Brandenburg kein Erdölland mehr Teil II – Erdöllagerstätte Kietz aufgegeben

Auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Brandenburg wurde ab 1962 an verschiedenen Orten Erdöl, Gaskondensat (Leichtöl) sowie Erdgas gefördert. Im ersten Teil des Beitrags beleuchteten wir übersichtsartig die Zeit von 1962 über die politische Wende 1990 bis zum Jahr 1999. In Teil 2 wollen wir die vorläufig gut letzten zwei Jahrzehnte Brandenburgs als Erdölland betrachten. Dabei stehen Erkundungsarbeiten sowie insbesondere die Erdöllagerstätte Kietz im Fokus.

Lagerstätte Kietz – Der größte Erfolg im Erdölland Brandenburg

Erdölförderbohrung Kietz 2 sowie Fackelanlage. Foto: Steven Arndt, April 2020.

Während sich zwischen den 1960er Jahren und bis zur Mitte der 1980er Jahre die Erkundungsarbeiten auf Erdöl- und Erdgaslagerstätten im Staßfurtkarbonat im heutigen Brandenburg fast ausschließlich auf die Lausitz konzentrierten, ging es danach weiter nach Norden. 1986 gelang bei Märkisch-Buchholz der Fund einer nicht ganz so kleinen Gaskondensatlagerstätte. Diese führt allerdings zu ca. 90 Vol. % nicht brennbaren Stickstoff sowie auch korrosiven und giftigen Schwefelwasserstoff. Eine reguläre Produktion wurde daher nicht aufgenommen (siehe dazu auch Teil 1).

Im Folgejahr entdeckten die Erdölsucher nahe Manschnow im Oderbruch schließlich bereits mit der zweiten Bohrung die Erdöllagerstätte „Kietz“ nur wenige 100 Meter von der Grenze zu Polen entfernt. Während die erste Bohrung im Test nur salziges Schichtwasser mit einem Schwefelwasserstoffgehalt von 3 Vol. % erbrachte, war die einige 100 Meter weiter östlich gelegene „E Kietz 2/86“ (Bohrende Februar 1987 bei 2.850 m Endteufe) erfolgreich. Sie traf im Staßfurtkarbonat eine Erdöllagerstätte mit signifikantem Anteil an Erdölbegleitgas an. Das Gas enthielt neben 65 Vol. % Methan auch 2,7-2,9 Vol. % Schwefelwasserstoff. Aufgrund des Schwefelwasserstoffgehalts konnte eine reguläre Förderung zu DDR-Zeiten nicht aufgenommen werden, da eine aufwendige Entschwefelungsanlage nicht finanziert werden konnte.

Nachdem 1989 ca. 300 Meter nordwestlich der Fundbohrung noch die E Kietz 3/89 abgeteuft wurde, die nicht wirtschaftlich fündig war, kam die politische Wende, die Vereinigung beider deutscher Staaten, und die Zukunft der Erdöllagerstätte Kietz blieb zunächst ungewiss.

Doch schon 1991 ging die weitere Erkundung des Erdölfundes im Oderbruch weiter. Nur wenige 10er Meter neben der Fundbohrung wurde die „E Kietz 5/91“ niedergebracht. Sie war ebenfalls fündig. Doch bis die Produktion aufgenommen werden konnte, zogen noch einige Jahre ins Land. Denn erst nach der Errichtung einer Feldstation mit Entschwefelungsanlage zur Aufbereitung des Erdölbegleitgases konnte die reguläre Förderung aus den zwei fündigen Bohrungen 1999 aufgenommen werden. Schon zwei Jahre später lag die Produktion bei 20.632 Tonnen/Jahr. Dieses Niveau konnte bis einschließlich 2008 aufrecht gehalten werden. Danach sank die Jahresförderung ab. 2012 wurde die Marke von 15.000 Jahrestonnen schon nicht mehr erreicht.

2019 feierte die reguläre Förderung ihr 20-jähriges Jubiläum. Sie erfolgte nur noch aus einer der beiden Produktionsbohrungen und war auf lediglich 3.898 Tonnen gesunken. Die kumulative Produktion betrug 310.481 Tonnen Erdöl sowie 99,5 Millionen Kubikmeter Erdölbegleitgas. Das Erdölbegleitgas wurde nach Aufbereitung über eine eigene Leitung in ein nahegelegenes Blockheizkraftwerk in Manschnow geleitet, dessen Abwärme zur Beheizung einer Gewächshausanlage genutzt wurde.

