Die Grünen und ihr seltsames Verständnis von Meinungsvielfalt – Erläutert am Beispiel heimische Erdöl- Erdgasgewinnung

Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit sind hohe Güter unserer gesellschaftlichen Ordnung. Die Meinungsfreiheit mit gewissen Beschränkungen ist sogar ein verfassungsgemäßes Grundrecht (Artikel 5 des Grundgesetzes). Zur Herausbildung eines vielfältigen Meinungsbildes dienen u.a. auch Verbände ( Interessen-, Fach-, Berufsvereinigungen, Standesorganisationen). Sie dienen dazu, das Wirken und die Interessen der ihnen angehörenden Mitglieder nach außen, also in die Öffentlichkeit tragen sowie in den politischen Entscheidungsprozess einzubringen1)Bundeszentrale für politische Bildung: Verbände und Lobbyismus.

Auch die Unternehmen der deutschen Erdöl- und Erdgasindustrie sind in einem solchen Verband, dem Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V. (WEG), zusammengeschlossen. Im Verband sind neben Unternehmen aus dem Bereich Kohlenwasserstoffgewinnung auch solche vertreten, die Erdöl- und Erdgas speichern und/oder transportieren.

Aufgrund der seit inzwischen viereinhalb Jahren andauernden Debatte um die Erkundung (!) potenzieller Erdgasvorkommen in dichten Tongesteinen und untergeordnet in Kohleflözen sowie um die Erdgasgewinnung in Deutschland insgesamt ist es zu einem Investitionsstau gekommen. Beispielsweise werden Hydraulic Fracturing-Maßnahmen („Fracking“) nicht mehr genehmigt, obwohl sich die Gesetzeslage, unter der zuvor solche Maßnahmen gestattet wurden, bislang nicht geändert hat.

Darüber hinaus soll das Genehmigungsverfahren für Erdgas- und Erdölgewinnungsprojekte erschwert und die Industrie aus großflächigen Gebieten pauschal verbannt werden. Für das Vorhaben der gegenwärtigen Bundesregierung fehlt die Grundlage sowohl hinsichtlich der jahrzehntelangen überwiegend positiven Erfahrungen als auch hinsichtlich fachlicher Ansichten. Die Politik vollzieht diesbezüglich seit spätestens 2012 einen nicht nachvollziehbaren Eiertanz, womit der Industrie die Planungssicherheit entzogen wird.

Inzwischen sind die politisch bedingten Investitionshemmnisse spürbar: Zum einen geht das im Inland produzierte Volumen an Erdgas zurück, zum anderen müssen insbesondere Bohrunternehmen ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken oder sogar entlassen. Deshalb geht seit einigen Wochen der WEG im Sinne seiner Mitarbeiter und mit Hilfe dieser in die Offensive.

Dazu hat der Verband eine Postkartenaktion ins Leben gerufen, in deren 10-wöchigem Verlauf 10 Postkarten mit unterschiedlichen Motiven und Statements von den Mitarbeitern der WEG-Unternehmen an Abgeordnete verschickt werden. Damit macht der WEG genau das, was die Arbeit von Verbänden charakterisiert: Das Wirken und die Interessen der ihnen angehörenden Mitglieder nach außen, also in die Öffentlichkeit tragen sowie in den politischen Entscheidungsprozess einzubringen.

Dieses in einer Gesellschaft mit freiheitlich-demokratischer Grundordnung legitime Verhalten missfällt offensichtlich der Partei Bündnis ’90/Die Grünen (Grüne). Denn diese hat auf Twitter eine Gegenaktion gestartet. Zu den ersten beiden Karten wurden Motive mit Antithesen entworfen, auf die hier kurz eingegangen werden soll.

Das erste Kartenmotiv des WEG zeigte frische, reife Erdbeeren, die von dem Slogan „Sie bevorzugen regionale Produkte? Wir auch.“ begleitet wurden. Es ist also ein Statement für die Gewinnung von Erdöl und Erdgas „vor der eigenen Haustür“.

Die Antwort der Grünen, ebenfalls mit Erdbeer-Motiv: „Auch regionale Erdbeeren brauchen sauberes Trinkwasser. NEIN ZU FRACKING!

Den Grünen ist es offenbar entgangen, dass das Verfahren Hydraulic Fracturing („Fracking“) überhaupt nicht Inhalt der Postkarte #1 war, sondern lediglich die regional gewinnbaren Produkte Erdöl und Erdgas. Zudem wäre es ein ziemlicher Frevel, aufwendig zur Trinkwasserbereitstellung aufbereitetes Grundwasser zur Beregnung von Erdbeeren oder sonstigen Nutzpflanzen zu verwenden. Dazu genügt Regenwasser oder unaufbereitetes Grundwasser völlig aus. Zudem hat es trotz jahrzehntelanger Anwendung in Deutschland keinen einzigen Fall gegeben, bei dem durch Hydraulic Fracturing zur Trinkwassergewinnung nutzbares Grundwasser kontaminiert wurde (Berufsverband Deutscher Geowissenschaftler: „Fracking nicht verteufeln!“).

Die Antwort der Grünen ist sachlich und fachlich gesehen komplett daneben gegangen.

Postkarte #2 zeigte einen himmelblauen VW-Käfer, Symbol des deutschen Wirtschaftswunders in der Nachkriegszeit. Der Slogan dazu: „Sie stehen auf deutsche Wertarbeit? Wir auch.

