Einseitige Argumentationen und Debatten – Nur eine Sicht der Dinge?
Ein früherer Lehrer von mir sagte bei Präsentationen gerne „Wer A sagt muss auch B sagen“, also übersetzt: Wenn ich ein Argument oder Fakt nenne, sollte ich auch einen zweiten oder dritten mit einbeziehen. In den letzten Jahren konnte man bei der Debatte um Hydraulic Fracturing und Erdgas/Erdölförderung im Allgemeinen beobachten, dass dies nicht immer der Fall war. Dieser Artikel soll anhand von vier Beispielen zeigen, wie Medien, Firmen und Bürgerinitiativen gerne einseitig argumentieren oder anhand von Bildern und Aussagen einseitige Schlüsse zulassen.
Wasserwerk Vechta: Erdgasförderung/Fracaktivitäten versus Trinkwassergwinnung
Ein Argument, das oft und gerne von Kritikern der Erdgasförderung verwendet wird und auch beim Gesetzesentwurf zum „Fracking“ eine Rolle spielt ist die Erdgasgewinnung in Wasserschutzgebieten bzw. generell Bohrungen in der Nähe von Trinkwasserbrunnen. Es steht außer Frage, dass das Gut Wasser eines der höchsten, wenn nicht sogar das höchste für uns Menschen sein sollte und entsprechend geschützt werden muss. Durch moderne Bohrverfahren, Bohrlochdesigns und Platzversiegelungen wird alles dafür getan, dass das Trinkwasser entsprechend geschützt wird. Allerdings ist oft zu beobachten, dass Gegner kritisch bis empört über Erdgas- und Erdölproduktion in bzw. in Nähe von Trinkwasserschutzgebieten Stellung beziehen. Doch ist hierbei die Frage angebracht, wie fair eine Diskussion über Bohrungen in der Nähe von Trinkwasserbrunnen oder Trinkwasserschutzgebieten wirklich ist?
Beispiel soll hierfür eine Präsentation des Wasserwerks Vechta sein, die schon vor knapp drei Jahren im Zuge einer Informationsveranstaltung des Landkreises Diepholz zum (geplanten) Hydraulic Fracturing (der Düste Z10) gehalten wurde. Zunächst wird in dieser Präsentation auf das Wasserwerk Vechta, Lage von Wasserschutzgebieten und Trinkwasserbrunnen, sowie auf die historische Entwicklung der Erdgasförderung im Gebiet des Wasserschutzgebietes eingegangen. Weiter werden mögliche Gefahrenspotentiale behandelt, Verfahrensabläufe bei Erdgasbohrungen geschildert und Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) thematisiert. Im Grundtenor sieht das Wasserwerk die Erdgasproduktion kritisch und bezweifelt den entsprechenden Schutz des Schutzgut Wassers.
Man könnte jetzt zu den Schluss kommen und hinterfragen, weshalb Bohrungen auf Kohlenwasserstoffe überhaupt in der Nähe von Trinkwasserbrunnen und Wasserschutzgebieten genehmigt werden und erlaubt sind, so wie man es oft von Bürgerinitiativen und Kritikern hört, alleine die Präsentation weist aber schon an zwei bis drei Punkten die Möglichkeit zur Gegenfrage auf: Warum werden überhaupt Trinkwasserbrunnen und Wasserschutzgebiete in der Nähe von Bohrungen angelegt?
Die Präsentation schildert nämlich auf Seite 5 die historische Entwicklung. So ist zu entnehmen, dass in Jahren 1960/61 erste Bohrungen im Gebiet des heutigen Wasserschutzgebietes vorgenommen wurden. Interessant hierbei ist, dass es sich damals noch nicht um ein Wasserschutzgebiet handelte, dieses wurde nämlich, wie aus derselben Folie zu entnehmen, erst 1987 beantragt und 1991 genehmigt, also erst knapp 30 Jahre nach Aufnahme der Erdgasförderung im Feldkomplex Goldenstedt/Oythte, wo die Produktion nach Angaben im LBEG Kartenserver bereits 1959 aufgenommen wurde.
