Angeblicher Säureregen in Söhlingen – Soll(te) ein Skandal konstruiert werden?
Am 2. April 2014 berichtete die „Kreiszeitung Rotenburg“ (KZR) online von fünf Personen aus Wittorf (Landkreis Rotenburg/Wümme), dass diese aus Angst vor gesundheitlichen Gefahren der Erdgasgewinnung ihre Heimat verlassen wollten. In ihrem Vorhaben bestärkt sahen sie sich, nachdem im von Wittorf mehrere Kilometer entfernten Erdgasfeld „Söhlingen“ im Rahmen von Routinearbeiten Erdgas abgefackelt wurde. Auch hier auf dem Blog wurde der Bericht der KZR kritisch diskutiert.
Einleitung
Auf welcher Station und an welchem Tag, war dem Artikel nicht zu entnehmen. So musste angenommen werden, dass es sich um die 7,5 Kilometer entfernt liegende Förderbohrung „Söhlingen Z5“ handelte, da der Betreiber ExxonMobil am 28.03.2014 eine entsprechende Pressemitteilung veröffentlichte. Der Bericht warf letzten Endes einige Fragen auf, insbesondere die, warum die Bewohner die geschilderten Symptome als angebliche Folge der Fackeltätigkeit zuvor noch nie verspürt haben, obwohl beriets seit über 30 Jahren Erdgas aus der Lagerstätte „Söhlingen“ gefördert wird. Insgesamt thematisierte nur die KZR den Umzugswillen der fünf Wittorfer. Selbst vom NDR, der sonst immer vorne mit dabei ist, wenn es etwas Negatives über die Erdgasförderung zu berichten gibt, war nichts zu hören, zu sehen oder zu lesen.
Berichterstattung beim NDR
Das änderte sich am 9. April, also auf den Tag genau eine Woche später. Während am frühen Abend nebenher der Fernseher lief und unbewusst der NDR eingeschaltet war, kam in der Sendung „NDR Regional“ um 18 Uhr ein Kurzbericht über einen Vorfall „bei Förderplatz Z5“ (sic!). Angeblich sollte ein Säureregen etwa eine Woche zuvor niedergegangen sein. Im Filmbeitrag, den es bei NDRonline zusammen mit einem inzw. stark überarbeiteten Text zu sehen gibt, kommt auch ein Augenzeuge zu Wort. Dieser kam dem Verfasser vom Aussehen her bekannt vor, und tatsächlich: Es handelte sich um einen der fünf Umzugswilligen aus dem KZR-Artikel vom 2.April, Herrn Denis Schimmeyer. Das merkwürdige an der Geschichte: Im KZR-Artikel war von einem Säureregen keine Rede. Auch nicht von Atemnot, Kopfschmerz und brennender Haut, wie es in dem Film weiter heißt. Außerdem soll ein Augenzeuge aus dem Gesicht geblutet haben. Damals schilderte die Ehefrau des Augenzeugen den mutmaßlichen Vorfall mit:
Obwohl Wittorf einige Kilometer weg ist, haben wir abends einen metallischen Geschmack im Mund gehabt und uns wurde regelrecht übel
Und wieder wirft der Beitrag bereits an dieser Stelle Fragen auf, vor allem die, warum bei den geschilderten Auswirkungen der Fackelarbeiten weder Polizei noch Feuerwehr informiert worden sind und warum nicht umgehend ein Arzt konsultiert wurde. Schließlich wird von schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen gesprochen. Aber auch das vermeintliche Indiz für den „Säureregen“ in Form von löchrigen Blättern ist zu hinterfragen. Schließlich sind löchrige Blätter in der Natur keine Seltenheit. Die Ursachen dafür sind vielfältig und können auf Pilzbefall, Tierfraß, Krankheiten etc. zurückzuführen sein. Merkwürdig ist, dass ein als Foto gezeigtes Blatt Löcher mit braunen Umrandungen sowie einen braunen Blattrand aufweist, die im Film gezeigten Blätter aber nur Löcher ohne Verfärbungen aufwiesen.
