Bohrschlammgruben Teil III: Es war ja zu erwarten…

von Diplom-Geologe Dirk Weißenborn

Frau Behiye Uca (Die LINKE) ist Mitglied des Kreistages im Landkreis Celle. Vor kurzem richtete sie eine Anfrage an die Verwaltung des Landkreises Celle (d.h. den Landrat) zu den Bohrschlammgruben im Landkreis Celle. Der Text der Anfrage ist dem Online-Nachrichtenportal „Celleheute.de“ 1:1. entnommen und kann unter http://celleheute.de/behiye-uca-stellt-anfrage-zu-bohrsachlammgruben/ eingesehen werden.

Dort ist zu lesen:

Anfrage zu Bohrschlammgruben im Landkreis Celle

Zehntausende Tonnen giftiger Bohrschlämme verunreinigen an hunderten Orten Niedersachsens die Böden. Das brachten Ende letzten Jahres Recherchen des NDR Verbraucher- und Wirtschaftsmagazins „Markt“ ans Licht der Öffentlichkeit. Die zuständige Aufsichtsbehörde, das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) in Hannover, wie auch das Umweltministerium kündigten systematische Untersuchungen an. Selbstverständlich ist auch der Landkreis Celle betroffen, war die Region doch eines niedersächsischen Hauptfördergebiete von Erdöl. Der Celler Zweckverband Abfallwirtschaft hat – laut CZ – bisher im Landkreis Celle 37 „identifiziert“.

Ich frage die Verwaltung:

1.) Sind der Verwaltung Bohrschlammgruben im Landkreis Celle bekannt?

2.) Wenn derartige Bohrschlammgruben bekannt sind: Wo befinden sich diese? Wurden sie schon einmal auf ein mögliches Gefährdungspotenzial hin untersucht? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Falls nein, hält die Verwaltung es für erforderlich, entsprechende Untersuchungen in Auftrag zu geben?

3.) Wie werden mögliche weitere frühere Bohrschlammgruben im Landkreis Celle ausfindig gemacht? Hält es die Verwaltung für sinnvoll – wie in anderen Landkreisen geschehen, durch einen entsprechenden Aufruf an ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger Kenntnis über weitere vorhandene Lagerstätten zu bekommen?

Diese Anfrage stellt zunächst einmal einen völlig normalen parlamentarischen Vorgang dar. Die Schutzgüter, besonders Grund- und Trinkwasser liegen uns allen am Herzen. Interessant ist dabei nur, dass eine solche Anfrage aus den Reihen der Kreistagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen bisher nicht gekommen war. Möglicherweise wollten deren Mitglieder den Umweltminister des Landes Niedersachsen, Herrn Stefan Wenzel (GRÜNE) nicht in Verlegenheit bringen. Immerhin ist eine erste umfangreichere Stellungnahme der interministeriellen Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern des Niedersächsischen Umweltministeriums, des Niedersächsischen Wirtschaftsministeriums und des LBEG erst für das Frühjahr 2015 angekündigt.

Dennoch bleibt aufgrund sonstiger Erfahrungen festzuhalten, dass sich gerade auch die Partei „Die Linke“ republikweit letztlich für eine völlige Vernichtung der inländischen Erdgas- und Erdölindustrie einsetzt. Die von dem undurchsichtigen Herrn Rahtjens und seinen Helfershelfern im Landkreis Rotenburg an der Bohrschlammgrube der Kallmoor Z1 losgetretene Lawine an bisher nicht geklärten Befürchtungen und Aktionen der Behörden, wird mit Sicherheit in das Konzept der Partei „Die Linke“ passen.

Schließlich sind nach deren Meinung die Bohrschlammgruben ja eine Hinterlassenschaft der bösen Erdölkapitalisten.

Dabei würde es die sozial-ökologischen Apologeten der LINKEN auch nicht stören, wenn Grundeigentümer schließlich mittels Anordnungen der unteren Boden- und Wasserbehörden der Landkreise zur kostenträchtigen Sanierung der aus der Frühzeit der Erdölgewinnung stammenden Altlasten auf Ihren Grundstücken verdonnert werden. Das ganze, weil Kreis- und Landesbehörden eventuell aufgrund der Panikmache in Aktionismus verfallen.