Im weiteren Verlauf wird auf die Bohrungen Goldenstedt Z9 und Z23 eingegangen, die sich in Nachbarschaft zu zwei Trinkwasserbrunnen befinden. Hier gibt es wieder einen direkten Vergleich der Jahreszahlen. 1980/81 wurde die Z9 abgeteuft, 1991 erst das Wasserschutzgebiet ausgewiesen, mehr als 10 Jahre nach Bohrbeginn! Hier darf (und muss) die Frage erlaubt sein, weshalb Trinkwasserbrunnen überhaupt in Nähe von bestehenden Bohrungen angelegt werden, wenn von der Bohrung doch angeblich so eine enorme Gefahr ausgehen soll? Die Goldenstedt Z9 und viele weitere Bohrungen waren teils schon Jahrzehnte vorhanden, bevor irgendwer daran gedacht hat im Gebiet Trinkwasser zu gewinnen.
Markt/NDR und Bürgerinitiativen: Erdölförderung im Raum Hamburg
Unser zweites Beispiel dreht sich um die Bürgerinitiative „Kein Fracking in der Heide“ und dem NDR-Magazin Markt. Diese haben im März dieses Jahres in einem Beitrag über die riskante Erdölförderung in der Großstadt
Hamburg berichtet. Im ersten Teil des Beitrages zeigt Markt, wie wenig man eigentlich von der Erdölförderung sieht und das kaum jemand weiß, das hinter der Hecke
durch unscheinbar wirkenden Anlagen Erdöl produziert wird. Im weiteren Verlauf wird anhand von weiteren Stimmen und mit Hilfe musikalischer Untermalung versucht einen dramatischen, skandalösen Bezug zur Erdölförderung in Hamburger Stadtgebiet zu erzeugen.
Der Bericht hat durchweg den Grundtenor, dass es skandalös ist, dass eine Wohnbebauung in unmittelbarer Nähe zu aktiven und ehemaligen, verfüllten Bohrungen besteht, sowie hauptsächlich Lagerstättenwasser unterirdisch durch Rohrleitungen innerhalb der Wohngebiete transportiert wird. Grundsätzlich wird der Skandal beim zuständigen Bergamt, sowie beim Betreiber des Feldes, GdF Suez, gesucht.
Interessanterweise findet sich nirgendwo der Hinweis, dass bereits seit 1960 im im Beitrag gezeigten Feld „Sinstorf“ im Grenzgebiet zum Bundesland Niedersachsen Erdöl gefördert wird. Im östlich gelegenen Feld Reitbrook-Alt ist sogar schon seit 1937 die Förderung aktiv. Seltsamerweise wurde dieses nirgendwo im Beitrag gezeigt und erwähnt. Passen vielleicht nicht die klar erkennbaren Tiefpumpenantriebe in das Bild des Geheimnisvollen, was durch den Beitrag erzeugt werden sollte?
Allerdings drängt sich eine Frage ganz besonders auf: Wieso soll der Schwarze Peter offenbar bei den Firmen bzw beim Bergamt gesucht werden? Warum werden keine städtebaulichen Aspekte schärfer hinterfragt? Außerdem verpasst es der Beitrag konkret darzustellen, was früher da war: Die Erdölförderung oder die städtebauliche Entwicklung um die (ehemaligen) Sonden. Wäre dem NDR und der Bürgerinitiative wirklich daran gelegen eine faire und offene Diskussion zu führen, hätte man den Punkt, wieso die Stadt Hamburg die Wohngebiete in unmittelbarer Nähe ausgewiesen hat, viel mehr in den Mittelpunkt gerückt.
Die Welt: Mittelplate als Symbolbild
Im April übte Greenpeace anlässlich des 20. Jahrestages der Kampagne gegen die Versenkung der Ölförder-Plattform „Brent Spar“ in der Nordsee Kritik an den Betreibern von Bohrplattformen in der Nordsee, die das Meer laut Greenpeace weiterhin verschmutzen würden. Die Welt berichtete in einem Artikel vom 28. April hierüber. Bemerkenswert: Als Artikelbild fungiert eine Luftaufnahme der Mittelplate-A, Deutschlands einziger Bohr- und Förderinsel vor der Küste Schleswig-Holsteins.
Der Artikel selbst erwähnt Mittelplate oder die Situation in Deutschland in keinem einzigen Wort. Viel mehr geht es um die gesamte Situation in der Nordsee, wo unter anderem aufgezählt wird wie viele Plattformen es insgesamt gibt und wie die Belastungen insgesamt aussehen.
