Herbern 58 – Wie ein Diffamierungsversuch in die Hose ging

Artikel geändert am 22.08.2016

Am nordöstlichen Rand des Ruhrgebiets prüft die HammGas GmbH (HammGas), ob sich aus den Steinkohleflözen des Oberkarbon darin enthaltenes Erdgas gewinnen lässt. Dazu wurde bis zum 16.08.2016 die Erkundungsbohrung Herbern 58 bis in eine Teufe von 1.031 Metern niedergebracht. HammGas sieht sich u.a. mit der Opposition einer Bürgerinitiative konfrontiert, die mit den bekannten Methoden gegen das Vorhaben agitiert. Doch nun hat es eine sehr wahrscheinlich unter Pseudonym handelnde Person übertrieben, in dem sie zuerst über die zu unserem Blog gehörende Facebookpräsenz schwere Anschuldigungen gegenüber der HammGas sowie gegenüber dem Bohrkontraktor äußerte.

Kurze Einführung in das Erkundungsvorhaben Herbern 58

Bohranlage auf Herbern 58. Foto mit freundlicher Genehmigung von Wilhelm Johann Röttgersbank

Ziel des Vorhabens ist die Gewinnung von Erdgas aus den in der Region verbreiteten Steinkohlevorkommen des Oberkarbon. Dazu soll das Fracverfahren zur Schaffung künstlicher Fließwege nicht angewendet werden. Nach Angaben von HammGas (Projektbeschreibung) ist die Anwendung des Verfahrens für die Erschließung der Kohleflözgasvorkommen in und um Hamm weder geeignet noch technologisch erforderlich. Stattdessen sollen mit einer als Tektomechanik bezeichneten Methode bereits vorhandene, durch tektonische Prozesse geschaffene Klüfte identifiziert werden.

Zunächst ist jedoch das Abteufen einer Erkundungsbohrung erforderlich, um die Kohleflöze aufzuschließen. Als Bohrkontraktor wurde die Daldrup & Söhne AG verpflichtet. Zum Einsatz kommt die Bohranlage BS 12 DS-05, die über eine Hakenlast von 175 Tonnen verfügt und Tiefbohrungen bis zu 3.000 Metern erstellen kann (Daldrup Geräteübersicht).

Am 17.08.2016 teilte HammGas mit, dass die Bohrung am Vortag um 0:45 Uhr erfolgreich und unfallfrei im geplanten Zielbereich in 1.031 Metern Teufe abgeschlossen worden ist. Der Hinweis „unfallfrei“ erfolgte eventuell aufgrund der schwerwiegenden Anschuldigungen einer sich „Silvio Müller“ nennenden Person, die diese zunächst auf unserer Facebookseite äußerte.

Schwere Anschuldigungen ohne Beleg

Bohranlage auf Herbern 58. Foto mit freundlicher Genehmigung von Wilhelm Johann Röttgersbank

Am schon fortgeschrittenen Abend des 08.08.2016 meldete sich „Silvio Müller“ bei uns. Endlich hätte er uns gefunden und lobte die interessanten Berichte auf unserem Blog. Doch unmittelbar darauf kam die Kehrtwende, die den Verfasser stutzig machte. In einem schrecklichen Deutsch, ohne Bezug auf die vorangegangenen lobenden Äußerungen behauptete „Silvio Müller“ dass „das Erdöl-Erdgas Deutschlandweiterhin“ schweren Schaden nehmen könnte, erführe die Öffentlichkeit vom „Pleiten, Pech und Pannen Abenteuer Herbern„. Damit ist eindeutig die Bohrung Herbern 58 gemeint. Konkrete Angaben machte „Silvio Müller“ zunächst nicht.

Vielmehr trug er uns auf, wir sollten als „Administratoren dieser Gemeinschaft Erdöl-Erdgas“ recherchieren. Das wäre besser als täte dies die BI in Herbern oder „gar das Recherche Team der öffentlich rechtlichen Funk und Fernseh Medien“ (Orthographie unverändert übernommen). Wie jemand, der uns angeblich „endlich gefunden“ habe (als ob das sooo schwierig wäre) ausgerechnet auf das NDR/WDR Rechercheteam, teilweise unter Mitwirkung der privatrechtlichen „Süddeutschen Zeitung“, kommt, welches insbesondere im medial herbeigeredeten Bohrschlammskandal auf unserem Blog kritisiert wurde, erzeugte prompt Skepsis an der Glaubwürdigkeit des „Silvio Müller“.

