Eindrücke von einer Veranstaltung zum „Fracking“
In Nordostniedersachsen sind Anfang des Jahres 2013 neue Aufsuchungserlaubnisse für die Erkundung von Kohlenwasserstofflagerstätten erteilt worden. Das führte zu Spekulationen, dass in diesen Gebieten nach unkonventionellen Lagerstätten gesucht werden soll, die nur mittels des bewährten Hydraulic Fracturing-Verfahrens in eine wirtschaftliche Produktion überführt werden können. Diese Ansicht, dass nach unkonventionellen Lagerstätten gesucht wird, wurde u.a. durch den NDR befeuert (LINK). Tatsächlich überdecken die Gebiete den erdölhöffigen „Gifhorner Trog“, was auf eine Suche nach Erdöllagerstätten schließen lässt. An einer Informationsveranstaltung nahm der Geologe D. Weißenborn teil, der in diesem Gastbeitrag die Erlebnisse der Veranstaltung schildert.
Die Stiftung Leben und Umwelt veranstaltete am 28. August 2013 im Glockenhaus von Lüneburg eine Diskussion zum Thema „Fracking“. Der Moderator, Herr Diplom Umweltwissenschafler Joachim Schmidt-Bisewski aus Celle, hatte mich im Vorfeld gebeten, den einleitenden Input zur Thematik anhand einiger Präsentationsfolien zu halten.
Auf dem Podium sollten anwesend sein:
- Herr MdB Reinhard Grindel (CDU)
- Frau MdB Johanna Voß (Die LINKE), mittlerweile nicht mehr Mitglied des Deutschen Bundestags
- Frau Julia Verlinden, damals Bundestagskandidatin, nun Mitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, früher als Umweltwissenschaftlerin beim Umweltbundesamt (UBA) tätig
- Herr Dr. Hartmut Pick vom Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung (WEG), Hannover.
- Frau Christiane Schubert von der Kreisgruppe des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND)
Obwohl Herr MdB Grindel (CDU) nach Aussagen von Frau Voß (Die LINKE) zu den ungefähr 80 CDU-Bundestagsabgeordneten gehört, die in der vergangenen Legislaturperiode eine Initiative zur Regulierung des „Frackings“ und des „Gasbohrens“ angeworfen haben sollen, ließ er sich auf der Veranstaltung nicht blicken.
Die Lüneburger Grünen hatten zuvor auf den Wahlkampfplakaten der Frau Verlinden einen Hinweis auf die Fracking-Veranstaltung geklebt:
Darin erschien der Satz: „Julia Verlinden diskutiert mit Experten“.
Diese „feine Dame“ und ihre Partei hatten sich also die Veranstaltung der Stiftung Leben und Umwelt unter den Nagel gerissen, was, wie ich bald darauf erfuhr, sogar bei der Grünen nahen Stiftung „Leben und Umwelt“ auf Missfallen stieß. Zumindest erklärte man dort, dass diese Aktion vorher nicht abgesprochen worden sei.
Diese Unverschämtheit beantwortete Herr MdB Grindel (CDU) offensichtlich mit Abwesenheit. Das erscheint nachvollziehbar.
Anhand einiger Folien führte ich – betont neutral – in einem ca. 15minütigen Input in das Thema ein. Unter anderem benutzte ich eine grafisch anschaulich Darstellung der Frack-Radien beim Multifrack auf der Söhlingen Z13 (Exxonmobil, 1999) des WEG und stellte dieser eine gänzlich anders gestaltete Grafik der Umweltschutzorganisation Greenpeace gegenüber. Anschließend arbeitete ich, quasi im Stil einer Bildbetrachtung, ansatzweise die unterschiedlichen Grundpositionen heraus.
Auch dem anlässlich eines oberirdischen Zwischenfalls mit Austritt von nicht näher spezifizierten Flüssigkeiten geschriebenen, äußerst kritischen offenen Brief eines Landrates in den USA (Bradford County) an den Governor des Bundesstaates Pennsylvania widmete ich Aufmerksamkeit. Dieser hatte am 20. April 2011 u.a. die Belastungen durch überbordenden Straßenverkehr und oberirdische Austritte von Flüssigkeiten aller Art in diesem stark abgebohrten Gebiet des Marcellus-Schiefer-Gasfeldes gerügt.