Im inzwischen stark überarbeiteten Text tun sich, wie bei der NDR-Berichterstattung zum Thema Erdgasförderung, wieder einige Ungereimtheiten auf. So heißt es zu Beginn:
Die Ursache für den möglichen Säureunfall an einer Erdgasbohranlage in Söhlingen (Landkreis Rotenburg) ist weiterhin unklar. Fachleute des Niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) haben noch nicht herausgefunden, was den mutmaßlichen Säureregen ausgelöst hat.
Wie soll denn ein möglicher/mutmaßlicher, also nicht verifizierter Säureunfall eine Ursache haben? Entweder es ist klar, dass es einen Säureunfall gab, dessen Ursache unbekannt ist, oder es wird ein Säureunfall vermutet. Tatsächlich untersucht das LBEG, OB es einen Säureaustritt gab. Eine „Bohranlage“ war im genannten Zeitraum nicht im Einsatz, schließlich fanden weder Bohr- noch Workoverarbeiten statt, sondern Intensivierungs-/Optimierungsarbeiten, um die Förderleistung zu verbessern.
Immerhin darf auch der Betreiber der Förderstätte zu Wort kommen und wird folgendermaßen zitiert:
Aus technischen Gründen musste das anfallende Gas dabei über die Fackeln geleitet und verbrannt werden. Diese Fackelarbeiten sind planmäßig ohne Auffälligkeiten durchgeführt worden.
Interssant dabei ist, dass im NDR-Bericht nicht nur ein Datum genannt wird, sondern zwei, nämlich der 25. März sowie der 1. April 2014. Das ist nicht unwichtig, wie der weitere Verlauf dieses Artikels noch aufzeigen wird.
Berichterstattung in der KRZ Teil I
Am 10. April, also einen Tag nach dem Fernsehbericht des NDR, war bei der KRZ ebenfalls ein Artikel zum mutmaßlichen Vorfall zu lesen und auch hier wird bereits im ersten Satz suggeriert, dass es sich um einen bestätigten Vorfall handelt (obwohl die Überschrift vorsichtiger formuliert ist):
Dass das LBEG überhaupt auf den Fall aufmerksam wurde, ist dem Einsatz einiger Bürger zu verdanken, die sich mitten in der Nacht an die Gefahrenquelle begeben haben.
Das interessante ist, dass hier zunächst gar nicht von der Förderbohrung „Söhlingen Z5“ die Rede ist, sondern von der Sonde „Söhlingen-Ost Z1“. Wieder wird Herr Schimmeyer zitiert:
Beim Abendspaziergang durch Wittorf haben meine Frau und ich eine chemisch riechende Wolke abbekommen
Dann hätte er ein Flamme übe dem Wald gesehen und wäre losgefahren, um festzustellen, woher der Gestank kam. Schließlich stellte er fest, dass an der „Söhlingen-Ost Z1“ ( befindet sich 8,5 Kilometer nordöstlich von Wittorf) Fackelarbeiten durchgeführt worden wären. Das war am 25. März, abends. Davon war im KZR-Artikel vom 2. April noch keine Rede, da weder die Betriebsstätte noch das Datum genannt worden sind. Und auch die Symptome haben sich gegenüber den Aussagen von Schimmeyers Frau vom 2. April erheblich erweitert:
Wir hatten Husten, Augenbrennen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindelgefühl, einen metallischen Geschmack im Mund und ein Kitzeln im Gesicht.
Zudem hätte seine Frau einen Rheumaschub erlitten. Irritierend ist, dass am besagten Tag in der Region (ich beziehe mich auf Angaben von Wetterstationen in Bremen sowie Soltau, das Erdgasfeld „Söhlingen“ liegt dazwischen) abends Nordwest- bis Westwind vorherrschte. Entsprechend hätten Schimmeyers von der nordöstlich gelegenen Anlage überhaupt keinen Geruch wahrnehmen können.
