Gutachten kommt zum Ergebnis: Kein „Säureregen“ in Söhlingen bei Fackelarbeiten

Am 2. April 2014 erschien in der Kreiszeitung Rotenburg (KZR) ein Artikel, der darüber berichtete, dass fünf Einwohner des Dorfes Wittorf bei Visselhövede ihre Heimat verlassen wollen („Wittorfer verlassen Heimat: „Wollen keinen Krebs““.) Als Begründung führten sie Angst um ihre Gesundheit aufgrund der in der Region seit über 30 Jahren betriebenen Erdgasgewinnung an.

Angeblich hätten sie infolge einer Abfackelung von Erdgas auf einer 8,5 Kilometer entfernten Erdgasbohrung gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten. So sei dem Ehepaar Schimmeyer während des Abendspaziergangs übel geworden und sie hätten einen metallischen Geschmack auf der Zunge verspürt.

Exakt eine Woche später, am 9. April 2014 berichtete der NDR in seiner Sendung „NDR Regional“ dann über einen  Zwischenfall im Zusammenhang mit der Abfackelung von Erdgas auf der Erdgasbohrung „Söhlingen Z5“. Angeblich sollte ein Säureregen etwa eine Woche zuvor niedergegangen sein. Im Filmbeitrag kam ein Augenzeuge zu Wort, der als einer der fünf Umzugswilligen aus Wittorf identifiziert werden konnte. Es handelte sich um Herrn Schimmeyer. Er berichtete von Gesundheitsbeeinträchtigungen, von denen eine Woche zuvor in der KZR noch keine Rede war. Als Beweis für seine Vermutung, es wäre Säure ausgetreten, hielt er durchlöcherte Blätter in die Kamera. Kurioserweise wiesen diese unterschiedliche Schadensbilder auf. Einige hatten Löcher ohne Verfärbungen, andere wiesen Löcher mit Verfärbungen auf.

Andere Medien nahmen sich ebenfalls der Sache an, wie z.B. Radio Bremen („Giftige Wolke in Söhlingen“). Hier, wo man laut Beitragstitel überzeugt davon war, dass eine „giftige Wolke“ ausgetreten sei, kam als Zeuge Herr Andreas Rathjens aus dem von der Bohrung „Söhlingen Z5“ 25 Kilometer entfernten Groß Meckelsen zu Wort. Rathjens war bereits zuvor und auch in der jüngeren Vergangenheit als „Anwohner“ oder „Betroffener“ von angeblichen Umweltbeeinträchtigungen, die im Zusammenhang mit der Erdgasgewinnung stehen, in diversen Sendebeiträgen des NDR zu sehen. Im Gegensatz zu Herrn Schimmeyer machte er jedoch aus der Flamme der Fackel herunterrieselnde heiße Rußpartikel für die Löcher in den Blättern verantwortlich.

Über die widersprüchlichen Zeugenaussagen hinsichtlich der Ursache für die Löcher in den Blättern sowie über die plötzliche Ergänzung von angeblichen Gesundheitsproblemen haben wir ausführlich im Artikel „Angeblicher Säureregen in Söhlingen – Soll(te) ein Skandal konstruiert werden?“ berichtet.

Wir fragten uns bereits damals und tun dies heute immer noch, warum keine der Personen, die über erhebliche Gesundheitsprobleme während der Fackelarbeiten berichteten, nicht auf den Gedanken gekommen sind, Polizei oder Feuerwehr zu alarmieren. Denn das wäre die logische Konsequenz bei den geschilderten Symptomen gewesen. Erstaunlicherweise haben sich die professionellen Medien wie der NDR oder Radio Bremen diese Frage nicht gestellt. Uns war jedenfalls schnell klar: An der Geschichte stimmt etwas nicht!

Zweifel kamen vor allem bei dem vermeintlichen Beweis für den Säureregen auf, nämlich den durchlöcherten Blättern, die wie oben bereits erwähnt, unterschiedliche Schadensbilder aufwiesen. Zudem sind Löcher in Pflanzenblättern in der Natur nicht Ausnahme, sondern die Regel. Ursachen können z.B. Pilzbefall oder Tiefraß sein. Das wurde im Artikel „Angeblicher Säureregen in Söhlingen – Löcher in Blättern kaum beweiskräftig“ dargestellt. Ein Leser des Blogs der Zugriff auf starke Säuren hat, hat experimentiell nachgewiesen, dass weder stark konzentrierte Salzsäure noch stark konzentrierte Schwefelsäure Löcher in Blätter ätzen können. Die Ergebnisse des Experiments kann hier nachgelesen werden: „Ergebnis eines privaten Experiments: Starke Säuren können Blätter nicht perforieren“.

Schadensbild nach einer Minute Einwirkzeit

Mit Schwefelsäure (links) bzw. Salzsäure (rechts) behandelte Blätte. Schadensbild nach einer Minute Einwirkzeit. Foto: Thorsten Stehlik

Von Freunden und Bekannten der vermeintlich Betroffenen oder gar den „Opfern“ selbst wurden unsere kritischen Äußerungen empört zurückgewiesen. Die Ergebnisse des Expriments wurden sogar ins Lächerliche gezogen, und zwar in der Form, dass die „hohe Temperatur der Säure“ beim Austritt aus der Fackel nicht beachtet wurde. Nun, Anfang April ist es nachts noch ziemlich kühl und da es sich um einen Nebel gehandelt haben sollte (oder auch nicht), wäre aufgrund der Tröpfchengröße die Säure zügig abgekühlt. Abgesehen davon, dass hoch konzentrierte Salzsäure bei Fackeltemperaturen von mehreren 100°C im gasförmigen Aggregatzustand vorgelegen hätte.