Der folgende sachbezogene Vortrag des Herrn Dr. Pick erschien mir folienlastig mit zuviel Zahlenmaterial und er kam mit seinem Auftritt leider auf keiner Ebene bei den ca. 40 anwesenden Zuhörern – ganz überwiegend grün-links – an. Das wurde ihm anschließend auch unmissverständlich und wenig freundlich, aber letztlich noch im Rahmen des Erträglichen, aus dem Publikum heraus kundgetan. Mein Eindruck war, dass er mit seiner Krawatte dieses Publikum offensichtlich über das Thema „Fracking“ hinaus provoziert hatte, sicher ohne dies zu beabsichtigen.
Unglücklicherweise hatte Herr Dr. Pick dem Veranstalter schon im Vorfeld mitgeteilt, dass er nur etwa eine Stunde anwesend sein könne, da er sich anschließend auf den Weg nach Süddeutschland machen müsse, um dort anderntags einen Termin wahrzunehmen.
In der Diskussionsrunde war es somit entgegen der ursprünglichen Vereinbarung notwendig geworden, dass ich nun auch die Rolle des „Befürworters“ einnahm. Andernfalls wären nach der Abreise des Herrn Dr. Pick überhaupt nur grün-linke Meinungen auf dem Podium vertreten gewesen. Mir gefiel diese Rolle überhaupt nicht. Schließlich vertrete ich nicht den Wirtschaftszweig. Außer Herrn Dr. Pick vom WEG hatte der Veranstalter jedoch niemanden gefunden, der „offiziell“ für die Branche spricht. Auch aus den zuständigen Landesbehörden hatte niemand eine Teilnahme zugesagt.
Ich versuchte also, der ganzen Veranstaltung ein etwas sachlicheres Fundament zu geben und sprach mich in meinem abschließenden Statement für eine Anwendung des Verfahrens unter strengen behördlichen Auflagen und auch einer Ausweitung der personellen Kapazitäten der Bergbehörden aus.
Dafür hielt mir nach Ende der Veranstaltung eine giftig-aufgeregte Dame vor, ich wäre von der Industrie bezahlt und würde mich wissentlich an der Vergiftung folgender Generationen beteiligen.
Frau Voß war – vergleichsweise – die sachkundigste, allerdings auf niedrigem Niveau und recht trickreich. Frac-Durchmesser von 2000m interpretierte Sie als bedrohlich. Und sie setzte noch einen drauf: Exxon-Ingenieure hätten Ihr im Vertrauen gesagt, dass große Gefahren bestünden, über die selbstredend nicht gesprochen werden dürfte. Frau Voß rief die Ingenieure auf, doch zu den „Regenerativen“ zu kommen und an einer Art „Konversion“ der fossilen Branche mitzuarbeiten.
Die mittlerweile im Bundestag sitzende Frau Verlinden von den Grünen redete gar nicht zum Thema, sondern kam grundsätzlich mit „Energiesparen“ und Energieeffizienz. Auch der Moderator, der eindeutig dem grün-linken Spektrum nahe steht, sagte mir am nächsten Tag, diese Frau hätte versagt.
Die BUND-Funktionärin Frau Schubert stellte klar, dass die furchtbaren Gefahren des Frackings schon anhand meines Inputs und des Vortrags des Herrn Dr. Pick klar bewiesen wären. Es gäbe nichts zu diskutieren. Schließlich hätte ja auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung von Umweltfragen in seinem Gutachten vom Mai 2013 klar gestellt, dass diese Technologie aus vielerlei Gründen, vor allem auch des Grundwasserschutzes, abzulehnen sei. Es sei nie gut, wenn Menschen Stoffe aus dem Boden holen, erklärte sie!