Trotz der deutlich zurückgegangenen Fördermenge wies der Reservenbericht 2020 (Erdöl- und Erdgasreserven in der Bundesrepublik Deutschland am 01.01.2020) für Brandenburg ein Potenzial sicherer und wahrscheinlicher Reserven von 141.000 Tonnen Erdöl aus. Da seit 1999 nur noch die Erdöllagerstätte Kietz in Betrieb war und neue Reserven trotz Erkundungen nicht aufgeschlossen wurden, konnte sich der ausgewiesene Betrag nur auf Kietz beziehen. Dazu wäre aber in Anbetracht der zurückgegangenen Fördermenge eine neue Bohrung erforderlich, über die bereits in der weiter zurückliegenden Vergangenheit spekuliert wurde.

Fakt ist, mit der bis Ende 2019 eingebrachten kumulativen Menge von 310.481 Tonnen Erdöl ist Kietz mit weitem Abstand die bedeutendste in Brandenburg (Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2019). Auf Platz 2 folgt die erste entdeckte Lagerstätte Döbern mit 167.501 Tonnen während Tauer mit 146.996 Tonnen den 3.Platz einnimmt. Alle weiteren Lagerstätten konnten die Marke von 100.000 Tonnen nicht erreichen.

Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich die Ausführungen auf das Buch „Schatzsucher – Eine Chronik des Grimmener Erdölbetriebes“

Neue Erkundungen Ende der 2000er Jahre

Abteufung der Guhlen 1b. Foto: Steven Arndt, Dezember 2018.

Auf dem Gebiet der einstigen DDR und somit auch im heutigen Brandenburg führte nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten die Erdöl-Erdgas-Gommern GmbH (EEG) sowie deren Rechtsnachfolger die Erdöl- und Erdgasförderung fort.

Doch Ende der 200er Jahre kamen auch andere Unternehmen nach Brandenburg, um Lagerstätten von Erdgas und Erdöl aufzusuchen und gegebenenfalls zu erschließen. Hauptakteur war hierbei Central European Petroleum, kurz CEP. Diese ist kurz zuvor bereits in Mecklenburg-Vorpommern aktiv geworden.

Das Unternehmenskonzept war, im Umfeld bereits bekannter Erdöl- und Erdgasvorkommen vorrangig im Staßfurtkarbonat auf die Suche nach unerschlossenen Lagerstätten zu gehen. Finanziert worden sind die jeweiligen Projekte durch das Einwerben von Investorengeldern. Den Investoren wurde im Gegenzug ein recht großes Potenzial, insbesondere an Erdöl, in Aussicht gestellt.

Die Zahlen, die CEP der Öffentlichkeit ließen erstaunen. Von 750 Millionen Barrel Ressourcen war die Rede, von denen 15 %, also immerhin 112,5 Millionen Barrel als förderbar angegeben wurden (MOZ-Artikel „Brandenburg wird Erdöl-Land“ vom 31.07.2013). Anmerkung des Verfassers: Sowohl die Überschrift als auch die Einleitung des Artikels der Märkischen Oderzeitung sind falsch. Zum einen war Brandenburg 2013 schon 51 Jahre Erdölland, zum zweiten gab es zu dem Zeitpunkt noch keine Ergebnisse bezüglich der Erkundungsarbeiten der CEP.

Bei einer angenommenen Dichte des Erdöls von 0,85 g/cm³ entspräche das ca. 15,2 Millionen Tonnen förderbaren Erdöls. Zum Vergleich: Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR sind von 1961 bis in die 2000er Jahre gerade einmal 3 Millionen Tonnen gefördert worden, davon 1 Millionen Tonnen in Brandenburg!

Diese hohen Werte hinsichtlich des von CEP angegebenen Potenzials ließen beim Verfasser eine gewisse Skepsis aufkommen. Zwar begründete CEP die Zahlen mit neuer Fördertechnik, die zu DDR-Zeiten nicht zur Verfügung stand, doch solch beeindruckende Entwicklungen in der Fördertechnik gab nach 1990 nun auch wieder nicht, die das von CEP ausgelobte Potenzial begründen würden. Zudem verfügten die Rechtsnachfolger der EEG (heute Neptune Energy) über Datenmaterial aus den Gebieten, in denen CEP aktiv wurde. Sie hätten sich 15 Millionen Tonnen förderbaren Erdöls guter Qualität sowie nicht unwesentliche Mengen Erdölbegleitgas bestimmt nicht entgehen lassen.

