Bohranlage unter den Rock geschaut – Besuch auf der Erdölerkundungsbohrung „Märkische Heide 1“
Aufgewachsen im Bereich der zweitgrößten europäischen Erdgaslagerstätte im nordwestlichen Sachsen-Anhalt kann sich der Verfasser dieses Artikels solange er sich erinnern kann für Tiefbohranlagen sowie alles, was im Zusammenhang mit der Erdgas- und Erdölgewinnung steht, begeistern. Bislang war ihm der unmittelbare Besuch einer aktiven Bohranlage nicht vergönnt. Das änderte sich am 20.12.2015 mit dem Besuch der Bohrung „Märkische Heide 1“.
Gegenwärtig lässt das Unternehmen CEP Central European Petroleum GmbH (CEP) ca. 10 Kilometer nordöstlich des Spreewaldstädtchens Lübben die erdölerkundungsbohrung „Märkische Heide 1“ zwischen den Dörfern Biebersdorf im Süden und Krugau im Norden durch die ITAG Internationale Tiefbohr AG mit der ITAG-Rig 30 abteufen.
Bereits 2014 stand ich mit dem damaligen, inzwischen verstorbenen CEP-Geschäftsführer Dr. Thomas Schröter in Kontakt, um einen Termin zum Besuch der Erdölerkundungsbohrung „Barth 1“ in Vorpommern zu finden. Die Bohrung stand im Frühjahr 2014 kurz davor, einer mehrfachen Fracbehandlung, der bislang letzten im Zusammenhang mit der Erdöl- und Erdgasgewinnung in Deutschland, unterzogen werden. Durch persönlichen Zeitmangel sowie des plötzlichen Todes Dr. Schröters kam dieser Termin leider nicht zustande.
Nachdem CEP angekündigt hatte, in Brandenburg eine zweite Erkundungsbohrung abzuteufen, wurde die Idee eines Bohrplatzbesuches, dieses Mal idealerweise während der aktiven Bohrphase, wieder aufgegriffen. CEP zeigte sich diesbezüglich in Person des Pressesprechers Jens D. Müller ebenso kooperativ wie seinerzeit Dr. Schröter. Nach kurzem Schriftverkehr per Mail konnte ein für beide Seiten genehmer Termin zum Besuch der Bohrung „Märkische Heide 1“ gefunden werden. Vereinbart wurde der 20.12.2015 um die Mittagszeit.
Ca. eine dreiviertel Stunde vor Erreichen des Bohrplatzes kündigte ich meinem persönlichen Platzführer Erik mein pünktliches Erscheinen an. Nach dem Erreichen der Lokation gab es seitens des freundlichen Sicherheitsdienstes eine kurze Sicherheitseinweisung. Dazu zählt z.B., dass ich meinen fahrbaren Untersatz rückwärts einparken musste. Hintergrund dieser Maßnahme ist, dass im Falle eines plötzlichen Gasausbruches ohne Rangieraktivitäten die Flucht ergriffen werden kann. Das Prozedere war mir im Vorfeld selbstverständlich bekannt.
Nach dem Einparken wurde ich vom Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes in die „Containerburg“ zu Erik geführt, der mich mit einer gewissen Neugier in Empfang nahm. Außer mir war noch eine größere Gruppe Kinder sowie eine handvoll Erwachsene zugegen, die, mit Helm, Schutzbrille, Sicherheitsschuhen und weißem Overall ausgestattet, ebenfalls über den Bohrplatz geführt wurden. Es ist begrüßenswert, mit solchen Führungen Kindern die spannende Welt der Tiefbohrtechnik näher zu bringen.
Nachdem ich selbst mit rotem Besucherhelm sowie Schutzbrille ausgestattet wurde, begann die Führung über den Platz. Zunächst begaben wir uns zum Gestängelager, wo Erik die Funktionen der Rohre unterschiedlicher Größe erläuterte. Die mit dem größten Durchmesser dienen der Ummantelung des Bohrlochs, um es vor dem Einsturz zu bewahren sowie um unerwünschte Zutritte von Tiefenwässern oder Gasen zu verhindern. Diese Art Rohre werden in der Fachsprache als Casings bezeichnet. Im Grunde nichts Neues für mich, aber für andere Besucher ist es sicherlich interessant zu erfahren, dass eine Tiefbohrung nicht einfach nur ein Loch im Gestein ist, sondern stattdessen ein anspruchsvolles Bauwerk.
Am Vortag wurde übrigens ein Casingstrang eingebaut und durch den Dienstleister Halliburton zementiert. Zementierung bedeutet in diesem Fall, dass zwischen das Rohr und das umgebende Gestein eine wässrige, mit Spezialzement versetzte Brühe verpumpt wird. Nach Aushärtung ist damit der Strang fest mit dem Gebirge verbunden und verhindert zusätzlich das Aufsteigen von Gasen und Flüssigkeiten zwischen Gebirge und Rohr.
Anschließend näherten wir uns, nachdem Erik mir einen PDC-Meißel zeigen wollte, der leider noch verpackt war, der Bohranlage. Hier ergab sich die Möglichkeit, der ITAG-Rig 30 einmal „unter den Rock“ zu schauen. Dort befindet sich eine mächtige, rote Armatur, der sogenannte Blowout-Preventer oder kurz BOP. Der BOP hat den Zweck, bei Zutritt von unter Druck stehenden Gasen oder Flüssigkeiten in das Bohrloch („Kick“) einen unkontrollierten Ausbruch („Blowout“) zu verhindern. Zu diesem Zweck sind mehrere Instrumente im BOP installiert, die den Bohrstrang sicher verschließen. Erik erläuterte, dass es kein leichtes Unterfangen war, die übermannshohe Armatur unter die bereits aufgestellte Anlage zu hieven. Aufgrund ihrer modularen Bauweise besteht unterhalb der Bühne wenig Platz.