Darauf konterten die Grünen: „Wertarbeit und Wirtschaftskraft im 21. Jahrhundert. NEIN ZU FRACKING!“ Untermalt ist die Parole mit Windkraftanlagen. In einem Tweet vom 20.Mai 2015 schreibt die grüne Bundestagsabgeordnete noch „erklärend“ hinzu:

#Fracking Erdgasindustrie wirbt f „deutscheWertarbeit“ d letzten Jahrhunderts?! Wir wollen Fortschritt! UnsereAntwort

Fracarbeiten auf der Tightgasbohrung "Söhlingen Z15" Quelle: WEG Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V.

Fracarbeiten auf der Tightgasbohrung „Söhlingen Z15“
Quelle: WEG Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V.

In Anbetracht dessen, dass die Windkraft gemäß Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) massiv subventioniert wird, kann von Wirtschaftskraft keineRede sein. Hinzu kommt, dass Frau Verlinden die Symbolhaftigkeit des Motives des WEG offenbar nicht verstanden hat. Windkraftanlagen sind zudem keine Erfindung des 21. Jahrhunderts, wie suggeriert wird, sondern ebenso wie der VW Käfer eine des vorangegangenen.

Innovationen und somit Fortschritt gab es in der deutschen Erdöl-Erdgasindustrie sehr wohl im 21. Jahrhundert. Im Jahr 2006 wurde die Industrie sogar mit dem Innovationspreis „Land der Ideen“ ausgezeichnet. Den Preis gab es für den Einsatz eines „Coiled Tubings“ (aufgewickelter Stahlrohrstrang) in der Bohrung „Söhlingen Z15“ (Artikelfoto), um Fracarbeiten in Erdgaslagerstätten durchzuführen („Das Erdgas aus dem Stein holen“). Im Jahr 2009 wurde die deutsche Erdöl-Erdgasindustrie erneut mit dem Innovationspreis bedacht. Ausgezeichnet wurde hierbei das Dampfflutprojekt in Emlichheim, dass die Förderdauer der Erdöllagerstätte um 10 Jahre verlängern soll („Öldruck“).

Zu den Postkartenmotiven und ihren Stellungnahmen in Kurzform gibt es ausführliche Erläuterungen auf den Seiten des WEG (Karte #1 „Regionale Produkte“; Karte #2 „Deutsche Wertarbeit“). Frau Verlinden und ihr Team hätten sich statt allein auf die Motive und Statements zu konzentrieren auch mit den Erläuterungen befassen sollen. Dann wären die jeweiligen am Sachverhalt vorbeigehenden und somit peinlichen Konter ausgeblieben. Doch die am Sachverhalt vorbeizielenden Gegenargumente der Grünen sind nicht das eigentliche Problem.

Bedeutend schwerwiegender ist, dass in den Tweets von Frau Verlinden die Postkartenmotive des WEG fett in schwarz mit „DIESE LOBBY KANN WEG!“ überschrieben sind. Nochmals zur Erinnerung: Verbände, egal ob sie Interessen-, Fach-, Berufsvereinigungen, Standesorganisationen darstellen, sind legitime Organisationen, die ihre Interessen gegnüber Öffentlichkeit und Politik vertreten. Zu dieser Interessenvertretung hat jeder Verband das Recht, sofern seine Arbeit nicht im Gegensatz zum Grundgesetz stehen. Beim WEG, einem Wirtschaftsverband von vielen, ist davon auszugehen, dass er sich an das Grundgesetz und somit an die gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung hält.

Als neue liberale Partei wollen sich die Grünen verstanden wissen. Doch hat es kaum etwas mit freiheitlicher Politik zu tun, in dem man Verbänden, die auf dem Boden der Verfassung stehen, die Daseinsberechtigung abspricht, so wie es zumindest Verlinden tut. Dieses Verhalten erinnert fatal an totalitäre politische Systeme, in denen unliebsames Wirken unterdrückt oder gar verboten wurde.

Damit unterstreicht die Partei Bündnis ’90/Die Grünen abermals ihr Image als eine von Intoleranz geprägte Verbotspartei, die all das eliminieren möchte, was ihrem Weltbild nicht entspricht. Man stelle sich vor, eine anderen Partei würde eine gleichlautende Aussage beispielsweise bezüglich eines Verbandes wie dem Naturschutzbund Deutschland e.V. tätigen. Zeter und Mordio aus dem grünen Lager wären die Folge.

Mittlerweile ist die dritte Postkarte des WEG „Sie wollen sauberes Trinkwasser? Wir auch.“ verschickt worden. Eine Reaktion von Verlinden und Co. steht bislang, möglicherweise dem Pfingstwochenende geschuldet, aus. Möglicherweise fällt zu dem Fakt, dass infolge der jahrzehntelangen Erdöl- und Erdgasgewinnung in der Bundesrepublik Deutschland nirgendwo Trinkwasser kontaminiert wurde, Frau Verlinden und ihrem Team nicht einmal mehr eine am Fakt vorbeigehende „Gegendarstellung“ ein.

Eventuell ist das aber auch eine Folge einer dramatisch zurückgegangenen Resonanz: Während der erste Tweet zur Postkarte #1 noch 36 Mal retweeted und 23 Mal favourisiert wurde, waren es zum Tweet zur Postkarte #2 lediglich 6 Retweets und 3 Favourisierungen.