Herr Mattfeldt (CDU) und die Erdgasgewinnung der RWE-Dea. Oder: was stört ihn sein Gerede von gestern

von Dirk Weißenborn

Gewisse öffentliche Äußerungen des Herrn Bundestagsabgeordneten Mattfeldt  auf seiner Webseite könnten als Lehrstück im Politikseminar dienen. Ganz besonders diejenigen Aussagen, vom 18.03. 2014.

Diese sind unter folgender Überschrift zu finden (LINK):

Verkauf der RWE Dea ist Ausverkauf der Interessen der Bürger

Reißerisch, aber eben auch typisch für seinen Politikstil in Bezug auf die Erdgasgewinnung in der Region Verden (Niedersachsen).

Am 16. März 2014 hatte der Vorstand der in deutlichen finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Muttergesellschaft RWE den Verkauf ihrer im Erdöl- und Erdgasbereich tätigen Tochter RWE-Dea an einen Investor aus Russland öffentlich gemacht. Am selben Tag entschied sich eine Mehrheit der Bevölkerung auf der Halbinsel Krim per Referendum für den Anschluss an die Russische Föderation.

Das Ergebnis der Volkabstimmung auf der Krim trug zu den wachsenden internationalen Spannungen rund um die Ukraine bei. Angesichts der erheblichen Abhängigkeit unseres Landes von Erdgas- und Erdöllieferungen aus Russland  wurde in den deutschen Medien hinsichtlich der Auswirkungen eventueller Boykottmaßnahmen Russlands auf die Versorgungssicherheit  spekuliert. Bisher jedoch war Russland  immer ein verlässlicher Partner und Lieferant. Ob das in Zukunft so bleiben wird, ist abzuwarten.

Schon in seiner Einleitung dramatisiert Herr Mattfeldt:

Wenn ich auf die zuletzt beim Erdbeben entstandenen Schäden schaue und mir dann ansehe, dass die RWE Dea nun an einen russischen Oligarchen verkauft werden soll, dann macht sich bei mir mehr als Unbehagen breit.

Fördern russische Unternehmen Erdgas etwa mit grundsätzlich höherer „Erdbebenquote“?

Über die „Erdbeben“ wurde hier schon an anderer Stelle berichtet (LINK). Untersuchungen der staatlichen geologischen Behörde ergaben tatsächlich eine signifikante Zunahme seismischer Aktivitäten seit Aufnahme der Erdgasförderung auf dem Feld Völkersen. Ein Zusammenhang erscheint mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben (LINK). Es sei noch einmal darauf verwiesen, dass die Förderung des Erdgases als Ursache angesehen wird, jedoch nicht „Fracking“.

Wieweit die an Gebäuden festgestellten Schäden (z.B. Risse) in jedem Einzelfall auf seismische Ereignisse im Gefolge der Erdgasförderung zurückzuführen sind, mögen die Gutachter, evtl. die Gerichte, entscheiden. Es kommen prinzipiell u.a. auch Erschütterungen aus dem Bereich des Straßenverkehrs in Betracht. Für die Immobilieneigentümer ist es in jedem Fall mehr als ärgerlich.

Was aber haben die „Erdbeben“ mit dem „russischen Oligarchen“ (Anm: gemeint ist Herr Michail Fridmann) zu tun?

In keinem Fall kann der neue Eigentümer der RWE-Dea für die in der Vergangenheit aufgetretenen Schäden verantwortlich sein.

Herr Mattfeldt bleibt darüber hinaus den plausiblen Nachweis schuldig, warum ein angeblicher „russischer Oligarch“, der auf deutschem Staasgebiet wirtschaftlich tätig wird, weniger Gewähr für sicheres Arbeiten bietet, als der bisherige Eigentümer der RWE-Dea.

Die Argumentationslinie wird dünn, Herr Mattfeldt! Ganz schnell kann Ihnen auch ein antirussischer Zungenschlag unterstellt werden. Genau das können wir zur Zeit im Interesse der Erhaltung von Frieden und Stabilität überhaupt nicht gebrauchen. Ist nicht die Tatsache, dass ein russischer Magnat in dieser krisenhaften Zeit über

5 Milliarden Euro im Westen investiert, eher ein Zeichen für Vertrauen in die internationale Politik? Ich vermute sogar, dass Herr Fridmann angesichts der Bedeutung des geplanten Geschäfts vor dem Kauf der RWE-Dea  die Regierung Russlands informiert und zu Rate gezogen hat. Zu eventuellen Einwänden seitens seiner Regierung wurde zumindest nichts bekannt.

In der deutschen Erdöl- und Erdgasindustrie war schon seit Anbeginn ausländisches Kapital vertreten. Es sei nur daran erinnert, dass die RWE-Dea vor 1989 „Deutsche Texaco AG“ hieß. Wintershall kooperiert in Russland mit Gazprom und verfügt sogar über eigene Förderlinzenzen.

Und Herr Mattfeldt äußert, ohne eine einzige stichhaltige Begründung anzuführen, Zweifel an der Zuverlässigkeit des neuen Eigentümers, nur weil der ein Ausländer ist? Man merkt, dass der Abgeordnete Mattfeldt kein ausgewiesener Außen-, sondern eher ein Verdener Kirchturmspolitiker ist.

