Anonyme Flyeraktionen gegen Erdölförderung in Südostbrandenburg
Seitdem 2011 infolge des vor Unwahrheiten nur so strotzenden Filmes „Gasland“ überall dort Bürgerinitiativen (BI) „Gegen Gasbohren“, „Gegen Fracking“ oder so ähnlich wie Pilze aus dem Boden schossen, wo nach neuen Kohlenwasserstoffvorkommen (Erdöl und Erdgas) gesucht werden soll, wird der Industriezweig mit Argusaugen beobachtet. Unterstützung finden die BI dabei auch seitens größerer Umweltverbände sowie zahlreicher Medien. Kaum Beachtung im negativen Sinne fanden die Aktivitäten der Central European Petroleum GmbH (CEP), welche eine dauerhafte Erdölförderung in Südostbrandenburg anstrebt. Doch das scheint sich gegenwärtig zu ändern.
Erdölförderung in Südostbrandenburg nichts Neues
Dabei ist die Gewinnung von Erdöl aber auch Erdgas im Osten und Südosten von Brandenburg alles andere als ein Novum. Bereits seit 1962 wurde und wird aus insgesamt 27 Lagerstätten Erdöl, Erdgas sowie als Kondensat bezeichnetes Leichtöl gewonnen. Die selbst für deutsche Verhältnisse kleinen Lagerstätten sind mit Ausnahme des größten brandenburgischen Vorkommens Kietz, welches bis Ende 2017 kumulativ etwas mehr als 300.000 Tonnen erbrachte, inzwischen wegen Erschöpfung oder Unwirtschaftlichkeit aufgegeben.
Neben „Kietz“ konnten nur zwei weitere Lagerstätten die Grenze von 100.000 Tonnen überschreiten. Während die Lagerstätte „Döbern“, welche von 1962 bis 1990 in Förderung stand, 167.501 Tonnen erzielen konnte, verfehlte die Lagerstätte „Tauer“ (1969-1992) mit 146.996 Tonnen die Marke von 150.000 Tonnen nur knapp (Schatzsucher – Eine Chronik des Grimmener Erdölbetriebes).
Trotz des Ausbleibens vergleichsweise größerer Erdolge zu DDR-Zeiten, in denen intensiv exploriert wurde, wagte CEP vor einigen Jahren den Schritt, die Erkundung von Erdöllagerstätten in Brandenburg im Bereich oder der Peripherie der bekannten Vorkommen erneut aufzunehmen. Aufgrund technologischen Fortschritts sowohl in der Vorerkundungs- als auch Bohr-und Fördertechnik hofft das Unternehmen, noch unentdeckte Kohlenwasserstoffpotenziale aufzuschließen.
Diese Hoffnung ist nicht unbegründet, gibt es im benachbarten Polen in ähnlicher geologischer Situation kombinierte Erdöl-/Kondensat-/Erdgaslagerstätten, die die brandenburgischen Lagerstätten hinsichtlich des Reservenpotenzials bei Weitem übertreffen. Dort sind Lagerstätten bekannt, die jeweils über mehrere Millionen Tonnen Erdöl zuzüglich mehrerer Milliarden Kubikmeter Erdgas an förderbaren Reserven verfügen. Und mit dem Erdöl-/Kondensat-/Erdgasfund der Bohrung „Guhlen 1a“ könnte sich die Hoffnung, die Erdölförderung in Südostbrandenburg wieder aufzunehmen, durchaus erfüllen.
Mit Förderbewilligung beginnt der Protest
Jahrelang sah sich CEP in Südostbrandenburg kaum mit Widerstand konfrontiert, was sicherlich auch mit intensiver Öffentlichkeitsarbeit begründet werden kann. Nach eigenen Angaben sind 4.000 Besucher bei öffentlichen Veranstaltungen und Bohrplatzführungen aus erster Hand informiert worden, darunter auch der Verfasser. 4.000 Menschen ist eine beachtliche Zahl für eine ländliche dünnbesiedelte Gegend. Von dieser Öffentlichkeitsarbeit, die nicht nur im relativ steifen Rahmen auf Informationsveranstaltungen stattfand, sondern auch durch Präsenz auf regionalen Festen, können sich einige der großen Marktteilnehmer in Deutschland das ein oder andere Scheibchen abschneiden.
