Bodenuntersuchungen an Erdgasförderplätzen im LK Rotenburg abgeschlossen

Bodenuntersuchungen Söhlingen

Im Jahr 2014 wurden durch den Naturschutzbund Deutschland (NABU) im Umfeld von zwei Förderplätzen im Erdgasfeld Söhlingen/-Ost Bodenproben entnommen. Zwei dieser Mischproben ergaben Quecksilberwerte von 4,2 mg/kg Trockensubstanz Boden bzw. 6,7 mg/kg. Damit unterschritten sie den sensibelsten Prüfwert für den Kontaminationspfad Boden-Mensch von 10 mg/kg (Kinderspielplätze) erheblich. Daraufhin sahen sich lokale und regionale Medien veranlasst, mit Aussagen von „40 bis 70-fach“ überhöhten Quecksilberwerten Angst zu schüren. Das wiederum führte im Zusammenwirken mit Anti-Gasförderungsinitiativen dazu, dass sich die zuständige Bergbehörde veranlasst sah, Bodenuntersuchungen im Umfeld von Erdgasförderplätzen durchzuführen.

Vorgeschichte der Bodenuntersuchungen

Workover auf Söhlingen Z9a (Mai 2013)

Workover auf Söhlingen Z9a (Mai 2013). ©chef79

Wie bereits einleitend erwähnt, führte der NABU im Umfeld von Förderplätzen im Erdgasfeld Söhlingen/-Ost Bodenuntersuchungen durch. Dabei wurden in zwei von zwölf Mischproben die oben genannten Werte festgestellt. Diese stellen zwar nach der Bundesbodenschutzverordnung (BBSchVO) keine Gefährdung für Menschen dar, was jedoch Medien und Anti-Gasförderungsinitiativen nicht davon abhielt, diese Funde zu skandalisieren. Dass das Quecksilber mit der lokalen Erdgasgewinnung zusammenhängt, steht außer Frage. Schließlich enthält zum einen das aus dieser Lagerstätte geförderte Erdgas das sehr giftige Schwermetall in vergleichsweise hohen Konzentrationen. Zum anderen wurde bis in die 1990er Jahre hinein Erdgas bei erforderlichen Abfackelungen anders als heute kaum vorgereinigt.

Ein weiterer Kontaminationsgrund ist die Reinigung von ausgemusterten Anlagenteilen unter freiem Himmel bei Nichteinhalten von Schutz- und Sicherheitstandards. Das ist an den Plätzen Söhlingen-Ost Z1 sowie Söhlingen Z6 geschehen. Bei erstgenanntem Platz ermittelte der Betreiber auf Veranlassung des niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) einen Spitzenwert von über 100 mg/kg Trockensubstanz Boden fest. Auch beim Gelände der aufgegebenen und verfüllten Bohrung Söhlingen Z6 wurde infolge von Reinigungsarbeiten ein Spitzenwert von 120 mg/kg ermittelt. Damit lagen die Spitzenwerte sogar über dem höchsten Prüfwert für den Wirkungspfad Boden-Mensch von 100 mg/kg für Industrieanlagen. Erschwerend kommt hinzu, dass im erstgenannten Fall der Wert außerhalb des Betriebsgeländes festgestellt worden ist. Das darf nicht passieren und es ist dabei irrelevant, dass aufgrund der dünnen Besiedlung keine Menschen dadurch gefährdet worden sind. Inzwischen sind die betroffenen Bereiche saniert bzw. werden es.

Diese Funde, von NABU über LBEG bishin zum Betreiber, der ExxonMobil Production Deutschland GmbH (EMPG) waren ein Anlass für orientierende Bodenuntersuchungen seitens des LBEG. Hinzu kommt, dass einige Anwohner die Erdgasförderung für Krebserkrankungen verantwortlich machen. Bestätigt fühlen sie sich durch Untersuchungsergebnisse des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen (EKN). Diese wiesen für die Samtgemeinde Bothel sowie für die Stadt Rotenburg/Wümme signifikant erhöhte Erkrankungen hinsichtlich Blutkrebs (Leukämien/Lymphome) nach. Betroffen sind ausschließlich Männer höheren Alters. Dass Frauen nicht betroffen sind, dass in Nachbargemeinden sowie anderen Gemeinden, in denen ebenfalls intensiv Erdgas gefördert wird, keine signifikanten Erhöhungen dieser Krankheitsbilder nachgewiesen wurden, bringt die Beschuldiger nicht davon ab, ihre unbewiesenen Anschuldigungen aufrecht zu erhalten. Unterstützung finden sie bei zahlreichen Medien, die immer wieder einen Zusammenhang zwischen der Erdgasproduktion und den Erkrankungen in unverantwortlicher sensationslüsterner Art und Weise suggerieren.