Man stelle sich vor, ein Rentner müsste mal schnell 100000 € Sanierungskosten aufbringen. Möglicherweise erhält er aufgrund seines Alters und seiner Vermögensverhältnisse überhaupt keinen Kredit. Das belastete Grundstück wird wohl kaum als Sicherheit bei der Bank herhalten können.

Leute wie Frau Uca spielen also leichtfertig mit Existenzen. Und das zum Zwecke Ihrer eigenen politischen Karriere.

Zurück in die Politik im Landkreis Celle. Wenige Tage später antwortete der Celler Landrat Wiswe:

Sehr geehrte Frau Uca,

zu Ihrer Anfrage in Sachen „Bohrschlammgruben im Landkreis Celle“ nehme ich wie folgt Stellung:

Der Landkreis Celle ist in besonderer Weise durch das Erdöl geprägt. Die weltweit erste fündige Bohrung wurde 1858 in Wietze abgeteuft. Zwar setzte der Ölboom erst um die Jahrhundertwende ein, trotzdem darf dieses Ereignis als Beginn der industriellen Erdölförderung gelten. Nach und nach, mit Schwerpunkten in den Jahren der Weltkriege, erfolgte die Erschließung von insgesamt acht Erdölfeldern: Wietze, Nienhagen, Bannetze, Rixförde, Eicklingen, Thören, Hohne, Wiedenrode. Lediglich die Felder Hohne und Wiedenrode wurden nach dem II. Weltkrieg erschlossen. Insgesamt wurden über 4.000 Bohrungen nach Erdöl niedergebracht; ungefähr die Hälfte davon allein im Feld Wietze. Hier gab es eine weitere Besonderheit, nämlich die bergmännische Gewinnung von Sickeröl und Ölsand unter Tage. Der aus den gewaschenen Ölsanden entstandene so genannte Ölberg prägt noch heute die Wietzer Landschaft.

Die Hochzeit der Erdölförderung im Landkreis Celle, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lag, ist längst vorbei, nur im Feld Nienhagen laufen heute noch einzelne Pumpen. Das bedeutet natürlich, dass zur Betriebszeit der meisten Anlagen gänzlich andere Umweltstandards als heute galten.

Bis etwa 1960 war es so üblich, dass auf den meisten Bohrplätzen Schlammgruben eingerichtet wurden. Zum Teil wurden diese im Zuge des Rückbaus wieder beseitigt und der Bohrschlamm zu den Zentralschlammgruben transportiert.

Seit 1904 unterliegen Erdölanlagen der Bergaufsicht. Bis dahin durfte jeder Grundstückseigentümer nach Erdöl bohren und Schlammgruben anlegen. Bis 1980 endete die Bergaufsicht formlos mit der Beendigung der Förderung. Heute ist dafür die Durchführung eines Abschlussbetriebsplanes erforderlich. Die Kreisbehörden werden hierbei beteiligt. Daraus folgt, dass der Landkreis Celle kaum über Dokumente aus der Zeit vor 1980 verfügt.

Dies vorausgeschickt beantworte ich die Anfrage wie folgt:

zu 1.

Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz hat im November 2014 die Erfassung sämtlicher Bohr- und Ölschlammgruben in Niedersachsen initiiert. Seitens des Landkreises Celle und des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Celle (ZAC) wurden 36 bekannte Bohr- und Ölschlammdeponien unterschiedlichen Charakters gemeldet.  Zehn davon zählen streng genommen nicht dazu, hier wurden Bohr- und Ölschlämme zusammen mit Hausmüll und anderen Abfällen abgelagert. Sechs Schlammgruben auf Bohrplätzen konnten ermittelt werden, weil sie auf Kriegsluftbildern erkennbar waren. Angesichts der Anzahl der abgeteuften Bohrungen dürfte es von diesen, eher kleinen Gruben, die sich unmittelbar auf oder nahe den Bohrplätzen befinden deutlich mehr geben. Je nach bergrechtlichem Status und Charakter der jeweiligen Schlammgruben können das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG), der ZAC oder der Landkreis Celle zuständig sein. Die Frage der Zuständigkeit für die einzelnen Gruben wird im Laufe des Frühjahrs nach den grundsätzlichen Festlegungen des Landes getroffen werden, siehe zu 3.

zu 2.

