beitrag aus 2011 über die angebliche Vertuschung eines „Umweltskandals“ im Erdgasfeld Söhlingen

Um die Ängste weiter zu begründen, wird unterstellt, dass die Sicherheitsabstände der Speicheranlagen zur Wohnbebauung zu gering seien. Wie groß der Sicherheitsabstand sein muss, wird dem Zuschauer vorenthalten. Auch dieses Vorgehen ist hinsichtlich solcher Formate bekannt. Es wird irgendetwas behauptet, ohne konkret zu werden. Ferner wird behauptet, dass nach einem Szenario der Industrie im allerschlimmsten Fall Anwohner gefährdet wären. Um das zu belegen, wird, abermals unkonkret bleibend, in einer Grafik ein Schlagkreis um eine Bohrung gezogen, welcher Wohngebäude abdeckt. Ob die Darstellung auf topographischen Fakten beruht oder der Phantasie entsprungen ist (der NDR kennt sich damit aus, siehe Auslassen und Dramatisieren – Der NDR über angebliche Folgen der Erdöl- und Erdgasgewinnung in Norddeutschland II), lässt sich nicht feststellen.

Beim diskutierten Worst-Case-Szenario handelt es sich um einen Casing-Blowout. Das heißt, dass im Zuge einer Havarie Erdgas nicht über den Förderstrang, sondern über die Mehrfach-Verrohrung als Sicherheitsbarrieren des Bohrloches ausströmt. Dazu muss gesagt werden, dass diese Mehrfachverrohrungen (Casings) voneinander durch Spezialzement getrennt sind. Es müsste demnach gemäß dem Murphy-Gesetz alles schiefgehen, was schiefgehen kann oder weniger salopp ausgedrückt: Es handelt sich um ein Szenario mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit, die gegen NULL tendiert.

Von einem zur Sachlichkeit und Neutralität verpflichteten öffentlich-rechtlichen Medium wie dem NDR sollte eine entsprechende Einordnung vorgenommen werden. Doch stattdessen wird Herrn Hans Joachim Schweinsberg, Vertreter der Vermarktungsgesellschaft  STORAG ETZEL GmbH Verharmlosung dieses unwahrscheinlichen Ereignisses vor laufender Kamera vorgeworfen. Dabei hätten doch die Anwohner doch „Schockmomente“ erleben müssen, und zwar in Form von Gerüchen oder in einem Fall eines lautstarken Geräuschs, als Erdgas aus einer vereisten Rohrleitung abgeblasen wurde. Ja, das Abblasen von unter Druck stehendem Erdgas kann sehr laut sein. Doch wer in einem Gebiet mit Erdgasförderung oder-speicherung lebt, sollte eigentlich wissen, dass es dazu kommen kann, ohne das eine Gefährdungslage besteht.

Breitseite gegen LBEG und Wirtschaftsministerium

Gebäude des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie in Clausthal-Zellerfeld. Foto: Markus Stahmann

Der NDR, oder besser die Autorin Höber, unterstellt, dass die zuständige Behörde, das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) sowie das übergeordnete Wirtschaftsministerium bezüglich der Ängste der Bürger nichts unternehme. Das wäre skandalös, so der Kommentator. Eine steile These, wenn man sich ein wenig auf Recherche im Internet begibt (Bürgerdialog Etzel). Vertreter des LBEG oder des Wirtschaftsministeriums von Niedersachsen werden vorsichtshalber im Beitrag nicht konsultiert. Eine ausgewogene, alle Seiten anhörende Berichterstattung ist eben auch bei dazu verpflichteten öffentlich-rechtlichen Sendern außer Mode geraten.

Stattdessen darf der Geologe Dr. Ralf Krupp, welcher von der lokalen BI als „Anwalt“ ihrer Anliegen konsultiert wurde, seine Vorwürfe gegen die Aufsichtsbehörde zum Besten geben. Dr. Krupp ist dabei kein unbeschriebenes Blatt. Laut einer Kurzrecherche ist er alles andere als unbefangen. Sowurde er u.a. für den BUND, der BI Kein CO2-Endlager Altmark oder auch von den Grünen Nordrhein-Westfalens mit Studien beauftragt. Insbesondere hinsichtlich des letztgenannten Engagements erhielt Dr. Krupp fundierten Widerspruch hinsichtlich seiner dramatischen Szenarien zu Bergbaufolgeschäden im niederrheinischen Braunkohlerevier (Tagebau Hambach RWE widerspricht Studie von Dr. Ralf Krupp zur Grundwasserproblematik).