Ergebnisse der orientierenden Bodenuntersuchungen seitens des LBEG

Erdgasfördersonde Söhlingen-Ost Z4

Erdgasfördersonde Söhlingen-Ost Z4. ©chef79

Am 19.09.2016 gab das LBEG bekannt, dass die orientierenden Bodenuntersuchungen im Landkreis Rotenburg und deren Auswertung abgeschlossen sei. Insgesamt seien 36 von 52 aktiven Erdgasförderplätzen untersucht worden. Das ist nicht korrekt, da die Bohrung Sottrum Z1 nie der Förderung sondern der Versenkung von mitgefördertem Salzwasser (Lagerstättenwasser, LaWa) diente bzw. dient. Während im landesweiten Durchschnitt 44 % der Förderplätze untersucht werden, sind es im Landkreis Rotenburg 70 % gewesen. Hintergrund für die höhere Beprobungsrate und deren zügiger Abschluss sind die oben beschriebenen Verdächtigungen.

Bei 31 Förderplätzen konnte der Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung ausgeräumt werden. Bei zwei Plätzen, Hemsbünde Z1 und Bötersen Z1 wurden auffällige Quecksilberwerte dokumentiert. Das ist bereits im vergangenen November bekannt gegeben worden (Aktuelles Untersuchungsprogramm im Umfeld von Erdgasförderplätzen: Erste Ergebnisse liegen vor – Keine Bodenbelastungen). An drei weiteren Plätzen (Sottrum Z1, Hemsbünde Z2 und Z4) gab es Auffälligkeiten hinsichtlich Polyzyklischer Aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK). Dabei ist anzumerken, dass im Gegensatz zu Quecksilber PAK kein Bestandteil von Erdgas ist. Ein Zusammenhang mit der Erdgasförderung ist demnach sehr unwahrscheinlich.

Aufgrund dieser fünf Auffälligkeiten sind die Betreiber der Förderanlagen (zwei Mal EMPG, drei Mal Deutsche Erdöl AG – DEA) veranlasst worden, weitere Untersuchungen durchzuführen. Sollte dabei festgestellt werden, dass es Auswirkungen auf Mensch und/oder Umwelt bestünden, werde eine abschließende Gefährdungsbeurteilung folgen. Diese steht derzeit noch aus.

Reaktionen der Lokalpolitik

Erdgasförderbohrung "Söhlingen Z14"

Erdgasförderbohrung „Söhlingen Z14“. ©chef79

Wie kaum anders zu erwarten, erfolgten auf die Ergebnisse teils sehr seltsame Reaktionen und eigenwillige Interpretationen seitens der Lokalpolitik sowie in der Medienlandschaft. Bei Letzteren taten sich insbesondere die lokale Kreiszeitung sowie die überregionale TAZ hervor während die Rotenburger Rundschau (aus dem selben Verlagshaus wie die Kreiszeitung) (LINK) sowie erstaunlicherweise der NDR (LINK) sich einfach an die Fakten halten.

Beginnen wir mit dem Bürgermeister von Rotenburg, Herrn Andreas Weber (SPD). Dieser findet den PAK-Nachweis in einem Entwässerungsgraben der Bohrung Hemsbünde Z4 „besorgniserregend“. Weber wird folgendermaßen in einem Artikel der Kreiszeitung zitiert: „Offensichtlich sind die Dinge, die von den Förderunternehmen bestritten werden, doch richtig.“ und fordert ein konsequentes Fracking-Verbot in Wasserschutzgebieten (WSG; die Bohrung Hemsbünde Z4 befindet sich in einer äußeren WSG III-Zone). Webers Forderung ist hinfällig, da mit einem neuen „Frackinggesetz“ Fracarbeiten in Bohrungen innerhalb von WSG verboten sind. Zudem stellt sich die Frage, was der Nachweis von PAK mit Hydraulic Fracturing zu tun haben soll. Zudem handelt es sich nicht um ein generelles „Problem“ im Umfeld der Bohrung, sondern lediglich um einen Einzelnachweis. Andere Proben im Umfeld der Bohrung blieben ohne Befund.

In die gleiche Kerbe wie Weber schlägt der Bürgermeister der Samtgemeinde Bothel, Herr Dirk Eberle. Anders als Weber, der sich frühzeitig und eindeutig auf die Seite der Anti-Gasförderungsaktivisten geschlagen hat, fiel Eberle in der Vergangenheit durch Sachlichkeit auf. Dem ist nun nicht mehr so, wie aus selbigem Kreiszeitung-Beitrag hervorgeht: „Die Gefahr für Bürger ist vorhanden und bleibt“. Diese Einschätzung ist aus zweierlei Gründen seltsam: Zum einen ist aus den ermittelten Werten keine Gefahr für Bürger ableitbar, da lediglich in einzelnen der 388 Proben Vorsorgewerte als geringfügigster Schwellenwert hinsichtlich Quecksilber überschritten worden sind. Nirgendwo sind jedoch Maßnahme- oder Prüfwerte nach BBSchVo, die eine Aussage hinsichtlich der Gefährdung von Menschen erlauben, auch nur ansatzweise überschritten worden. Als zweites widerspricht sich Eberle selbst, indem er davon ausgeht, dass es sich um vermutlich Altlasten handelt. Es ist also keine Gefährdung vorhanden oder bleibt.

