Celle: Gelungener Informationsabend zum Thema Fracking

Thema Fracking: Fracarbeiten in Leer

Celle in Niedersachsen gilt mit seinen zahlreichen Unternehmen aus der Erdöl-und Erdgaswirtschaft als das Houston von Deutschland. Insgesamt sind in den dortigen Betrieben des Industriezweiges sowie mit diesem eng verbundener Serviceunternehmen ca. 8.000 Mitarbeiter beschäftigt. Doch der für Celle so bedeutende Industriezweig steckt in der Krise. Mitverantwortlich dafür ist der Genehmigungsstopp von neuen Erdgasexplorationsbohrungen im Zuge der gesellschaftspolitischen „Fracking“-Debatte. Die politische Gruppierung „Die Unabhängigen“ nahm die Krise zum Anlass, einen Informationsabend zum Thema Fracking durchzuführen.

Ziel der Veranstaltung, die vor geschätzt 100 Zuhörern in der Celler Congress Union stattfand, war es, sachkundig über das kontrovers und oft emotional diskutierte Verfahren Hydraulic Fracturing aufzuklären. Als Referenten hatten „Die Unabhängigen“ Herrn Dr. Michael Kosinowski von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) sowie Herrn Dr. Gerd Schaumberg, ehemaliger Leiter und Dozent für Bohrtechnik an der Bohrmeisterschule Celle, eingeladen. Sie sollten die Technik des Hydraulic Fracturings erklären sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken, abzuwägen. Neben den beiden Referenten waren für die anschließende Podiumsdiskussion noch Frau Dorothea Steiner vom Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) sowie Herr Dr. Christoph Löwer, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Erdöl-und Erdgasgewinnung e.V. (WEG) anwesend.

Entwicklung der erdgasförderung und der Erdgasreserven in Deutschland. Quelle:

Entwicklung der erdgasförderung und der Erdgasreserven in Deutschland. Quelle: Erdöl- und Erdgasreserven in der Bundesrepublik Deutschland am 01.01.2016

Nach einer kurzen Begrüßung und Einführung in den Abend durch Herrn Jan Hendrikx von den „Unabhängigen“ eröffnete Dr. Kosinowski die Veranstaltung mit seinem Vortrag. Zunächst erläuterte Kosinowski unterschiedliche Lagerstättentypen, in denen Erdöl und Erdgas gespeichert sein können. Er machte in diesem Zusammenhang deutlich, warum eine Unterscheidung in konventionelle und unkonventionelle Lagerstätten aus seiner Sicht bzw. aus Sicht der BGR ein unglückliches Kriterium ist. Schließlich ist es inzwischen bergbautechnischer Standard, Kohlenwasserstoffe aus Lagerstätten zu gewinnen, die noch vor 30 Jahren als nicht förderbar galten. Kosinowski zeigte sich davon überzeugt, dass die nunmehr seit 10 Jahren intensiv exploitierten Schiefergaslagerstätten in den USA als konventionell gelten sollten.

Anhand von Diagrammen stellte Kosinowski das Volumen an im Inland produzierten Erdgases in den vergangenen Jahrzehnten dar und verdeutlichte den massiven Förderrückgang in den vergangenen 10 Jahren durch das Ausbleiben neuer bedeutender Funde. Beschleunigt wird seit 2012 der Rückgang auch durch die ausbleibende Erschließung bekannter, nur duch die Anwendung des Fracverfahrens gewinnbarer Reserven.

Wesentlicher Bestandteil des Vortrages war die Darstellung des Potenzials von Schiefergas und untergeordnet Schieferöl, in Deutschland. Kosinowski berief sich dabei auf die von der BGR im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellte Studie Schieferöl und Schiefergas in Deutschland – Potenziale und Umweltaspekte (2016). Der Referent erklärte, dass es sich bei den dort genannten Zahlen um Schätzungen aufgrund vorhandener Daten handele, die nur durch intensive technische Erkundungsmaßnahmen bestätigt werden können. Keinesfalls handele es sich um tatsächliche Reserven, wie es oft in den Medien dargestellt wurde.