Und dann solle sich das Ganze am 1. April wiederholt haben, jetzt bei der bereits erwähnten „Söhlingen Z5“ im Nordwesten von Wittorf. Zu den bereits genannten Symptomen kam dann noch das bereits oben erwähnte Gesichtbluten hinzu. Schimmeyer hielt es aber dennoch offenbar nicht für nötig, einen Arzt zu verständigen, sondern kontaktierte den Toxikologen Dr. Herrmann Kruse von der Universität Kiel, der bereits in Wittorf auf Einladung von Schimmeyers „Wittorfer Bürger für Umwelt und Gesundheit (WUG)“-Initiative referierte, aber auch schon an einem Gesundheitsgutachten im Auftrag von ExxonMobil beteiligt war. Dieser hätte die Symptome als Hinweis auf Salzsäure gedeutet.
Im weiteren Verlauf des Artikels wird im wesentlichen nur das wiedergegeben, was bereits auch im NDR-Beitrag zu erfahren war. Was nachdenklich macht ist, dass gegnüber dem Artikel vom 2. April mehr Symptome genannt werden, obwohl die angeblichen Schädigungen bereits am 25. März sowie am 1. April aufgetreten sein sollen. Völlig unhaltbar ist aus meiner Sicht der Kommentar des KZR-Schreibers Matthias Berger, der dem LBEG unzureichende Untersuchungen unterstellt, anstatt zu hinterfragen, warum die angeblich so gravierend Betroffenen nicht sofort Alarm geschlagen haben. Aber es besteht schon seit längerem der Eindruck, dass sich die „Kreiszeitung“ auf die Seite von Bürgerinitiativen geschlagen hat und deren Meinungen unreflektiert wiedergibt. Das gilt auch für den Nachbarkreis Verden.
Berichterstattung bei Radio Bremen
Auch der öffentlich-rechtliche Sender „Radio Bremen“ griff den angeblichen Vorfall auf und betitelte einen Beitrag in der Lokalsendung „Buten und Binnen“ (BuB) mit:
Giftige Wolke in Söhlingen
Auch hier wird wieder unterstellt, dass es einen schweren Vorfall gegeben hat. Dabei wird sich einzig und allein auf Aussagen von Bürgerinitiativlern berufen, obwohl hier nicht Herr Schimmeyer zu Wort kommt, sondern eine andere aus der Anti-Gasbohr-Szene bekannte Person, nämlich Herr Andreas Rathjens aus Groß Meckelsen. Eingeleitet wird der Beitrag mit:
Irgendetwas war da in der Luft in Söhlingen, …, aber was? Anwohner leiden unter mysteriösen Beschwerden[…]
Aufgezählt werden dann wieder einige der bereits genannten Symptome. Und korrekterweise müsste es heißen, dass es sich um angebliche Beschwerden handelt, da diese bisher medizinisch nicht belegt sind. Und jemanden wie Herrn Rathjens aus dem Luftlinie 25 km entfernten Groß Meckelsen als „Anwohner“ zu bezeichnen, ist schon recht speziell. Auch die anderen vermeintlich Betroffenen aus dem 7 km entfernten Wittorf dürften wohl kaum als Anwohner zu bezeichnen sein.
Angeblich entstand laut BuB eine „beißende Rauchwolke“. Das ist seltsam, denn schließlich haben Aktivisten aus der Anti-Gasbohr-Szene schon mehrfach Fackelarbeiten im Feld „Söhlingen“ dokumentiert, aber Rauchwolken waren dabei nie zu sehen. Woher sollen diese auch stammen? Schließlich handelt es sich überwiegend um Methan, das verbrannt wird, und das verbrennt aufgrund des geringen Kohlenstoffgehaltes (ein Kohlenstoffatom auf vier Wasserstoffatome) rußfrei. Als „Beweis“ wird dann eine Fingerprobe gelblich-braunen Staubes gezeigt (Pollenstaub?), die Rathjens vom Maschendrahtzaun nimmt. Beim NDR war aber von einer schwarzen Substanz die Rede:
Die Experten haben die Anlage und die Umgebung untersucht. Spuren einer schwarzen Substanz, die der Bürger festgestellt haben will, entdeckten die Fachleute bisher nicht.