Freie Erfindungen zu Bodenuntersuchungen bei der TAZ

Erdgasbohrung Bötersen Z11. Wartet seit 5 Jahren auf erforderliche Fracbehndlung zu Inproduktionsnahme

Erdgasbohrung Bötersen Z11. Wartet seit 5 Jahren auf erforderliche Fracbehndlung zu Inproduktionsnahme. ©chef79

Als einziges überregionale Zeitung nahm sich die politisch weit links einzuornende TAZ der Ergebnisse an und ergänzte die Pressemitteilung des LBEG mit definitiven Falschaussagen. Das soll an dieser Stelle erläutert werden. Während sich im ersten Abschnitt des Artikels noch weitestgehend an die Fakten gehalten wird, ändert sich das prompt im darauffolgenden.

Weitestgehend deshalb, weil geschrieben wird, dass neben Quecksilber auffällig hohe Werte an „krebserregenden aromatischen Kohlenwasserstoffen“ festgestellt worden sind. Diese Aussage ist unzutreffend, da nicht aromatische Kohlenwasserstoffe wie Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylol (BTEX)  nachgewisen worden sind, sondern Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe. Die Differenzierung ist wichtig. Denn während BTEX im Erdgas enthalten sein können, ist das bei PAK nicht der Fall.

Der Autor hält die insgesamt betrachtet entwarnenden Ergebnisse für alarmierend. Er begründet das mit den erhöhten Krebsraten in der Samtgemeinde Bothel sowie der Stadt Rotenburg/Wümme. Immerhin gibt er zu, dass nur Männer „fortgeschrittenen Alters “ betroffen seien. Gleichzeitig unterschlägt er jedoch, dass die signifikanten Erhöhungen lediglich der Gruppe Leukämien/Lymphomen  zuzuordnen sind, sämtliche andere Krebserkrankungen jedoch keine signifikanten Erhöhungen aufweisen.

Interessant ist ein Zitat von Helmut Horn, einem der führenden Köpfe der Erdgasförderungsgegner der Region: „Von der Industrie bezahlten Gutachten können wir nicht trauen.“ Horn bezieht sich darauf, dass für die erforderlichen Detailuntersuchungen die Fördergesellschaften verantwortlich seien. Seine Unterstellung ist insofern falsch, als dass der Nachweis ernsthaft überhöhter Quecksilberwerte am Platz Söhlingen-Ost Z1  vom Betreiber EMPG erbracht worden ist.

Zusammenfassung

Im Landkreis Rotenburg/Wümme sind die orientierenden Schadstoffuntersuchungen im Umfeld von Erdgasförderplätzen abgeschlossen worden. Debei wurden an zwei Plätzen auffällige Werte des im Erdgas enthaltenen Quecksilber ermittelt. An drei weiteren Plätzen konnten signifikante PAK-Werte ermittelt werden. Im Gegensatz zu Quecksilber sind PAK jedoch kein Bestandteil von Erdgas, womit ein Zusammenhang zwischen der Erdgasproduktion und den PAK-Werten sehr unwahrscheinlich ist.

Einige Vertreter der Lokalpolitik schlussfolgern aus den Ergebnissen, dass eine Gefährdung für die Bevölkerung bestünde. Dabei ignorieren sie teilweise, dass die nachgewiesenen Werte a) relevante Maßnahme- oder Prüfwerte weit unterschreiten und b) hinsichtlich PAK sehr wahrscheinlich, also ziemlich sicher, keinerlei Zusammenhang zur Erdgasproduktion hergestellt werden kann. Leider spielen einige Medien, hervorzuheben ist hierbei die TAZ, mit Falschaussagen den genannten Lokalpolitikern in die Hände.

Im Übrigen war in mehreren Beiträgen zu lesen, dass die Erdgasförderungsgegner es nicht für richtig halten, dass lediglich Bodenuntersuchungen vorgenommen werden. Nach ihrer Meinung seien diese nicht aussagekräftig genug. Sie fordern u.a. Luftuntersuchungen. Doch diese gab es bereits 2012 und auch jahresübergreifend 2015/2016 im Erdgasfeld Söhlingen. Die entwarnenden Ergebnisse wurden jedoch nicht akzepiert. Das kann z.B. folgendem „Artikel“ der Kreiszeitung entnommen werden. Die dort zitierte Gewürzhändlerin Birgit Brennecke (Mitglied Bündnis90/Grüne) wirft LBEG sowie zertifizietem sachverständigen Unternehmen „Inkompetenz“ vor. Artikel deshalb in Gänsefüßchen, weil selbiger zuvor nahezu 1:1 als dritter Kommentar von Frau Brennecke bei einem NDR-Beitrag zum Thema erschien .

Artikelfoto: Erdgasförderbohrung Söhlingen-Ost Z3 ©chef79