Der Zorn gipfelte schließlich darin, dass mir von Herrn Schimmeyer via Facebookdisputs vorgeworfen würde, dass unsere Artikel und unsere veröffentlichten Zweifel mit dafür verantwortlich wären, dass Kinder von RWE-Dea-Mitarbeitern von Mitschülern gemobbt oder gar tätlich angegriffen würden. Dabei hat RWE-Dea mit dem angeblichen Vorfall rein gar nichts zu tun gehabt, denn es handelte sich um eine von ExxonMobil betriebene Bohrung, bei deren Reinigung Säure aus der Fackel geregnet sein soll.

Das an den Pranger gestellte Unternehmen beauftragte staatlich vereidigte Gutachter, die den unterstellten Vorfall untersuchen sollten. Sie begutachteten Pflanzenschäden, nahmen Bodenproben etc. und kamen zu dem Schluss, dass die Pflanzenschäden rein natürliche Ursachen haben. Grenzwertüberschreitungen von Schadstoffen, die im Erdgas vorkommen, wie z.B. Quecksilber oder aromatische Kohlenwasserstoffe konnten nicht durch die von ExxonMobil beauftragten Sachverständigen festgestellt werden.

Wie kaum anders zu erwarten wurden die Untersuchungsergebnisse von den angeblich Geschädigten nicht akzeptiert. Und die KRZ gab sich in einem entsprechenden Artikel („Söhlingen Z 5: Laut Exxon war es der Blaue Erlenblattkäfer“) wenig unparteiisch, in dem sie unabhängige Sachverständige in Gänsefüßchen setzte., was nichts weiter bedeutet, als das die Neutralität der staatlich vereidigten Gutachter angezwifelt wird. In meinen Augen eine unglaubliche Unverschämtheit den Sachverständigen gegenüber. Staatsanwaltschaft sowie die Bergbehörde (LBEG) wollten sich damals nicht äußern.

Doch das tat die Staatsanwaltschaft Verden jetzt. Wie die KZR am 25.02.2015 berichtet („Staatsanwaltschaft wird Ermittlungen nach Vorfällen in Söhlingen einstellen-Es gab keinen Säureregen“), werden die Ermittlungen eingestellt:

Ein Gutachten widerspricht allen Vermutungen schädlicher Gase am Rande der Erdgasförderstellen Söhlingen Ost Z1 und Z5.

heißt es in der Einleitung. In dem Artikel werden kurz die vermeintlichen Ereignisse und deren Folgen sowie der Verlauf der ersten Untersuchungen nach den Anschuldigungen von „Schimmeyer und Co.“ zusammengefasst. Auch die Untersuchungsergebnisse der von ExxonMobil beauftragten Sachverständigen werden noch einmal erwähnt.

Und diese wurden inzwischen durch einen weiteren von der Staatsanwaltschaft Verden beauftragten Gutachter weitestgehend bestätigt. So seien die Pflanzenschäden durch Mäuse, Larven, Schnecken, Käfer und durch Pilzinfektionen entstanden. Und der Sprecher der Staatsanwaltschaft Lutz Gaebel ergänzt, dass es keinen Nachweis gebe, dass Emissionen zu den Schäden geführt hätten. Dementsprechend werde das Verfahren eingestellt.

Es überrascht nicht, dass die diejenigen, die den Stein ins Rollen brachten und von der KZR als „betroffene Bürger“ bezeichnet werden, die Untersuchungsergebnisse des von der Staatsanwaltschaft beauftragten Gutachters genauso wenig wahrhaben wollen wie die der von ExxonMobil beauftragten Sachverständigen. Dem Gutachter wird Befangenheit unterstellt und seine Bestellung als besserer Witz. Und zwar deshalb, weil er aus der Region kommt.

Nachdem verschiedene Sachverständige und Behörden, zu dem Ergebnis kamen, dass keine bedenkenswerten Mengen an Schadstoffen im Zuge der Fackelarbeiten ausgetreten sind, sollten es die Ankläger einfach akzeptieren anstatt mit infantilem Trotz zu reagieren.

Im Übrigen hielten es weder der NDR noch Radio Bremen bislang für nötig, über die Einstellung des Verfahrens zu berichten. Dabei haben beide öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sich von Anbeginn der Anschuldigungen auf die Seite der Ankläger geschlagen und deren schwerwiegende Unterstellungen unkritisch, bzw. sogar als Tatsache, verbreitet. Und das nicht nur einmal, sondern wiederholt in verschiedenen Beiträgen. Damit haben sie alles andere als unvoreingenommen berichtet und somit wiederholt den Ruf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschädigt.

Beschädigt wurde durch die unserer Ansicht nach frei erfundene Geschichte selbstverständlich wiederholt der Ruf der inländischen Erdgasgewinnungsindustrie. Dieses Mal allerdings nicht wegen tatsächlichen, meist kleineren Vorfällen, sondern wegen nichts!