„Gegen Gasbohren“ stellt technisch bedingtes Abfackeln von Erdgas bewusst (?) falsch dar

Seit den 1950er Jahren wird in Deutschland in großem Stil nach Erdgas gesucht und dieses dann bei Fündigkeit auch gefördert. Während der Testarbeiten sowie nach Bohrlochbehandlungen wird zu Tage gebrachtes Erdgas aus sicherheits-sowie umweltrelevanten Gründen verbrannt. Dieses gängige Verfahren wird von der Gegnerschaft inländischer Erdgasgewinnung kritisiert.

Hintergrund ist eine aktuelle Pressemitteilung von ExxonMobil (EMPG). In dieser wird angekündigt, dass auf der Erdgasförderbohrung „Söhlingen Z14“ Arbeiten durchgeführt werden, die der „Optimierung der Förderung“ dienen sollen. Solche Arbeiten sind notwendig, da bei laufender Förderung sich der Förderstrang, aber auch die Fließwege in der Lagerstätte mit mitgeförderten Partikeln zusetzen. Das behindert und im schlimmsten Fall verhindert den Zustrom von Erdgas in das Bohrloch bzw. in das Leitungssystem.

Mit solchen Pressemitteilungen, laut Bürgerinitiativen (BI) bereits 27 in diesem Jahr allein in von der EMPG betriebenen Lagerstätten, kommt man der Transparenzforderung der BI nach. Diesen fällt aber nichts besseres ein, als die  Mitteilungen zum Anlass zu nehmen, um gegen die Förderindustrie ins Feld zu ziehen. Die von den BI geforderte und durchgeführte Transparenz wird lso missbraucht! Auf der Basis dieser Meldungen wird gegenwärtig auf dem Portal der BI mit Unwahrheiten diese dem Umweltschutz sowie der Sicherheit dienende Praxis in ein schlechtes Licht gerückt.

So schreibt man:

Routinierte, weltweit alltägliche Praxis, seit Erdgas gefördert wird; eine Randerscheinung der Öl- und Gasproduktion, scheinbar notwendig, weil verbranntes Methan die Atmosphäre weniger belastet als unverbranntes.

Dabei geht es kaum um die Belastung der Atmosphäre mit Methan, sondern vor allem um sicherheitsrelevante Aspekte. Bereits mit einem Anteil von 4,4 Volumenprozent bildet Methan mit Luft ein explosives Gemisch. Hinzu kommen sicherlich auch Umweltaspekte. In vielen Lagerstätten werden höhere Kohlenwasserstoffe mitgefördert, u.a. auch zyklische Aromate wie Benzol, die tlw. giftig sind. Diese werden schadstoffrei zu Kohlendioxid und Wasser verbrannt, wie man es bei entsprechender Allgemeinbildung wissen sollte.

Angeblich sei diese Praxis kaum offen kritisiert worden, wird auf dem Portal behauptet. Erst ein angeblicher Vorfall soll zur Kritik geführt haben. So ist zu lesen:

Und eine Praxis, die kaum je offen kritisiert wurde, bis am 25. März etwas passierte. Anwohner hatten einen “chemischen” Geruch bemerkt und fanden an der Förderstelle Söhlingen Z5 eine brennende Fackel.

Dabei ist in der Textpassage ein Link gesetzt, aus dem hervorgeht, dass bei der Förderbohrung „Söhlingen Z5“ erst am 1. April Erdgas abgefackelt wurde. Das wird auch in anderen Nachrichten bestätigt, wie z.B. bei der „Rotenburger Rundschau“.

Seltsam ist dabei außerdem, dass erst nach 30 Jahren der Förderung von Erdgas in der Region ein „chemischer Geruch“ bei Fackeltätigkeiten bemerkt wurde und das zudem von einem „Anwohner“ und Initiator einer BI aus dem mehrere Kilometer entfernten Wittorf. Ein Schwabe würde jetzt sagen, dass das ein „Geschmäckle“ hat. Aber es geht noch weiter:

Als sie sich dort in der Nähe aufhielten und filmten, sei eine Art Säureregen auf sie niedergegangen: Atemnot, Husten, Übelkeit, Hautreizungen sind die Symptome, die sie beschrieben. Die so Verletzten gingen an die Presse und erstatteten Anzeige. Der Fall fand internationalen Widerhall, die Staatsanwaltschaft ermittelt und die Kritik am Abfackeln wächst.

Diversen Medienberichten zu Folge handelte es sich bei den angeblichen „Anwohnern“ um Mitglieder verschiedener BI, die gegen die Erdgasförderung vor ihrer Haustür aus verschiedenen Gründen zu Felde ziehen. Einer der „Anwohner“, Herr Andreas Rathjens, wohnt im 25 Kilometer entfernten Groß Meckelsen. Herr Rathjens war in einem Bericht von „Buten und Binnen“ (Radio Bremen) zu sehen und widersprach mit seinen Äußerungen der These eines „Säureregens“. Andere „Anwohner“ kamen aus dem von der Bohrung 7 Kilometer entfernten Wittorf oder aus dem 2,5 Kilometer und gegen die Windrichtung am 1. April gelegenen Söhlingen. Zum Arzt sind die angeblich Verletzten den Medienberichten zu Folge nicht gegangen und haben auch nicht die Feuerwehr oder Polizei gerufen.