Dennoch hat der Verfasser die Aktivitäten der CEP trotz gewisser Skepsis interessiert und wohlwollend begleitet. Das ermöglichte ihm zwei Besuche von CEP-Projekten in Brandenburg, wobei das zweite spontan zustande kam. Aber die Ernüchterung ließ nicht auf sich warten.

Die Bohrungen „Märkische Heide 1“  blieb komplett trocken, traf also weder Erdöl noch Erdgas an. Die Ablenkung „Märkische Heide 1a“ erschloss das Staßfurtkarbonat zwar kohlenwasserstoffführend, aber undurchlässig. Besser lief es hingegen bei den Bohrungen „Guhlen 1“ sowie den Ablenkungen „Guhlen 1a“ sowie „Guhlen 1b“. Während die Stammbohrung das Staßfurtkarbonat ölführend antraf, schloss die „Guhlen 1a“ das Speichergestein öl-, kondensat- sowie gasführend auf. Ein Fördertest erbrachte eine Förderrate von 1.670 boe (Barrel Öläquivalent) pro Tag. Die Bohrung Guhlen 1a wurde für öl- und gasfündig erklärt (Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland 2017). Über das Ergebnis der zweiten Ablenkung, der „Guhlen 1b“, liegen dem Verfasser keine Kenntnisse vor.

Fakt ist jedoch, dass alle erwähnten Bohrungen mittlerweile verfüllt sind. Der Bohrplatz „Märkische Heide“ ist zudem inzwischen zurückgebaut worden. Ob und wie CEP seine Aktivitäten in Brandenburg fortsetzen wird, ist gegenwärtig nicht abzusehen. Aus Mecklenburg-Vorpommern hat sich das Unternehmen inzwischen zurückgezogen.

Das Ende – Erdöllagerstätte Kietz wird überraschend aufgegeben

Die Fackel ist aus! Stillgelegter Betriebsplatz Kietz im Februar 2021. Foto: Steven Arndt

Da die Erkundungsarbeiten der CEP zunächst nicht von kommerziellen Erfolg gekrönt waren und eine Produktionsaufnahme bis dato unterblieb, verblieb die Lagerstätte Kietz im Oderbruch weiterhin die einzige Brandenburgs. Und wie bereits weiter oben angedeutet, bestand Anfang 2020 die Aussicht, dass das für einige Jahre auch so bleiben wird.

Tatsächlich kündigte der Betreiber Neptune Energy am 28.02.2020 eine neue Bohrung an. Wir berichteten wenige Tage später (Öllagerstätte Kietz – Neptune Energy kündigt neue Bohrung an) darüber. Bei mehreren Ausflügen an die Oder konnte sich der Verfasser einen Überblick über den Fortgang des Bohrplatzbaus unmittelbar neben des bestehenden Betriebsgeländes mit seinen zwei Förderbohrungen sowie der Aufbereitungsanlage verschaffen. Die Arbeiten wurden im Oktober 2020 abgeschlossen und lagen somit wohl im Zeitplan. Schließlich sollte das Abteufen der Kietz 6 im Dezember 2020 erfolgen.

Im Februar 2021 stattete der Verfasser aufgrund der interessanten Winterwetterlage inklusive Eisgangs der Oder wieder einen Besuch ab und machte auch einen Abstecher zur Station Kietz. Überraschenderweise war die Fackel, die aus dem Aufbereitungssystem abgeschiedenes Erdölbegleitgas verbrannte, nicht in Betrieb. Bei genauerem Hinsehen zeigte sich, dass die beiden Bohrungen abgeflanscht waren, eine Förderung somit nicht erfolgte.

Doch spätestens der Dezemberbericht 2020 des Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V. (BVEG) verschaffte Klarheit und letztlich auch der Bericht Erdöl- und Erdgasreserven in der Bundesrepublik Deutschland am 01.01.2021. Die Förderung in Kietz wurde eingestellt, die Erdölreserven für Brandenburg, die im Vorjahr noch mit 150.000 Tonnen angegeben wurden, auf 0 korrigiert. Eine offizielle Mitteilung von Neprune Energy zur Einstellung der Erdölförderung in Kietz steht bislang aus.

Damit endete nach 58 Jahren überraschend die Geschichte der Erdölförderung in Brandenburg. Ob es sich um ein Ende auf Dauer handelt, ist gegenwärtig noch unklar. Doch aufgrund der gesellschaftspolitischen Gegebenheiten ist eine Fortsetzung aus Sicht des Verfassers unwahrscheinlich.

 

Artikelfoto: Testarbeiten auf der Guhlen 1b. Foto: Steven Arndt, Mai 2019