Also wieder eine Ungereimtheit. Dann kommt Rathjens zu Wort und man darf sich anhand seiner Äußerungen schon fragen, was er als Groß Meckelnsener zum Zeitpunkt der Fackelarbeiten (abends) dort im Niemandsland (die nächste Wohnbebauung ist etwa 1 km entfernt) zu suchen hatte. Die Frage wird später noch beantwortet. Gezeigte „schwere Augenreizungen“ stellen sich eher als normale Augenfarbe da, schließlich zeigen nur wie bei jedem Menschen die Augenwinkel rote Äderchen. Das „Augenweiß“ ist dagegen nicht blut- oder tränenunterlaufen, wie man es von einem stark gereizten Auge vermuten könnte.
Doch dann kommt der ganz große Widerspruch. mit einem Mal ist nicht mehr von einem Säureregen die Rede, der die Blätter geschädigt haben soll, sondern von heißen Rußpartikeln. Der Reporter dazu:
Löcher in den Blättern zeigen, wo die heißen Rußpartikel niedergegangen sind.
Dann wird der erste von Schimmeyer unterstellte Vorfall ebenfalls als gegeben dargestellt:
Nicht der erste Vorfall dieser Art. Vor zwei Wochen kam es auf einer „benachbarten“ Anlage zu einem ähnlichen Vorfall.
Leider hat der Reporter Dag Befeld vergessen, den Beleg für den Vorfall anzugeben. Journalisten müssen das wahrscheinlich unter Berufung auf die Pressefreiheit aber nicht, wohingegen der Durchschnittsbürger solche schwerwiegenden Vorwürfe möglichst schon belegen sollte. Im Anschluss an den Filmbeitrag wird dann ein weiterer Reporter, Herr Holger Baars, interviewt, der zum Thema Erdgasförderung seit langem recherchieren soll. Darauf soll nicht weiter eingeangen werden, da er lediglich die Meinungen und Darstellungen von Bürgerinitiativen wiedergibt. Dabei passiert ihm aber ein schwerwiegender Fauxpas. Ihm unterläuft ein „Freudscher Versprecher“. Auf die Frage, wie viele Menschen von dem unterstellten Vorfall bei Söhlingen betroffen waren, antwortet er:
Also in diesem Falle, was wir gesehen haben, da sind es ein dutzend Leute, die über Übelkeit oder Hautreizungen klagen, ähm das ist auch eine Bürgerinitiative von, von vielen. (Ab Minute 3:40 ungefähr)
Interessant! Offenbar waren nur BI’ler betroffen, die sich vom 7 km entfernten Wittorf oder sogar vom 25 km entfernten Groß Meckelsen zur „Söhlingen Z5“ begeben haben, um medienwirksame Videos zu drehen, wie ja auch das „Privatvideo“ beim BuB-Bericht zeigt. So eine Erdgasfackel bei stockfinsterer Nacht ist eben schon ein beeinduckendes Schauspiel.
Auf den Rest des BuB-Beitrages einzugehen, lohnt sich aus o.g. Grund nicht. Gehen wir also über zur …
Berichterstattung der Rotenburger Rundschau (RR)
Diese hielt sich bereits bei den ersten Vorwürfen vom 2.April zurück, was nicht unbedingt verwunderlich ist. Denn im Gegensatz zur KZR ist die Berichterstattung weniger dramatisierend, tlw. sogar kritisch gegenüber den BI, obwohl auch die RR in den vergangenen 2-3 Jahren immer näher in Richtung kritischer Berichterstattung zum Thema Erdgasgewinnung übergegangen ist, allerdings auf einem höheren Niveau und ausgewogener als die Konkurrenz oder der NDR.