Dass Fracmaßnahmen nicht nur der Erschließung von Erdöl- und Erdgaslagerstätten dienen, erläuterte Kosinowski am Beispiel einer Tiefengeothermiebohrung auf dem Gelände der BGR im Stadtgebiet von Hannover. Der Ansatzpunkt der Bohrung befindet sich nur 70 Meter von der nächsten Wohnbebauung entfernt. Fast anekdotisch schilderte der Vortragende das Interesse der umliegenden Wohnbevölkerung, die es sich teilweise im Campingstuhl gemütlich machte, um den Aktivitäten beizuwohnen. In diesem Zusammenhang zeigte Kosinowski Unverständnis dahingehend, welch negativen Grundtenor die Debatte um das Thema Fracking inzwischen eingenommen hat. Dabei konnte er sich einen kleinen Seitenhieb in Richtung von Bedenkenträgern nicht verkneifen. Die Menge des für die Fracarbeiten in der Bohrung eingesetzten Wassers gab er mit 20.000 Kubikmetern an. Er ergänzte dazu nahezu wortwörtlich, dass Menschen, die Ängste erzeugen wollen, gerne größere Zahlen verwenden und schob 20 Millionen Liter als Volumenangabe nach.

Kosinowski stellte in seinem Vortrag heraus, dass es unumgänglich ist, detaillierte, gebietsbezogene Voruntersuchungen durchzuführen, um Fracarbeiten sicher durchführen zu können. Er schloss seinen Vortrag mit folgender Einschätzung der BGR:

„Aus geowissenschaftlicher Sicht kann daher grundsätzlich, unter Einhaltung der gesetzlichen Regelungen und der erforderlichen technischen Standards, der Einsatz der Fracking-Technologie kontrolliert und sicher erfolgen.“

Im Anschluss referierte Dr. Schaumberg über die technische Durchführung einer Fracmaßnahme und konzentrierte sich hierbei auf Anwendung des Verfahrens in horizontalen Bohrungen, wie es typisch ist für die Erschließung von Schiefergaslagerstätten.

Gebiete mit Schiefergas-/öl und möglichem Schiefergas-/öl - Potenzial in Deutschland. Quelle:

Gebiete mit Schiefergas-/öl und möglichem Schiefergas-/öl – Potenzial in Deutschland. Quelle: Schieferöl und Schiefergas in Deutschland – Potenziale und Umweltaspekte

Zunächst erläuterte er anhand eines kurzen Films die Erstellung einer Horizontalbohrung und ging hierbei insbesondere auf den Grundwasserschutz durch Mehrfachverrohrung sowie Zementierung der sogenannten Ringräume zwischen den einzelnen, im Durchmesser immer kleiner werdenden Verrohrungen ein. Er verdeutlichte, dass nach den jeweiligen Zementationen Druckprüfungen durchgeführt werden, um die Dichtigkeit nachzuweisen. Zusätzlich wurde anhand von Dünnschliffen die Kompaktheit der bei Tiefbohrungen eingesetzten Spezialzemente gegenüber porösen Bauzementen dargestellt.

Schaumberg erläuterte auch für absolute Laien anschaulich die Bedeutung von Fracfluiden sowie den Zweck der beigefügten Zusätze, die in Medien gerne auf den Begriff „Chemikalien“ oder noch unpassender „Chemie“ reduziert werden. Anhand eines Datenblattes zeigte Dr. Schaumberger auf, welche Zusätze bei einer Fracmaßnahme konkret eingesetzt werden können. Konkret bezog er sich auf die Fracbehandlung der Bohrung „Buchhorst T12“ im Jahr 2011, der letzten Fracmaßnahme in einer Erdgaslagerstätte in Deutschland (Link zum Datenblatt).

In diesem Zusammenhang machte er deutlich, dass es die Fracflüssigkeit nicht gibt und erklärte, dass die Zusammensetzung von Bohrung zu Bohrung entsprechend der Lagerstättenparamater unterschiedlich sein kann und das für Schiefergaslagerstätten der Anteil von Additiven sowohl absolut (Anzahl) als auch relativ erheblich geringer ist, als in Sandsteinlagerstätten.

Aus Sicht von Dr. Schaumberger handelt es sich bei dem Fracverfahren, insbesondere in Hinblick auf den Grundwasserschutz, um ein sicheres Verfahren. Er kritisierte dabei, dass Verfahren, die eindeutig negativen Einfluss auf die Grundwasserbeschaffenheit haben, in erheblich geringerem Maße öffentlich debattiert werden. Explizit bezog er sich dabei auf die Landwirtschaft.

Die anschließende Podiumsdiskussion wurde durch einleitende Statements von Frau Steiner sowie Herrn Dr. Löwer eingeläutet.

Wie kaum anders zu erwarten verstieg sich Frau Steiner in Allgemeinplätze und stellte die Einschätzung der Referenten, dass Fracmaßnahmen sicher durchführbar wären, mit dem vom Autor erwarteten Vergleich zur Kernkraft in Frage. Überraschenderweise lehnte sie den Einsatz von Fracmaßnahmen zur Erschließung von Erdgasvorkommen nicht grundsätzlich ab, sondern nur für unkonventionelle Lagerstätten. Eine plausible Begründung dafür lieferte sie jedoch nicht.