Interessanterweise fördert Mittelplate seit fast 30 Jahren ohne Vorfälle Erdöl und beweist, das Erdölförderung und Umweltschutz im Einklang gebracht werden können, ohne dass Schadstoffe in die Umwelt gelangen und Flora und Fauna irgendwie beeinträchtigt werden. Das Projekt erzielt hierfür weltweit größte Anerkennung und wurde selbst von Umweltschutzorganisationen wie eben Greenpeace als positives Beispiel hervorgehoben.
Jetzt bleibt allerdings die Frage, wieso die Welt sich an dem Bild von Mittelplate bedient und nicht einmal erwähnt, dass es auf Mittelplate anders geht. In einschlägigen Fotodatenbanken gibt es genug Bildmaterial, das Plattformen aus der Nordsee zeigt, wie eine Stichprobe bei Getty Images zeigt. Selbst ein Foto der „Brent Spar“ mit Greenpeace-Aktivisten an Bord hätte man finden können.
Argumente zur Energieerzeugung
Gerne wird von Kritikern die Argumentation verwendet, dass Erdgasproduktion und Hydraulic Fracturing viel mehr CO2 produzieren, als die Energieerzeugung aus regenerativen Energien. Weitere Argumente, die ebenfalls die Erneuerbaren in ein positives Licht rücken sollen sind gerne auch Landschaft, Platzbedarf und Umweltschutz. Gern wird hier dann auf die gesamte Wertschöpfungskette der Erdgasproduktion verwiesen, bei erneuerbaren Energieträgern wie Wind oder Solar diese gerne außen vor gelassen.
Auch Windkraftanlagen und Solarmodule müssen aus etwas gefertigt werden, in der Regel werden hierfür Seltene Erden und andere Mineralien verwendet, die allesamt bergmännisch gewonnen werden. Im Gegensatz zur Erdgasförderung auch oft im Tagebau und in Ländern in denen Umweltschutz und Arbeitssicherheit nicht unbedingt dieselben Standards genießen wie in Deutschland. Ob die Länder die Menschenrechte achten ist dann sicherlich eine weitere Frage, genauso, wie sinnvoll es ist, immer vom Schutz der Erde und der Menschheit zu sprechen, die Zustände vor Ort bei der Gewinnung der Materialien werden diese Gedanken aber gerne außer acht gelassen.
Die Licht- und Geräuschemissionen von Windkraftanlagen sind ebenso wenig zu vernachlässigen, wie die Gefahren die zum Beispiel auch von Biogasanlagen ausgehen können, in Kombination mit Monokulturen und Nitratbelastung, die für die Böden nicht unbedingt förderlich sind.
Letztlich wird auch gerne der Fakt ignoriert, dass wir in Deutschland selbst für die Einhaltung von Sicherheitsstandards verantwortlich sind. Importieren wird Erdöl und Erdgas aus anderen Staaten wo nicht die Standards wie in Deutschland herrschen, heißt es nicht, dass dort die Umwelt nicht belastet ist. Inwieweit sich das mit der Kritik hier vereinbaren lässt, darf, muss sogar hinterfragt werden, denn ohne Erdöl und Erdgas geht es nicht.
Fazit
Die Beispiele verdeutlichen wie versucht wird durch einseitige Argumentationen und Darstellung eine Art von Meinung zu machen und Tatsachen in eine Richtung zu lenken. Eine zweite, alternative Sichtweise wird nicht wirklich zugelassen. Das kann und dürfte nicht förderlich sein, da es zu einer unabhängigen Meinungsbildung gehört immer beide Seiten der Medaille zu kennen.
Letztlich sollten wir uns sehr wohl bewusst sein, worauf unser Wohlstand und unser Lebensstandard basiert. Ohne Erdöl und Erdgas, sowie Bergbau geht es nicht. Industrie hat irgendwo immer mit Beeinträchtigungen zu tun, die Frage ist jedoch wo und wie lässt man dieses zu und findet sich damit ab und sucht hierfür Lösungen. Erst wenn man alle Aspekte einer Argumentation kennt, kann man sich wirklich eine Meinung bilden und abwägen, was vielleicht nicht immer das Beste, aber die sinnvollste Lösung sein mag.