Daraufhin entspann sich eine Debatte, in deren Verlauf für einen klitzekleinen Moment der Eindruck entstand, es könnte sich bei dem Denunzianten tatsächlich um einen Insider handeln. Doch dieser Eindruck zerschlug sich sehr zügig, denn „Silvio Müller“ offenbarte deutliche Schwächen in der Verwendung von Fachbegriffen. Zudem waren ihm gängige Maßnahmen zur Absperrung von Verlustzonen offenbar unbekannt.

Der Bitte, konkret zu werden, da er ansonsten gesperrt würde, kam der vermeintliche Whistleblower nicht nach. Stattdessen beendete er von sich aus die Diskussion. Zwischenzeitlich hatte der Verfasser ihm zu verstehen gegeben, die Vorwürfe an die HammGas weiterzuleiten. Mit dem angekündigten Rückzug des „Silvio Müller“ war die Angelegenheit jedoch nicht beendet.

Verantwortlicher von Stop Fracking schaltet sich ein

Heuwagen mit Protesttransparent. Foto mit freundlicher Genehmigung von Wilhelm Johann Röttgersbank

Heuwagen mit Protesttransparent. Foto mit freundlicher Genehmigung von Wilhelm Johann Röttgersbank

Drei Tage nachdem „Silvio Müller“ bei uns unbewiesene und durchschaubar falsche Äußerungen getätigt hatte, meldete sich Herr Mathias E., verantwortlich für die Facebookseite „Stop Fracking“ und bis vor einiger Zeit auch für den Blog „Gegen Gasbohren“, bei uns. Angeblich wäre ihm zu Ohren gekommen, dass es große Probleme gäbe, mit der Herbern 58 die Kohleflöze überhaupt zu erreichen.

Auf Nachfrage hätte er die Informationen von einem Ingenieur der Unternehmens ENGIE, dass Partner des Projektes sei. Das würden wir sicherlich wissen. Zugegebenermaßen wissen wir das nicht. Dem Verfasser ist lediglich bekannt, dass HammGas ENGIE, damals noch unter GDF-Suez E&P Deutschland GmbH firmierend, als Partner mit ins Boot holen wollte. Ob dies tatsächlich erfolgte, entzieht sich meiner Kenntnis. Allerdings ist es kaum vorstellbar, dass jemand aus der deutschen Explorations- und Produktions (E&P)-Industrie an jemanden Informationen weitergibt, der mitverantwortlich für den Niedergang dieses Wirtschaftszweiges ist.

Auf den Post von Herrn E. reagierte, trotz angekündigten Rückzuges, wiederum „Silvio Müller“. Dieser wiederholte seine Anschuldigungen gegenüber der HammGas bzw. dem Bohrkontraktor. Nur 16 Minuten nach dem erneuten Auftauchens des Denunzianten erschien dann bei „Stop Fracking“ ein Auszug der auf unserer Seite geführten Diskussion. Letztendlich führte diese aus Sicht des Verfassers durchsichtige Farce dazu, die HammGas über die Denunziation in Kenntnis zu setzen. Darüber setzte ich Herrn E. in Kenntnis, der daraufhin entgegnete, dieses auch zu tun und darüber hinaus auch die Bergbehörde, die bei der Bezirksregierung Arnsberg angesiedelt ist. Doch sehr wahrscheinlich hat sich Herr E. auch an die Regionalpresse gewandt.

Selbst entschloss ich mich, die Diskussionsstränge mit den unbewiesenen Behauptungen zu löschen. Hintergrund ist, dass möglicherweise justitiable Äußerungen von „Silvio Müller“ getätigt worden sind. Und dafür möchte ich nicht als Multiplikator verantwortlich gemacht werden. Von „Silvio Müller“ wurde diese Entscheidung so interpretiert, dass „man“ ungestört weitermachen wolle wie bisher. Manche Menschen sind offenbar damit überfordert, dass wir nicht mit der Industrie verbändelt sind, sondern uns einfach nur für die Erdöl-Erdgastechnik begeistern, so wie sich andere beispielsweise für Eisenbahntechnik interessieren.