Die Lage der derzeit bekannten Bohrschlammgruben kann der in der CZ veröffentlichten, von Landkreis und ZAC gemeinsam erstellten Karte entnommen werden. Da im gesamten Kreisgebiet Bohrungen niedergebracht wurden, könnten grundsätzlich alle Gemeinden betroffen sein. Schwerpunkte bilden natürlich die oben genannten Erdölfördergebiete.

Schlammgruben, die innerhalb der letzten ca. 30 Jahre stillgelegt und aus der Bergaufsicht entlassen wurden, verfügten bzw. verfügen im Regelfall über ein Grundwassermessstellennetz, mittels dessen deren Einfluss auf das Grundwasser untersucht wurde. Diese jüngeren Schlammgruben wurden zumeist mit einer Oberflächenabdichtung, die den Zutritt von Regenwasser verhindert, versehen. Ältere Schlammgruben wurden zum Teil untersucht. Die Untersuchungsergebnisse fielen sehr unterschiedlich aus; je nach Einzelfall liegt eine Beeinflussung des Grundwassers durch z.B. Kochsalz (aus Bohrspülung) oder Erdöl vor, nicht selten wurde jedoch festzustellen, dass die Grundwasserbeschaffenheit nicht schädlich verändert wird.

zu 3.

Die Bearbeitung der Bohrschlammgrubenproblematik wird durch das Land koordiniert. Hierzu wurde eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Umwelt- und des Wirtschaftsministeriums sowie des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie gebildet. Derzeit erfolgt die zentrale Erfassung aller Bohrschlammgruben mittels Abfrage bei den Unteren Bodenschutzbehörden, den Bergbaufirmen und der Bergbehörde. Parallel dazu verhandelt das Land mit den Bergbaufirmen über eine – möglichst frühzeitige – Beteiligung der Firmen an den sich nach Entwicklung des fachlichen Rahmens als notwendig und angemessen erweisenden Maßnahmen. Sollte sich ergeben, dass zusätzlich zu den derzeitigen Ermittlungen der Standorte durch Aktenauswertung weitergehende Recherchen notwendig sind, kann die Befragung von Zeitzeugen hilfreich sein.

Eine landesweite Abstimmung der weiteren Verfahrensweise ist im Laufe des Frühjahrs 2015 zu erwarten. Landkreis und ZAC arbeiten in dieser Sache bereits eng zusammen und stehen in Kontakt zu den beteiligten Landesbehörden.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Wiswe”

Historische Förder-und Aufbereitungsanlagen am Originalplatz im Freigelände des Erdölmuseums Wietze

Historische Förder-und Aufbereitungsanlagen am Originalplatz im Freigelände des Erdölmuseums Wietze ©chef79

Diese Antwort spiegelt die Realität im Landkreis Celle in stark geraffter Form zunächst einmal plausibel wieder – auch wenn festzuhalten bleibt, dass zahlreiche Untersuchungslücken bestehen. Die Ergebnisse der landesweiten Recherche durch die beiden beteiligten Ministerien und das LBEG stehen zudem noch aus.

Selbst wenn der erste Zwischenbericht vorliegen sollte, wären damit noch längst nicht alle (möglichen) lokalen Auffälligkeiten, vor allem im Hinblick auf das Grundwasser geklärt. Ob nun in die eine oder andere Richtung.