Doch nachdem mit der Bohrung „Guhlen 1a“ Erdöl, Erdgas sowie hochwertiges Kondensat nachgewiesen werden konnten und sich eine wirtschaftliche Perspektiver der Wiederaufnahme der Erdölförderung in Südostbrandenburg ergab, keimte Widerstand auf. Und dieser hat es teilweise in sich, was bedeutet: Er bewegt sich auf äußerst tiefem Niveau, welches sogar noch die bislang schlimmsten Desinformationskampagnen anderer „Gegen Gasbohren“ & Co. – BI unterbietet. Als Referenz für die Propaganda dienen nicht etwa Medienbeiträge, die oberflächlich recherchiert waren und eigenartig interpretierte Studieninhalte zum Hintergrund hatten. Es sind stattdessen lückenhafte, dramatisierende, einseitige sowie z.T. mit der DDR-Zeit bedingten Verhältnissen aufwartende „Dokumentationen“ des NDR sowie des MDR, die als Beweis für angebliche Gefahren der Erdölförderung herhalten.
Anonym wurden bislang zwei Wurfsendungen verteilt. Diese liegen uns vor und lassen uns nur mit dem Kopf schütteln. Als Verantwortlich gibt sich eine Interessengemeinschaft „IG Gegen Gasbohren“ aus und eine E-Mail Adresse, welche wir im abgebildeten Flyer geschwärzt haben, ist ebenfalls keiner Person konkret zuzuordnen. Die beiden Wurfsendungen werden im weiteren Verlauf kommentiert.
Erdölförderung in Südostbrandenburg im Konflikt mit dem Tourismus?
In der ersten Wurfsendung, die im Juni 2018 verteilt wurde, dreht es sich in erster Linie um die Befürchtung, dass das „Erholungsgebiet Schwielochsee“ bedroht wäre. Interessant sind die im Flyer aufgeführten Fakten. Sicherlich ist es richtig, dass die angedachte Erdölförderung in Südostenbrandenburg ein lukratives Geschäft für das Unternehmen ist und die Allgemeinheit von der Förderabgabe (im Flyer fälschlich als Konzessionsabgabe bezeichnet) profitiert. Es ist in unserem Wirtschaftssystem übrigens Sinn und Zweck eines Unternehmens, lukrative Geschäfte zu betreiben.
Laut Flyer soll CEP angegeben haben, dass täglich 234 Tonnen Erdöl sowie 284.000 Kubikmeter Erdgas gefördert werden sollen. Zudem sollen 40 bis 50 Bohrungen niedergebracht werden. Wie die IG an diese konkrete Zahlen gekommen ist, wäre interessant zu wissen. Denn auf der Website der CEP sind sie nicht zu finden. Wie wir jedoch in Erfahrung bringen konnten, sind die Daten auf illegalem Wege nach außen getragen worden, und zwar mutmaßlich durch einen Gemeindemitarbeiter.
Irritierend ist zudem die Angabe, dass täglich 50 LKW-Transporte notwendig wären, um die genannte Menge zur Raffinerie zu bringen. Unter der Annahme einer Dichte des Öls von 0,85 g/cm³ (ungefähre Dichte anderer Erdöle im Staßfurtkarbonat in Brandenburg) könnten pro Tankwagen mit 25 m³ Volumen 21,25 Tonnen Erdöl transportiert werden. Sofern die Angabe von 234 Tagestonnen zutrifft, bedürfte es tatsächlich nur 11 Tanklastzügen statt der angegebenen 50.
Unter dem Punkt „Historie“ schreiben die anonymen Flyerverteiler, dass nach der ersten Bohrung („Guhlen 1“, d. Verf.) es im Zuge der Testarbeiten nach Erstellung der „Guhlen 1a“ es im Mai 2016 „das 1. wahrnehmbare Ereignis“ gab. Im „Testlauf“ wäre an zwei Austrittsstellen (Doppelfackel?, d. Verf.) Erdgas über 12 Stunden und während der Nacht abgefackelt worden. Der ohrenbetäubende Lärm wäre dabei bis in den Ortsteil Goyatz wahrnehmbar gewesen und hätte für eine schlaflose Nacht gesorgt.
Auch an dieser Darstellung sind erhebliche Zweifel angebracht. Sicherlich ist im unmittelbaren Bereich einer Fackel aufgrund des mit hohem Druck ausströmenden Erdgases ein erheblicher Lärmpegel zu verzeichnen. Jedoch liegt die Ortschaft Goyatz zwei Kilometer von der Bohrung entfernt. Davon ist die Hälfte als natürlicher Schallschutz fungierender Wald. Es ist gut möglich, dass in Goyatz noch etwas zu hören war, aber das der nächtliche Lärmschutz-Grenzwert von 45 dB überschritten wurde, ist auszuschließen. Offensichtlich hat jedenfalls niemand der vorgeblich um den Schlaf Gebrachten die Polizei verständigt.
