80 Jahre Erdölförderung in Hamburg

Erdölförderung in Hamburg

Im Jahr 1937 gelang am Rande Hamburgs in den Vier- und Marschlanden der erste Erdölfund auf dem Gebiet der Hansestadt. Ein Jahr später wurde dann der Förderbetrieb gegründet und die reguläre Erdölförderung in Hamburg konnte beginnen. Dieser ist der einzige Bergbaubetrieb Hamburgs und wird von Neptune Energy betrieben. Das Unternehmen feierte jüngst dessen 80-jähriges Jubiläum (Pressemitteilung von 28.06.2018). Grund genug für uns, nicht nur zu gratulieren, sondern auch einen Blick auf die Erdölgeschichte der Hansestadt zu werfen.

Spektakuläre erste Hinweise auf Kohlenwasserstoffe

Historische Postkarte mit Darstellung des Flammenkreuzes von Neuengamme. Quelle: Bergedorf Blog – Die Erdgasquelle von Neuengamme

Noch bevor Erdöl in Hamburg gefunden wurde, gelang am 4. November 1910 zufällig bei Bohrarbeiten bei der Suche nach Trinkwasservorkommen nahe Neuengamme ein Erdgasfund in nur knapp 250 m Teufe. Das angebohrte Gas strömte mit einem Druck von 27 bar aus dem Bohrloch und entzündete sich. Dabei entstand bedingt durch die obertägigen Armaturen ein Brand, der wegen seiner Form als „Flammenkreuz von Neuengamme“ Einzug in die Geschichte hielt.

Nachdem der Brand 20 Tage später gelöscht wurde, kam es zunächst zu keiner Nutzung des aufgefundenen Erdgases. Erst fünf Jahre später begann schließlich eine sich über 7 Jahre erstreckende Förderphase. In diesem Zeitraum konnten immerhin 231 Mio. m³ gewonnen werden, die der Hansestadt Hamburg zugeführt wurden (Boigk 1981). Damit war der Erdgasfund „Neuengamme“ der erste kommerziell genutzte Erdgasfund Deutschlands. Erdölgeologisch wird „Neuengamme“ als Lagerstättenteil des Erdölfeldes Reitbrook betrachtet.

1937 begann Erdölförderung in Hamburg

 

Tiefpumpenantrieb produziert aus dem Erdölfeld Reitbrook-West im Hamburger Stadtgebiet. Foto: Markus Stahmann

Der aufmerksame Leser mag sich nun wundern: „1937? Das sind doch nicht 80 Jahre sondern eins mehr!“ Das ist richtig. Doch als Jubiläum beziehen wir uns auf die Gründung des Erdölbetriebes, da diese mit dem regulären und kommerziellen Produktionbeginn einhergeht.

Der erste und gleichzeitig bedeutendste Erdölfund erhielt die Feldesbezeichnung „Reitbrook“, welches später den Zusatz „Alt“ erhielt, um von jüngeren Erdölfunden abgegrenzt zu werden. Das Feld befindet sich im Top des gleichnamigen Salzstockes mit Förderteufen von 665 m bis 800 m. Nach Angaben von Boigk (1981) betrugen die initialen Erdölmengen für deutsche Verhältnisse recht beachtliche 36 Millionen Tonnen.

Bereits 1940 wurde mit 360.000 Jahrestonnen der Höchststand der Förderung erreicht und in den ersten 6 Jahren sind bereits 1 Mio. Tonnen gefördert worden. Während des zweiten Weltkrieges ist die Lagerstätte stark beansprucht worden, so dass bereits 1942 die Produktion gedrosselt und sekundäre Fördermaßnahmen (Wasser- und Gasinjektionen) eingeleitet werden mussten, um den Lagerstättendruck zu restaurieren. All diese Maßnahmen verhinderten nicht, dass nur ein vergleichsweise bescheidener Teil von 2,3 Mio. Tonnen gewonnen werden konnte, bevor die Förderung 1973 vorrübergehend eingestellt wurde.

Weitere Erdölfunde gelangen auf Hamburger Gebiet

Zwei Tiefpumpenantriebe in Hamburg. Foto: Markus Stahmann

Nur ein Jahr nach dem Aufschluss der Lagerstätte „Reitbrook“ gelang ein weiterer Erdölfund auf dem Gebiet der Hansestadt. Das Feld, welches sich über dem Top des Salzstockes Meckelfeld befindet, wird als „Meckelfeld-Alt“ bezeichnet. Es erlangte bei weitem nicht die Bedeutung von „Reitbrook-Alt“ und erbrachte eine Gesamtproduktion von nur 68.000 Tonnen aus den Reitbrooker Schichten des kreidezeitlichen Maastricht aus Teufen von 300 bis 390 Metern.