Das ist auch im entsprechenden Beitrag erkennbar. Während BuB, NDR und KZR den mutmaßlichen Säureaustritt als gegeben ansehen, stellt die RR in der Schlagzeile die Frage:
Bewohner im Säure-Nebel?
Und gleich zu Beginn des Artikels wird es richtig interessant:
Während Exxon Mobil an der Erdgasbohrung Söhlingen Z5 Arbeiten zur Optimierung durchgeführt hat, haben sich einige Anlieger wegen des weithin sichtbaren Fackelscheins dort getroffen und klagen nun über gesundheitliche Beschwerden. Standen sie in einem Säure-Nebel? Das zumindest vermuten Denis Schimmeyer aus Wittorf und Silke Döbel aus Söhlingen.
Von Herrn Schimmeyer wissen wir inzwischen, dass er zur 8,5 km von seinem Wohnort entfernten Fördersonde „Söhlingen-Ost Z1“ gefahren ist, nachdem er einen Fackelschein sowie einen trotz dafür ungeeigneter Windverhältnisse „chemischen Geruch“ wahrgenommen haben will und sowohl bei ihm als auch bei seiner Frau schwere Krankheitssymptome aufgetreten sein sollen. Dennoch hat Herr Schimmeyer nichts besseres zu tun, als bei erneuten Fackelarbeiten die entsprechende Station aufzusuchen. Mit dabei ist dann noch Frau Döbel, bei deren Namen es wie beim Gesicht von Herrn Schimmeyer sowie beim Namen Andreas Rathjens ebenfalls bei mir „Klick“ machte. Es handelt sich dabei um eine Dame aus Söhlingen, die erst vor kurzem eine BI gegründet hat. Hintergrund soll die ihrer Meinung nach erhöhte Zahl von Krebsfällen im persönlichen und auch familiären Umfeld sein. Sie vermutet die Erdgasgewinnung als Ursache. Nur handelt es sich dabei um eine subjektive Ansicht. So tragisch die einzelnen Fälle auch sind, steht es nicht fest, ob die Krebsrate gegenüber anderen Regionen tatsächlich erhöht ist. Frau Döbel sagt zum angeblichen Vorfall folgendes:
Mein Mann fuhr etwas später zur Bohrstelle. Ihm kamen dann laut hustend Radfahrer entgegen, die bloß weg von der Fackel wollten.
Jetzt darf man sich schon fragen, was Radfahrer an einem Dienstagabend dort im Niemandland machten. Eine mit Sicherheit beeindruckende Fackel beaobachten? Das wäre nachvollziehbar, wenn es sich um ein Novum handeln würde. Aber selbst nach Aussagen von BI’lern findenFackelarbeiten in der Region mehr oder weniger regelmäßig statt. Die RR geht dann noch einmal auf den bereits erwähnten Kontakt Schimmeyers zum Toxikologen Dr. Kruse ein, der die Symptome als mögliche Folge von Kontakt mit Salzsäure deutet und schreibt:
LBEG-Mitarbeiter Rieche kann zumindest bestätigen, dass bei den Optimierungsarbeiten das Bohrloch mit Salzsäure behandelt wurde.
Nur woher hat die RR diese Information (und auch die KZR, die ähnliches schreibt)? Aus der Pressemitteilung des LBEG geht das nicht hervor. Herr Rieche vom LBEG soll laut NDR lediglich geäußert haben, dass Salzsäure zur Bohrlochreinigung (dort als „Rohrreinigung“ bezeichnet) genutzt werden kann. Also diese Aussage, dass Salzsäure tatsächlich zum Einsatz kam, ist mit Vorsicht zu genießen.
Auch die durchlöcherten Pflanzen werden thematisiert. Dazu Herr Schimmeyer:
„Aber bestimmt wird wieder behauptet, das wäre ein Pilz oder eine Schnecke gewesen“, nimmt Schimmeyer mögliche Ausreden Exxons vorweg und versucht diese gleich zu widerlegen, indem er auf bereits verdorrte Blätter einer Eiche hinweist, die wohl kaum gefräßigem Getier zum Opfer gefallen sein werden.