Wären wir ein Massenmedium wie der NDR, dann müssten wir gemäß des ungeschriebenen Massenmedium-„Duden“ Dr. Krupp als „umstritten“ (eines der Lieblingsworte von Journalisten) titulieren. Tun wir aber nicht. Wir halten ihn aufgrund seines offensichtlich einseitigen Engagements für nicht unbefangen. Ernstgenommen werden kann Dr. Krupp, der das Bergrecht als „fast menschenverachtend“ bezeichnet, jedenfalls nicht!

Bodenabsenkung durch Erdgasspeicher Etzel wird überdramatisiert

Infolge der gezielten Auslaugung des Untergrundes kommt es im Bereich des Kavernenfeldes Etzel zu Bodenabsenkungen. Klarheit über den Maßstab herrscht dabei keineswegs. NDR-Markt sieht das jedoch anders. So wird behauptet, dass selbst das „Bergamt“ (gemeint ist das LBEG, welches mehr als eine Bergbaubehörde ist) von bis zu 6 cm Bodenabsenkung pro Jahr ausginge. In 100 Jahren wären es demnach 6 Meter! Tatsächlich findet sich kein Beleg für die genannten 6 cm und die 6 m über hundert Jahre sind nichts weiter als aus den Fingern gesogen, da eine gleichmäßige Absenkung über 100 Jahre unterstellt wird. Ferner wird behauptet, dass das „Bergamt“ ursprünglich von nur 0,5 m ausging. Offen bleibt jedoch, welches Szenario dieser Bewertung zugrunde lag, also wieviel Kavernen in Betracht gezogen worden sind.

Tatsächlich gibt es laut LBEG aktuell zwei Szenarien:

Szenario 1: Diese geht von 70 Kavernen aus und betrachtet einen Zeitraum von 70 Jahren Nutzungsdauer. Laut diesen Szenarios ist mit einer Bodenabsenkung von maximal 1,47 m zu rechnen.

Szenario 2: Dieses geht von einem Senkungsbetrag von maximal 2,30 m aus bei 99 existierenden plus 45 noch zu schaffenden Kavernen im Erdgasspeicher Etzel  aus. Bis 2270, also nach 200 Jahren der Verwahrung der Kavernen wird von einem maximalen Senkungsbetrag von 2,50 m ausgegangen, also 3,50 m weniger als vom NDR „berechnet“.

Mit ein wenig Recherche hätte die NDR-Autorin Höber diese beiden Szenarien finden können und sich die Frage ersparen können, um wieviele Meter sich das Gebiet absenken könnte.

Doch lieber lässt man die Bürgerinitiativler vor sich her reden und merkt dabei nicht einmal, wie absurd die eigene „Berechnung“ ist. So wurden bei Wolfgang Rudolph, Beisitzer der BI, 13 cm Bodenabsenkung bis 2015 festgestellt. Über einen Betrachtungszeitraum seit Inbetriebnahme der ersten Kavernen von 42 Jahren ergibt sich ein jährlicher Absenkungsbetrag von 3,1 Millimetern. Ja, dem Verfasser ist bewusst, dass diese Berechnung auch nicht stimmig ist. Aber im Gegensatz zum NDR gesteht er das auch ein.

Somit bleibt abermals festzustellen: Hinsichtlich deer Thematik Erdöl und Erdgas gibt es bei NDR-Markt keine sachlich-neutrale Information, sondern Skandaliserung und Dramatisierung durch Überhöhung vermeintlicher Risiken auf der einen Seite und dem Auslassen wichtiger Informationen auf der anderen Seite. Stattdessen spielt sich das Magazin einmal mehr als Compagnon einer kleinen Interessengruppe auf, was den Anforderungen und dem Auftrag an ein öffentlich-rechtliches Mediums konterkariert.

Etwas beruhigend ist zumindest der Sachverhalt, dass der „Markt“-Beitrag zum Erdgasspeicher Etzel nicht sonderlich gut ankommt. Noch vor Veröffentlichung dieses Artikels ist er mit nur 2 von 5 Sternen bei 16 Stimmabgaben bewertet worden.

 

Artikelfoto: Kavernenbohrung im Erdgasspeicher Etzel, Bildquelle: Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V.