Angeblicher Säureregen in Söhlingen – Löcher in Blättern kaum beweiskräftig

Vor knapp drei Wochen berichteten mehrere lokale und regionale Medien über „Anwohner“* einer Erdgasförderbohrung, die sich über gesundheitliche Beeinträchtigungen beklagten. Diese sollten die Folge von Abfackelarbeiten nach Intensivierungsmaßnahmen auf der Sonde „Söhlingen Z5“ im Landkreis Rotenburg/Wümme (LK ROW) gewesen sein. Seitens eines Zeugen (Herr Denis Schimmeyer) wurden in einem nicht mehr abrufbaren Filmbeitrag bei „Hallo Niedersachsen“ (NDR) durchlöcherte Blätter als „Beweis“ für einen Säureregen herangezogen.

Screenshot eines Bildes bei NDR-Online, dass ein durch angeblich durch Säure durchlöchertes Blatt zeigen soll
Das merkwürdige an den gefilmten Blättern war, dass diese zwar Löcher aufwiesen, ansonsten aber einen gesunden Eindruck machten. Und anders, als bei möglichen Verätzungen zu erwarten, wiesen die Ränder der Löcher keine Verfärbungen auf.
Aber auch in anderen Beiträgen wurden Blätter mit Löchern dargestellt. So z.B. in einem Artikel bei NDR-Online . Hier sind wiederum, wie auf dem Foto (siehe Screenshot) deutlich erkennbarbraune Verfärbungen am Rand der Löcher zu sehen. Jedoch: Der Blattrand selbst weist diese braunen Verfärbungen über den gesamten Verlauf auf, was wiederum der These eines niedergegangenen Säureregens widerspricht.
In Artikeln der Lokalblätter „Kreiszeitung (Ausgabe Rotenburg)“ sowie der „Rotenburger Rundschau“ wurden ebenfalls durchlöcherte Blätter in die Kamerea gehalten, um die schwerwiegenden Vorwürfe zu unterstreichen.
Infolge der Vorwürfe kam es zu einer Ortsbegehung durch das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG), dem Gesundheitsamt sowie Amt für Wasserwirtschaft zusammen mit Herrn Schimmeyer und der Vertreterin einer weiteren Bürgerinitiative, Frau Silke Döbel aus Söhlingen. Dabei machte Schimmeyer auf geschädigte durchlöcherte Pflanzen aufmerksam, für die der mutmaßliche Säureregen verantwortlich sein sollte. In der „Rotenburger Rundschau“ wird er folgendermaßen zitiert:
Aber bestimmt wird wieder behauptet, das wäre ein Pilz oder eine Schnecke gewesen
Das sollte der Vorwegnahme von Ausreden von ExxonMobil dienen. So interpretierte es zumindest die „Rotenburger Rundschau“. Tatsächlich stammt das, was Herr Schimmeyer indirekt zitiert nicht von ExxonMobil, sondern von mir. Einen Artikel bei der „Kreiszeitung „ kommentierte ich folgendermaßen (Auszug):
Durchlöcherte Blätter sollen also als „Beweis“ für den Säureregen dienen. Nur findet man durchlöcherte Blätter in der Natur zu Hauf. Die Ursachen können vielfältig sein: Tierfraß (z.B. Schnecken), Pilzbefall[…]
Als der Zeuge Schimmeyer laut „Rotenburger Rundschau“ von einer Vertreterin darauf angesprochen wurde, dass auch auf der anderen Seite des Sondenplatzes Blätter mit Löchern von ihr entdeckt worden sind, wusste Schimmeyer nicht mehr so recht weiter:
Als Scherer entsprechend durchlöcherte Blätter aber auch auf der anderen Seite der Bohrstelle gefunden hatte, meinte Schimmeyer nur, er könne natürlich nicht sagen, wohin der Nebel bei Windstille und als noch keine Anwohner vor Ort waren gezogen sei.

durchlöchertes Blatt mit sehr ähnlichen Symptomen wie dem beim NDR dargestellten. Aufgenommen bei Braunschweig am 27.04.2014
Über dieses verbale Schulterzucken des Zeugen sowie weiterer Ungereimtheiten der verschiedenen und teils widersprüchlichen Zeugenaussagen wurde bereits an anderer Stelle hier auf dem Blog berichtet.
Wie bereits im zitierten Kommentar von mir bei der „Kreiszeitung „ erwähnt, sind durchlöcherte Blätter in der Natur nichts ungewöhnliches. Im Gegenteil: Sie sind recht häufig auszumachen. Dabei können die verschiedenen geschilderten Schadensbilder dokumentiert werden: Es sind sowohl Pflanzenblätter mit Löchern ohne verfärbte Ränder zu finden als auch Blätter mit Symptomen, die denen der auf dem Screenshot-Bild zu erkennenden gleichen. Siehe Beispiele.
Mit diesen Bildern soll verdeutlicht werden, dass durchlöcherte Blätter in Natur und Landschaft nichts außergewöhnliches sind und schwer als Beweismittel für den unterstellten Säureregen hinzugezogen werden können. Stattdessen untermauern sie meine Vermutung, dass die BI versuchten, einen Skandal zu vom Zaun zu brechen (siehe entsprechenden Artikel hier auf dem Blog), um das Image der inländischen Erdöl-Erdgasindustrie noch mehr zu beschädigen, als es ihnen in den vergangenen drei Jahren, oft im engen Schulterschluss mit zahlreichen Medien, bereits gelungen ist. Letzten Endes bleibt das Ergebnis der derzeit noch stattfindenden Untersuchungen abzuwarten.
*Bei den in der Einleitung erwähnten „Anwohnern“ handelte es sich ausschließlich um Mitglieder verschiedener gegen die Erdgasförderung opponierender Bürgerinitiativen (BI). Das ist einem Bericht bei „Radio Bremen“ zu entnehmen. Ein interviewter Reporter leistete sich dahingehend einen Freud’schen Versprecher. Außerdem: In sämtlichen Berichten kamen ausschließlich Vertreter von BI als Zeugen zu Wort.