Pilz? Schnecke? Das kommt mir bekannt vor, denn ich kommentierte am 10.04. einen KZR-Artikel folgendermaßen:
Durchlöcherte Blätter sollen also als „Beweis“ für den Säureregen dienen. Nur findet man durchlöcherte Blätter in der Natur zu Hauf. Die Ursachen können vielfältig sein: Tierfraß (z.B. Schnecken), Pilzbefall[…]
Herr Schimmeyer verfolgt also aufmerksam die Berichterstattung, die auf seine Anschuldigungen zurückzuführen ist.
Neben Herrn Rieche war außerdem noch Frau Dr. Ellen Scherer vom Amt für Wasserwirtschaft vor Ort, um sich ein Bild zu machen. Diese stellte aber auch auf der gegenüberliegenden Seite der Förderstätte durchlöcherte Blätter fest, worauf Herr Schimmeyer laut RR offenbar etwas ins Schwimmen kam:
Als Scherer entsprechend durchlöcherte Blätter aber auch auf der anderen Seite der Bohrstelle gefunden hatte, meinte Schimmeyer nur, er könne natürlich nicht sagen, wohin der Nebel bei Windstille und als noch keine Anwohner vor Ort waren gezogen sei.
Glücklicherweise gibt es Wetterdaten, die weiterhelfen. Am 1. April wehte in Bremen in den Abendstunden Ostwind. Für Soltau trifft das gleiche zu. Nur ab 20 Uhr drehte der Wind auf Nord. Nach Abgleich von Fotos und Filmaufnahmen beim NDR mit Satellitenbildern von GoogleEarth befindet sich die angebliche Schadstelle im Westen der Fördersonde. Die gegenüberliegende Fläche befindet sich somit im Osten. Laut Wetterdaten kann diese somit nicht kontaminiert worden sein. Dafür hätte es Westwindes bedurft, der definitiv nicht wehte.
Im RR-Artikel wird dann noch auf die vermutete erhöhte Krebsrate eingegangen. Der Gesundheitsamtsleiter Stümpel äußert sich dahingehend, dass in einer kleinen Gemeinde wie Hemslingen (Söhlingen ist ein Ortsteil) der Nachweis einer erhöhten Rate schwierig sei, an einer entsprechenden Methode jedoch gearbeitet werde.
Abschließend wird noch die Stellungnahme von ExxonMobil zitiert und auf die Aussagen der Schimmeyers zu den angeblichen gesundheitlichen Folgen der Fackelarbeiten vom 25. März eingegangen.
Berichterstattung der KZR Teil II
Am 11.04.2014 nahm sich die KZR noch einmal des Themas an und titelte:
Und wie gehabt steht die KZR auf der Seite der BI’ler. Trotz kritischer Kommentare beim NDR, bei BuB und auch bei der KZR selbst verharrt man auf der gegenüber den BI vollkommen unkritischen Position.
Mit seinen öffentlichen Äußerungen hat er die politische Debatte, was beim Abfackeln an den Erdgasbohrstellen Söhlingen Ost Z1 und Z5 freigesetzt wurde, in Gang gebracht. Die Behörden ermitteln, besorgte Bürger sind empört – und der verantwortliche Konzern „ExxonMobil“ wiegelt ab: alles reine Routinearbeiten.