Parallelen zu bekannten Ammenmärchen von anderen „Gegen Gasbohren“ – BI
Die Behauptung erinnert ein wenig an den vermeintlichen „Säureregen“ vom April 2014 an der abgelegenen Bohrung „Söhlingen Z5“ in Niedersachsen, wo während spätabendlichen Fackelarbeiten „Anwohner“ angeblich durch austretende Säure verletzt worden sein wollten. Polizei, Feuerwehr oder Notarzt wurden seinerzeit nicht angefordert. Allerdings fungierten die „Verletzten“ damals zunächst etwas cleverer als die IG gegen Erdölförderung in Südostbrandenburg, in dem sie ihre Story an die teils wohlgesonnenen Medien herantrugen, die diese Lügengeschichte ungeprüft verbreiteten und selbst offensichtliche widersprüchliche Zeugenaussagen nicht bemerkten.
Als dann festgestellt wurde, dass es keine Nachweise für einen „Säureregen“ gab, hüllten sich die Medien, darunter auch öffentlich-rechtliche wie NDR und Radio Bremen, in Schweigen und die angebliche betroffenen „Anwohner“ reagierten äußerst dünnhäutig, wenn sie von uns mit der Frage konfrontiert wurden, warum sie nicht einmal einen Arzt ob der Verletzungen konsultiert hätten.
Behauptet wird in dem Punkt „Historie“ ferner, dass bereits „Mikrobeben/Setzungen in den Ortschaften erkennbar und im Gedächtnis geblieben“ wären.
Wir sind immer wieder erstaunt über die übersinnlichen Fähigkeiten von Gegnern der Erdöl-Erdgas-Industrie (siehe dazu Artikel aus 08/2014: „Die übersinnlichen Kräfte der Gasförderungsgegner„. Keine seismologische Station hat in Südostbrandenburg in jüngerer Zeit Beben registriert, aber in den Ortschaften sollen Folgen von Mikrobeben/Setzungen bereits erkennbar sein, und das, obwohl die Förderung überhaupt noch nicht aufgenommen wurde? Es ist unglaublich, mit welcher Selbstüberzeugung solche Gruppierungen wie die IG Gegen Gasbohren Schwielochsee Lügen verbreiten und damit auch noch Erfolg haben.
Übliche klischeehafte Argumente gegen Erdölförderung in Südostbrandenburg
Ebenso wie sich Parallelen in der Erfindung von dramatischen Storys anderer gegen die Erdöl-Erdgasgewinnung opponierender Interessengemeinschaften oder Bürgerinitiativen aufzeigen lassen, gibt es Gemeinsamkeiten in der Argumentation gegen die mögliche Wiederaufnahme der Erdölförderung in Südostbrandenburg. Das ist wenig überraschend, da als Grundlage bezüglich der ersten Wurfsendung der NDR-Beitrag „Verschmutzen und Verharmlosen – Die Tricks der Öl- und Gasindustrie“ dient. Diesen zum zweiten Mal im März 2018 (Erstausstrahlung ca. ein Jahr zuvor) ausgestrahlten Film haben wir mit Genuss und faktenbasiert in einer dreiteiligen Serie, beginnend mit „Auslassen und Dramatisieren – Der NDR über angebliche Folgen der Erdöl- und Erdgasgewinnung in Norddeutschland“ auseinandergenommen.
Wie kaum anders zu erwarten, sind die Schwerpunkte der Gegenargumentation Gasausbrüche, Erdbeben sowie Verschmutzungen des Grundwassers durch Versenkung von aus dem tiefen geologischen Untergrund mitgefördertem Lagerstättenwasser (LaWa) in den tiefen Untergrund. Aber auch vor der Instrumentalisierung von an Blutkrebs erkrankten Menschen wird nicht zurückgeschreckt.
Dazu Folgendes: Gasausbrüche an Bohrungen haben in Deutschland absoluten Seltenheitswert. Am 23.09.2014 ereignete sich ein schwerer Unfall an einer Erdölbohrung im Emsland, bei dem schließlich ein Todesopfer zu beklagen war („Schwerer Unfall im Erdölfeld Bramberge – Zusammenschau der bisherigen Erkenntnisse„). Drei weitere Mitarbeiter erlitten schwerste Brandverletzungen. Dieser Unfall war der erste Bohrlochbrand in Deutschland seit Jahrzehnten, was beweist, dass der Betrieb von Erdöl- und Erdgasbohrungen insgesamt als sicher einzustufen ist. Dennoch schreckte die Gegnerschaft der Erdöl-Erdgas-Industrie nicht davor zurück, diesen schwerwiegenden, aber seltenen Unfall zu instrumentalisieren.