Allein auf dem ehemaligen Erdölfeld Wietze (stillgelegt im Jahr 1963) existierten also über 2000 Bohrlöcher. Aus dem dortigen Deutschen Erdölmuseum ist bekannt, dass davon ca. 1600 zumindest zu irgendeiner Zeit einmal produktiv waren. Die annähernd 100 Jahre andauernden Aktivitäten der Erdölindustrie am Ort umfassten dabei direkt eine Fläche von nur 4km2! In diesem Bereich ist von zahlreichen Spuren der Erdölgewinnung auszugehen, wie auch die Asphaltrückstände auf dem Erdboden mancherorts zeigen. Es ist wohl sicher nicht übertrieben, davon auszugehen, dass zu jeder dieser Bohrungen eine Bohrschlammgrube gehörte. Sickergruben für Lagerstättenwasser, Absetzbecken für Öl-(sand)/Wassergemische aus der in Teilen des Ortes betriebenen Förderung mit Schlammbüchsen, Rückstände aus Transport, Lagerung und Leckagen und einiges mehr kommen dazu.

Der Celler Landrat erwähnt in seiner Antwort zusätzlich auch die in der Spitze ca. 30m hohe Ölsandhalde des ehemaligen Erdölbergwerks Wietze (Deutsche Erdöl Aktiengesellschaft). Dort wurden zwischen ca.1930 und 1963 ungefähr 1 Million Tonnen Sand aus der Ölsandwäsche abgelagert. Mit Restgehalten an Erdöl von etwa 3 Prozent! Es erscheint nicht vermessen, selbst nach Abzug von Verlustmengen (Verdunstung, oberirdischer Abfluss, Versickerung) von einigen Tausend Tonnen Erdölrückständen auszugehen, welche jedoch oberflächenah durch Oxidation in Form von Asphalt weitgehend immobilisiert wurden.

In Summe ergibt sich eine nahezu durchgehend beeinflusste Fläche, selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass im Zuge späterer Bau- und Infrastrukturtätigkeit gewisse Schlammmengen (aller Art) entfernt wurden. Als Baugrund eignen sich Schlämme aller Art selbstverständlich nicht.

Wollen die Apologeten der Vernichtung heimischer Kohlenwasserstoffgewinnung bei Links, Grün und Gegengasbohren etwa Flächen solcher Größenordnung sanieren lassen, um die „bösen Erdölkapitalisten“ durch die dadurch entstehenden Kosten ökonomisch zu schwächen? Wenn ja, dann sei folgende, überschlägige Rechnung für das Beispiel des ehemaligen Erdölfeldes Wietze aufgemacht:

Fläche= 4km2 = 4.000.000m2

4.000.000m2 x 2m (Schätzwert der durchschnittlichen Aushubtiefe)

= 8.000.000m3 Aushubvolumen

In Worten: Acht Millionen Kubikmeter müssten ausgekoffert, transportiert und irgendwo mindestens sicher gelagert, eventuell auch einer reinigenden Wäsche unterzogen werden. Das Ganze auf nur einem von zahlreichen ehemaligen Ölfeldern in Niedersachsen.

Woher sollen eigentlich die entsprechenden Ersatzvolumina unbelasteten Erdreichs kommen? Ganz abgesehen von dem mit der ganzen Aktion verbundenen Energieverbrauch, der Verkehrs- und Abluftbelastung.

Sollen nach dem Willen irrlichternder Ökofreaks die in einem kleineren Teil von Wietze seit Jahrhunderten bekannten und bis ins 20. Jahrhundert hinein in Nutzung stehenden Bereiche natürlicher Erdölaustritte („Teerkuhlen“) ebenfalls saniert werden? Damit würde sich ein weiterer Zuschlag zum oben genannten Volumen ergeben.

Der Irrsinn nähme seinen Lauf.

Immerhin würden sich Ingenieurbüros, Analytiklabore, Tief- und Erdbauunternehmen sowie Transporteure über zahlreiche Aufträge freuen. Sollten die Kosten solcher Sanierungsmaßnahmen einem heute tätigen Erdölunternehmen nicht mehr aufzudrücken sein, wären die Grundeigentümer in der Haftung. Privatinsolvenzen könnten die Folge sein.

Diejenigen, die das angeleiert haben, müssten mit unfreundlichen Kommentaren leben und den Aufenthalt in solchen Gebieten besser meiden.

Von bereits öffentlich in Erscheinung getretenen „Trittbrettfahrern“ wird im nächsten Teil der Bohrschlammgruben-Serie die Rede sein.