Sicherlich haben Schimmeyer und Mitstreiter mit ihren unbewiesenen Äußerungen eine politische Debatte vom Zaun gebrochen. Und sicherlich ermitteln die Behörden, was bei solch schweiwiegenden Anschuldigungen nicht ungewöhnlich ist, ja sogar Norm sein sollte in einem Rechtsstaat. Dass besorgte Bürger empört sind: Geschenkt! Man könnte auch umgekehrt formulieren: Empörte Bürger sind besorgt. Die Stellungnahme des „Konzerns“ (seit wann ist eine GmbH ein Konzern?), es handelte sich um Routinearbeiten, als Abwiegelung zu bezeichnen, bedarf schon einer gewissen Chuzpe. Schließlich behaupten bislang, wie bisher dargestellt, maximal ein Dutzend Mitbürger, die laut des Freudschen Versprechers von Herrn Baars allesamt BI angehören (es äußerten sich auch nur bekannte Mitglieder vin verschiedenen BI in den Berichten), dass es zu einem Säureregen kam. Die vermeintlichen Indizien dafür sind ziemlich dürftig.
Eine gewisse Voreingenommenheit zugunsten der Kritiker durchzieht zunächst den weiteren Verlauf des Artikels. Das Förderunternehmen, die ExxonMobil Production Deutschland GmbH wird als „Energieriese“ bezeichnet (OK, es ist eine Tochter des multinationalen Unternehmens ExxonMobil) und der Zurückhaltung bezichtigt und dem LBEG wird mit dem Wort lediglich bezüglich einer Pressemitteilung unterschwellig vorgeworfen, es informiere unzureichend.
Abgesehen vom letzten Abschnitt erfährt man im KZR-Artikel nur das, was man aus den anderen Medienbeiträgen ebenfalls herausziehen konnte. Aber im letzten Abschnit wird es noch einmal interessant. Konnte der Artikel der KZR vom 2. April noch keine größere Wirkung erzielen, wie von Schimmeyer und Mitstreitern eventuell erhofft, so tat es doch die Berichterstattung eine Woche später beim NDR und darauf folgend wieder bei der KZR mit gleich zwei Artikeln, bei Radio Bremen sowie bei der RR.
Dadurch sahen sich laut KZR diverse Politiker auf den Plan gerufen:
Neben zahlreichen Landtags- und Bundestagsabgeordneten, die gestern bei Schimmeyer anriefen, mischte sich im Laufe des Tages auch Landrat-Kandidat Hans-Peter Daub in die Diskussion ein.
Daub fordert „dass sich die Kreisverwaltung und der für die Gefahrenabwehr zuständige, amtierende Landrat persönlich für eine schnelle und umfassende Aufklärung einsetzen müssten.“ Herr Schimmeyer ist laut KZR davon überzeugt, dass diese bald erfolgen müsse, da in Söhlingen es politisch nun richtig brenne. Er wird abschließend zitiert:
Aus dieser Nummer kommen sie nicht mehr so einfach raus.
Und das ist meiner Meinung nach so gewollt. Der KZR-Artikel über den geplanten Wegzug der Schimmeyers sowie weiterer drei Personen aus Wittorf zeigte nicht die entsprechende Wirkung, also musste ein weiterer spektakulärer Vorfall konstruiert werden. Was macht sich da besser als ein Säureaustritt?
Zusammenfassung
Am 2.April 2014 erschien bei der KZR ein Bericht, in dem fünf Einwohner aus Wittorf zu Wort kamen, die aus Angst vor möglichen Folgen der Erdgasgewinnung im mehrere Kilometer entfernten Erdgasfeld „Söhlingen“ ihre Heimat verlassen wollen. Ihr Entschluss wurde untermauert durch angebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Fackelarbeiten im seit über 30 Jahren betriebenen Erdgasfeld. laut Bericht wurde trotz der beschriebenen Gesundheitsfolgen kein Arzt konsultiert.
Auf den Tag genau eine Woche später berichtete der NDR über einen angeblichen Vorfall im genannten Erdgasfeld. Im Bericht wurde als Zeuge einer der fünf erwähnten Wittorfer gezeigt, der davon berichtete, dass angeblich ein Säureregen im Zuge von Abfackeltätigkeiten auf eine benachbarte Wiese niederging. Vom NDR wurde der Zeuge als „Anwohner“ bezeichnet, obwohl sein Heimatort 7 km von der Förderstätte entfernt liegt. Die Indizien für den angeblichen Säureregen erschienen zu diesem Moment bereits fragwürdig, da bei solchem Vorfall jeder Zeuge sofort Rettungsdienste informiert hätte, v.a. vor dem Hintergrund der geschilderten z.T. schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Dem ist offenbar nicht so gewesen. Stattdessen wurden als Indiz durchlöcherte Blätter von Pflanzen, mal mit verfärbter Umrandung, mal ohne in die Kamera gehalten.