1954 ist eine weitere Erdöllagerstätte in Hamburg aufgeschlossen worden, welche mit „Meckelfeld-Süd“ bezeichnet wird. Die Produktion wurde 1993, also knapp 40 Jahre nach Entdeckung des Vorkommens eingestellt. Die kumulative Förderleistung erbrachte etwas mehr als 2 Millionen Tonnen. Zu „Meckelfeld-Süd“ wurde in den Produktionsstatistiken auch der kleine mit nur einer Bohrung erschlossene Feldesteil „Meckelfeld-Nord“ hinzugerechnet (Erdölförderung 1932-1996).

Das bis heute hinsichtlich der Gesamtfördermenge bedeutendste Erdölvorkommen Hamburgs stellt „Reitbrook-West“ dar. Dieses stellt eine geologische Einheit mit „Meckelfeld-Süd“ dar, ist von diesem aber durch eine von der Elbe gebildete Konzessionsgrenze getrennt. Dieser Feldesteil wurde erst 1960, also 16 Jahre nach „Meckelfeld-Süd“ erschlossen und ist heute noch in Betrieb. Bis Ende 2017 konnten 3,4 Millionen Tonnen Erdöl gewonnen werden, wobei hier die Fördermengen des jüngsten Hamburger Erdölfeldes „Allermöhe“ enthalten sind, welches in der Vergangenheit eigenständig in der Statistik geführt wurde und dessen Anteil bei etwa 100.000 Tonnen an der Gesamt-Erdölförderung in Hamburg von den Anfängen in 1937/38 bis Ende 2017 liegt. „Allermöhe“ ist 1979 entdeckt worden.

Nur teilweise auf Hamburger Gebiet befindet sich das wie „Reitbrook-West“  1960 entdeckte Feld Sinstorf. Auch dieses steht heute noch in Produktion und trug 2017 etwa 6.200 Tonnen zur Erdölförderung in Hamburg bei, die sich in besagtem Jahr auf insgesamt ca. 16.800 Tonnen belief (Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2017).

Gegenwärtiger Stand der Erdölförderung in Hamburg und Ausblick

Karte der Kohlenwasserstoffvorkommen in und um Hamburg. Quelle: Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2017

Mit der für 2017 genannten Menge ist Hamburg sicherlich weit entfernt von einstigen Spitzenwerten. Doch dennoch ist der einzig verbliebene Betreiber, Neptune Energy, zuversichtlich und bestrebt, die Förderung noch für weitere Jahrzehnte aufrecht zu erhalten.

So soll die Förderung aus der Lagerstätte „Reitbrook-Alt“ deutlich gesteigert werden. Nachdem die Förderung aus dieser Lagerstätte bereits 1973 eingestellt und zu einem Erdgasspeicher umgebaut wurde, ist fünf Jahre später die Produktion an der Peripherie des Speichers wieder aufgenommen worden. Mitte der 1980er Jahre konnten sogar fast 30.000 Jahrstonnen aus 25 fördernden Bohrungen erzielt werden. Zuletzt, also 2017, waren es etwas mehr als 5.000 Tonnen, welche mit Hilfe von 15 Bohrungen zu Tage gebracht wurden.

Nach Plänen von ENGIE, dessen Kohlenwasserstoffsparte von Neptune Energy aufgekauft wurde, ist es geplant, die Erdölförderung in „Reitbrook-Alt“ wieder deutlich zu erhöhen, nachdem die Nutzung der Lagerstätte als Erdgasspeicher 2014 eingestellt worden ist. Nach einem qualitativ eher dürftigem Artikel der „Bergedorfer Zeitung“ zur Planung ist zu entnehmen, dass die Förderleistung auf 20.000 Tonnen pro Jahr gesteigert werden soll. Dieser Bericht datiert bereits aus dem Jahr 2015. Zum aktuellen Stand des Vorhabens liegen uns keine offiziellen Daten vor.

Dennoch wünschen wir dem Projekt alles Gute und Glück Auf!, auf das der Hamburger Erdölbetrieb noch seinen 100. Geburtstag feiern kann.

 

Literatur: Boigk, Heinz: Erdöl und Erdölgas in der Bundesrepublik Deutschland, Ferdinand Enke Verlag Stuttgart 1981

Artikelfoto: Zwei Tiefpumpenantriebe in Hamburg-Reitbrook. Foto: Markus Stahmann