Diese Feststellung wird durch das folgende, längere Zitat noch erhärtet:

Ich verweise darin darauf, dass die Bürger in der Region angesichts des geplanten Verkaufs extrem beunruhigt seien. Außerdem habe ich darauf hingewiesen, dass bereits bisher die RWE Dea nicht sehr kooperativ bei den aufgetretenen Problemen – ausgetretenes Benzol, Erdbeben – agiert hat und ich befürchte, dass das unter dem russischen Oligarchen noch schlimmer werde: „Die Bürger fühlten sich bisher schon von Politik und Industrie im Stich gelassen. Mit der Gasförderung werden massive Gewinne aus dem Boden herausgezogen und auf dem Schaden bleiben die Bürger sitzen und fühlen sich allein gelassen. Die Bürger bezahlen einen hohen Preis für die Erdgasförderung.“ Diese harten Worte habe ich in meinen Briefen an die Bundesregierung gerichtet.

„Die Bürger in der Region“ sind auch beunruhigt, wenn Politiker die Angst – bewusst oder unbewusst – schüren. Das geschieht unter bewusster Ignorierung der Tatsache, dass RWE-Dea bisher eher kooperativ war und die tatsächlichen Austritte von Lagerstättenwasser incl. Benzol saniert hat bzw. weiter sanieren will und darüber hinaus sogar Vorbereitungen zur Versenkung des abgeschiedenen Lagerstättenwassers in Teilbereichen der Gewinnungsformation getroffen hat.

Welchen „hohen Preis“ die Bürger im Gefolge der Erdgasförderung zu zahlen haben, bleibt im Statement unklar.

 Erst recht abenteuerlich wird es beim Thema Versorgungssicherheit. Zitat:

Ich verweise darin auch auf den Faktor Versorgungssicherheit. Denn bereits jetzt ist Deutschland zwar nicht ausschließlich, aber in hohem Maße von russischem Gas abhängig. Diese Abhängigkeit würde sich durch den Verkauf weiter verstärken.

Befürchtet Herr Mattfeldt, deutsches Erdgas aus dem Feld Völkersen könne etwa nach Russland exportiert werden, nur weil der neue Eigentümer aus Russland stammt? Das kann er nicht ernsthaft annehmen. Russland ist nicht auf den Import von Erdgas aus deutschen Vorkommen angewiesen. Der Verkauf der RWE-Dea würde die Versorgungssicherheit unseres Landes erst dann beeinträchtigen, wenn der neue Eigentümer die Förderung in Völkersen und anderswo in Deutschland einstellen würde – in diesem Fall sicher sehr zur Freude bestimmter Bürgerinitiativen und Politiker, die daran tagtäglich arbeiten. Die Folge wäre jedoch eine noch höhere Importabhängigkeit unseres Landes, in näherer Zukunft besonders von Russland!

Herr Mattfeldt schrieb am 6.3.2014 zum UVP-Frac-Erlass der Niedersächsischen Landesregierung (LINK):

 Scharfe Kritik an rot-grünen Frackingplänen

Zu den Einzelheiten der Stellungnahme sei auf die Webseite des Abgeordneten verwiesen. Insgesamt versucht er darin, Rot-Grün bezüglich der Erdgaspolitik noch zu überholen. Ob er überhaupt noch Erdgasförderung in seinem Wahlkreis wünscht, erscheint dabei zweifelhaft. Wie er im Lichte seiner eigenen Äußerungen von mangelnder „Versorgungssicherheit“ bei Erdgas sprechen kann, bleibt sein Geheimnis. Er selbst tut mit seinen unsinnigen Forderungen, besonders zum Verbleib des Lagerstättenwassers, doch alles um die Versorgungssicherheit zu hintertreiben.

Abschließend sei noch auf einen weiteren interessanten Punkt hingewiesen. Die RWE sah sich angesichts ihrer desolaten wirtschaftlichen und finanziellen Situation – Medien sprechen von Verbindlichkeiten bis  zu 30 Milliarden Euro – zum Verkauf ihres profitablen „Tafelsilbers“ RWE-Dea veranlasst. Nicht zuletzt die überhastete Energiewendepolitik der Bundesregierung seit dem Jahr 2011 mit ihren planwirtschaftlichen Auswüchsen (EEG) trug somit dazu bei. Es kann Herrn Mattfeldt unterstellt werden, dass er die scheppernde Energiewende als einer der politisch Verantwortlichen mitgetragen hat.

Ein Ergebnis dieser „Energiewende“ ist nun der Eigentümerwechsel bei der RWE-Dea, den Herr Mattfeldt so vehement beklagt, dass er sich nach eigenem Bekunden sogar mit Schreiben an die Bundeskanzlerin Frau Merkel, den Bundeswirtschaftsminister Herrn Gabriel und sogar den Bundesaußenminister Herrn Steinmeier gewandt hat.

Den Antworten der genannten Regierungsmitglieder kann mit Interesse entgegen gesehen werden. Herr Mattfeldt hält uns ja auf dem Laufenden.