Warfen die Indizien und das Nichtinformieren von Rettungsdiensten schon nicht genug Zweifel an den Aussagen des Zeugen auf, setzte Radio Bremen mit einem Beitrag in der Sendung BuB noch einen oben drauf. Ein weiterer bekannter Vertreter einer BI behauptete jetzt, dass die Blätter durch heiße Rußpartikel durchlöchert wären und ein interviewter Reporter gab mit einem Freudschen Versprecher zu, dass lediglich zwölf Vertreter von (einer) BI über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen klagten, die tlw. bis zu 25 km von der Förderbohrung entfernt zu Hause sin
Das Konkurrenzblatt der KZR, die RR hielt sich in der Berichterstattung zurück und veröffentlichte erst zwei Tage nach dem NDR-Bericht einen Artikel, der sich mit den Anschuldigungen der BI, insbesondere mit denen des „Hauptzeugen“ befasste. Dieser kam wohl ins Schwimmen, als er darauf hingewiesen wurde, dass auch entgegen der Windrichtung die angeblich durch Säureregen verursachten Pflanzenschäden registriert worden sind.
In einem weiteren Artikel deutet die KZR darauf hin, dass die Anschuldigungen des Zeugen aus Wittorf sowie die Berichterstattung über diesen angeblichen Vorfall, dessen Indizien nach bisherigem Stand stark anzuzweifeln sind und tlw. sogar nicht bestätigt werden konnten (schwarze Substanzen wurden nicht festgestellt), das Ziel hatten, eine politische Debatte vom Zaun brechen.
Hintergrund könnte der geplante Erlass der niedersächsichen Landesregierung sein, die Genehmigung für das bewährte Verfahren Hydraulic Fracturing zu erschweren, aber nicht zu verbieten, wie es die BI gerne sachlich unbegründeterweise gerne hätten.
Eventuell sollte mit dem KZR-Bericht vom 2. April ein neuer Versuch gestartet werden, die inländische Erdgasförderindustrie mit einem neuen Skandal zu belegen. Die Initialzündung verpuffte offenbar, weswegen eine Woche später über den NDR eventuell ein neuer Anlauf versucht worden ist, der einen sauren Niederschlag bei der KZR, bei Radio Bremen und eingeschränkt bei der RR verursachte, der wiederum Politiker alarmierte und eine neue politische Debatte zum Thema Erdgasförderung erzeugte. Erstaunlicherweise recht zeitnah nachdem ein von BI gefordertes „Frackingverbot“ und ein Verbot der Lagerstättenwasserversenkung nicht durchgesetzt werden konnte.
Möglicherweise ist man dabei über das Ziel hinaus geschossen. Denn eine Frage, eine entscheidende Frage, bleibt unbeantwortet: Warum wurde, weder bei den angeblichen Vorkommnissen vom 25. März noch bei den angeblich gravierenderenn vom 1. April 2014, nicht die Feuerwehr, die Polizei und was die geschilderten gesundheitlichen Beeinträchtigungen (u.a. Atemnot, Gesichtsbluten) betrifft, ein Notarzt gerufen?
Allein das lässt die Geschichte der BI als unglaubwürdig dastehen. Hinzu kommen die Widersprüche in den Darstellungen der befragten „Anwohner“, die allesamt Bürgerinitiativen angehören. Der eine spricht von einer Säureregen, der die Blätter verätzt haben soll, der nächste behauptet, es wären heiße Rußpartikel gewesen, die die Blätter verbrannt hätten.
Letzten Endes bleibt abzuwarten, wie sich die Geschichte entwickelt.