Ich erwiderte, dass die ablehnend-kritische Haltung des Sachverständigenrates bekannt sei und von Frau Schubert insgesamt auch korrekt wiedergegeben wurde. Jedoch verwies ich auf die Seite 26 des entsprechenden Berichtes, auf welcher das Gremium hinsichtlich der Ergebnisse des Grundwassermonitorings bei den Frac-Maßnahmen Damme 3 (2008) gesagt hatte, dass keine der drei Indikator-Substanzen (Tetramethylammoniumchlorid und die beiden Komponenten des Biozids „Kathon“) im Grundwasser und im Trinkwasser der örtlichen Wasserversorgungsvereine „oberhalb der analytischen Nachweisgrenze“ nachgewiesen werden konnte. Weiterhin stellte ich klar, dass es sich dabei um eine vergleichsweise oberflächenahe Frack-Maßnahme in Deutschland gehandelt habe (Teufenlage der Perforationshorizonte bis ca. 1000m).
Das Auditorium war etwas verblüfft, aber eine Dame antwortete sofort ganz giftig, dass man nicht lange genug untersucht habe. Irgendwann käme das Gift schon hoch. Leider versäumte ich die denkbare Gegenfrage, wie lange Grund- und Trinkwasser denn nun nach ihrer Meinung zu untersuchen wären: 10, 100, 1000 oder eine Million Jahre?
An anderer Stelle war das Publikum durch meine Bemerkung verwirrt, dass Schiefergas in Großbritannien sich des Wohlwollens der britischen Regierung erfreue, u.a. aus Gründen des Klimaschutzes. Eine ähnliche Haltung nähme die Regierung des Präsidenten Obama in den USA ein, erklärte ich.
Frau Voß fiel mir fast ins Wort, konterte politprofiartig, geschmeidig und sogar durchaus charmant: „Ja, Obama, der auch neue Atomkraftwerke bauen lässt.“ Na, wir befanden uns ja so gut wie im Wendland neben den Castoren.
Die lokal interessierenden, zurückliegenden Debatten um den im Januar 2013 vom Landesbergamt Niedersachsen genehmigten Antrag auf Aufsuchungserlaubnis für die Firma Blue Mountain Exploration, New York in zwei Gebieten des nördlichen Niedersachsens hatte ich schon in meinem Input angesprochen und den Anwesenden erklärt, dass mit zunehmender Annährung an das Elbegebiet die Wahrscheinlichkeit von Frackmaßnahmen im Rotliegend und Oberkarbon zum Zwecke der späteren Erdgasgewinnung tendenziell sinke. In dem entsprechenden Gebiet ist mit extrem hohen Stickstoffanteilen bis ca. 97% im Erdgas zu rechnen. Unwirtschaftlich. Die Ergebnisse einiger Bohrungen, vor allem der Gorleben Z1 der Gewerkschaft Brigitta (1957) und der Rambow 14 des VEB Erdöl Erdgas Grimmen (i1971) sowie regionalgeologische Erkenntnisse (variszische Deformationsfront mit intensiver stickstoffgenerierender Regionalmetamorphose nahebei) sprechen klar dafür.
Ein einziger, betagter Herr aus dem Publikum schien nicht „grün-links“ zu sein. Er äußerte großes Befremden über die Bemerkung der BUND-Funktionärin, „man solle besser alles unten lassen“. Die Nutzung von Bodenschätzen sei doch schon immer eine wichtige Quelle von Wohlstand gewesen, führte er aus. Wieso man das verteufeln wolle, könne er nicht verstehen.
Wäre der Herr jünger gewesen, hätte man ihn wahrscheinlich ausgebuht. So blieb es – weitgehend – bei giftigen Blicken aus dem Publikum.
Vor der Tür, nach der Veranstaltung, stimmte mir der Moderator indirekt zu, als ich anmerkte, dass man bei konsequenter Umsetzung einer solchen Politik auch das Neodym für die Permanentmagneten der Windkraftanlagen im chinesischen „Boden“ ruhen lassen müsse. Kopfschütteln selbst bei ihm. Herr Schmidt-Bisewski war vor Jahren Pressesprecher beim Windkraftanlagenhersteller Enercon!
Mein persönliches Fazit: auf solchen Veranstaltungen kann man interessante Beobachtungen politischer und psychologischer Art machen, aber man sollte sich diesen „Erkenntnisgewinn“ nicht zu oft antun.
Dipl.-Geol. Dirk Weißenborn