Interessant ist, dass der „Säureregen“ als Fakt dargestellt wird, obwohl noch auf Basis der teils widersprüchlichen Zeugenaussagen noch ermittelt wird und erste Untersuchungen staatlich vereidigter Sachverständiger (laut eines Artikels der den BI wohlgesonnenen „Kreiszeitung“) keinen Nachweis von ausgetretener Säure oder anderen Schadstoffen erbringen konnten.

Aufgrund der Transparenzforderungen entgegenkommenden Ankündigung sah sich ein Vertreter einer BI dazu genötigt, an ExxonMobil ein Schreiben zu verfassen. Hierbei handelt es sich mitnichten um einen Anwohner (die Söhlingen Z14 befindet sich weit ab jeglicher Wohnbebauung), sondern um einene sendungsbedürftigen Menschen (Doktor der Philosophie) aus dem 25 Kilometer von der Bohrung entfernten Buchholz. Er schreibt:

Glauben Sie im Ernst, es würde immer so weitergehen mit dem devot-verlogenen Spruch “Wir bitten die Bevölkerung um Verständnis” – für eine technisch unnötige, einzig kostensparende und umweltverschmutzende Technologie von vorgestern? Wir haben kein Verständnis dafür, dass nicht einmal die mindesten Vorkehrungen getroffen werden, das Methan aufzufangen und in einem integrierten System zu entsorgen oder sonstwie zu nutzen.

Erdgasförderanlage Sagermeer Z11südlich von Oldenburg chef79

Sauergasbohrung mit aktiver Fackel „Sagermeer Z11“ südlich von Oldenburg ©chef79

Interessant ist die Formulierung „Technologie von vorgestern“. Leider verrät uns der Verfasser nicht, was denn die Technologie von gestern oder gar von heute wäre. Offenbar weiß Herr Engelmann auch nicht, dass die Fackelanlagen den knallharten Gesetzen des Bundesimmissionsschutzgesetzes sowie weiteren Vorschriften wie der „TA-Luft“ genügen müssen. Zudem wäre es interessant zu erfahren, welche technischen (integralen) Vorkehrungen ihm vorschweben, die die viele tausend anfallenden Kubikmeter (Vn) Erdgas auffangen sollen. RWE-Dea hat kürzlich (15. Mai) erklärt, warum eine Verbrennung in geschlossenen Sytemen ( oder eine Einspeisung in vorhandene Leitungssysteme)  nicht funktioniert:

Da der Druck des Gases bei diesem Vorgang teilweise noch stark schwankt, kann es nicht mittels umschlossener Systeme (Special Gas Burners / Enclosed Burners) verbrannt werden.

Und was die Freisetzung von Quecksilber betrifft:

Bevor das Gas zu dieser Fackel gelangt, werden in ihm enthaltene Spuren von Quecksilber selbstverständlich in einem speziellen Adsorber vom Gasstrom abgetrennt und von dafür zertifizierten Unternehmen fachgerecht entsorgt.

Ein solcher Quecksilberadsorber ist übrigens bei den genannten Filmaufnahmen (hinter der Fackel) und auf Fotos (links unten, die orangenen fassartigen Tanks mit „Fangmann“-Logo) der BI während der Abfackelung auf der „Söhlingen Z5“ deutlich zu erkennen und führt dementsprechend ihre Behauptungen, Erdgas werde ungefiltert abgefackelt, ad absurdum.

Dementsprechend kann folgende Textpassage teilweise als glatte Lüge infolge des Leugnens von Fakten sowie der Misinterpretation von Zahlen gedeutet werden:

Im Erdgasfeld “Söhlingen Pool 2006″ sind lt WEG Jahr 2012 knapp 630 Mio. m³ gefördert worden. Die 1-Promille-Formel angewandt bedeutet das 630.000 m³ abgefackeltes Erdgas. Das Feld Söhlingen gehört zu den weltweit am höchsten quecksilberhaltigen: 700 bis 4400 µg Quecksilber enthält hier 1 m³ Rohgas. Angenommen, die komplette Menge Erdgas im Jahr 2012 ist in rohem Zustand abgefackelt worden, dann beträgt der Quecksilbereintrag in die Umwelt bis zu 2,77 Kilogramm.

Die „1-Promille-Formel “ bezieht sich auf die Verluste der Förderung durch Abfackelvorgänge. Dabei blenden die BI aus, dass bei in Förderung stehender Sauergasbohrungen permanent über die Fackeln schwefelwasserstoffhaltiges Erdgas verbrannt wird, das bei Aufbereitungsprozessen anfällt. Dementsprechend lässt sich die „1-Promille-Formel “ nicht auf Söhlingen übertragen. Die Dreistigkeit in der Aussage besteht aber darin, dass wieder einmal nicht wahrheitsgetreu unterstellt wird, dass das Erdgas ungefiltert abgefackelt wird. Leider schenken Medien und lokal/regional verwurzelte Politiker diesen Ammenmärchen der BI viel Glauben.