Dass die ganze Angelegenheit ziemlich sicher konzertiert war, wurde schließlich daran deutlich, indem „Silvio Müller“ folgendes zum Besten gab, nachdem ich ihm vorfarf, Unwahrheiten zu verbreiten:

Unwahrheiten? OK. Werden wir das Ganze an ie große Glocke hängen und vehement ein Zementlogging fordern. Entsprechende Einzelheiten werden nun den ermittelten (korrekt müsste es ermittelnden heißen) überreicht. […]“ Hervorhebungen durch den Verfasser, Tipp- und Rechtschreibfeler wurden übernommen (Quelle: „Stop Fracking“).

Interessant: Plötzlich wurde aus der Einzelperson „Silvio Müller“ WIR und tatsächlich erfolgte eine Information der Behörde. Interessanterweise wird von „Stop Fracking“ auch ein Zementlogging eingefordert. Wer sich mit Tiefbohrungen ein wenig auskennt weiß jedoch, dass ein solches Zementlogging als Dichtigkeitsnachweis zwingend erforderlich ist, um von der Behörde die Genehmigung zur Testförderung zu erhalten.

Anschuldigungen sind Thema in der Regionalpresse

Bohranlage auf Herbern 58. Foto mit freundlicher Genehmigung von Wilhelm Johann Röttgersbank

Bohranlage auf Herbern 58. Foto mit freundlicher Genehmigung von Wilhelm Johann Röttgersbank

Am 16.08.2016, also einen Tag nachdem Herr E. angekündigt hatte, die Bergbehörde sowie HammGas über die Anschuldigungen zu informieren, erschien ein Artikel beim „Westfälischen Anzeiger“ (WA), der sich mit den bei uns getätigten Unterstellungen befasste (Gasbohren in Herbern: Vorwürfe via Facebook gegen Bohrfirma).

In diesem Artikel wird u.a. auch Bezug darauf genommen, was Herrn E. „zu Ohren“ gekommen sei. Interessanterweise wird „Silvio Müller“ als Quelle genannt. Dabei hatte E. uns gegenüber einen Ingenieur des Unternehmens ENGIE als seinen Informanten genannt. Der Artikel ist übrigens auf der Facebookseite „Stop Fracking“ vollständig abgebildet, der Name E. ist dort jedoch geschwärzt. Was damit bezweckt werden soll, hat doch jedermann via Internet Zugriff auf den Artikel mit vollständiger Namensnennung, ist fraglich.

Erwartungsgemäß weisen sowohl Bergbehörde, als auch HammGas sowie Daldrup & Söhne die Unterstellungen von sich. Die Aufsichtsbehörde weist darauf hin, dass die Bohrung enger begleitet wird, als es für solche Vorhaben ansonsten üblich ist. Abteilungsleiter Andreas Nörthen erklärt, dass im Zuge einer unangekündigten Begehung keinerlei Unregelmäßigkeiten festgestellt worden sind.

Deutlicher reagiert laut Artikel der Bohrkontraktor des Vorhabens Herbern 58. Die von „Silvio Müller“ geäußerten Beschuldigungen seien erlogen und fachlich unversiert. Dieser Einschätzung kann aus Sicht des Verfassers, der diesbezüglich Rücksprache mit Leuten vom Fach gehalten sowie zusätzlich Fachliteratur konsultiert hat, nur zugestimmt werden. Entsprechend prüft die Rechtsabteilung juristische Schritte gegen den Denunzianten. Selbiges gilt für HammGas, die ebenfalls die Anschuldigungen in das Reich der Märchen verorten.

Zwei Tage später nahm sich der WA abermals des Themas an (Vorwürfe gegen Daldrup haltlos – Lagerstätte am Bohrloch erreicht). Einleitend heißt es:

Aus Sicht der Bergbehörde ist nichts dran an den Vorwürfen, die ein Gasbohrgegner als „Silvio Müller“ via Facebook-Seite „Erdöl und Erdgas in Deutschland“ über angebliche Schlampereien bei der Erkundungsbohrung in Nordick verbreitet hat.[…]

Interessant ist, dass der vermeintliche Insider als „Gasbohrgegner“ tituliert wird. Das lässt vermuten, dass der Verfasser des WA-Artikels die Anschuldigungen des „Silvio Müller“ als unglaubwürdig einschätzt.

Das ist nachvollziehbar, da Andreas Nörthen als Vertreter der Bergbehörde plausibel darlegt, dass die vom Beschuldiger vorgenommenen Behauptungen hinsichtlich der Bohrung Herbern 58 unhaltbar sind. Er macht das an der Bergbehörde vorliegenden Protokollen fest, die einen „eindringlichen Beleg“ für ordnungsgemäße Ausführung darstellen. Auch darübe hinaus konnten Mitarbeiter der Behörde, die sich bei Abschluss der Bohrarbeiten vor Ort aufhielten, keine Unregelmäßigkeiten feststellen.