Erdbeben infolge der Erdöl- und Erdgasförderung sind nicht von der Hand zu weisen, jedoch treten sie nicht grundsätzlich bei der Gewinnung von Erdöl- und Erdgas auf. Zahlreiche Lagerstätten, aus denen weit mehr gewonnen wurde als bei der erneuten Erdölförderung in Südostbrandenburg zu erwarten ist, sind absolut aseismisch, wie z.B. die größte deutsche Erdöllagerstätte „Mittelplate“ vor der schleswig-holsteinischen Westküste.
Hinsichtlich der Thematik LaWa gab es in der Vergangenheit Probleme, sofern es via Rohrleitungen transportiert wurde. Diese Probleme waren jedoch räumlich eng begrenzt und führten zu keiner langfristigen Beeinträchtigung von Grundwasser und schon gar nicht von solchem, welches für die Trinkwassergewinnung genutzt wird. Probleme im Zusammenhang mit der Versenkung von LaWa sind nicht bekannt. Hier wird tatsächlich eine Scheindebatte geführt.
Zum Thema erhöhte Blutkrebsraten haben wir uns auf dieser Seite schon sehr ausführlich geäußert. Deshalb soll ein Hinweis auf unsere Beiträge „Erdgasförderung und Blutkrebs in der Region Rotenburg – Was gegen einen Zusammenhang spricht“ sowie „Erhöhte Blutkrebserkrankungen in Bothel und Rotenburg: Umweltmediziner Bantz argumentiert am Sachverhalt vorbei „. genügen.
Verhältnisse aus DDR-Zeiten in die Gegenwart projiziert
Die zweite anonyme Wurfsendung fällt inhaltlich deutlich zurückhaltender aus, was den Umfang betrifft, hat es hinsichtlich der Dramatik aber in sich. Da Flyer Numero 2 deutlich übersichtlicher ist als sein Vorgänger, können wir ihn hier abbilden.
Im Grunde ist der Flyer ein Aufruf, die vom MDR produzierte und am 25.07.2018 ausgestrahlte Sendung „Verstrahlt – Vergiftet – Vergessen“ der Autorin Heidi Mühlenberg einzuschalten. Obwohl der Verfasser diesen MDR-Beitrag nicht gesehen hat, ist ihm der Inhalt bekannt, da der MDR ihm eine Inhaltsangabe per E-Mail zukommen ließ. Aus dieser wurde deutlich, dass sich der Beitrag vornehmlich mit Problemen der Erdgasförderung in der Altmark befasst (übrigens Heimat des Verfassers), die auf nicht von der Hand zu weisende unzureichende Verhältnisse hinsichtlich Arbeitsschutzes der Mitarbeiter sowie auch des Umweltschutzes zu realsozialistischen Zeiten zurückzuführen sind.
Andererseits waren reine Spekulationen Inhalt des Beitrages. Konkret benannt werden muss an dieser Stelle all das, was unter den Begriff „Verstrahlt“ fällt. Dazu gab es vom MDR bereits in 2017 einen Beitrag, welcher von uns kritisch mit „MDR-Exakt über ausgemusterte Erdgasförderstränge – Panikmache mit Radioaktivität Teil I“ kommentiert worden ist.
Festzuhalten ist, dass die in der MDR-Sendung gezeigten tatsächlichen (Quecksilbervergiftungen bei Mitarbeitern) sowie erfundenen (Verstrahlungen) Probleme im unzureichenden Arbeits- wie Umweltschutz zu verorten sind. Offene Abfalldeponien wie die in Brüchau sind heutzutage weder Stand der Technik noch wären sie genehmigungsfähig. Eine Bürgerinitiative wie die „IG Gegen Gasbohren im Oberspreewald“, welche sich anmaßt, die Bevölkerung hinsichtlich der Folgen der geplanten Erdölförderung in Südostbrandenburg informieren zu wollen, müsste es eigentlich vor dem Hintergrund der Aufklärung besser wissen.
Doch um sachgerechte Information und Aufklärung geht es den Interessengemeinschaften und Bürgerinitiativen bekanntermaßen nicht, auch nicht bezüglich der möglichen Wiederaufnahme der Erdölförderung in Südostbrandenburg. Und ob tatsächlich wirkliche Anwohner hinter den Wurfsendungen stecken, darf angezweifelt werden, da nicht zum ersten Mal ortsfremde Aktivisten versuchen, die Alteingesessenen zu beeinflussen.
Artikelfoto: ITAG-Rig 30 auf Erdölerkundungsbohrung „Märkische Heide 1“. Foto: Steven Arndt