Hinter dem Bohrmast befindet sich der Maschinenbereich. Hier erzeugen riesige Dieselmotoren elektrischen Strom, um die Bohranlage anzutreiben. In diesem Bereich wurde es erstmals so laut, dass wir, um unser Gespräch fortführen können, unsere Stimmen stärker beanspruchen mussten. Trotz des Lärms in unmittelbarer Umgebung der Maschinen werden die strengen Anforderungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes eingehalten. Diese besagen, dass die anliegende Wohnbevölkerung nachts nicht mehr als 45 Dezibel ausgesetzt werden darf. Messungen während des Betriebs ergaben, dass dieser Grenzwert unterschritten wird.
Wir setzten also unseren Rundgang auf dem Platz der „Märkische Heide 1“ fort und kamen zum Bereich, in dem Spülungszusätze gelagert werden. die Bohrspülung hat im Wesentlichen vier Aufgaben: 1. Den Bohrmeißel zu kühlen, 2. den Bohrmeißel zu schmieren und 3. das erbohrte Gestein (sogenanntes Bohrklein) an die Oberfläche zu transportieren sowie 4. das Bohrloch vor dem Einsturz während der Bohrphase zu sichern. Dazu wird die meist wasserbasische Flüssigkeit mit verschiedenen Zusätzen „beladen“, wie z.B. Ton oder Baryt (Schwerspat). Von letzterem hätte ich säckeweise erwartet. Stattdessen lagen zahlreiche Säcke Natriumchlorids (Kochsalz) dort. Spülung wird dann aufgesalzen, wenn Salzgesteine durchörtert werden. Dadurch wird die Aussolung des Gesteins verhindert.
Nachdem die Spülung wieder zu Tage gefördert wurde, wird sie über Schüttelsiebe geleitet, so dass die Feststoffe abgetrennt werden können. Die Flüssigkeit wird dann entweder in den Spülungskreislauf zurückgeführt, oder, wenn aufgrund einer anderen Anforderung an die Zusammensetzung das nicht mehr möglich ist, zwischengelagert und entsorgt. Ein Blick auf die Schüttelsiebe blieb mir verwehrt, da ich, anders als die Besuchergruppe, weder Sicherheitsschuhe noch Overall trug. Die vorwiegend aus Kindern bestehende Gruppe hatte hingegen die Möglichkeit, das Prozedere der Spülungsaufbereitung anzusehen.
Anschließend begaben wir uns an den letzten Punkt unseres Rundgangs, und zwar zu den Becken, in denen das auf dem Platz anfallende Regenwasser gesammelt wird. Das Becken besteht aus zwei Kammern, wie man es von Auffangbecken kennt, die neben Straßen und Autobahnen errichtet werden. Im ersten Becken können sich eingespülte Feststoffe absetzen. Im zweiten becken wir dann das vorgereinigte Wasser gesammelt. Dieses wird regelmäßig auf Schadstoffe beprobt. Sollten keine vorhanden sein, wird das Wasser abgepumpt und in ein Sickerbecken geleitet. Das Wasser in den Becken war zwar schmutzig, wofür ursächlich sich in Suspension befindliche Schwebstoffe verantwortlich sein dürften. Ölschlieren waren nicht auszumachen.
Nach Abschluss des Rundgangs auf dem Platz der Bohrung „Märkische Heide 1“, auf dem entgegen meiner Vorstellung erstaunlich ruhige Betriebsamkeit herrschte, begaben wir uns in den Container, wo mir de Bohrpfad und das Bohrziel erläutert wurde. Ursprünglich bin ich davon ausgegangen, dass das Bohrziel das Stassfurtkarbonat (Ca2) ist. Schließlich sind sämtliche Erdöllagerstätten in Brandenburg an das Ca2 gebunden. Doch ich wurde eines Besseren belehrt.
Ziel sind darunter befindliche Sandsteine des Oberrotliegend, die sich in einer beulenartigen Hochlage befinden und in das Zechsteinsalinar eingedrungen sind. Es wird angenommen bzw. erhofft, dass Erdöl aus dem benachbarten jüngeren Ca2 in die beulenartige Struktur eingewandert ist. Denn das Ca2 ist wenig durchlässig, so dass sehr wahrscheinlich keine Zuflussraten erzielt werden können, die eine wirtschaftliche Förderrate erlauben. Nach Aussage Eriks hat das Explorationsziel durchaus Potenzial. Nicht allzuweit entfernt auf polnischem Gebiet wird aus einer ähnlichen Struktur erfolgreich Erdöl gefördert. Der Betreiber der dortigen Lagerstätte, das polnische Unternehmen PNG ist übrigens an der Bohrung „Märkische Heide 1“ als Konsortionalpartner beteiligt.
Abschließend möchte ich mich an dieser Stelle und mit diesem Beitrag bei CEP und insbesondere bei meinem persönlichen Führer Erik dafür bedanken, meinen Kindheitswunsch, einen Bohrplatz zu besichtigen, verwirklicht zu haben. An der Öffentlichkeitsarbeit von CEP gibt es nichts auszusetzen und dementsprechend kann ich jedem Interessierten und auch Zweiflern/Kritikern der Erdöl- und Erdgasgewinnung im Inland empfehlen, bei CEP bezüglich einer Führung nachzufragen. Vorteilhaft wären dabei sicherlich, wenn sich Gruppen zusammenfinden. Glück Auf!