Gegner akzeptieren entlastende Untersuchungsergebnisse nicht

Weiteres Symbol des Protestes. Foto mit freundlicher Genehmigung von Wilhelm Johann Röttgersbank

Weiteres Symbol des Protestes. Foto mit freundlicher Genehmigung von Wilhelm Johann Röttgersbank

Wenig überraschend werden die entlastenden Prüfungsergebnisse der Bergbehörde nicht akzeptiert. Bereits infolge des ersten WA-Artikels wird der Behörde vorgeworfen, sich auf die Seite der „Bohrindustrie“ zu schlagen. Schließlich sei sie Genehmigungs- und Kontrollbehörde in einer Person. Nur trifft dieser vermeintlich Vorwurf auch auf andere Bereiche zu. So werden beispielsweise Anlagen/Einrichtungen der Lebensmittelindustrie durch eine bei den Landkreisen angesiedelte Behörde abgenommen und in der Folge der Betrieb durch eben diese Behörde überprüft. Das ficht „Stop Fracking“ offenbar nicht an.

Stattdessen wird gefordert, dass die Bergbehörde in ALLE Richtungen ermittle. Diese Forderung wird mit einem 3-Punkte-Katalog untermauert:

  1. Befragung aller Mitarbeiter auf der Baustelle zu den ausgeführten Arbeiten!
  2. Überprüfung der Arbeiten durch UNABHÄNGIGE Experten
  3. Silvio M. beschreibt detailliert was in Hamm passiert sein sein. Insbesondere ist zu überprüfen, ob bisher ein Zementlogging durchgeführt wurde, wenn das bisher nicht vollzogen wurde, ist davon auszugehen, dass sich der Silvio M. sehr wohl auskennt und über die anderen, die Sicherheit gefährdeten Vorfälle bescheid weiß und nicht gelogen hat.

Zu Punkt 2: Die Bergbehörde ist unabhängig, auch wenn es die Gegner regelmäßig in Frage stellen.

Zu Punkt 3: „Silvio Müller“ beschreibt überhaupt nichts detailliert, sondern gab fachlich unhaltbare Aussagen von sich. Auffällig ist, dass der „Insider“ bereits ein „Zementlogging“ einforderte, „Stopp Fracking“ das nun ebenfalls tut. Dabei ist ein solcher Log Voraussetzung dafür, dass eine Testförderung überhaupt genehmigt werden kann.

Doch seien die durchschaubaren Diffamierungen nicht genug, meint „Stop Fracking“ noch eins draufzusetzen (LINK):

Da wir die Machenschaften der Genehmigungsbehörde zur genüge kennen, sind wir überzeugt davon, dass davon nichts passieren wird.

Interessant wäre zu erfahren, auf welche Machenschaften sich das Diffamierungskomittee mit dem Post vom 16.08.2016 bezieht. Tatsächlich ist ja zügig etwas passiert. Denn wie bereits oben dargelegt, konnten die Anschuldigungen widerlegt werden. Doch das kann „Stop Fracking“ nicht akzeptieren, und fordert weiterhin ein Zementlogging der Herbern 58, wie aus einem Post vom 19.08.2016 hervorgeht (LINK):

Nichts anderes haben wir erwartet! Das kommt immer dabei heraus, wenn eine Behörde gegen die selbige ermittelt! Warum wird kein Zementlogging beauftragt? Das würde Klarheit bringen!

Aufgrund einer solch bornierten Arroganz kann sich der Verfasser der Forderung nach Ermittlung in ALLE Richtungen nur anschließen. Denn ALLE schließt auch die Gegner des Vorhabens ein. Es ist nicht auszuschließen, wie der „Westfälische Anzeiger“ ebenfalls vermutet, dass sich hinter „Silvio Müller“ ein Gegner aus der Gasbohrszene verbirgt.

Inwiefern das Vorhaben der HammGas letztlich erfolgreich ist, bleibt abzuwarten. Dazu ist eine Auswertung der anberaumten Testarbeiten der Herbern 58 erforderlich sowie das Ergebnis einer zweiten geplanten Bohrung. In diesem Sinne: Glück Auf!

 Artikelfoto: Bohrpfad der Herbern 58, Quelle HammGas