Dr. Löwer stellte die volkswirtschaftliche Bedeutung des Rohstoffes Erdgas heraus sowie dessen Wichtigkeit als wenig Kohlendioxid freisetzender Energieträger und somit natürlichem Begleiter der Energiewende. Als mittlerweile nicht mehr hinnehmbar bezeichnete er das seit vier Jahren (aus Sicht des Autors fünf Jahre) bestehende freiwillige Moratorium bezüglich der Genehmigung von Fracmaßnahmen unabhängig vom Lagerstättentyp.

Anzahl der Fracmaßnahmen in Niedersachsen seit 1961. Quelle:

Anzahl der Fracmaßnahmen in Niedersachsen seit 1961. Quelle: Was ist Fracking?

Da sich die Politik zum Thema Fracking über mehrere Jahre nicht zu einer gesetzlichen Neuregelung durchringen konnte, die die gegenwärtig gesetzlich verankerte Genehmigungspraxis komplizierter gestalten wird, worauf sich die Industrie sogar einließe, sieht sich die Industrie gezwungen, das freiwillige Moratorium aufzukündigen und auf Basis der bestehenden Gesetzeslage seit vier bis fünf Jahren ruhende Vorhaben voranzutreiben. Schließlich ist mittlerweile die Existenz eines gesamten Industriezweiges bedroht und man sei als Verband nicht (mehr) gewillt, dem Sterben tatenlos zuzusehen. Für die Entscheidungsträgheit der Politik machte Dr. Löwer den permanenten Wahlkampf, ob nun in Niedersachsen, in Nordrhein-Westfalen oder im Bund, verantwortlich, worauf ein Zuhörer in der Reihe hinter mir sagte „bloß nicht anecken“.

Die Podiumsdiskussion inklusive Fragerunde aus dem Publikum verlief im Wesentlichen in ruhigen Bahnen. Je eine kleine Entgleisung von der Sachlichkeitsschiene gab es sowohl aus den Reihen der einzelnen Kritiker als auch der Befürworter der inländischen Erdgasgewinnung.

Abgesehen von Frau Steiner waren sich die Diskutanten auf dem Podium darin einig, dass für die Debatte in Deutschland um das Thema Fracking insbesondere der Film „Gasland“ verantwortlich wäre. Ferner wurden Medien für ihre tendenziöse, skandalisierende Berichterstattung nicht nur zum Thema Fracking, sondern zur Erdöl- und Erdgasförderung in Deutschland teilweise sehr deutlich und namentlich (NDR) kritisiert. Hauptkritikpunkt war, dass irgendwelchen Behauptungen von Kritikern Glauben geschenkt wird, ohne den Sachverhalt zu prüfen oder gar Fachleute dazu zu befragen und diese Behauptungen dann ungeprüft als Tatsache verbreitet werden.

Insgesamt verlief die Veranstaltung in einem äußerst angenehmen Rahmen, was u.a. auch der souveränen diplomatischen Moderation von Herrn Hendrikx geschuldet war. Kritiker durften genauso zu Wort kommen, wie auch die mehrheitlichen Befürworter. Dass es auch anders sein kann, durfte der Verfasser im November 2014 auf einer von Gegnern organisierten Veranstaltung zum Thema Fracking erleben, als dieser sowie ein Mitstreiter von Teilen des Auditoriums regelrecht bedrängt und darüber hinaus beschimpft wurden sowie einer der Referenten, der Bundestagsabgeordnete von Die Linke, Hubertus Zdebel, keine kritischen Fragen zulassen wollte. Nachzulesen HIER und HIER.

Zum Abschluss vielen Dank an „Die Unabhängigen“ für diese informative und in sich runde Veranstaltung zum Thema Fracking.

Artikelfoto: Fracarbeiten auf einer Erdgasbohrung in Niedersachsen, Quelle: WEG e.V.

Ein Kommentar zu Celle: Gelungener Informationsabend zum Thema Fracking

  • Walter Stephan sagt:

    Ein wunderbarer Beitrag, der zeigt, dass man – wenn man denn will – sachlich, fachlich korrekt und wertfrei über die Methode des Hydraulic Fracturing informieren und debattieren kann. Es ist nur bedauerlich, dass eine Reihe von Politikern und vielfach auch die Medien davon wenig bis keinen Gebrauch machen. Insofern begrüße ich, dass Niedersachsens Wirtschaftsminister Lies verlautbart hat, dass auf niedersächsischer Seite alle Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden sollen, dass die Zukunft von Erdöl und Erdgas und auch Geothermie und Geoenergie gesichert ist. Das ist doch mal eine klare Aussage!

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